Die Dekabristen von AZ

Die Dekabristen
von A-Z
Verbannt, doch nicht vergessen
Das Lexikon zum
DEKABRISTENAUFSTAND
von A – Z
2
Timm, Der Dekabristenaufstand vom 14. Dezember 1825
3
© Joachim Winsmann, Bergisch-Gladbach 2009-2015
Jedwede Veröffentlichung, auch auszugsweise, ist ohne
Genehmigung des Herausgebers strafbar und wird gerichtlich
verfolgt.
Vertrieb: e-publi GmbH, Berlin
Titelfoto von A. Tschechow aus dem Jahr 1890: Anlegen der
Fußeisen bei Sträflingen in der Katorga
4
Vincey‘s
Dekabristenlexikon
Namen und Daten zu Beteiligten an den Aufständen um den 14.
12. 1825 (auch passiv), sofern sie inhaftiert und verhört wurden,
bzw. frühen Organisationen des Dekabristenbundes und anderer
mit ihm in Kontakt stehenden Organisationen angehörten, unter
den Folgen zu leiden hatten oder die Geheimorganisation, bzw.
deren Mitglieder verrieten und an ihrer Verfolgung Anteil hatten.
Die Dienstränge unter der Namenszeile beziehen sich immer
auf das Jahr 1825, bzw. 1826, jene Zeit., in der die
Untersuchungskommission tagte – soweit nicht anders
angegeben. Abkürzungen, soweit gebräuchlich, werden wegen
des Layout nicht regulär angewendet und entsprechen im Großen
und Ganzem dem Regelwerk des Duden. (VK=Vaterländischer
Krieg; UK= Untersuchungskommission)
Die persönlichen Hinweise, mit denen Nikolai I. darüber verfügte,
welcher Untersuchungshäftling während der Haft wie zu behandeln
ist, wurden kursiv gesetzt.
5
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Alphabet
Seite 08
10
18
Anhang
Bild-Dokumente
482
6
„Unsere wahre Lebensaufgabe stellte sich erst nach unserer
Ankunft in Sibirien, wo wir dazu aufgerufen sind, mit Wort und
Tat jener Sache zu dienen, für die wir uns aufgeopfert haben.“
Dekabrist Lunin
„...sie haben die Armen von Kopf bis Fuß eingekleidet – die
Kranken geheilt, ganz egal, ob es Burjaten oder Russen waren...“
der Burjate Otchonow um 1920, der gemeinsam mit
anderen Kindern bei Nikolai Bestushew neben lesen und schreiben
auch Handwerke lernte
7
Vorgeschichte des Bundes
Nach dem Einfall Napoleons 1812 in Russland kam es dort für eine
kurze Zeit zum Aufleben des Nationalgeistes. Die Intelligenz des
Landes, damals zum Großteil beim Militär dienend und dem Adel
zugehörig, geriet angesichts der Siege, die nach dem Opfer
Moskaus erstritten wurden, in eine Begeisterung, die nicht mehr
nachzuvollziehen ist.
Fakt bleibt aber, dass diese Begeisterung die Feldzüge überdauerte
und eine Generation schuf, die mit kritischem Blick auf die
Hierarchien im eigenen Land schaute. Dass Alexander I. den
Polen, die bis zum Schluß zu Napoleon hielten, eine Verfassung
schenkte (damit die Polen vor aller Augen auszeichnete), sein
Versprechen, die Opfer der russischen Menschen entsprechend zu
würdigen, dagegen nicht hielt, muss ihnen als Verrat vorgekommen
sein. Daraufhin bildeten sich vereinzelt Gruppen, in denen darüber
diskutiert wurde, woran es liegt, dass der Zar sein Wort nicht hält.
Schnell fand man heraus, dass dies nur der deutschen Abstammung
des Zaren zu schulden ist, die jedes Verständnis für die Nöte des
russischen Menschen verhindert.
Fortan galt das Augenmerk des jungen russischen Adels dem Ziel,
führende und verantwortungsvolle Posten im Russischen Reich
durch Menschen russischer Nationalität besetzen zu lassen, den
Einfluss des Auslands, besonders jenen Deutschlands, nach und
nach zu verdrängen und den russischen Bauern aus der
Leibeigenschaft zu befreien. Gleichzeitig erörterte man auch die
Möglichkeit weitergehender gesellschaftlicher Veränderungen in
Russland – bis hin zu einer konstitutionellen Monarchie, bzw. einer
Republik. Und als sich Alexander I. 1818 fast nur im Ausland
aufhielt, schuf die Unzufriedenheit hierüber eine Situation, in der
aus verschiednen Gruppierungen eine geschlossene Organisation
wurde, die bis 1825 zunehmend Einfluss gewann.
8
Wenn Alexander Puschkin während seiner Arbeit am „Onegin“
notiert: „In froher Runde, zwischen Spottliedern und
freundschaftlichen Diskussionen, bei Burgunder und Champagner,
da wurden diese Umsturzpläne ausgeheckt. In ihrem tiefsten Innern
waren sie nicht revolutionär gesinnt. Es entsprang alles ihrer
Langeweile, dem Tatendurst ihres jungen Gemüts. Erwachsene
Männer zwar, flüchteten sie sich doch in die tollkühne
Abenteuerlust der Jugend.“1, so mag das vielleicht sein Eindruck
gewesen sein, eine Momentaufnahme in Erinnerung an Gelage, bei
denen mancher Trinkspruch entstand, doch berührt es nicht den
Kern der Bewegung und ist viel zu oberflächlich, als dass es jene
tiefgreifende seelische Bewegung erfasst, die damals durch
Russland ging und deren Wellenschlag bis auf den heutigen Tag
anhält, die Gemüter bewegt und zum Nachdenken zwingt. Und weil
er so dachte, nahm man ihn als Mitglied nicht auf.
Das vorliegende Lexikon will nichts anderes, als dem
interessierten Leser bei diesem Nachdenken etwas Unterstützung
geben.
Joachim Winsmann
1
Zitiert aus: Adam B. Ulam „Russlands gescheiterte Revolutionen“, München
1985, Piper Verlag
9
Aufbau der Geheimgesellschaft der Dekabristen bis Januar 1821
vor 1816:
1. Keimzelle Offiziersartels, z.B.: „Das Heilige Artel“ (6
Gründungsmitglieder); 2. Keimzelle Freimaurerlogen, z.B.
„Ovidius“ in Kischinjow 3. Keimzelle Semjonowregiment
Ab 1816:
Vorgängerorganisation: „Bund der wahren und aufrichtigen
Söhne des Vaterlandes“(Rettungsbund) noch in Anlehnung an den
deutschen Tugendbund
Organisatoren: A.N. Murawjow, Nikita M. Murawjow, Sergei P.
Trubetzkoi, Iwan D. Jakuschkin, Sergei und Matwei MurawjowApostol, Pawel I. Pestel
ab 1818:
„Wohlfahrtsbund“ (auch „Bund des grünen Buches“)
Initiatoren: Alexander Nikolajewitsch, Michail N. und Nikita M.
Murawjow, Fürst S. Trubetzkoi, Peter Koloschin und Fürst Ilja
Dolgorukow (die Verfasser des Statuts)
Sekretär: Fürst Schachowskoi
Mitglieder: ca. 200 (ausschließlich Personen männl. Geschlechts
über 18 Jahre)
Aufbau der Organisation
30 Gründungsmitglieder
Statut: „Grünes Buch“
Hauptverwaltung
Duma
Nebenverwaltung
6 Mitglieder
15 Initiativausschüsse
(z.B. in Petersburg, Moskau, Tultschin,
Poltawa, Tambow, Nizhnij Nowgorod,
Kischinjow)
10
Offizielle Aufgaben des Wohlfahrtsbundes (allen Mitgliedern
bekannt):
moralisch-ethische Erziehung/Aufklärung des Volkes sowie
Unterstützung der Regierung in Fragen der Leibeigenschaft mit
dem Ziel, hier für Erleichterungen auf Seiten der Unfreien zu
sorgen.
Heimliche Ziele des Wohlfahrtsbundes (nur der HV bekannt):
Schaffung einer demokratischen, bzw. konstitutionellen
Regierungsform durch ausschließlich russischen Adel bei
gleichzeitiger Befreiung des russischen Bauern von der
Leibeigenschaft; Verbreitung liberalen und humanistischen
Gedankengutes in geeigneten literarischen und anderen
Freizeitzirkeln
(geheim gehaltener) Aktionismus:
Der Weg zur Konstitution führt nur über den Kaisermord
(so Nikita M. Murawjow bis zum Herbst 1820), bzw. die
Zustimmung des Zaren
Der Weg führt nur über eine Zeitweilige Regierung mit
einem bevollmächtigten Diktator an der Spitze
( so Pawel I. Pestel)
11
Einige Parallelgesellschaften mit individuellem Aufgabenbereich:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
„Militärische Gesellschaft“
„Gesellschaft der Freunde des Militärs“
„Orden der russischen Ritter“
„Gesellschaft des Grünen Buches“
„Freie Gesellschaften“
„Freie Gesellschaft für Freunde der russischen Sprache“
„Bund der Kleinrussen“
„Gesellschaft der Naturfreunde“
„Gesellschaft der vereinigte Slawen“ (52 Mitglieder bei der
2. Armee), sowie:
„Wiederaufrichtungsorden“
„Gesellschaft der Flotte in Kronstadt“
„Gesellschaft der Gardeequipage“
„Polnische Gesellschaft“
„Templergesellschaft“
„Bund freier Gärtner“
„Kaukasische Gesellschaft
„Praktische Gesellschaft“
„Bund der Grünen Lampe“
12
Im Jahr 1820 kommt es in Spanien, Neapel und Portugal zu
revolutionären Erhebungen gegen die Monarchie, auch die
Griechen streben nach einer unabhängigen Republik, nachdem die
Versuche Russlands, das christliche Griechenland vom
Osmanischen Reich zu trennen, die 50 Jahre zuvor von Katharina
II. als Orlow-Revolte initiiert wurden, gescheitert waren. Die
Besorgnis des aufgeklärten Zaren Alexander I. wächst.
