gewerkschaft und wissenschaft Hochschulpolitik mit der GEW Rahmenkodex vor Abschluss? Svenja Schulze im Interview Mindeststandards für Zeitverträge Qualitätsrahmen für Deutschland Demokratisierung an der Uni Köln 1/2015 Stark machen für Gute Arbeit Bedingungen verbessern, Befristungen stoppen Rahmenkodex: Verbesserung der Arbeitsbedingungen weiter offen Am seidenen Faden? Foto: Seleneos / photocase.de Stehen die seit nunmehr fast drei Jahren laufenden Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Personalräten, Wissenschaftsministerium (MIWF) und Hochschulleitungen vor einem guten Ende im Interesse der Beschäftigten? Oder wird das Land gezwungen, die Arbeitsbedingungen an den öffentlichen Hochschulen selbst zu regeln? Mit dem zum 1. Oktober 2014 in Kraft getretenen Hochschulzukunftsgesetz NRW (HZG) soll jetzt endlich auch der in Artikel 34a kodifizierte Rahmenkodex „Gute Beschäftigungsbedingungen für das Hochschulpersonal“ normative Kraft entfalten. Grundlage für Gute Arbeit Im Frühjahr 2014 hatten PersonalrätInnen und HochschulexpertInnen das Gesetz auf zwei Hochschulkonferenzen bereits auf seine Zukunftstauglichkeit beleuchtet. Nachdem die Verhandlungen im Februar 2015 ins Stocken geraten waren, hatte die GEW NRW eine Reihe von Essentials für den Rahmenkodex vorgelegt und die Hochschulleitungen zur konstruktiven Wiederaufnahme der Verhand- lungen aufgefordert. „Wir wollen beim Stand der Reformen nicht stehen bleiben. Jetzt sind die Hochschulleitungen am Zug“, forderte Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW. Aktuell sehen der DGB NRW und seine Mitgliedsgewerkschaften GEW und ver.di sowie die Landespersonalrätekonferenzen der Hochschulbeschäftigten in der überarbeiteten Textvorlage des Wissenschaftsministeriums eine tragfähige Grundlage für Gute Arbeit in der Wissenschaft. Der neue Text – von einer großen Kompromissbereitschaft der Arbeitnehmerseite getragen und bilateral mit dem MIWF nachverhandelt – ist allerdings das letzte Angebot an die auf Zeit spielenden Hochschulleitungen, die nach wie vor auf die „Dortmunder Erklärung“ setzen. Die Gewerkschaften bewerteten die Zusammenarbeit mit dem Ministerium als konstruktiv, trägt es doch auch die Gesamtverantwortung für den Prozess und für das verhandelte Endergebnis – wie auch immer es aussehen wird. Wildwuchs der Befristungen stoppen Ob und inwieweit der Rahmenkodex indes rechtsverbindliche Wirkung haben wird, ist auch nach dem Rechtsgespräch mit Prof. Ulrich Preis, Universität Köln, und Prof. Wolfgang Däubler, Universität Bremen, sowie mit dem GEW-Rechtsexperten Peter HauckScholz noch nicht endgültig klar. Die Universitätsleitungen jedenfalls wollen – so die Aussage ihres Sprechers, des Kölner Rektors Prof. Axel Freimuth – ein Gutachten zum Status des Rahmenkodexes in Auftrag geben und danach entscheiden. „Dem Wildwuchs an extrem kurzen Verträgen im wissenschaftlichen Bereich muss endlich Einhalt geboten werden, Schluss mit dem ausufernden Gebrauch von sachgrundlosen Befristungen!“, fasste Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des DGB NRW, die Forderung von Gewerkschaften und Personalräten zusammen. Gewerkschaften und Personalräte fordern das Wissenschaftsministerium auf, zeitnah gemäß dem gesetzlichen Auftrag für den Abschluss des Rahmenkodexes zu sorgen. Die Verhandlungen gingen nach Redaktionsschluss am 19. Mai 2015 in die voraussichtlich letzte Runde. Diskutiert wurde eine neue Textvorlage, die das MIWF nach bilateralen Gesprächen mit den Landespersonalrätekonferenzen und Gewerkschaften sowie mit den Hochschulleitungen vorgelegt hat. Für den Fall, dass sich die Hochschulleitungen weiter verweigern, hat Wissenschaftsministerin Svenja Schulze vorsorglich erklärt, den Spielraum des Hochschulzukunftsgesetzes voll ausschöpfen zu wollen. Dann könnte das MIWF mittels der Rahmenvorgaben in Paragraf 6 (5) HZG Einfluss auf die Personalpolitik einer Hochschule nehmen – mit allen Risiken und Nebenwirkungen dieses Rechtsinstruments. Berthold Paschert, Hochschulreferent der GEW NRW Im Gespräch Foto: D. Wadewitz am 26. März 2015 in Düsseldorf gezogen. Wissenschaftsministerin und Gastrednerin Svenja Schulze stand der GuW Rede und Antwort. GuW: Nach den heftigen Auseinandersetzungen um das neue Hochschulzukunftsgesetz: Hat das Wissenschaftsministerium schon eine Zwischenbilanz zur Umsetzung an den Hochschulen gezogen? Svenja Schulze: Die Hochschulen arbeiten teilweise mit Hochdruck an der Überarbeitung ihrer Grundordnungen, manche sind schon fertig. Die Debatte über das Gesetz