17.06.15 Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen zum Entwurf einer Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes, des TU-D-Gesetzes und des Staatsvertrages Sehr geehrte Herr Dr. Spies, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der vorgelegte Gesetzesentwurf steht am Ende eines langen Evaluations- und Beteiligungsverfahrens. Inwieweit Erkenntnisse aus diesem Prozess in den Entwurf Eingang gefunden haben, ist nicht ersichtlich. Der Entwurf wirkt wenig ambitioniert und ist eine Fortschreibung des Status quo und keine grundlegende Überarbeitung. Die Chancen für den notwendigen Wandel hin zu einer sozialen, demokratischen und ökologischen Hochschullandschaft werden nicht genutzt. Zentrale Anliegen zur Verbesserung der Arbeits- und Studienbedingungen sowie der Mitbestimmung bleiben unberücksichtigt. Wichtige Eckpunkte sind hierbei: • Gute Arbeit statt prekärer Beschäftigung Einführung von Mindestvertragslaufzeiten für Mitarbeiter_innen (3 Jahre, bzw. Projektlaufzeit) und Hilfskräfte (2 Jahre), eine verpflichtende Vergütung von Lehraufträgen und bei der Wahrnehmung von Daueraufgaben in Forschung und Lehre Stellen zur unbefristeten Beschäftigung, • Gute Studienbedingungen statt maßlosem Leistungsdruck Rechtsanspruch auf einen Masterstudienplatz, Festschreibung der Gebührenfreiheit, Abschaffung des Verwaltungskostenbeitrags, Einschränkung der Zwangsexmatrikulationen, Anspruch auf ein Teilzeitstudium • Demokratische Mitbestimmung statt autoritärer Steuerung Stärkung der Hochschulselbstverwaltung, Viertelparität jenseits unmittelbar wissenschaftlicher Belange, Abschaffung des Hochschulrats, Festschreibung der dezentralen Frauenbeauftragten, Abschaffung §76, Abs. 4 (Wahlbeteiligung und Finanzen der Studierendenschaft), Einführung des allgemeinpolitischen Mandats für die verfasste Studierendenschaft, Stärkung des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen in Berufungskommissionen und Gremien, 1 Im Gesetzesentwurf sehen wir insbesondere sieben Punkte kritisch: 1. Die Entwicklungszusage und Qualifikationsprofessur (§64): Wir begrüßen die Einführung einer Erstberufung auf Probe mit anschließender Möglichkeit auf Übernahme einer Lebenszeitprofessur sowie der Höhergruppierung im Anschluss an eine Bewährungsphase, allerdings muss in der Bewährungsphase dann (entsprechend des vorherigen Modells der Juniorprofessur) eine Reduktion der Lehrverpflichtung erfolgen, um den zeitlichen Rahmen für eine Qualifizierung zu gewährleisten. Die als Berufungsvoraussetzung zusätzliche Forderung nach erbrachten Leistungen in Forschung und Lehre im Anschluss an die Promotion läuft dem Gedanken einer Qualifikationsprofessur zuwider. Die Promotion selbst wird damit als Qualifikationsmaßstab für die Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit entwertet. Von diesen Zusatzanforderungen ist dementsprechend abzusehen. Die Einschränkung in Abs. 5, in dem Qualifikationsprofessuren ohne Entwicklungszusage begründet werden können, sehen wir sehr kritisch. Diese Möglichkeit birgt die Gefahr, dass reguläre Professuren durch eine solche Form der Qualifikationsprofessur ersetzt werden, was einerseits dem Ziel der Erhöhung der Anzahl an Professuren widerspricht und andererseits eine Planbarkeit des wissenschaftlichen Werdegangs nicht verbessert. Die Befristung der Arbeitsverhältnisse in der Bewährungsphase darf sich darüber hinaus auch nur auf das Modell der Qualifikationsprofessur beziehen (Abs. 4). Reguläre Professuren mit Entwicklungszusage dürfen nicht an ein befristetes Beschäftigungsverhältnis gekoppelt werden. Im Falle der Nichtbewährung ist die Professur in der niedrigeren Besoldungsgruppe unbefristet fortzuführen. Wir schlagen daher folgende Änderungen im Entwurf vor: Gesetzesentwurf § 64 Entwicklungszusagen, Qualifikationsprofessur (3) Das Ziel einer Entwicklungszusage kann an Universitäten, Kuns- und Musikhochschulen sowie der Hochschule Geisenheim im Fall der erstmaligen Verleihung einer Professur auch in der Erbringung der zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen nach $ 62 Abs.2 Nr.1 in Verbindung mit der Zusage der dauerhaften Übertragung einer Professur derselben oder einer höheren Besoldungsgruppe bestehen (Qualifikationsprofessur). In diesem Fall ist es erforderlich, dass die Bewerberin oder der Bewerber nicht an der berufenden Hochschule promoviert hat und nach der Promotion Leistungen in Forschung und Lehre erbracht hat; die Dauer der wissenschaftlichen Tätigkeit nach der Promotion darf vier Jahre nicht übersteigen. (4) Während der Bewährungsphase erfolgt die Beschäftigung in einem Beamtenverhältnis auf Zeit