Ein unglücklicher Umstand (Wechsel des Regimentskommandeurs)
führt gegen Ende des Jahres 1820 zu einer Meuterei im
Semjonowregiment der kaiserlichen Garde. Es galt bis dahin als
musterhaft. Jetzt verdächtigt man die Offiziere, jegliche Disziplin
durch Einführung neuer Methoden untergraben zu haben. Das
Regiment wird aufgelöst, die Freimaurerlogen verboten und beim
Gardekorps Militärpolizei etabliert. Der Imperator zeigt sich
dennoch generös gegenüber seinen Offizieren und dem gesamten
Adelsstand. Zur Warnung will er lediglich ein Exempel statuieren.
Die „Wahl“ fällt auf den Major des 32. Jägerregiments in
Kischinjow und Freund des verbannten Poeten Alexander S.
Puschkin: Wladimir F. Rajewskij. Er war in seinem Regiment als
Stellvertreter für die Lancasterschulen verantwortlich. Man wirft
ihm im Februar 1822 staatsfeindliche Propaganda unter den
Soldaten vor. Der Prozess dauert 5 ½ Jahre, und das Urteil wird erst
nach seiner Verlegung in die Peter-Pauls-Festung (20. Januar
1826!) durch Nikolai I. am 15. 10. 1827 gesprochen.
Er gilt fortan als der erste Dekabrist, weil er sich (lt. Lenin)
verständnisvoll für die Belange der Soldaten einsetzte und seine
Überzeugungen auch unter Androhung schlimmster Strafen nicht
verriet. Nach seiner Verhaftung wurde ein Angehöriger der
Geheimpolizei damit beauftragt, die Geheimorganisation zu
unterlaufen. Vor dem Prozess gegen Major Rajewskij, nämlich im
Januar 1821, tagte ein Kongress von Deputierten des
Wohlfahrtsbundes, an dem Abgeordnete des Geheimbundes aus
Moskau (Tagungsort), Petersburg und der 2. Armee teilnahmen.
13
Wegen zu großer Meinungsunterschiede (und der akuten Gefahr,
strafrechtlich verfolgt zu werden) wurde die Auflösung des Bundes
beschlossen.
Die Liquidierung des Wohlfahrtsbundes ist für den Kern der
Reformer aber nur eine Gelegenheit, sich von unliebsamen
Mitgliedern zu trennen, die Polizei zu täuschen!
Was sie aber nicht wissen, ist, dass ein hoher Offizier, der Graf von
Witt, zwar kein Mitglied der Geheimorganisation, aber eine den
Mitgliedern nahe stehende Vertrauensperson, bereits dafür gesorgt
hat, dass der Südbund von Verrätern unterwandert wird. Diese
erstatten ihm Bericht, den er zusammenfassend dem Kaiser
Alexander I. zukommen lässt, während dieser in Taganrog weilt.
Der Zar unternimmt nichts, doch wird der Bericht vom Stabschef
des Hauptstabes der Armee gefunden...
14
Aufbau der Geheimgesellschaft der Dekabristen ab Februar 1821
Nach Auflösung des Wohlfahrtsbundes existierten neben einigen
der o.e. Parallelgesellschaften der
NORDBUND
&
SÜDBUND
Gemäßigter Kreis
Radikaler Kreis
Innerhalb des Südbundes gab es eine Maßvolle Fraktion (Burzew)
und eine Äußerste Fraktion (Pestel), nach Ausschluß Burzews sind
alle zu äußersten Maßnahmen bereit.
Die oberste Duma des Nordbundes, also die HV Nord, besteht
anfangs aus:
Nikita M. Murawjow
Nikolai I. Turgenjew
E. P. Obolenskij
und später (1825) aus
Fürst S.P. Trubetzkoi
K. F. Rylejew
Alexander N. Bestushew.
Ihr sind die Filialen (Nebenverwaltungen) in Moskau (Nikita M.
Murawjow) und Petersburg (N. I. Turgenjew) unterstellt.
Programm: die „Konstitution“ Nikita Murawjows2
Die oberste Duma des Südbundes wird gebildet aus den
Direktoren:
2
Der Text des Verfassungsentwurfes ist nachzulesen in „Die Dekabristen“
Dichtungen und Dokumente, herausgegeben von Gerhard Dudek im InselVerlag1975 ab Seite 211 (ISBN 351-260-8-75)
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Pawel I. Pestel (hält die Verbindung zur Patriotischen
Gesellschaft im russisch besetzten Polen)
Alexei P. Juschnewskij
Nikita Murawjow (hält die Verbindung zum Nordbund)
Ihr sind die 3 Filialen (Nebenverwaltungen) in Tultschin
(Pestel/Juschnewskij), Wassilkow (Sergei Murawjow-Apostol/
Michail Bestushew-Rjumin) und Kamenka (W. Dawydow/ S.G.
Wolkonsky) unterstellt.
Programm: „Die Russische Wahrheit“ P.I. Pestels (Der Putsch als
Waffe!)
Nord- und Südbund streiten um den richtigen Weg. Pestel setzt sich
durch und plant einen Putsch für das Jahr 1826 während der
Sommermanöver, nachdem ein Überfall auf den Zaren im Jahr
1825 gescheitert ist.
Überraschend stirbt Alexander I. am 19. November 1825 in
Taganrog. Seine Leiche geht auf dem Trauermarsch nach St.
Petersburg verloren (unter ungeklärten Umständen). Der Südbund
wird verraten. Verhaftungen stehen bevor. Alles steht plötzlich auf
dem Spiel! Die Gemüter geraten in Aufruhr und außer Kontrolle.
Es bleibt keine Zeit für gezielte und abgesprochene Maßnahmen.
Iwan Pustschin meint: „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, sind
wir allesamt erbärmliche Schufte.“ 3000 Mann marschieren in St.
Petersburg auf, die wenigsten wissen - warum eigentlich; andere
Gruppen agieren auf gut Glück, um vor sich selbst das Gesicht zu
wahren; bzw. es die Umstände so ergaben.
16
ALPHABET
Nach dem lexikalischen Teil folgt ein Anhang mit Dokumenten,
Erinnerungen und Hinweisen zu einigen der vorstehend genannten
Personen.
17
A
Adlerberg, Wladimir Fedorowitsch (1792-1884)
Oberst, Flügeladjutant, Mitglied der Untersuchungskommission
W.F. Adlerberg stammt aus einer sehr angesehenen schwedischen
Familie. Sein Vater wechselte als Oberst in den russischen Dienst
und vermählte sich in zweiter Ehe mit Julia Fedorowna Baggowut.
Diese war in der Folge die tonangebende Erzieherin der
Großfürsten Nikolai und Konstantin Pawlowitsch. Die Erziehung
W.F. Adlerbergs fand am Pagenkorps statt, die Ernennung zum
Fähnrich erfolgte am 14. Dezember 1811. Nach dem Einmarsch
Napoleons in Russland diente A. bei der Leibgarde des Litauer,
bzw. Moskauer Regiments und nahm an allen wichtigen Schlachten
teil. Er bestritt auch den Auslandsfeldzug und kämpfte bei Lützen,
Bautzen, Kulm, Leipzig, Brienne und vor Paris, ohne durch
besondere Leistungen aufzufallen, bzw. von seinen Kommandeuren
ausgezeichnet zu werden. Nach der Beförderung zum Leutnant im
August 1813 wurde er 1816 Oberleutnant, 1819 Hauptmann. Die
Beförderung zum Oberst erfolgte im Januar 1820, und drei Jahre
später wurde er zum Bürochef des Generalinspekteurs der
Ingenieurtruppen ernannt. Die Ernennung zum Flügeladjutanten
erfolgte am 14. Januar 1825.
Bedingt durch das Amt seiner Mutter, stand er seit der Kindheit
Nikolai Pawlowitsch sehr nahe und zählte fast zur Familie des
neuen Zaren. Er war es auch, der sich nach Bekanntwerden der
Unruhen am 14. Dezember 1825 um den Thronfolger kümmerte
und die Kaiserin bis zum Eintreffen Nikolai I. beruhigte.
Nach der Urteilsfindung über die Dekabristen kehrt A. wieder zum
Heer zurück und kämpft im russisch-türkischen Krieg 1828-29 an
der Donau. Für seine Verdienste bei der Belagerung und Einnahme
Varnas als Begleiter Nikolai I. und Bürochef des Hauptstabes wird
er am 25. Juni 1828 zum Generalmajor befördert. Ab 1829 bis Mai
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1832 begleitet er den Herrscher als Mitglied des Militärrates und
Bürochef auf allen Reisen und ist 1836 interimsmäßig
Kriegsminister, seit Dezember 1832 auch Generalleutnant. In all
diesen Jahren wird er mehrfach hoch dekoriert, und 1841 überträgt
ihm Nikolai I. eine hohe Verantwortung über das Postwesens in
Russland, nach dem Tod A.N. Golizyns im März 1842 die oberste
Leitung des gesamten Departements. A. führt die ersten
Briefmarken in Russland ein und wird 1843 Infanteriegeneral,
erhält 1847 sogar die Grafenwürde.