wird eine neue Richtung bekommen. Bei der Umsetzung des Gesetzes werden sukzessive die Vorteile der neuen Regelungen deutlich werden. So werden etwa Studierende künftig viel stärker einbezogen. Die GEW NRW begrüßt, dass das Land wieder mehr Verantwortung für die Hochschulen übernehmen und einen Landeshochschulentwicklungsplan vorgeben möchte. Die Hochschulen selbst pochen auf ihre Autonomie. Welche Konflikte sehen Sie? Svenja Schulze Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung Nordrhein-Westfalen Ein Zwischenfazit zur Umsetzung des Hochschulzukunftsgesetzes NRW und zum Verhandlungsstand für den Rahmenkodex haben Personalräte und HochschulexpertInnen auf einer Konferenz Da müssen viele Gespräche geführt und viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Zeit drängt. Das parlamentarische Beratungsverfahren gibt uns nur fünf Monate für die Vorbereitung. Wir wollen ja mit dem Landeshochschulentwicklungsplan nicht nur Fehlentwicklungen vorbeugen, sondern neue Entwicklungsmöglichkeiten erschließen. Primär geht es um das Hochschulsystem als Ganzes, es geht um strategische Kernaussagen: Wie können wir die Leistungsfähigkeit des Hochschulstandortes NRW steigern? Die GEW NRW fordert „Kein Hochschulentwicklungsplan ohne einen Plan zur Personalentwicklung und zur Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen“. Wieso wird der Rahmenkodex nicht Bestandteil des Plans? Wir wollen über unsere sieben wissenschaftspolitischen Prioritäten die Planungsgrundsätze definieren: Differenzierung der Hochschulen, Ausbau der Fachhochschulen, Fächervielfalt, Studienerfolg, Studienqualität, Forschung an gesellschaftlichen Herausforderungen und Zusammenarbeit der Wissenschaftseinrichtungen. Daneben gibt es einen rechtlich-politischen Rahmen. Hierzu zählt neben der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit insbesondere das Prinzip „Gute Arbeit“. Dafür steht der „Rahmenkodex für gute Beschäftigung“. Was passiert, wenn es bei den Verhandlungen zum Kodex keinen Konsens gibt? Gut ist natürlich in diesem Zusammenhang, dass die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Fahrt aufgenommen hat und hoffentlich weitere Bundesmittel für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Verfügung stehen werden. Wir haben nun in NRW einen Rahmenkodex mit Gesetzesrang. Ich gehe davon, dass die Hochschulleitungen ihrer Verantwortung bei der Gestaltung sinnvoller und verpflichtender Standards nachkommen werden. Wir nehmen die Arbeitsbedingungen klar in den Fokus: Wenn wir eine Hochschullandschaft auf höchstem Niveau wollen, sind Verbesserungen für die Beschäftigten eine unerlässliche Voraussetzung. Die Fragen für die GuW stellte Berthold Paschert. Prekäre Beschäftigung behindert demokratische Beteiligung Erzwungener Rücktritt Ende 2014 hat der Personalrat der wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten der Robert-Schumann-Hochschule veröffentlicht, dass die verbliebenen Mitglieder gemeinsam zurücktreten. Hintergrund dieser Entscheidung war, dass die Hochschule einem Mitglied des Personalrats keine weiteren Lehraufträge erteilt und damit den Verbleib im Personalrat beendet hat. Der Personalrat stellte dazu fest: „Über die Neuvergabe von Lehraufträgen hat die Hochschulleitung also faktisch nicht nur ein Druckmittel gegen jeden einzelnen Lehrbeauftragten in der Hand, sondern auch gegen möglicherweise unbequeme Lehrbeauftragte im Personalrat.“ besonderen Schutz vor Kündigungen, aber für befristet beschäftigte Personalratsmitglieder bedeutet dies nicht, dass sie einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung haben. Das Bundesarbeitsgericht hat dies in einer Entscheidung vom 5. Dezember 2012 (Az. 7 AZR 698/11) bestätigt. Kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung Personelle Grundlage fehlt An diesem Beispiel wird deutlich, dass sich die zunehmende Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse auch auf die Arbeitsfähigkeit der Personalräte im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich auswirkt. Personalratsmitglieder verfügen zwar über einen An vielen Hochschulen ist zu beobachten, dass Mitglieder der wissenschaftlichen Personalräte überproportional häufig Datenverarbeitungszentralen, Bibliotheken oder sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen entstammen – Bereiche, in denen es mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse gibt als in den Fakultäten. Mit Sorge beobachten die Personalräte, dass einige Hochschulleitungen aus diesen Einrichtungen Verwaltungsbestandteile