Ergotherapie verordnen mit dem IVAN-Algorithmus

Ergotherapie verordnen mit dem IVAN-Algorithmus
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
im März-Heft des Kinder- und Jugendarztes 2015 wurden die Ergebnisse der Interdisziplinären,
Verbändeübergreifenden Arbeitsgruppe Entwicklungsstörung, IVAN, zur Heilmittelverordnung
publiziert. Vertreter von BVKJ, DGSPJ und BAG vereinbarten einen Stufenschema für die Verordnung
von Heilmitteln (Abb. 1, Details der für niedergelassene besonders bedeutsamen Stufe 2in Abb. 2).
Das RopE-Konzept propagierte seit 2008 das Vorgehen in einem Stufenschema, so dass die
Materialien des RopE-Manuals ideal für die Umsetzung des IVAN-Algorithmus genutzt werden
können (RopE: Ressourcen-orientierte pädiatrische Ergotherapie, R. Dernick, 6. Aufl., Bezug über
www.FamilienErgo.de).
Im Folgenden finden Sie eine Zusammenstellung mit Kommentaren, welche Materialien an welcher
Stelle eingesetzt werden können, um die Abläufe in der Praxis effizient zu strukturieren. Die
Nummern der Kommentare beziehen sich auf die roten Zahlen in den Abbildung 1.
1. Bei Ergotherapieanfragen aus Kitas und Grundschulen können Sie mit Dok. 6.1-6.3. (alle
Dokumente 6.1.-6.17 finden Sie auf der CD des RopE-Manuals) bei den Institutionen
nachfragen, bei welchen Alltagsaktivitäten das Kind Schwierigkeiten hat, ob das Kind
darunter leidet und was schon pädagogisch versucht worden ist, um das Kind zu
unterstützen.
2. Bei Abschneiden im Bereich der 10er bis 15er Perzentile (entspricht T-Wert 38-40) können
die möglichen Intervention A erfolgen (S. Abb. 3)
a. Information und Beratung der Eltern. An erster Stelle steht die Beratung der Eltern
zur Förderung Ihrer Kinder. Nahezu alle Entwicklungsbereiche können durch
FamilienErgo gefördert werden. Das Buch „Topfit für die Schule“
(Küstenmacher/Dernick, Kösel-Verlag, ISBN 978-3-466-30777-7) enthält eine
Aufzählung der Fördermöglichkeiten im Familienalltag für praktisch alle
Entwicklungsbereiche (z. B. auditive Wahrnehmung, Seriation, Feinmotorik etc.). Das
Anleitungsheft „Fit für die Schule“ kann über die Praxis bestellt und an Eltern
weitergegeben werden. Eltern mit besonderem Beratungsbedarf können von der
MFA mit „FamilienErgo-Coaching“ beraten werden (www.FamilienErgo.de - > für
Praxen und Therapeuten)
b. Interventionsziele definieren. Die Definition konkreter Ziele verbessert häufig die
Wahrscheinlichkeit des Erreichens der Ziele. Eine Übersicht über mögliche konkrete,
alltagsrelevante (SMART-)Ziele und wie Sie diese kontrollieren können, finden Sie im
RopE Manual in Dok. 6.12- 6.17
c. Psychoedukation. Bei der Aufklärung der Eltern über die Normalität der Variabilität
in der Entwicklung ist das Buch „Kinderjahre“ von Remo H. Largo hilfreich. Die
Entwicklung des Kindes kann auch mit einem Adventskalender verglichen werden:
Die Entwicklungsschritte und Früh- und Spätentwicklungen sind schon vorgeprägt,
und jeden Monat dürfen wir mit Liebe und Zuwendung ein weiteres Türchen
„Entwicklungsschritt“ öffnen – ob sich dahinter als nächstes der 3-Wort-Satz, das
Trockenwerden oder das Dreiradfahren verbirgt, sehen wir erst, wenn es soweit ist.
d. Beratungsstellen. Auch wenn zur Zeit noch keine Therapie des Kindes erforderlich
ist, können wir den Eltern die kostenlose Beratung durch die
Erziehungsberatungsstellen anbieten, um mit dem geklagten, (noch) nicht
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pathologischen, Verhalten des Kindes besser umgehen zu können und den Alltag zu
entstressen.
e. Helfergespräche initiieren. Auch wenn die Organisation einer großen
„Helferkonferenz“ in der Kinderarztpraxis eher die Ausnahme bleiben dürfte, können
wir die Entwicklungschancen des Kindes verbessern, wenn wir unsere gewonnenen
Erkenntnisse den besorgten Erziehern/Lehrern mitteilen und uns nicht darauf
verlassen, dass die Eltern dies korrekt weitergeben (häufig kommt in den
Institutionen nur an: „Der hat nichts, braucht keine Ergotherapie“). Das Dok. 6-4
„Rückmeldung Arzt an Kita“ in Verbindung mit einem Gesprächsangebot an die
pädagogischen Fachkräfte kann dazu beitragen (Abrechnung Gespräch 15 min. über
EBM Nr. 04356)
3. Bei Ergebnissen der Basisdiagnostik unterhalb der 10er-Perzentile (T-Wert unter 38) können
30 Stunden Funktionstherapie verordnet werden. Die effektive Nutzung dieser
Therapieeinheiten einschließlich Elternanleitung und Vergabe und Durchführung der
Therapiehausaufgaben kann durch das Konzept „Elternarbeit überprüfen“, Dok. 6.14,
kontrolliert werden.
4. Immer wieder wird es Grenzfälle geben: Kinder, bei denen aus verschiedenen Gründen eine
exakte Diagnostik zur Zeit nicht möglich ist, Kinder mit eher qualitativen Störungsbildern
(Stiftdruck, Interaktionsqualität in Gruppen und vieles andere kann nicht exakt erfasst
werden), Kinder die lange auf einen Termin in SPZ warten müssen etc. Hier kann die ALFRegel hilfreich sein (ALF: Alltagsbeeinträchtigung, Leidensdruck, Fördermöglichkeiten
ausgeschöpft, s. RopE-Manual, S. 12-14): Wenn das Kind im Alltag beeinträchtigt ist und auch
bei Ausschöpfung der pädagogischen Möglichkeiten ein Leidensdruck bei Kind oder Eltern
besteht, ist offensichtlich eine Therapie indiziert.
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Abb. 1: Der IVAN-Algorithmus (rot eingekreist die Basisdiagnostik, S. Abb. 2)
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Abb. 2: Detail aus dem IVAN-Algorithmus: Basisdiagnostik (kann in Praxis oder SPZ erfolgen). Die
Basisdiagnostik sieht verpflichtend eine quantifizierende Testung vor. Rot eingekreist – Mögliche
Interventionen A, s. Abb. 3)
Abb. 3: Detail aus Abb.2: Mögliche Interventionen A. In BLAU die Empfehlungen des IVANAlgorithmus, in GRÜN die Anregungen für die Umsetzung in der Praxis von R. Dernick.
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