Nach dem Tod Peter Michailowitsch Wolkonskys im August 1852
wird A. zum Minister des kaiserlichen Hofes ernannt, behält aber
auch seine anderen Ämter (Post/Militär). Nach dem Tod Nikolai
Pawlowitschs erweist er sich auch unter Alexander II. als einer der
befähigsten Organisatoren in Russland, wird u.a. von Bismarck
sehr gelobt, und fast erblindet, nach einem tätigen und
erfolgreichen Leben, nimmt er im April 1870 Abschied von seinen
Ämtern. Er stirbt 1884 in St. Petersburg.
Er war seit 1817 mit Maria Wassiljewna Nelidowa verheiratet,
einer Verwandten des Hoffräuleins Katharina Iwanowna Nelidow,
und hinterließ Aufzeichnungen aus der Regierungszeit Nikolai
Pawlowitschs und Alexander Nikolajewitschs, die in einem Archiv
„gesichert“ wurden und auf ihre Entdeckung warten. Er hatte zwei
Töchter und drei Söhne, von denen Alexander
(1818-1888)
kurzfristig seine Nachfolge als Hofminister übernahm, zuvor, im
Jahr 1841 u.a. im Kaukasus gegen Schamil kämpfte und 1866 ein
hoch dekoriertes Mitglied des Staatsrates wird.
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Akinfow (Akinfjew), Fjodor Wladimirowitsch ( 23.06.1789 – 30.06.
1848), Generalmajor
Sohn des Garde-Fähnrichs Wladimir Alexejewitsch Akinfow (gest.
30.01.1809). Die Erziehung erfolgte im Elternhaus. Am 31.03.
1806 trat er als Junker der Leibgarde des Husarenregimentes bei
und wurde am 4.05. 1807 zum Kornett befördert. Er war
Teilnehmer des Krieges 1807 sowie des Vaterländischen Krieges
1812 und der anschließenden Auslandsfeldzüge. Bei Krasny konnte
er sich auszeichnen und erhielt das Georgskreuz 4. Grades, dazu
den goldenen Säbel für Tapferkeit und die Ernennung zum
Rittmeister (06.11.1812). Am 01.11. 1816 wird er zum Oberst
ernannt und wechselt im Juli 1817 zum berittenen Jägerregiment,
dessen Kommandeur er am 28.12. 1817 wird; seine Beförderung
zum Generalmajor mit gleichzeitiger Ernennung zum Kommandeur
der 1. Brigade der 2. Dragonerdivision erfolgte am 30. 08. 1824.
Er war Mitglied der Militärgesellschaft.
Er geriet in den Kreis der Verdächtigen aufgrund der Aussagen von
Artamon Murawjow, der ihn als Mitglied des Südbundes nannte.
Die Anklage gegen ihn wurde von höchster Stelle wieder fallen
gelassen und hatte auch im weiteren Lebensverlauf keinerlei
Folgen.
Bis zu seiner Pensionierung am 10. 02. 1830 kommandierte er
verschiedene Divisionen.
Am 22.12. 1832 – Wahl zum Adelsmarschall des Gouvernements
Susdal,
am 09.01. 1833 – Wahl zum Adelsmarschall des Gouvernements
Wladimir,
26.08. 1836 – Ernennung zum Geheimrat
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17.04. 1837 – Ernennung zum Senator; am 07.10 1846 Mitglied
einer Kommission zum Bau der Christi – Erlöser – Kirche,
gestorben in Moskau
Ehefrau: Natalja Alexandrowna Rimskij-Korsakow (Hoffräulein)!!
Tochter: Elisaweta (verheiratet mit Senator Nikolai Iwanowitsch
Krusenstern)
Alexejew, Dmitrij Larionowitsch
(festgenommen am 18.1.1826, entlassen am 25.03.1826)
D.L. Alexejew war zur Zeit seiner Inhaftierung Staatsrat in
Jekaterinoslaw, wo er von 1808 bis 1829 auch Adelsvorstand der
Aristokratie war. Außerdem war er Freimaurer und 1818/19
Mitglied der Loge „Liebe zur Wahrheit“ in Poltawa, welcher auch
der Dekabrist M.N. Nowikow angehörte. Sein Vater – Larion
Spiridonowitsch Alexejew (gest. 1798) war Gouverneur des
Kaukasus (1787), von Nowgorod-Sewersk (1795) und von Pskow
(1797). Dmirij Larionowitsch war verheiratet mit Warwara
Iwanowna, geb. Seletzkaja.
Alexejew, Stepan Larionowitsch
(festgenommen am 18.1. 1826, entlassen am 25.02. 1826)
Stepan Larionowitsch (der Bruder des o.G.) war zum Zeitpunkt
seiner Inhaftierung Kollegialrat im Ruhestand und lebte in Poltawa.
Auch er war 1818/19 Mitglied der Freimaurerloge des Dekabristen
M.N. Nowikow „Liebe zur Heimat“. In der Folge war er von
September 1826 – 1829 Adelsvorstand des Kreises Chorolsk. Er
hatte zwei Söhne.
21
Alimskij (Alymow?), gefallen im November 1828 bei Achalzych?
Hauptmann des 37. Jägerregiments i.R.
Mitglied des Wohlfahrtsbundes (Führungszentrale in Tultschin).
Auf höchste Anweisung sollte seinem Fall keinerlei weitere
Bedeutung zugemessen werden.
Reaktivierung und Versetzung zum 31. Jägerregiment in den
Kaukasus, wo er als Major während des russisch-türkischen
Krieges am 01. 11. 1828 bei einem kleineren Gefecht fällt...
Amfiteatrow, s. u. Raitsch, Semjon Jegrowitsch
Andrejew, Andrei Nikolajewitsch (1803/04 – 28.09. 1831)
Leutnant der Leibgarde des Ismailow-Regiments
Andrei Andrejew entstammte einem Adelsgeschlecht des
St.Petersburger Gouvernements. Sein Vater, der Kollegialrat
Nikolai Andrejew, starb nach seiner Verhaftung im Jahr 1826. Die
Mutter Marja Wassiljewna besaß als Tochter eines reichen
Gutsbesitzers aus dem Kreis Nowgorod (Kriwino) ca. 250 - 400
Leibeigene und eine Tuchfabrik, die aber nicht viel Gewinn abwarf.
All dies ermöglichte es ihnen aber doch, dass ihre Söhne das
Gymnasium von Petersburg besuchen konnten, Andrei dem
Beispiel seiner älteren Brüder folgte und am 27. Juni 1820 als
Portupée-Fähnrich bei der Leibgarde des Ismailow-Regiments
seinen Dienst aufnahm. Bis zum Dezember 1824 verlief seine
Karriere planmäßig. Er wurde zum Leutnant befördert und alles
wies darauf hin, dass auch er seinen Weg machen würde. Der führte
ihn aber 1825 in die Gesellschaft des Nordbundes, und dies sollte
für ihn verhängnisvolle Folgen haben. Von Natur aus ein
Schwärmer, war er noch ganz den jugendlichen Träumereien über
ein sinnvolles Leben hingegeben, als er sich am 16. Dezember in
der Hauptwache des Militärhospitals wiederfand und nach einem
22
kurzen Verhör am 5. Januar 1826 im Kronwerk der Peter-PaulsFestung eingesperrt wurde.
Das Urteil am 10. Juli 1826 lautete: ewige Verbannung. Dies wurde
am 22. August 1826 zu einer zwanzigjährigen Verbannung geändert
(Kategorie VIII). Das erfuhr er aber erst später, denn schon am 25.
Juli 1826 hatte er sich auf den Weg nach Shigansk begeben (im
Gebiet von Jakutsk), dem Ort seiner Verbannung. Hier hielt er sich
nicht sehr lange auf und wurde nach Olekminsk verlegt, wo er sich
im Getreideanbau versuchte. Der Erfolg blieb ihm aber versagt,
weshalb er um Verlegung an einen anderen Ort bat, der seinen
bescheidenen finanziellen Verhältnissen eher entsprach. Die
Familie hatte sich von ihm abgekehrt, und er konnte auf keinerlei
Unterstützung hoffen. Als man seinem Antrag entsprach und ihn
nach Werchneudinsk (Kreis Irkutsk) verlegte, traf Andrejew auf
dem Weg dorthin am Morgen des 27. September in Wercholenskoje
ein und gastierte dort für einige Stunden bei seinem verbannten
Kameraden N. P. Repin. In der Nacht zum 28. September sind
beide Dekabristen bei einem Brand umgekommen. Ihr Grab ist
nicht erhalten.
Die männlichen Geschwister Andrei N. Andrejews:
Wassilij Nikolajewitsch: Kollegialrat der Simbirsker Staatskammer
(1826), Alexander Nikolajewitsch: Oberleutnant der Leibgarde des
Moskauer Regiments, Dmitrij Nikolajewitsch: Oberleutnant der
Leibgarde des Ismailowregiments, Iwan Nikolajewitsch:
Kollegialregistrator
Andrejewitsch, Gordei Maximowitsch
(inhaftiert am 20. 01. 1826, entlassen am 13. 02. 1826)
G.D. Andrejewitsch war Leutnant der 8. Artilleriebrigade, wurde in
Zhitomir verhört und am 03. Februar auf die Hauptwache nach
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Petersburg gebracht, bzw. in die Peter-Pauls-Festung, wo er unter
„strenge Aufsicht“ gestellt wurde (Zelle 29 der Kurtine des
Kronwerks). Er war der Bruder von Jakow Maximowitsch
Andrejewitsch.