machen (wollen), denn auch damit wird den Personalräten der wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten die personelle Grundlage teilweise entzogen. Voraussetzung für wirksame Personalratsarbeit ist unter anderem ein gewisses Maß an Unabhängigkeit der handelnden Personen. Deshalb führt die zunehmende Prekarisierung an den Hochschulen auch dazu, dass solche demokratischen Prozesse erschwert werden. Bernadette Stolle, Vorsitzende des Personalrats der wissenschaftlich Beschäftigten der Fachhochschule Südwestfalen sowie Mitglied im Fachgruppenausschuss Hochschule und Forschung der GEW NRW Mindeststandards für Zeitverträge realisieren Dauerstellen für Daueraufgaben Das WissZeitVG ist im April 2007 in Kraft getreten und hat die Regelungen der Paragrafen 57a ff. des Hochschulrahmengesetzes (HRG) ersetzt und weiterentwickelt. Es sollte den Teil der Verträge regeln, der von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen befristet vergeben werden kann. Damit waren vor allem Promotionsstellen und die Beschäftigung in Drittmittelprojekten betroffen. Nach nur vier Jahren WissZeitVG waren die Zahlen in 2011 alarmierend: Der Anteil der befristet Beschäftigten an Hochschulen war rasant auf über 80 Prozent angewachsen und die Laufzeit der Verträge weiterhin sehr kurz. Weit mehr als die Hälfte der Verträge hatte eine Laufzeit von deutlich unter einem Jahr, ein weiteres Drittel lag bei knapp zwei Jahren. Dreijahresverträge waren eine Seltenheit. Bei den Drittmittelverträgen waren die Relationen noch miserabler. Diese Zahlen aus dem Erhebungszeitraum 2008 bis 2010 sind in den letzten Jahren nicht besser geworden – im Gegenteil: Der Anteil der den Hochschulen nur befristet zur Verfügung stehenden Mittel ist enorm angewachsen. GEW treibt Kodex voran Die staatliche Grundausstattung – im Haushaltsplan Nordrhein-Westfalens als „Zuschüsse für den laufenden Betrieb“ bezeichnet –, die jedes Jahr relativ fest eingeplant werden kann, wächst mit den Aufgaben Foto: Kuzma / shutterstock.com Der Anteil der Befristungen ist in den letzten Jahren so enorm angestiegen, dass auch das Bundeswissenschaftsministerium (BMBF) an einer Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetztes (WissZeitVG) nicht vorbeikam. Eine Novellierung des Gesetzes steht für die GEW außer Frage. Die Bildungsgewerkschaft treibt die Diskussion mit einem ausführlichen Gesetzentwurf voran. nicht mit. Kurz- und mittelfristige Projektmittel für Lehre und Forschung sichern die Grundversorgung mit ab. Exzellenzinitiative, Hochschulpakte und BMBF-Mittel zur Verbesserung der Qualität der Lehre sind an den Hochschulen willkommen, haben aber einen stetig wachsenden Anteil an Fristverträgen zur Folge. Die Anzahl der Dauerstellen und Professuren ist im Verhältnis zur Anzahl der qualifizierten Nachwuchskräfte nicht proportional angestiegen, was die Verbleibs- und Aufstiegschancen stark gemindert hat. Die GEW hat diese Entwicklung frühzeitig aufgegriffen und durch die Kampagne „Templiner Manifest“ in die Öffentlichkeit getragen. Im „Herrschinger Kodex“ wurden Mindeststandards formuliert und Wege zur Umsetzung aufgezeigt. Auch Wissenschaftsorganisationen wie die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Wissenschaftsrat (WR) haben die Dramatik erkannt und mit einer Reihe von Erklärungen und Empfehlungen eine grundlegende Änderung der Situation empfohlen. Im Juli 2014 hat der WR grundlegende Empfehlungen beschlossen und die Karriereziele und -wege im deutschen Wissenschaftssystem als „insgesamt reformbedürftig“ bezeichnet sowie Karrierewege für den akademischen Mittelbau in Dauerstellen gefordert. Die HRK hat in den letzten drei Jahren zwei Grundsatzpapiere verabschiedet, die in den Hochschulen eine breite Diskussion zur Verbesserung der Nachwuchssituation befördern sollten. An vielen Hochschulen führte die öffentliche Debatte zum „Kodex Gute Arbeit“ und in NRW wurde sein Inhalt 2014 im neuen Hochschulgesetz kodifiziert. GEW legt Gesetzestext vor Selbstverpflichtungen von Hochschulen sind zu begrüßen – das ist unverkennbar. Ebenso muss den Akteuren aber bewusst werden, dass eine nachhaltige Verbesserung der Situation nur durch eine präzisierende Novelle der gesetzlichen Grundlagen zu erreichen ist. Die GEW ergriff Anfang des Jahres die Initiative und legte einen novellierten Gesetzestext vor. Gleich nach seiner Präsentation in Berlin mit öffentlicher Anhörung von ExpertInnen hat auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka ihre Bereitschaft zu einer Novelle mitteilen