von einer insgesamt höchstens sechsjährigen Dauer oder in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Nach der erfolgreichen Evaluation wird das Beamtenverhältnis auf Zeit in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit umgewandelt, soweit die beamtenrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Zudem kann die GEW-Vorschlag § 64 Entwicklungszusagen, Qualifikationsprofessur (3) Das Ziel einer Entwicklungszusage kann an Universitäten, Kuns- und Musikhochschulen sowie der Hochschule Geisenheim im Fall der erstmaligen Verleihung einer Professur auch in der Erbringung der zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen nach $ 62 Abs.2 Nr.1 in Verbindung mit der Zusage der dauerhaften Übertragung einer Professur derselben oder einer höheren Besoldungsgruppe bestehen (Qualifikationsprofessur). In diesem Fall ist es erforderlich, dass die Bewerberin oder der Bewerber nicht an der berufenden Hochschule promoviert hat und nach der Promotion Leistungen in Forschung und Lehre erbracht hat; die Dauer der wissenschaftlichen Tätigkeit nach der Promotion darf vier Jahre nicht übersteigen. (4) Während der Bewährungsphase im Rahmen der Qualifikationsprofessur erfolgt die Beschäftigung in einem Beamtenverhältnis auf Zeit von einer insgesamt höchstens sechsjährigen Dauer oder in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Nach der erfolgreichen Evaluation wird das Beamtenverhältnis auf Zeit in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit umgewandelt, soweit die beamtenrechtlichen 2 Übernahme in ein höheres Amt erfolgen. Entsprechendes gilt für die Umwandlung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes. (5) Qualifikationsprofessuren können auch ohne Entwicklungszusage begründet werden. Für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses und die Evaluation gelten die Abs. 2, 3 und 4 Satz 1 entsprechend. (6) Die Befristungsregelungen des Abs. 4 Satz 1 gelten für nichtstaatliche Hochschulen entsprechend. Voraussetzungen hierfür vorliegen. Zudem kann die Übernahme in ein höheres Amt erfolgen. Entsprechendes gilt für die Umwandlung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes. (5) Qualifikationsprofessuren können auch ohne Entwicklungszusage begründet werden. Für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses und die Evaluation gelten die Abs. 2, 3 und 4 Satz 1 entsprechend. (5) Die Befristungsregelungen des Abs. 4 Satz 1 gelten für nichtstaatliche Hochschulen entsprechend. 2. Akademische Hilfskräfte (§75): Studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte sollen dem vorliegenden Entwurf zufolge in der Personalkategorie der akademischen Hilfskräfte zusammengefasst werden. Die vorgesehene Einschränkung auf höchstens 40 von Hundert Prozent einer Vollzeitbeschäftigung bedeutet eine Reduzierung der zulässigen Arbeitsstunden von vormals 82 auf 62 Stunden pro Monat und damit bei vermutlich gleichbleibenden Aufgaben eine Reallohnkürzung von in der Spitze um 170 (ohne BA-) bis 282 Euro (mit MAAbschluss) pro Monat. Da viele Studierende auf dieses Einkommen angewiesen sind, ist diese Eingrenzung unzumutbar. Die GEW begrüßt zwar, dass die Beschäftigungshöchstdauer für Hilfskräfte vor dem Studienabschluss ausgedehnt werden soll, jedoch fördert die Ausdehnung der Höchstbefristungsdauer von vier auf sechs Jahre nach dem Master-Abschluss prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Ebenfalls ist ein Bezug auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) nicht sinnvoll. Vor dem Hintergrund der angekündigten Novellierung des WissZeitVG durch die große Koalition könnte sich nicht nur die Rechtsgrundlage absehbar ändern, sondern ein Bezug an dieser Stelle legt fälschlicherweise eine mögliche Anrechnung von Dienstzeiten als Hilfskraft auf die Höchstbefristungsdauer nach WissZeitVG nahe. Der Einsatz von Hilfskräften mit einem wissenschaftlichem Hochschulabschluss sollte jedoch in Zukunft grundsätzlich ausgeschlossen werden, denn für Aufgaben mit einem entsprechenden Anforderungsniveau müssen bestehende Personalkategorien wie die der wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen genutzt werden. Darüber hinaus ist der GEW nicht ersichtlich, warum nur noch „fortgeschrittene“ Studierende als Hilfskraft eingestellt werden sollen, wodurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für Studierende wie für die Hochschulen unnötig bürokratisch eingeschränkt werden. Die GEW lehnt den Einsatz von Hilfskräften in „studiennahen Dienstleistungen“ ab, denn angesichts des bei diesen Tätigkeiten fehlenden engen Bezugs zu Forschung und Lehre bleibt der gesetzlich vorgesehene