Andrejewitsch, Jakow Maximowitsch (März 1801–18. April 1840),
Leutnant der 8. Artilleriebrigade
Mitglied der „Gesellschaft Vereinigter Slawen“
Im Gegensatz zu seinem Bruder, der am 20. Januar 1826 (sechs
Tage danach) verhaftet und rehabilitiert wurde, verurteilte man
Jakow Maximowitsch am 10. Juli 1826 zu lebenslanger
Zwangsarbeit (1. Grades). Die Brüder entstammen einer
Adelsfamilie aus dem Kreis Perejaslawl im Gouvernement von
Poltawa. Schon als 10-jähriger wurde Jakow als Soldat des
Twersker Dragonerregiments in Moldawien eingeschrieben und
zwei Monate darauf zum Junker befördert. Am 09. März schickten
ihn
die
ehrgeizigen
Eltern
zur
Ausbildung
ins
Kavalleriegeschwader des Hofes nach St. Petersburg. Wegen seiner
„mangelhaften Kenntnisse in den Wissenschaften“, was in diesem
Alter eigentlich vorauszusehen war, wurde er zum zweiten
Kadettenkorps versetzt, am 5. Mai 1816 ins Adelsregiment. Am 1.
Januar 1819 wurde er als Unterleutnant vom Korps zur 2. Leichten
Kompanie der 15. Artilleriebrigade kommandiert und noch im
gleichen Jahr zur 1. Batteriekompanie versetzt. Drei Jahre später
gehörte er zur Suite seiner kaiserlichen Hoheit im
Quartiermeisterbereich des 3. Infanterieregiments, bevor er wieder
zu seiner Kompanie stieß und anschließend zur 3. Leichten
Reiterkompanie der 8. Artilleriebrigade versetzt wurde. Ernennung
zum Leutnant am 03. Mai 1823. Seit Oktober 1825 befand er sich
beim Kiewer Arsenal und diente zuvor in der 2. Leichten
Reiterkompanie, bzw. der 1. Batteriekompanie. Er hatte keine
Leibeigenen und war an der Seite Sergei Iwanowitsch Murawjow24
Apostols in den Hinterhalt von Trilessa geraten. Er wurde in Belaja
Zerkow verhaftet, verhört und nach Kiew transportiert. Von hier
aus schickte man ihn zum Hauptquartier der 1. Armee nach
Mogiljow, wo er durch die Kommission des Militärgerichtes
verhört wurde. Am 11. Februar 1826 wurde er in die Peter-PaulsFestung überstellt, nachdem er sich kurze Zeit in der Hauptwache
aufhielt. Auf Anweisung des Zaren war „der überstellte
Andrejewitsch 2. an einem beliebigen Platz einzukerkern und
streng zu bewachen“. Dieser Anweisung verdankte er seine Haft in
der Zelle Nr. 33 der Newskij-Kurtine, wo er am 18. Februar an den
Händen angekettet wurde. Erst am 27. April nahm man ihm diese
Ketten wieder ab. Am 23. 07. 1826 wurde er (wie auch Lunin) in
die Schlüsselburg verlegt und nach der Urteilsverkündung am 02.
Oktober 1827 nach Sibirien deportiert. Er traf im Gefängnis von
Tschita am 20. Dezember 1827 ein, in Petrowskij Sawod im
September 1830. Per Manifest vom 14. 12. 1835 wurde seine
Strafe, die zuvor schon einmal auf 20 Jahre gesenkt wurde, auf 15
Jahre festgesetzt. Nachdem diese Zeit abgelaufen war, wurde er am
10. Juli 1839 zur Ansiedlung nach Werchneudinsk bei Irkutsk
gebracht, wo er im Krankenhaus des Ortes am 18. April des Jahres
1840 gestorben sein soll. Es gibt manche, die glauben, er sei erst
später gemeinsam mit Repin und Awramow verbrannt. Sein Hab
und Gut hatte er den Brüdern Borissow vererbt. Sein Grab ist nicht
erhalten geblieben. Er betätigte sich auch als Hobbymaler.
25
Annenkow, Iwan Alexandrowitsch (1802 - 1878 )
Oberleutnant der Leibgarde des Kavaliergarderegiments
Iwan Annenkow wurde in Moskau als Sohn des Staatsrats
Alexander Nikanorowitsch Annenkow (gest. 1803) geboren, einem
ehemaligen Hauptmann der Leibgarde des PreobrashenskijRegiments und Berater der Zivilkammer von Nizhnij-Nowgorod
(später Gorki). Seine Mutter war die Tochter des
Generalgouverneurs von Irkutsk Anna Iwanowna Jakobi (gest.
1842). Nach seiner Erziehung im Elternhaus (ein Schweizer und
ein Franzose) hörte er vom 1817 bis 1819 Vorlesungen an der
Moskauer Universität, legte dann aber ein Examen für den
Hauptstab des Kavaliergarderegiments ab und wurde am 10. 8.
1819 Junker, kurz darauf Kornett und am 13.März 1823
Oberleutnant. Im Gebiet von Wologodsk gehörten ihm 418 Seelen,
zu denen später noch 2300 Seelen in verschiedenen Gouvernements
aus dem Besitz seiner Mutter hinzu kamen.
Im Jahr 1824 lernt er einige junge Offiziere kennen, mit denen ihn
mehr verbindet, als Kartenspiel und schöne Pferde. Wie sie ist er
ein glühender Patriot und zögert nicht, als er 1824 vom Südbund
der Dekabristen angeworben wird. Er nimmt auch Anteil an den
Aktivitäten des Nordbundes und ist von den Persönlichkeiten
beeindruckt, die er hier kennen lernt. Wie ernst diese Verbindung
26
ist, erfährt er spätestens am 19. Dezember 1825, als man ihn in der
Kaserne seines Regimentes unter Arrest stellt.. Erst am 1. Februar
1826 führt man ihn auf die Hauptwache in St. Petersburg und damit
dem Imperator Nikolai I. vor, der ihn anschließend in die PeterPauls-Festung einweist und darum bittet, daß man ihn dort gut
unterbringt und weiter unter Beobachtung hält. Man scheint von
seiner Naivität überzeugt, ist sich aber nicht sicher. Er bekommt die
Zelle Nr. 19 in der Newskij-Kurtine und wird am 10. Juli 1826
nach der II. Kategorie zu 20 Jahren, bzw. später zu 15 Jahren
Zwangsarbeit verurteilt und am 10. Dezember 1826 in Ketten
gelegt und nach Sibirien verbannt. Am 28. Januar 1827 kommt er
in Tschita an, heiratet dort im April 1828 Pauline Gueble, wird im
September 1830 nach Petrowskij Sawod verlegt und am 20. August
1836 auf Anordnung vom 14.12. 1835 von der Zwangsarbeit
befreit. Anschließend begibt er sich mit seiner Frau zur Ansiedlung
in das Dorf Belskoje im Gouvernement Irkutsk, das er am 28.06.
1838 wieder verlässt und nach Turinsk zieht (28.Januar 1839).
Nach beständigen Bittgesuchen seiner Mutter gelingt es ihr, ihm
mit allerhöchster Genehmigung einen Posten in der
Zivilverwaltung Sibiriens zu verschaffen, wo er am 25. November
seine neue Karriere als Kanzleidiener 4. Ranges am Landesgericht
Turinsk beginnt und sich auch um die Belange der Verbannten zu
kümmern hat, es bis zum 25. Dezember 1854 zum KollegialSekretär schafft und nach der Amnestie seit dem 1. Januar 1857
berechtigt ist, den Titel eines Titularrates (Beamter 9. Klasse) zu
führen, was im militärischen Bereich dem Rang eines
Stabshauptmanns entspräche und wird im selben Jahr noch dem
Gouverneur von Nizhnij-Nowgorod A.N. Murawjow für besondere
Aufträge unterstellt. Er engagiert sich in der Folge für die
Umsetzung der Bauernreform (ab 1861). Von 1865 bis 1868 ist er
Landrat des Gebietes von Nizhnij-Nowgorod, wo er auch stirbt und
auf dem Friedhof des Klosters der Aufrichtung des heiligen
27
Kreuzes neben seiner Frau beigesetzt wird. Sein Leichnam wurde
1953 auf den Friedhof von Bugrowsk überführt.
Annenkow, Praskowja Jegorowna
geb. Pauline Gueble ( 1800-1876 )
Praskowja Annenkow war gebürtige Französin, Tochter eines
französischen Offiziers (Royalist) und stammte aus Lothringen. Sie
wurde am 9. Juni 1800 geboren, wuchs in der Nähe von Nancy auf
und verlor schon sehr früh ihren Vater. Anschließend wurde ihre
Erziehung fremden Personen anvertraut, die sie nur ausnutzten und
dazu nötigten, ihren Lebensunterhalt durch Näharbeiten zu
verdienen. Später, nachdem sie sich zur Schneiderin ausgebildet
hatte, kam sie zum Kaufhaus Mono in Paris, verlässt aber schon im
Jahr 1823 Frankreich und reist nach Rußland in der Hoffnung, sich
dort durchschlagen zu können. Was sie dazu veranlasste (vielleicht
Schulden, vielleicht auch falsche Vorwürfe?), ist nicht bekannt, auf
jeden Fall ändert sie ihren Familiennamen, um die Familie in
Frankreich nicht mit ihrem Problem zu kompromittieren und reist
ab. In Rußland wird sie vom Modehaus Duimansi angestellt, wo sie
sich schon bald zur ersten Verkäuferin hinauf arbeitet. Hier lernt sie
im Frühjahr 1825 ihren späteren Mann Iwan Alexandrowitsch
Annenkow kennen, welcher einer angesehenen Familie Rußlands
angehört. Auf der Messe in Pensa, wo ihre Firma die neue
Kollektion vorführt, fällt sie Annenkow als charmante und
intelligente Managerin auf, der eigentlich dorthin gekommen war,
um für seine Einheit Pferde einzukaufen und sich bei dieser
Gelegenheit unsterblich in sie verliebt. Das junge Paar beschließt
im ersten Rausch der Gefühle, sich heimlich trauen zu lassen,
nimmt dann aber aus Rücksicht auf die Mutter Iwan Annenkows
davon Abstand. Ihr erstes Glück ist nur von kurzer Dauer.