lassen. Die Kernpunkte der GEW-Gesetzesinitiative sind: ◆◆ Dauerstellen für Daueraufgaben: Bei Stellen mit überwiegend Lehraufgaben sind ebenso wie bei Lehrorganisation oder langfristigen Forschungsvorhaben unbefristete Verträge zu vergeben – das gilt auch in der Wissenschaftsverwaltung. ◆◆ Befristung bei Qualifizierung: Eine sachgrundlose Befristung ist möglich bei Stellen, die zur Promotion führen. Zulässig p us www.nds.gew-nrw.de Wissenschaftsrat: Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an der Universität Hochschulrektorenkonferenz: Kernthesen und Konzepte zur Nachwuchsförderung PDF www. Landesdelegiertenversammlung Die Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW NRW lädt ein zur Landesdelegiertenversammlung am 30. Oktober 2015, um 13.00 Uhr ins DGB-Haus, Teichstraße 4, 45127 Essen. Wichtige Tagesordnungspunkte ◆◆ Rechenschaftsbericht über die letzte Amtsperiode ◆◆ Wahlen unter anderem der/des Fachgruppenausschussvorsitzenden beziehungsweise eines Leitungsteams ◆◆ Podiumsdiskussion: Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes Kommentar: Streit um die Demokratisierung an der Universität zu Köln Elitärer Pragmatismus oder Emanzipation? Infolge des neuen Hochschulgesetzes müssen alle Hochschulen in NRW ihre Grundordnungen ändern. Wichtige Neuerungen stehen unter anderem bei der Besetzung der Gremien an. Bisher hatten die ProfessorInnen in fast allen Hochschulgremien die absolute Mehrheit. Nach dem neuen Hochschulgesetz sollen jetzt die Senate, die höchsten Hochschulgremien, standardmäßig paritätisch – das heißt mit gleich vielen Mitgliedern aus allen Gruppen der Hochschulen – besetzt werden. Allerdings können sie auch weiterhin in allen Fragen, die Lehre und Forschung unmittelbar betreffen, durch entsprechende Stimmgewichtung alle anderen überstimmen. Im Gegensatz zu den meisten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen soll die neue Regelung an der Universität zu Köln keine Anwendung finden. Unpraktisch Stattdessen soll genutzt werden, dass das Gesetz genehmigungspflichtige Sonderlösungen vorsieht, die ebenfalls „eine qualifizierte Mitbestimmung“ ermöglichen. Am 25. März 2015 hat der Senat entschieden, dass die Gruppe der ProfessorInnen im Senat neun Stimmen hat, die anderen Gruppen zusammen nur acht Stimmen. „Eine qualifizierte Mitbestimmung“ sei trotzdem durch drei zusätzliche, rein beratende SenatsKommissionen für Studierende und Beschäftigte gewährleistet, in denen die Probleme der jeweiligen Gruppen die Mehrheit haben und behandelt werden. Der von der Hochschulleitung und den SenatorInnen der Beschäftigten angeführte Grund: Der Senat würde handlungsunfähig, wenn bei einzelnen Abstimmungen darüber gestritten werden müsse, welche Stimmgewichtung jeweils anzuwenden sei. Ist Demokratie also unpraktisch? allein den ProfessorInnen die Verantwortung für die Gesamtentwicklung der Universität zugeschrieben. Alle anderen werden von Subjekten der Wissenschaft zu ZuarbeiterInnen degradiert, die zum Dank in speziellen Gremien um die Berücksichtigung ihrer Anliegen betteln und vom Wohlwollen der ProfessorInnen abhängig sein sollen. Die Dysfunktionalität dieses Konzepts wird allein schon daran deutlich, dass in der Studienkommission keine DozentInnen vorgesehen sind. Trotz Protest hat nur ein (studentischer) Senator dagegen gestimmt und ein Sondervotum eingereicht. Die Fachgruppe Hochschule und Forschung der GEW NRW sowie Vertrauensleute von ver.di fordern ebenfalls eine Drittel-Parität. Doch der Drops ist noch nicht gelutscht: Am 6. Mai 2015 wurde im Senat zwar beschlossen, dass die ProfessorInnen weiterhin die Mehrheit bei allen Entscheidungen haben, doch das Ministerium kann die Kölner Demokratievermeidungssonderregelung noch zurückweisen. Umstritten In derselben Sitzung wurde der Beschluss für eine Friedensklausel für die Universität zu Köln nach fünf Jahren Widerstand gefasst. Die gewohnte Wettbewerbs- und Drittmittelfolklore sowie die vermeintliche Sorge um die Wissenschaftsfreiheit wich dabei echter Freude darüber, zu gelungener Friedenspolitik beizutragen. Umstritten blieb allerdings, ob es dabei auf die elitäre Regierung durch „die Besten der Besten“, die paternalistische Erziehung der Universitätsmitglieder durch wohlwollende ProfessorInnen oder die gemeinsame Emanzipation aller ankommt. Stefan Brackertz und Klaus Hermann, Mitglied im Fachgruppenausschuss Hochschule und Forschung der GEW NRW Degradiert Die Konstruktion der neuen Kommissionen ist dabei ebenso kritisch zu sehen: Wie auch bei der Senatssitzung