Der Kappzaum

Der Kappzaum
Im 17. u. 18. Jahrhundert war der Kappzaum an allen Akademien Europas in Gebrauch.
Danach geriet er etwas in Vergessenheit und wurde erst durch das Aufkommen der
"klassischen Dressur" in der Moderne wieder allerorts bekannt.
Mit dem Kappzaum kann bei einem rohen Pferd ein erster Gehorsam hergestellt werden.
Man fördert die Aufmerksamkeit, Biegsamkeit und Geschicklichkeit beim Longieren mit dem
Kappzaum, um nur einige Vorteile dieser Art von Arbeit aufzuzählen. Die Ausbilder, die das
Ziel haben dem Pferd die Anlehnung zu vermitteln, sind mit einem Kappzaum am besten
bedient. Alternativen sind das Longieren am Seilhalftern oder das Einschnallen der Longe in
die Trensenringe. Die Nachteile dieser Alternativen sind die unpräzise Einwirkung und hohe
Verletzungsgefahr.
Es gibt verschiedene Ausführungen von Kappzäumen:
- Der "schwere Kappzaum": meist dreiteiliges Naseneisen, dessen Teilstücke mittels
Scharnieren verbunden sind, ca. 2-3cm breites Nasenband, dick gepolstert, sitzt ein
Fingerbreit unter der Jochbeinleiste.
- Die Serreta: iberisch, ca. 1cm breites, starres U-förmiges Naseneisen mit Zähnen an der
Innenseite, daher der Name Serreta (=kleine Säge), meist mit einer dünnen Hülle aus Leder
versehen, die Ringe der Serreta sitzen häufig auf ca. 2cm langen Stegen wodurch eine
zusätzliche Hebelwirkung erreicht wird. Die Serreta sitzt tief auf dem Nasenrücken.
- Das Caveçon: südfranzösisch, Naseneisen aus einer Gliederkette (oft Motorradkette) mit
Lederhülle
- Pluvinel: Kappzaum aus Leder ohne Naseneisen. Diese Art Kappzaum wird nach dem franz.
Rittmeister Antoine de Pluvinel (1555-1620) benannt. In der heutigen Zeit oft aus Nylon
gefertigt.
Der schwere Kappzaum eignet sich für unerfahrene Longenführer und Pferde. Er macht
deutliche Einwirkungen möglich, verzeiht, aber kleine Fehler. Die Serreta ist ein für
unerfahrene Longenführer ungeeignetes Gerät da sie präzise und scharf einwirkt. Das
Caveçon liegt irgendwo in der Mitte zwischen den beiden oberen Exemplaren bei der
Schärfe der Einwirkung und passt sich gut jeder Nasenform an. Das Pluvinel hat die sanfteste
Wirkung, hat aber häufig das Problem des Verdrehens zur Seite, wenn der Kinnriemen nicht
stark genug festgeschnallt ist.
Wichtig an jedem Kappzaum ist der Backenriemen, der auf Augenhöhe angebracht sein soll
und stark genug festgezogen wird, damit auch bei leichtem Verdrehen des Kappzaums dieser
nicht ins Auge des Pferdes gerät. In die seitlichen Ringe auf dem Nasenstück können
Hilfszügel in Kombination mit einem Longiergurt eingeschnallt werden. Manche Kappzäume
haben an den Backenstücken weitere Ringe, die zur Befestigung eines Gebisses dienen. Der
Kappzaum wird immer in Kombination mit Longe u. Peitsche verwendet. Die Empfehlungen
für die Art und Ausführung dieser Hilfsmittel gehen dabei genauso weit auseinander wie bei
der Verwendung eines bestimmten Kappzaumtyps.
Der Kappzaum wird bei der Ausbildung, Training und Korrektur von jungen und alten Pferden
angewendet. Bei der Arbeit vom Boden aus ist es einfacher, das Vertrauen eines Pferdes zu
gewinnen, weil man sich nicht auf dem Rücken des Pferdes in "Raubtier-Position" befindet.
Vom Boden aus kann man die Verhaltensformen des Pferdes gut beobachten und
analysieren, was der nächste Trainingsschritt sein sollte. Das Pferd lernt am Kappzaum den
Mensch zu respektieren und lernt die Sprache der Hilfen. Der Ausbilder kann verhalten,
nachgeben, die Hand stehen lassen oder weich werden sowie das Pferd biegen, Gang,
Haltung und Hufschlagfiguren frei variieren. Durch diese Art von Gymnastik und ohne die
vom Reitergewicht erzeugten Störungen verbessert man Losgelassenheit, Geschmeidigkeit
und Balance.
Bei der Ausbildung eines jungen Pferdes möchte man es zuerst mit den vorwärtstreibenden
(Stimme u. Peitsche) und dann den verhaltenden Hilfen (Stimme u. Kappzaum) bekannt
machen. Demnach beeinflusst man zuerst die Gangart. Als nächstes wird die Anlehnung
erarbeitet um so die Richtung bestimmen zu können. Erst dann wird die Form des Pferdes
bearbeitet, das heisst seitliche Biegung sowie Dehnungshaltung bzw. Grad der Aufrichtung.
In den Händen eines Tierphysiotherapeuten wird der Kappzaum in der aktiven Therapie
verwendet. Dabei reicht sein Einsatz von der Mobilisation des Halses bis zur Hinterhand. Der
ganze Körper des Pferdes kann bearbeitet werden. Der Kappzaum ist somit ein
unentbehrliches Hilfsmittel für die aktive Therapie bzw. das Training eines Pferdes.
Verwendete Bücher:
- Hohe Schule mit der Doppellonge, Philippe Karl, BLV Verlag, München 2002
- Reistkunst, Philippe Karl, BLV Verlag, München 2002
- Gymnasium des Pferdes, Gustav Steinbrecht, 14. Auflage, FN Verlag, Warendorf 1989
- Rückentraining mit dem Kappzaum, Kirsten Jung, Kosmos Verlag, Stuttgart 2009
- Medizinische Reitlehre, Robert Stodulka, Parey Verlag, Stuttgart 2006
- Aus Respekt!, Anja Beran, Wuwel Verlag, Schondorf 2005
- Die Schiefentherapie, Gabriele Rachen-Schöneich, Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart 2010