Annenkow wird im Januar 1826 verhaftet und mit weiteren
Dekabristen angeklagt, Vaterlandsverrat mit öffentlichem Aufruhr
28
begangen zu haben. Pauline versucht noch während seiner Haft in
der Peter-Pauls-Festung, die Mutter Annenkows dazu zu überreden,
ihr Geld für dessen Flucht und einen Auslandspass zu geben, was
diese jedoch ablehnt. Nach dessen Deportation am 10. Dezember
1826 folgt sie ihm nach Sibirien, nachdem sie schließlich doch die
familiäre und offizielle Genehmigung zur Heirat erhalten hatte und
organisiert dort im April 1828 ihre Trauung mit einem
Staatsverbrecher, nachdem ihr gemeinsames Kind Alexandra schon
am 11. April geboren wurde und in St. Petersburg bei einer Amme
zurück blieb. Die Ehe verläuft sehr glücklich. Ihr entstammen die
weiteren Kinder Olga (1830-91), Wladimir (1831>97), Iwan (183586), Nikolai (1838-ca.73) und Natalja (1842-94). Sie kehrt 1856
mit ihrer Familie wieder ins europäische Rußland zurück und
veröffentlicht im Jahr 1868 (?) ihre Erinnerungen.
Anoitschenko, Fjodor - Soldat
(er wurde vom Militärgericht in Beleja Zerkow zu 12000 Schlägen
mit Spießruten verurteilt und anschließend in den Kaukasus
versetzt); Fjodor Anoitschenko war ein Vertrauter Sergeij
Iwanowitsch Murawjow-Apostols. Sie kannten sich schon vom
Semjonow-Regiment. Anoitschenko war Teilnehmer des Aufstands
der 1. Grenadierkompanie. Im Auftrag seines Kommandeurs (S.I.
Murawjow-Apostols) agitierte er unter den Soldaten für die Sache
der Dekabristen – also für die Einführung demokratischer
Grundrechte in Russland!
Antropow, Nikolai Alexandrowitsch (1796 – 01.01. 1851)
29
Rittmeister des Astrachaner Kürassierregiments
Mitschüler K. F. Rylejews am Kadettenkorps, nahm an den
Auslandsfeldzügen der Jahre 1813-14 teil. Er wurde aufgrund eines
Briefes, den er kurz vor dem Aufstand des 14. Dezember 1825 an
Rylejew geschickt hatte durch eine Untersuchungskommission der
1. Armee verhört und inhaftiert. Es konnte ihm nicht nachgewiesen
werden, dass er ein Mitglied der Geheimgesellschaft war, weshalb
er am 06. September 1826 auf allerhöchste Anweisung schließlich
wieder frei gelassen wurde.
Versetzung als Hauptmann zum berittenen Jägerregiment von
Nezhinsk mit der Auflage, ihn streng im Auge zu behalten:
09.09.1826
16.11. 1844: als Oberstleutnant des Moskauer Dragonerregiments
wird er zum Leiter des Pferdegestüts von Bronnitzkij ernannt und
darf sich fortan Unterstallmeister nennen, anschließend avanciert er
zum Staatsrat am Pferdekontor des Hofes und stirbt in Petersburg.
Apostol-Kegitsch, Jegor Iwanowitsch (ca. 1803 – nach 1850)
Fähnrich des Tschernigower Regiments
Angehöriger eines Poltawer Adelsgeschlechts. Sein Vater war der
Sekondemajor Iwan Michailowitsch Apostol-Kegitsch. Die
Erziehung fand im Elternhaus statt. Am 28. 11 1820 Eintritt als
Junker ins Tschernigower Infanterieregiment, Beförderung zum
Fahnenjunker am 17. 09. 1823 und zum Fähnrich am 20. 05. 1824.
Er war Adjutant des 2. Bataillons.
Ursprünglich ein Teilnehmer des Aufstandes des Tschernigower
Regiments, verlor dann aber recht schnell den Mut und stellte sich
der Divisionsleitung.
Er wurde von einem Militärgericht beim Hauptquartier der 1.
Armee in Mogiljow, zu dem auch Sergei Murawjow-Apostol für
ein erstes Verhör „geladen“ wurde, zum Verlust seiner militärischen
30
Ränge und des Adels verurteilt, zum Soldaten auf Lebenszeit sowie
in eine der entferntesten sibirischen Garnisonen versetzt; nach
Meinung des OK der 1. Armee sollte er nach seiner Degradierung
zum Soldaten in ein Rgt. des Kaukasuskorps versetzt werden,
wurde dann aber durch ein höheres Auditorium zu 6 Monaten
Festungshaft in Bobruisk mit anschließendem Dienst (s.o.)
verurteilt. Am 06.03. 1828 wurde er aus der Armee entlassen und
arbeitete in der Folge als Schöffe am Kreisgericht von
Konstantinograd (1843 – 44) sowie als Richter am dortigen
Katastergericht seit dem 22.12. 1850. Er besaß in dem Dorf
Jegorowka, Kreis Konstantinograg (Gouv. Poltawa) 58 Seelen und
1000 ha Land. Seine Frau war Nastassja Grigorjewna ?.
Arbusow, Anton Petrowitsch (1797 oder 1798 bis Januar 1843)
Leutnant der Gardeequipage
Gründungsmitglied und Autor des Statuts der geheimen
„Gesellschaft der Gardeequipage“(1824), Mitglied des
Nordbundes (1825) und Teilnehmer des Aufstandes vom 14.
Dezember auf dem Senatsplatz
Die Familie Arbusow gehörte dem älteren Adel an. Der Vater von
Anton Petrowitsch starb noch vor dem Jahr 1826 und hinterließ
dem Sohn 50 Leibeigene im Gouvernement von Nowgorod. Seine
Mutter war eine geborene Sawjalowa. Erzogen wurde er im
Kadettenkorps der Marine, in das er am 12. Februar 1810 eintrat.
Noch in der Nacht vom 14. Dezember wurde er als einer der
Teilnehmer am Aufstand auf dem Senatsplatz verhaftet und im
Alexejew-Ravelin der Peter-Pauls-Festung inhaftiert. Der junge
Leutnant der Garde-Equipage hatte mit dem Schlimmsten zu
rechnen, schließlich war er der Initiator einer Dekabristenzelle bei
der Garde und hatte sich als enger Vertrauter Nikolai Bestushews
auf dem Senatsplatz sehr energisch in Szene gesetzt. Selbst nach
31
der Inhaftierung leistete er stets Widerstand und wurde deshalb in
Ketten gelegt (bis zum 30. April 1826). Als er am 5. Oktober 1826
die Hauptstadt in Richtung Sibirien verließ, war er dem Tode noch
einmal entronnen, doch standen ihm nun 13 Jahre Zwangsarbeit
bevor (ursprünglich 20). Sein Leben sollte nur 46 oder 44 Jahre
währen, von denen er 4 in der sibirischen Ansiedlung verbrachte.
Unter welchen Umständen er dort lebte und wie er starb, ist leider
zu wenig erforscht worden. Zu wenige Menschen lebten damals in
dem Dorf Nasarowsk (Kreis von Atschinsk im Gouvernement
Jenissei).
Sein Portrait, gefertigt von Nikolai Bestushew ist uns nur durch den
glücklichen Umstand überliefert, dass E.I. Jakuschkin viele der
Aquarell-Portraits Bestushews fotografierte, als er 1853/54 bei
seinem Vater zu Besuch in Sibirien war (wo er ihn zum ersten Mal
sah) und auch einige Kopien anfertigte, die er als Drucke Anfang
der 60-er Jahre in Moskau vertrieb. Zu dieser Zeit wurden die
Portraits der berühmten Männer und Frauen gern von der Jugend
gekauft – auch in Petersburg. Die Historiker I.E. Sabelin und M.I.
Semjowskij füllten damit ihre Archive, in denen die Fotografie des
Portraits von Arbusow „überlebt“ hat. Ohne diesen Umstand hätten
wir kein Zeugnis von jenem bescheidenen und unerschrockenen
jungen Mann. Nur in dem Tagebuch von W.D. Filosofow finden
wir eine Bemerkung darüber, wie Arbusow seine letzten Tage
verbrachte: „Er war ein außergewöhnlich kluger Mensch mit
liebenswürdigen, guten Umgangsformen...Er hatte einen derartigen
Grad von Armut erreicht, dass er sich nur noch von Fisch ernährte,
den er selbst angelte. Konnte er einen Tag nichts angeln, blieb er
ohne Nahrung. Schließlich verließen ihn die Kräfte; vier Tage lag
er dann da und bat seine Wirtin, ihm zwanzig Fische zu borgen. Am
fünften Tag lehnte es die Wirtin ab, ihm weiter behilflich zu sein.