vor allem von der Öffentlichkeit heftig beanstandet, wird Foto: hajos / photocase.de ist eine Dauer von bis zu sechs Jahren. Mindestens 50 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit müssen für das Promotionsvorhaben zur Verfügung stehen. Nach abgeschlossener Promotion ist eine befristete Weiterbeschäftigung zulässig, wenn in einer Nebenabrede ein Qualifizierungsziel vereinbart ist. Für den Fall, dass dieses Ziel erreicht wird, entfällt die Befristung (Befristung mit Tenure track). ◆◆ Mindestlaufzeiten für Zeitverträge: Bei einem Promotionsvertrag soll sich die Befristung an der im Fach üblichen Dauer orientieren, mindestens aber drei Jahre betragen. Bei einem Drittmittelvertrag muss der Vertrag der Zeitdauer des Projektes entsprechen. ◆◆ Familienpolitische Komponente erweitern und bessere Bedingungen für Behinderte schaffen: Die zulässige Befristungsdauer verlängert sich beim Nachweis einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung um zwei Jahre. Ergänzend zu den bestehenden Regelungen ist bei Qualifikationsverträgen die Betreuung von Kindern nicht auf die Vertragsdauer anzurechnen und führt zur Verlängerung des Arbeitsvertrages um zwei Jahre. Dr. Ingrid Lotz-Ahrens, Mitglied im Fachgruppenausschuss Hochschule und Forschung der GEW NRW sowie in der Projektgruppe „Traumjob Wissenschaft“ der GEW Qualifikationsrahmen für Deutschland und Europa Stufe für Stufe für Stufe Der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) ist ein achtstufiger Referenzrahmen, der den Vergleich der nationalen Qualifikationssysteme ermöglicht. Er dient unter anderem dazu, die Mobilität von ArbeitnehmerInnen und Lernenden zu erhöhen und auch das lebenslange Lernen soll dabei gefördert werden. In 2008 wurde der EQR als europäischer Metarahmen verabschiedet und die Politik erhielt den Auftrag, die jeweils nationalen Bildungssysteme nach den „Lernergebnissen auf zu definierende Niveaus und Kompetenzen“ hin zu strukturieren. Dieser Auftrag wurde im ebenfalls achtstufigen DQR umgesetzt. Wertfrage Der DQR beschreibt in Stufe 1 „Kompetenzen zur Erfüllung einfacher Anforderungen in einem überschaubar und stabil strukturierten Lern- oder Arbeitsbereich. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt unter Anleitung“ bis hin zu Niveau Stufe 8 „Kompetenzen zur Gewinnung von Forschungserkenntnissen in einem wissenschaftlichen Fach oder zur Entwicklung innovativer Lösungen und Verfahren in einem beruflichen Tätigkeitsfeld. Die Anforderungsstruktur ist durch neuartige und unklare Problemlagen gekennzeichnet“ (Promotionsäquivalent). Aber was hat diese abstrakte politische Bildungsnomenklatur nun mit der Aus- und Weiterbildung vor Ort und mit ihren Akteuren zu tun? Außerhalb des stark durch Länderinteressen dominierten deutschen Bildungssystems kann niemand verstehen, dass es in Deutschland trotz des Bologna-Prozesses eine Binnendifferenzierung bei der Wertstellung eines Bachelor- und Masterabschlusses gibt. Sie orientiert sich daran, ob der Abschluss an einer Universität oder an einer Fachhochschule vergeben wurde – das wiederum wirkt sich für AkademikerInnen durchaus monetär aus. Ein pädagogischer universitärer Masterabschluss führt darüber hinaus bislang nicht mit Sicherheit in den höheren öffentlichen Dienst, zumindest dann nicht, wenn der Arbeitsplatz eine Grund- oder Hauptschule ist. Solche gewachsenen, standesrechtlichen Hierarchien von Bildungsabschlüssen sind dem DQR im Prinzip völlig fremd. Ein Masterabschluss, egal wer ihn vergibt, beschreibt Kompetenzen auf der Niveaustufe 7 – fertig! Und wer über die Kompetenzen „zur Bearbeitung von neuen komplexen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in einem wissenschaftlichen Fach oder in einem strategieorientierten beruflichen Tätigkeitsfeld“ verfügt und wenn „die Anforderungsstruktur durch häufige und unvorhersehbare Veränderungen gekennzeichnet“ ist, der sollte eigentlich entsprechend dieser Kompetenzen – sofern der Arbeitgeber sie für den Arbeitsplatz fordert – auch vergütet werden. Foto: complize / photocase.de Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, ja selbst von den im tertiären Bereich Beschäftigen, vollzieht sich gegenwärtig in Europa eine weitere Bildungsrevolution: Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) wird die gewachsene institutionelle Bildungshierarchie nachhaltig verändern. Die öffentliche Auseinandersetzung über die strategischen Folgen findet jedoch bislang wenig erkennbar statt. Über den Arbeitskreis DQR (AK DQR), seine Zusammensetzung, Aufgaben