Nutzen für die „eigene Weiterbildung“ oftmals aus. Durch die gegenwärtige Praxis findet eine Verdrängung regulärer Beschäftigung statt. Für Hilfskräfte sollte eine gesetzliche Regelvertragslaufzeit von zwei Jahren vorgesehen werden, um den grassierenden Kurzzeitverträgen entgegenzuwirken. Die in Absatz 2 enthaltene Formulierung „Studierende, die ihr Studium abgeschlossen haben“ droht zu Rechtsunsicherheit zu führen, da nicht 3 eindeutig ersichtlich ist, welcher Studienabschluss im Rahmen von gestuften Studiengängen hiermit gemeint ist. Wir fordern außerdem, dass drei Semester nach Inkrafttreten dieser Novelle Hilfskräfte gemäß einem abzuschließenden Tarifvertrag zu beschäftigen sind. Dieser kann die Vergütung abweichend regeln. 3. Studienorientierungsverfahren (§57, Abs.2, Nr.7): Wir lehnen die verpflichtende Teilnahme an einem Assessment-Verfahren zur Hochschulzulassung ab. Im Unterschied zu einer Orientierungsphase zu Beginn des Studiums stellt dies eine politische Einschränkung der freien Berufswahl dar und führt zu einer weiteren Einschränkung des Hochschulzuganges. Die Hochschulzugangsberechtigung muss als Kriterium ausreichen. 4. Veröffentlichung von Zuwendungen der Studierendenschaft (§78): Die Studierendenschaft zu einer Veröffentlichung aller Bezüge von Mandatsträger_innen ohne Ausnahme zu verpflichten, lehnen wir als Regelung für das hessische Hochschulgesetz ab. Eine solche Regelung gehört – wenn überhaupt – in die Satzung der Studierendenschaft, die auch am besten darüber entscheiden kann, wo welche Daten zu veröffentlichen sind. Darüber hinaus gilt es in vielen Bereichen, z.B. bei den Referaten der ASten zum Thema Antifaschismus oder Schwulen und Lesben, namentlich Studierende vor möglichen Übergriffen rechter Gruppen zu schützen und ihre Namen nicht zu veröffentlichen. 5. Qualitätssicherung/Berichtswesen: Bei der geplanten Änderung sollten personenbezogene Daten ausschließlich nur unter Zustimmung der betroffenen Personen erfolgen. Darüber hinaus schlägt die GEW folgende wichtige Ergänzung vor: Die Hessischen Hochschulen berichten einmal jährlich über die „Ermittlung der Auslastung“ ihrer Lehreinheiten. Außerdem richten die Hochschulen ein umfassendes Beschäftigungsmonitoring ein, anhand dessen die Beschäftigungssituation beurteilt und die Entwicklung bewertet werden kann. 6. Demokratische Gremien und Mitbestimmung (§36ff.): Die vorgesehenen Mitbestimmungsmöglichkeiten gehen nicht weit genug und zum Teil in die falsche Richtung. Wir begrüßen ausdrücklich die Stärkung des Senats infolge der Stärkung der Findungskommission bei der Erstellung eines Wahlvorschlags für die Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten der Hochschule, wie sie in § 42 Abs. 5 vorgesehen ist. Entschieden lehnen wir jedoch die nur scheinbare Stärkung des Senats durch die Einführung eines Rechts auf Stellungnahme in Bezug auf den Budget- sowie den Entwicklungsplan der Hochschule ab. Anstatt Entscheidungen des Landes, der Präsidien oder der Hochschulräte durch eine Scheinnovellierung zu legitimieren, bedarf es mehr Zustimmungsrechte der Senate und Fachbereichsräte. Vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 24. Juni 4 2014, wonach prägende Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt der Hochschulen als wissenschaftsrelevant gelten und eine hinreichende Mitwirkung der beschäftigten Wissenschaftler_innen erforderlich machen, ist der bisherige Novellierungsentwurf aus unserer Sicht verfassungsrechtlich bedenklich. Gesetzesentwurf § 36 Senat (2) Der Senat ist zuständig für die Nr. 6: Stellungnahme zur Entwicklungsplanung der Hochschule nach Maßgabe des §42, Abs.1 Satz 4 und zur Einführung und Aufhebung von Studiengängen Nr. 7: Stellungnahme zum Budgetplan nach Maßgabe des § 42, Abs. 3 Satz 2 und den Zielvereinbarungen nach §7, Abs. 2, GEW-Vorschlag § 36 Senat (2) Der Senat ist zuständig für die Nr. 6: Zustimmung zur Entwicklungsplanung der Hochschule im Benehmen mit dem Hochschulrat. Sofern der Hochschulrat keine oder eine ablehnende Stellungsnahe nach § 42 Abs. 1 Satz 3 abgegeben hat, wird die Vorlage des Präsidiums zur Entwicklungsplanung vor der Beschlussfassung des Senats mit einer Vertreterin oder einem Vertreter des Hochschulrats erörtert. Der Senat ist zudem zuständig für die Einführung und Aufhebung von Studiengängen. Nr. 7: Zustimmung zum Budgetplan sowie für die Stellungnahme zu den Zielvereinbarungen nach § 7 Abs. 2, Analog müssten entsprechende Änderungen in §42 Hochschulrat [soweit nicht abgeschafft] umgesetzt werden. Mit freundlichen Grüßen Jochen Nagel Birgit Koch 5
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