Bei 30 Grad Kälte ging er los, krank wie er war, um Fisch zu
fangen, schaffte es noch, das Eisloch freizulegen, doch dann
verließen ihn die schwachen Kräfte; er fiel ins Wasser, konnte sich
32
wieder aufs Eis retten, ging aber nicht nachhause sondern fing
weiter Fische. Er warf eine Reuse aus und fing zum Glück so viele
Fische, dass er die Wirtin auszahlen konnte. Als er wieder Heim
kam, zahlte er ihr - schon fast zu Eis erstarrt - seine Schulden und
sagte, dass er von nun an weder Fisch noch sonst irgend etwas
braucht. Sie nahm an, dass er damit andeuten wolle, man habe ihm
Geld geschickt und war bereit, sich weiter um ihn zu kümmern. Er
legte sich (aber) schon als Toter zu Bett...“
Arzybaschew (Arzybuschew), Dmitrij Alexandrowitsch
(1804/04 – 1831); Kornett der Leibgarde Kavaliergarderegiment
Die Erziehung erfolgte im Elternhaus sowie am Pensionat der
Moskauer Uni, wo er Vorlesungen der Moskauer Professoren hörte.
Am 27. Februar 1820 erfolgte sein Eintritt bei der Leibgarde des
Kavaliergarderegiments als Junker und am 05. April 1823 die
Beförderung zum Kornett.
Mitglied der Petersburger Zelle des Südbundes (seit 1825),
Teilnehmer an den Aktivitäten des Nordbundes
Am 19. 12. 1825 wurde er in seiner Petersburger Wohnung
festgenommen und zur Stadtwache gebracht, taucht dann am 25.
12. aber in Narwa auf, um am 16. Februar 1826 zur Peter-PaulsFestung gebracht zu werden: Wassiljewskij-Courtine, Zelle 1.
Auf höchste Anordnung sollte er noch einen Monat in der Festung
verbleiben, um dann unter Beibehaltung des Dienstgrades zum
Infanterieregiment nach Taman versetzt zu werden. Dort traf er am.
07. Juli 1826 ein, wird 1828 Fähnrich und 1830 Leutnant des
Nascheburgsker Inf.-Rgts. Am 11.11. 1831 wird er im Rang eines
Oberleutnants aus den offiziellen Listen gestrichen. Er war
Teilnehmer des russisch-persischen (1826-1828) und des russischtürkischen Krieges (1828-1829), auch zugegen, als Bajazeth und
Erzerum eingenommen wurden.
Er ist Autor einer militärhistorischen Untersuchung.
33
Astafjew, Alexander Philippowitsch (1781 – 05. 10. 1850)
Oberst und Kommandeur des Jekaterinburger Infanterieregiments
Mitglied des Wohlfahrtsbundes.
Auf allerhöchste Anweisung von jeder weiteren Untersuchung
ausgeschlossen, nachdem er Ende Januar 1826 inhaftiert und
verhört wurde.
Beigesetzt auf dem Friedhof des Alexejew-Klosters in Moskau.
Awenarius, Alexander Andrejewitsch (gestorben 1828)
Oberst
Alexander Awenarius war Oberst des 41. Jägerregiments. Der Vater
war Stabsarzt in Ufa. Seine Laufbahn als Oberoffizier begann im
Jahr 1817 in Mitau, wo er als Major zum obersten Adjutanten der
25. Infanteriedivision ernannt wurde, am 06. 10. 1817 zum
Oberstleutnant. Im Jahr 1821 war er Oberadjutant des Stabes der 1.
Armee und übernahm als Kommandeur im gleichen Jahr das 41.
Jägerregiment im Kaukasus. Seine Beförderung zum Oberst
erfolgte 1823. Zum Geheimbund fand er im Jahr 1817 oder Anfang
1818 während seiner Dienstzeit in Mitau. Er trat dem Rettungsbund
bei und stand nach dem 14. Dezember 1826 im Verdacht einer
Verschwörung, die im Bereich des Kaukasuskorps vermutet wurde
– zumindest gab es einige Denunzianten, die sich derart äußerten.
Es konnte ihm aber nichts nachgewiesen werden; seine Qualitäten
als Kommandeur für Zar und Vaterland standen in keinem
Vergleich zu den wagen Anschuldigungen. Deshalb wurde von
höchster Stelle angewiesen, ihn bei der Untersuchung des 14. 12.
nicht weiter zu beachten.
Oberst Awenarius war Teilnehmer des russisch-persischen Krieges
1826-28 und starb als Junggeselle.
34
Awramow, Iwan Borissowitsch (1802 bis 17. September 1840)
Oberleutnant der Quartiermeisterabteilung
Er entstammte älterem Adelsgeschlecht aus dem Gouvernement
Tula. Sein Vater (ein Oberleutnant a.D.) war Boris Iwanowitsch
Awramow. Ihm gehörten knapp 200 Seelen, von denen er seinem
Sohn Iwan zum 19. Geburtstag 21 schenkte: 10 Männer und 11
Frauen. Seine Mutter Elisaweta Andrejewna war eine geborene
Kislinskaja. Bevor Iwan Borissowitsch 1819 seine einjährige
militärische Ausbildung an der Schule für Kolonnenführer in
Moskau abschloss, wurde er zu Hause von ausländischen Erziehern
unterrichtet und hatte er die Adelsschule von Tula absolviert. Nach
den Abschlussexamen wurde er zum Unterleutnant der
Quartiermeisterabteilung befördert und der 2. Armee für
topographische Arbeiten zugeteilt. Hierbei zeichnete er sich
offenbar aus, denn er wurde im Jahr 1822, nach seiner Beförderung
zum Leutnant, mit dem Annenorden 4. Klasse ausgezeichnet. Im
März 1825 wurde er Oberleutnant und schloss seine
topographischen Arbeiten zum Gouvernement Podolsk ab.
Daraufhin wurde er dem Hauptquartier der 2. Armee zugeteilt und
hielt sich vorwiegend in Tultschin auf.
Er war Mitglied des Südbundes, der unter dem Einfluss Pestels
stand.
Seine Verhaftung erfolgte erst am 14. Januar 1826, obwohl der
Befehl hierzu schon am 5. Januar erlassen wurde. Nachdem er auf
Befehl Nikolai I. „in Untersuchungshaft unter strengen Auflagen“
genommen wurde, verurteilte man ihn am 10. Juli 1826 nach der
Kategorie VII (2 Jahre Zwangsarbeit mit anschließender
Verbannung in Sibirien), was am 22. August auf ein Jahr
Zwangsarbeit mit Verbannung gemildert wurde. Der blauäugige
junge Mann mit der großen Nase kam am 15. April 1827 in Tschita
an und wurde ein Jahr später in der Stadt Turuchansk im
Gouvernement Jenisseisk angesiedelt. Gemeinsam mit dem
35
Dekabristen N. F. Lissowskij stellte er einen Gewerbeantrag als
Händler im Kreis Turuchansk. Dem wurde 1832 auch zugestimmt.
Von nun an konnte er sich zwischen Turuchansk und Jenisseisk
relativ frei bewegen. Er handelte vorwiegend mit Fisch und
Gemischtwaren. Bei einer dieser Dienstfahrten verunglückte er
unterwegs mit seinem Boot tödlich. Er hinterließ eine junge Frau
mit drei Kindern (Sergei – 9 Jahre alt und eine Tochter von 4
Jahren sowie einen weiteren einjährigen Sohn).
Geschwister: Andrei (Leutnant des Kursker Infanterieregiments im
Jahr 1826), Ilja (Oberleutnant a.D. des selben Regiments seit 27.1.
1825), Nikolai (Unteroffizier des Rjasaner Infanterieregiments)
Die Schwestern Pelageja, Nadeshda und Praskowja lebten bis zum
Jahr 1831 – dem Todesjahr beider Elternteile – in der Moskauer
Stadtwohnung
Awramow, Pawel Wassiljewitsch
(1790/91 bis 05. November 1836), Oberst
Kommandeur des Kasaner Inf.-Rgts
Er entstammte einem Adelsgeschlecht aus dem Gouvernement St.
Petersburg. Sein Vater, der Kollegialrat Wassilij Michailowitsch
Awramow, war Rat des Komitees an der Akademie der
Wissenschaften und verstarb, wie die Mutter Alexandra, im Jahr
1831. Seit dem Jahr 1798 wurde er beim 1. Kadettenkorps erzogen
und trat dann im Februar 1906 als Leutnant dem 3.
Artillerieregiment bei, das kurz darauf (im August 1806) der 13.
Artilleriebrigade angeschlossen wurde. Beförderung zum
Oberleutnant am 7.01.1810 und Versetzung zum 1. Kadettenkorps
am 03.03. 1811 als Ausbilder. Ab 1812 wurde er zu den neu
gebildeten Regimentern und Bataillonen abkommandiert, um hier
für die Durchsetzung der Dienstordnung zu sorgen. Am 27. 11.
1813 erhält er für Auszeichnung im Dienst den Wladimirorden 4.
Grades, kehrt 1814 ins Kadettenkorps zurück und wird am 9.01.
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1816 zum Stabshauptmann befördert. Auf eigene Bitte lässt er sich
per 01.11.1818 als Hauptmann zum Grenadierregiment des
preußischen Königs versetzen, wechselt im Januar 1819 als Major
zum 2. Karabinerregiment und wird im August des selben Jahres
zum Chefadjutanten des OK des Hauptstabes der 2. Armee (P.D.
Kisseljew) ernannt, womit eine Versetzung an das Ochotsker
Infanterieregiment verbunden ist. A. 1. Dezember 1819 erfolgt
seine Beförderung zum Oberstleutnant. Am 10. Januar 1822 wird er
als Kommandeur des Lehrbataillons am Hauptquartier der 2.