und Ziele ist kaum jemand umfassend informiert. Welches Niveau ist angemessen? In der öffentlichen Wahrnehmung ist aber angekommen, dass MeisterInnen/TechnikerInnen über das Kompetenzprofil der Niveaustufe 6 verfügen können – analog zu BachelorabsolventInnen einer Hochschule auf der Niveaustufe 6: „Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet“. Nicht präsent ist, dass nun neben Universitäten und Fachhochschulen auch Berufsfachschulen, Berufsakademien und Fachakademien entweder direkt einen Bachelorabschluss vergeben (können) oder zumindest Zertifikate und Zeugnisse auf der Niveaustufe 6 – das wurde im Rahmen der Harmonisierung der Bildungsgänge für die Europäische Union beschlossen. Die DQR-Niveauzuordnung 6 des Abschlusses drucken natürlich diejenigen Bildungsträger als erstes auf die Zeugnisse, die sich hierdurch mit ihrem Abschluss aufgewertet fühlen. Aber auch an den Hochschulen sehen die Diploma Supplements, die in ihrer Elaboriertheit kaum noch ein Personalchef inhaltlich beurteilen kann, den Aufdruck der Niveaustufe vor. Parallel dazu werden auch noch die Grade des European Credit Transfer Systems (ECTS-Grades) genannt – das heißt das Verhältnis der absoluten Note im Verhältnis zu den Noten der anderen BildungsteilnehmerInnen von A für Excellent bis F für Fail. Keine Frage: Der DQR und der EQR bieten beruflich qualifizierten Menschen viele Optionen zum Bildungsaufstieg. Sie flexibilisieren, bauen Bildungsbarrieren ab, sie fördern Mobilität und ermöglichen mehr Chancengleichheit – das sind alles bildungspolitische Ziele, für die GewerkschafterInnen schon seit vielen Jahren kämpfen. Aber: Lernwillige, Bildungsträger, DozentInnen, ArbeitgeberInnen, Gewerkschaften und Studienstiftungen sind auf den Prozess des lebenslangen Lernens wenig vorbereitet. Denn die neue Wettbewerbssituation wird mit ihren immer stärker ausdifferenzierten und spezialisierten Bildungsangeboten sowie der wachsenden Anbietervielfalt mit ihren dezidiert ausgewiesenen Kompetenzniveaus fortwährend undurchsichtiger. Im Gespräch Mario Patuzzi Abteilung Berufsbildungspolitik: Grundsatzfragen, Berufliche Weiterbildung beim DGB GuW: Inwiefern werden die DQR-Stufen tarifrechtliche Konsequenzen haben und zu welchem Zeitpunkt? Mario Patuzzi: Der DQR als Transparenzinstrument hinterfragt historisch gewachsene Bildungs- und Qualifikationshierarchien, indem er bildungsbereichsübergreifend die hinter Abschlüssen und Qualifikationen stehende Handlungskompetenz vergleicht. Der DQR hat deshalb jetzt schon lohnund gehaltspolitische Auswirkungen. In Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes beispielsweise wurden TechnikerInnen mit Verweis auf ihre Zuordnung zum Niveau 6 im DQR höher eingruppiert und sind damit dem Bachelor gleichgestellt worden. Wir gehen davon aus, dass der DQR perspektivisch auch in anderen Branchen tarifpolitische Folgewirkungen haben wird. Die Gewerkschaften sollten die Chancen nutzen, die sich für die Beschäftigten aus dem DQR ergeben. Gewachsene Hierarchien von Bildungsabschlüssen sind dem DQR im Prinzip völlig fremd: Wann und wo wird die Diskussion über die Verwirklichung der Bildungsziele innerhalb der aufbrechenden Struktur geführt? Der DQR führt von Beginn an zu intensiven Diskussionen und wirkt als Innovationstreiber im Bildungssystem. Die Verankerung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ist ja erst der Anfang. In den nächsten Jahren werden zum einen die Bildungs- und Qualifikationsziele auf ihre Kompetenz- und Lernergebnisorientierung hin überprüft werden müssen. Zum anderen bietet die absehbare Einbeziehung von non-formalen und informellen Kompetenzen in den Qualifikationsrahmen die Chance, berufliches Wissen bildungspolitisch aufzuwerten und lebenslanges Lernen voranzutreiben. Wir sind also mittendrin in den Diskussionen. Wie werden diese Fragen im europäischen Ausland bearbeitet? Die Umsetzung des EQR weist eine große Spannbreite auf. Angesichts der Unterschiedlichkeit der Bildungs- und Qualifikationssysteme ist dies auch kein Wunder. Einige EU-Länder haben ihren Nationalen Qualitätsrahmen gesetzlich verankert. Ich könnte mir vorstellen, dass eine gesetzliche Grundlegung des DQR die Diskussion in Deutschland offener und übersichtlicher gestalten könnte. Die Fragen für die GuW stellte Ralf Siegel. Kampf um Köpfe merseite beklagten Zug zu den Hochschulen bietet der DQR Möglichkeiten, junge Menschen jenseits der Hochschulen beruflich zu qualifizieren und jene Abschlüsse massiv aufzuwerten. Das bisher wichtigste