Armee eingesetzt und im Dezember 1822 zum Kommandeur des
Kasaner Inf.-Rgts. ernannt. In Würdigung seiner Leistungen erfolgt
am 26. 11. 1823 die Ernennung zum Oberst.
Mitglied des Wohlfahrtsbundes seit 1819 sowie des Südbundes
Er zählte zu jenen, die von Hptm. Maiboroda denunziert wurden,
verneinte die Mitgliedschaft in der Geheimgesellschaft während
des ersten Verhörs in Tultschin und befand sich ab 19. 12. 1825
unter Arrest. Am 30. Dezember erhält er den Befehl des OK der 2.
Armee, sich nach St. Petersburg zum Chef des Hauptstabes der
Armee I.I. Diebitsch zu begeben, wo er am 11. Januar 1826 auch
eintrifft und auf der Hauptwache sofort in Gewahrsam genommen
wird. Am selben Abend befindet er sich „zur weiteren Beobachtung
unter strenger Aufsicht“ in Zelle Nr. 15 der Trubetzkoi-Bastion in
der Peter-Pauls-Festung.
Am 10. Juli 18126 wird er nach der IV. Kategorie verurteilt: 12
Jahre Zwangsarbeit, gemildert per 22. 08. 1826 auf 8 Jahre.
Am 27.01. 1827 verlässt er die Peter-Pauls-Festung in Richtung
Sibirien.
17.03. 1827: Haft im Gefängnis von Tschita, im September 1830
Verbringung ins Gefängnis von Petrowskij Sawod,
08.11.1832: Befreiung von der Zwangsarbeit und Ansiedlung in
Tschita (ab 1.2.1833),
01. 04. 1833: erneute Inhaftierung in der Festung Akscha
(Gouvernement Irkutsk).
37
Letztes Dokument: Brief an K.P. Torson
Letzte Verfügung: Regelung zur Beisetzung und Vererbung von
Hab und Gut an verschiedene Leute, um sich dadurch ein
Andenken zu bewahren; Haus und Wirtschaft mit sämtlichem
Inventar überträgt er K.P. Torson, der sich damals zur Ansiedlung
in Akscha befand.
Seine Ruhestätte war eine zeitlang nicht mehr auffindbar, wurde
1983 aber von Archäologen wieder gefunden, was es ermöglichte,
seine Überreste auf einem Memorialfriedhof in Akscha zu
überführen.
Brüder: Wassilij - 1826 Major des Wjatsker Inf.-Rgts.; Alexander –
1826 Ltn. Des 42. Btls. des Karabinerregiments; Pawel – 1832
Major in Rewal, anschl. Oberst (1837) und Kommandeur einer
Grenzbrigade; Michail Ing.-Stabshptm. an der Ausbildungsstätte
für Ingenieure
Schwestern: Warwara, Jekaterina und Marja (1832 noch im
Mädchenalter gestorben)
38
B
Basin, Iwan Alexejewitsch (24.06.1803 – 22.02. 1887)
Leutnant der Leibgarde des Finnischen Regiments
Er gehörte dem Adel des Gouvernements von St. Petersburg an und
begann seine militärische Laufbahn am 25. März 1817 als
Unterfähnrich am Infanterieregiment von Murom (18.04.1818 –
Fähnrichsanwärter, 29.04.1819 – Fähnrich). Am 13. Januar 1820
wurde er zur Leibgarde des Finnischen Regiments versetzt und 3
Jahre darauf vom Leutnant befördert.
Sein Verbrechen bestand in der Hauptsache darin, am Vorabend des
Aufstandes bei dem Dekabristen N. P. Repin gewesen zu sein, bei
dem sich einige Putschisten für den nächsten Tag berieten.
Während der Untersuchung stellte sich heraus, dass er kein
Mitglied der Geheimgesellschaft war.
Nach seiner Rückkehr ins Regiment erhielt er den Marschbefehl für
den Kaukasus.
Beförderung zum Oberleutnant am 06.06.1826. Teilnehmer des
russisch-türkischen Krieges; er wird 1832 zum Hauptmann
befördert, am 11. September 1838 zum Oberst und 1839 zur
Leibgarde des Jägerregiments versetzt.
Weiterer Lebensweg:
23.11. 1847 – Kommandeur des 1. Karabiner-Lehrregiments
06. 12. 1847 – Generalmajor
1849 – Kommandeur der 1. Brigade der 1. Grenadierdivision
1855 – Kommandierender der Kaukasischen Reservedivision
1865 – Kommandeur der 32. Infanteriedivision (1865-74 im
Ruhestand)
Dezember 1874 – Mitglied des Verwundetenkomitees von
Alexandrowsk
15.05. 1883 – Infanteriegeneral
39
Bakunin, Alexander Pawlowitsch (1799 –1862)
1817: Lyzeumsabsolvent des 1. Jahrgangs und Klassenkamerad
A.S. Puschkins
Jener Umstand, dass er von 1821 – 1823 Mitglied der Gesellschaft
Vereinigter Slawen war und nach 1817 bei der Leibgarde des
Semjonow-Regiments, nach 1820 bei der des Finnischen
Regiments
kurz
gedient
hatte,
wurde
von
der
Untersuchungskommission kurz geprüft, doch sprach man ihn auf
allerhöchste Anweisung schnell wieder frei. Seit 1823 befand er
sich im Zivildienst und nahm in der Folge hohe und angesehene
Posten ein.
Bakunin, Wassilij Michailowitsch (1795 – 1863)
Oberst des Rigaer Dragonerregiments
Er war einer derjenigen, die den Vaterländischen Krieg, wie auch
die anschließenden Auslandsfeldzüge aus nächster Nähe erlebt
haben. Von August 1812 bis Februar 1814 avancierte er vom
Junkeranwärter zum Oberleutnant der Grenadier-Leibgarde (nach
der Schlacht bei Leipzig!). Seine Versetzung zum
40
Kavaliergarderegiment erfolgte am 23.12.1815, und seit dem 08.
November 1816 diente er als Adjutant des Fürsten Golizyn, um
dann über den Rittmeister (1819) zum Oberst des Jekaterinoslawer
Kürassierregiment ernannt zu werden (1824).
Der Untersuchungskommission stieß lediglich auf, dass er sich als
Freimaurer der Loge „Russische Adler“ in St. Petersburg literarisch
beschäftigte und ein Mitglied des 1821 offiziell liquidierten
Wohlfahrtsbundes war.
Auf allerhöchste Anweisung wurde die weitere Untersuchung
eingestellt.
1832 nimmt er aus gesundheitlichen Gründen seinen Abschied von
der Armee, wird 1833 noch einmal als Oberst des Litauer
Ulanenregiments reaktiviert, 1836 Mitglied des Feldauditoriums
und 1848 als Generalmajor in den Ruhestand versetzt.
Seine Familie:
Vater – Senator Michail Michailowitsch Bakunin (geb. 1764)
Mutter – Warwara Iwanowna Golenistschew-Kutusow (1773 –
1840)
Der Bruder: Iwan (1802 – 1874), Oberst
Die Schwestern: Jewdokia (geb. 1794) – Künstlerin, Ljubow (geb.
1801), Praskowja (geb. 1810), Jekaterina (geb. 1811)
Balugianskij (Bolugianskij), Michail Andrejewitsch (1769 – 1847)
Tatsächlicher Staatsrat, Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung
M.A. Balugianskij wurde in Ungarn geboren und nahm eine
Entwicklung zum Professor am Lehrstuhl für Politische Ökonomie
am Pädagogischen Hauptinstitut (1809). Von 1819 bis 1821 war er
der erste Rektor der Universität St. Petersburg und seit 1828 deren
Ehrenmitglied.
Mitarbeiter Speranskijs
Er geriet in den Fokus der Untersuchung wegen einer Denunziation
A. I. Maiborodas, der ihn als ein Mitglied der Geheimgesellschaft
41
nannte. Die Untersuchung konnte das nicht bekräftigen, und so
wurde er auf allerhöchsten Beschluss von allen Vorwürfen frei
gesprochen.
1827 wird er Staatssekretär, im Dezember 1839 Senator und stirbt
1847 in St. Petersburg
Er war verheiratet mit Antonia von Heger, hatte 3 Söhne und 7
Töchter, die allesamt recht interessant verheiratet waren. Die
zweite Tochter Anna (geb. 1806) war Schriftstellerin.
Baranow
Ehemaliger Adjutant des OK der 2. Armee
Soll nach Aussage von N. I. Komarow Mitglied der
Geheimgesellschaft
gewesen
sein,
was
die
Untersuchungskommission aber nicht bestätigt fand und dem
Hinweis keine weitere Aufmerksamkeit schenkte.
Baranzew, Alexander Anissimowitsch (ca. 1793 - 1826)
Leutnant der Gardeequipage
Teilnehmer des Aufstandes vom 14. Dezember 1825 auf dem
Senatsplatz.
Da er sich nach Erreichen des Aufstellungsraums wieder in die
Kaserne zurück begab, wurde dem Umstand anfänglicher
Teilnahme keine weitere Beachtung geschenkt.
Seine Erziehung vollzog sich im Kadettenkorps der Marine ab
1797. Er unternahm einige Kreuzfahrten mit der Schaluppe
„Wolchow“ (1812-1813), auf der Fregatte „Bystrij“ (1816) und
nach Island (1824). Mit der Fregatte „Jelena“ besuchte er die Küste
42
Englands, wurde am 28. 09. 1826 zum Kapitänleutnant befördert
und starb in Portsmouth.