Alleinstellungsmerkmal bei der Berufsqualifizierung an den Hochschulen bestand sicher nicht in der besseren Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Sozialkompetenzen, sondern in dem noch verbliebenen Freiraum, im Studium partizipativ denken und handeln zu können, sich zu politisieren sowie über gesellschafts- und wirtschaftspolitische Alternativen diskutieren zu können. Alle, die die Entwicklung der marktliberalen Hochschulen in den vergangenen Jahren verfolgt haben, wissen, dass diese Spielräume klein geworden sind. Nun sind Hochschulbeschäftigte (leid-)geprüft durch die Akkreditierungsverfahren oder die Systemakkreditierung – aber dadurch wird zumindest bedingt eine Art Qualitätssicherung betrieben. Führt nun die neue erweiterte Wettbewerbssituation mit den neuen KonkurrentInnen dazu, dass das Alleinstellungsmerkmal an den Hochschulen wieder stärker profiliert wird? Oder verschwinden die Unterschiede zwischen den Bildungsträgern sukzessive und alle werden irgendwie auf Niveaustufe 6 ausgebildet? Nur die Gymnasien dürfen das (noch) nicht. Sie kämpfen aber tapfer gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz um die Eingruppierung in Stufe 5. Wann beginnt die Diskussion über die Verwirklichung der Bildungsziele innerhalb der aufbrechenden Struktur? Und wo wird diese geführt? Ganz klar sollte sich nicht allein der Arbeitskreis DQR damit beschäftigen! Ralf Siegel, stellvertretender Departmentleiter Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke sowie Mitglied im Fachgruppenausschuss Hochschule und Forschung der GEW NRW Foto: krockenmitte / photocase.de Alle, die schon einmal bei der Erstellung eines Modulhandbuchs für ein Akkreditierungsverfahren mitgewirkt oder sich die darin fabulierten Kompetenzhülsen mit Sinn und Verstand durchgelesen haben, können erahnen, wie inflationär es werden könnte, wenn BildungsteilnehmerInnen über diese Wege zu höherwertigen DQR-Stufen bei ihrem Abschluss gelangen können. Allzu oft wissen Hochschulbeschäftige im tertiären Bildungsbetrieb nicht mehr, was sie von AbsolventInnen der verschiedenen Bildungsinstitutionen und der dort erworbenen Zertifikate erwarten dürfen. Ob dabei die trägeroffenen Niveaustufen des DQR bei der Verortung der Kompetenzen wirklich helfen, gilt es noch abzuwarten. Durchdringen der DQR – vermutlich ungesteuert und eher zufällig – und das implizierte (Zu-)Ordnungssystem aber erst die Bildungsinstitutionen, kann es nicht mehr lange dauern und das erreichte Abschlussniveau wird tarifrechtlich relevant. Zumal sowohl die ArbeitgeberInnen als auch die ArbeitnehmervertreterInnen ein großes politisches Interesse an der Durchsetzung des DQR und EQR haben (müssten). Auch in dem immer offensiver geführten Kampf um ausbildungsfähige Köpfe und bei dem durch die Arbeitgeber- und Arbeitneh- Bundesarbeitsgericht bewertet Hilfskrafttätigkeit als Berufserfahrung Wissenschaftlicher Mitarbeiter bekommt Recht Entfristungsklagen Auf die entgeltrechtlich zutreffende Bewertung kommt es an, nicht auf die formale Bezeichnung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) lässt die Vorbeschäftigung als wissenschaftliche Hilfskraft als einschlägige Berufserfahrung im Sinne der Paragrafen 40, 16 Absatz 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gelten. Foto: MMchen / photocase.de Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Entgeltstufe 2. In seiner Begründung bezieht sich das BAG auf die Protokollerklärung Nummer 1 zu Paragraf 16 Absatz 2 TV-L, wonach einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit ist. Es komme, „nicht auf die formale Bewertung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber, sondern auf die entgeltrechtlich zutreffende Bewertung“ an. Vorbeschäftigung muss angerechnet werden Die Parteien stritten darum, ob die Vorbeschäftigung des Klägers als einschlägige Berufserfahrung im Sinne der Paragrafen 40, 16 Absatz 2 TV-L anzurechnen und er anstatt in Entgeltstufe 1 in Entgeltstufe 2 einzuordnen sei. Die Beklagte, die Universität L., hatte den Kläger als wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt und ihn vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 in Forschung und Lehre beschäftigt. Dem Arbeitsvertrag lag der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder zugrunde, weshalb die Beklagte den Kläger in Entgeltgruppe 13, Stufe 1 TV-L eingruppierte. Anspruch auf Entgeltstufe 2 Der Kläger war zuvor vom 1. September 2006 bis zum 30. September 2007 ununterbrochen durch mehrere befristete Arbeitsverträge – als wissenschaftliche Hilfskraft und als wissenschaftlicher Mitarbeiter – an der Universität M. beschäftigt gewesen. Nach Auffassung des Klägers hätte ihm Entgeltstufe 2 zugeordnet werden müssen. Die Beklagte vertrat die Auffassung, der Kläger habe durch seine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft keine einschlägige Berufserfahrung für seine aktuelle Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter erworben. Das BAG nimmt auch Bezug auf die Beweisaufnahme des Sächsischen Landesarbeitsgerichts (LAG), die ergeben hatte, „dass der Kläger – wenn auch teilweise abweichend von der Bezeichnung im Arbeitsvertrag und der geleisteten Vergütung – durchgehend Tätigkeiten eines wissenschaftlichen Mitarbeiters versah.“ Das LAG habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Vorbeschäftigung des Klägers sei als gleichwertig mit der neuen Beschäftigung zu bewerten und habe dem Kläger dadurch einschlägige Berufserfahrung vermittelt. Demzufolge habe das LAG die Vorbeschäftigung des Klägers zutreffend in vollem Umfang als anzurechnende Zeit einschlägiger Berufserfahrung beurteilt. Auf den zeitlichen Mindestumfang, also ob die Vorbeschäftigung in Teilzeit oder Vollzeit ausgeübt werde, komme es schon nach dem Wortlaut der Paragrafen 40, 16 Absatz 2 TV-L nicht an. Dr. iur. Ingrid Piela, Mitglied des Personalrats der wissenschaftlich Beschäftigten an der Fernuniversität Hagen p us www.nds.gew-nrw.de BAG-Urteil vom 27. März 2014 – 6 AZR 571/12 Offener Brief an Richterin Kornelia Kania, Hamm www. Vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm wurden am 28. Januar 2015 zwei Fälle von Entfristungsklagen an der Technischen Universität Dortmund und an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster behandelt. Geklagt hatten Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbAs), die nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) befristet beschäftigt waren. Zum Berufungsverfahren nimmt Dr. Detlef Berntzen, Prozessbeobachter der GEW in beiden Verhandlungen, in einem offenen Brief Stellung. Sehr geehrte Frau Kania, (...) In beiden Verfahren haben Sie Ihr Unverständnis darüber geäußert, dass sich vermehrt LfbAs in ein Dauerarbeitsverhältnis einklagen wollen. (...) Da Ihnen während der Verhandlung niemand beratend zur Seite stand und mir als Zuhörer ein Eingriff in die Verhandlung verwehrt ist, erlaube ich mir nunmehr in diesem offenen Brief einige verständnisweckende Bemerkungen. Die LfbAs werden regelmäßig nach dem WissZeitVG befristet und sachgrundlos eingestellt. Nun erhebt sich stets die Frage, ob diese Lehrkräfte zum Personenkreis derjenigen gehören, die unter die Befristungsregelungen des WissZeitVG fallen. Ich möchte an dieser Stelle den Kommentar von Prof. Ulrich Preis (Universität Köln), dem spiritus rector des WissZeitVG, zum Gesetzeswerk zitieren: (...) „Problematisch kann […]insbesondere die Befristung von LektorInnen oder sogenannten „Lecturern“ sein.“ LektorInnen, Lecturer, LfbAs sind – mit gewissen marginalen Nuancen – die Personalkategorie, deren Befristung nach WissZeitVG Prof. Ulrich Preis problematisiert. In Ihrer Prozessführung habe ich diese Problematisierung nicht erkennen können. (...) Prägend für die LfbAs ist nun einmal die Lehre im Umfang von 13 bis 17 Semesterwochenstunden. Diese Lehre füllt eine Vollzeitstelle mittlerweile mehr als ganz aus. (...) Wie steht es nun mit dem Forschungsanteil bei den LfbAs? (...) Wenn LfbAs in meine Sprechstunde kommen, so sagen sie mir immer wieder, dass die zeitliche Belastung durch ihre Lehrtätigkeit eine eigenständige Forschung nicht zulässt. (...) Wenn Sie sich den Fall der Kollegin aus Münster, den sie urteilen mussten, nochmals vor Augen halten, so hat sie im Prozess vorgetragen, dass sie um eine bessere Einbindung in das Institut nachgefragt hat – leider, wie sie mitteilte, ohne Erfolg. Bedauerlicherweise haben Sie das nicht zu würdigen gewusst. (...) Besonders unglücklich fand ich in Ihrer Prozessgestaltung, dass Sie den KollegInnen, die um eine Entfristung ihrer Arbeitsverträge ringen, entgegen halten, dass sie die Pipeline für den wissenschaftlichen Nachwuchs verstopfen, wenn sie auf eine Dauerstelle gesetzt würden. (...) An der Universität Münster, an der ich tätig bin, gibt es bei den angestellten WissenschaftlerInnen eine Befristungsquote von über 95 Prozent. Impressum: GEW-Landesverband Nordrhein-Westfalen, Nünningstr. 11, 45141 Essen, www.gew-nrw.de; V.i.S.d.P. Dorothea Schäfer; Titel: NickDaVinci / photocase.de
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