Sein Bruder Wassilij (gest. 1842) war Kapitän 1. Ranges seit dem
18. 04. 1837
Baratajew (Barataschwili), Michail Petrowitsch (1784 – 1856)
Fürst, Stabsrittmeister a.D., Adelsmarschall des Gouvernements
Simbirsk
Er wurde am 23. Februar 1826 in Simbirsk verhaftet und sofort auf
die Hauptwache nach Petersburg gebracht, weil er als Meister des
Stuhls der Freimaurerloge „Schlüssel der Wohltat“ von Simbirsk
in den Verdacht geraten war, Mitglied der Geheimgesellschaft
gewesen zu sein. Er stritt dies ab. Die Untersuchung konnte nichts
beweisen,
und
deshalb
wurde
er
mit
einem
Rehabilitationsschreiben bei Ersatz der Reiseauslagen am 25. Mai
1826 wieder entlassen. Seine weitere Karriere ist recht
interessant...
Nach seinem Eintritt als Junker beim 11. Artillerieregiment im
Oktober 1798, schaffte er es bis zum 30. November 1807 (nach der
Schlacht von Preußisch-Eylau) bis zum Oberleutnant der Husaren
mit Wladimirorden 4. Grades am Band und goldenem Kreuz.
Wegen seiner Verletzungen wurde er im Februar 1809 als
Stabsrittmeister aus dem Armeedienst entlassen und im Dezember
1815 zum Adelsmarschall gewählt.
Am. 26. 08. 1826 wird er zum Staatsrat ernannt und am 22.
September 1835 dem Innenministerium zugeteilt, ab 14. 04. 1839
im Finanzministerium; 1839: Chef des Transkaukasischen
Zollbezirks. Zudem galt er als bekannter Archäologe und
Numismatiker. Er hatte zwei Söhne und sechs Töchter. Seine Frau
Alexandra starb 1841.
43
Vater: Fürst Peter Michailowitsch Baratajew (1734 – 89),
Statthalter von Simbirsk
Mutter: eine gebürtige Nasimowa
Barkowskij, Frank Kasimirowitsch (geb. 1804)
Gymnasiast
Mitglied diverser Geheimorganisationen, wie „Einige Brüder“ und
„Gesellschaft der Militärfreunde“ (ab November 1825). Er wurde
im Zusammenhang mit dem Dekabristenaufstand während der
weiteren Untersuchungen, die sich auch mit Geheimbünden an
mittleren Lehranstalten im Kreis Wilna beschäftigten, im Juli 1826
verhaftet und am 9. Oktober 1827 auf Erlass des Großfürsten
Konstantin Pawlowitsch zu 4 Monaten Festungshaft mit
anschließendem Dienst als Soldat verurteilt, nachdem ihn die
Untersuchungskommission schon für schuldig befunden hatte. Vor
Ablauf von zwei Dienstjahren sollte es nicht gestattet sein, ihn zum
Unteroffizier zu befördern; gleichzeitig wurde seine strenge
Überwachung angewiesen.
Er war Teilnehmer des russisch-türkischen Krieges 1828-29, wird
1834 Unteroffizier des Nizhegoroder Dragonerregiments, und 1835
erwirkt ihm sein Regimentskommandeur die Genehmigung, den
ersten Offiziersgrad zu tragen.
44
Barykow, Fjodor Wassiljewitsch
Kornett der Leibgarde des Reiterregiment
Er war der Sohn eines Gutsbesitzers in Mzensk, des Staatsrates
Wassillij Alexejewitsch Barykow und wurde im Februar 1824 vom
Jekaterinoslawer Kürassierregiment zur Leigbarde versetzt.
Nach Aussage F.F. Wadkowskij hatte dieser ihn 1825 als Mitglied
des Südbundes aufgenommen. Nach dem ersten Verhör durch
Oberst W. Lewaschow wurde er wieder freigelassen. Am 5. Januar
1827 quittierte er den Dienst bei der Armee als Oberleutnant.
Er war verheiratet mit Warwara Pawlowna Uschakowa
(Hoffräulein!)
Barjatynskij, Alexander Petrowitsch (07. 01. 1799 – 19.08. 1844)
Fürst, Poet und Stabsrittmeister, Adjutant des OK der 2. Armee
Mitglied des Wohlfahrtsbundes und des Südbundes
(Hauptverwaltung), Vorsitzender der Filiale (Nebenverwaltung)
von Tultschin anstelle Pestel wenige Wochen vor dem Tod
Alexander I.
45
Nach der Erziehung im Elternhaus (dem Vater Fürst Peter
Nikolajewitsch Barjatynskij gehörten im Gouvernement Kaluga,
Rjasan und Tula 1.060 Seelen) besuchte er in St. Petersburg bis
Ende 1814 ein Jesuitenstift. Nachdem er eine entsprechende
Eignungsprüfung am Pädagogischen Institut abgelegt hatte, begann
seine Dienstlaufbahn
als Dolmetscher/Übersetzer am
Außenministerium.
Am 01. Januar meldet er sich als Junker beim Husarenregiment der
Leibgarde, wird am 28.06. 1817 zum Kornett und per 30.10. 1819
zum Oberleutnant befördert. Im Jahr 1820 wird er zum Adjutanten
des OK der 2. Armee Graf Wittgenstein ernannt und am 17. März
1825 Stabsrittmeister.
Der Befehl zur Verhaftung wurde am 27. Dezember 1825 erlassen.
Nach seiner Inhaftierung in Tiraspol wurde er am 03. Januar nach
Petersburg zur Hauptwache gebracht und noch am selben Tag in
der Peter-Pauls-Festung eingekerkert. Nach der Urteilsverkündung
(Kategorie 1!) wurde er nach Keksholm verbracht, anschließend
nach Schlüsselburg (21.04. 1827).
Ankunft in Tschita nach dem Abmarsch am 28. 09. 1827 aus
Petersburg: 13.12. 1827
Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830
Da er an einer Kehlkopferkrankung litt, bat seine Schwester
Warwara P. Winciewicz-Sub um eine Kur im Bad von Turkinsk,
was abgelehnt wurde.
Befehl zur Ansiedlung: 10. Juli 1839
Auf Betreiben des Fürsten Wassili Wassiljewitsch Dolgorukow
(seine Mutter Jekaterina Feodorowna war eine geborene Fürstin
Barjatynskij) darf er sich in Tobolsk ansiedeln und erhält von der
Familie 950 Rubel für die Kur in Bad Turkinsk und Krasnojarsk,
wo er am 29. 11. 1839 eintrifft. Er überlebte die Kur 5 Jahre und
wurde in Tobolsk bestattet.
Baschmakow, Flegmont Mironowitsch (1774 – 21. 09. 1859)
46
Zum Soldaten degradierter Oberst des Tschernigower Inf.-Rgts
Nach Aussage einiger Dekabristen Mitglied des Südbundes
Angehöriger des verarmten Adels im Gouvernement Simbirsk.
Beginn der militärischen Karriere als Sergant des 2. FüsilierRegiments am 28.11. 1794, Fähnrichsanwärter seit 24. 02. 1797,
Teilnehmer des Italien-Feldzuges unter Suworow im Jahr 1799 und
Beförderung zum Oberleutnant für Auszeichnung im Kampf am 16.
10. 1804; Teilnehmer der Kämpfe von 1805 – 1814 mit
Auszeichnungen (1806 a.D.).
Teilnehmer des Vaterländischen Krieges und Beförderung zum
Oberst am 03.11. 1812.
Nach seiner Rückkehr mit dem Okkupationskorps Woronzows im
Jahr 1818 dient er im Kaukasus, wo er wegen Verleumdung und
Verschwendung als Oberst der 17. Art.-Brigade ohne Verlust des
Adels zum Soldaten degradiert und am 26. 03. 1820 zum Inf.-Rgt
Tschernigow versetzt wird. Am Aufstand des Tschernigower
Regiments im Januar 1826 nahm er (nach neueren Erkenntnissen)
nicht teil,3 wurde in diesem Zusammenhang aber doch am 05. 01.
1826 verhaftet und am 15. Februar in Fesseln vom Hauptstab in
Petersburg zur Peter-Pauls-Festung in eine besondere
Gefängniszelle der Wassiljewskij-Kurtine für Soldaten und
Verbrecher gebracht (16. 02. 1826).
Obwohl er stets leugnete, jemals Mitglied der Geheimgesellschaft
gewesen zu sein, belasteten ihn die Indizien wie sein Verhalten
offenbar sehr, denn sein Fall wird gesondert behandelt. Er scheint
nicht so recht zu den Dekabristen zu passen und wird deshalb am
17. August 1826 dem Militärgericht der 1. Armee in Mogiljow
überstellt, wo er am 31. 08. eintrifft und zu Folgendem verurteilt
wird: Aberkennung des Adels, Ausschluß aus dem Militär unter
3
In dem Album „Die Dekabristen in Sibirien“, Ausgabe 1988 Vlg. „Sowjetskaja
Rossija“ wird er als Dekabrist angegeben, ebenso in den Erinnerungen der M.D.
Franzew und bei Tschenzow .
47
Verlust sämtlicher Ränge und Verbannung nach Sibirien auf
Lebenszeit, was am 10. September 1827 von höchster Stelle
bestätigt wird. Unter all den unehrenhaften Verurteilungen
erscheint diese auf den ersten Blick als die unehrenhafteste. Es
wäre interessant, mehr Details zu erfahren.
Am 24. August 1828 wird er in Westsibirien (Gebiet von Rybinsk)
angesiedelt, anschließend in Taru und später (auf Bitten der Mutter)
in Kurgan – 1838.
Im September 1853 gelingt es dem Fürsten A.A. Suworow (dem
kleinen Suworow, dessen Schwester Warwara in erster Ehe mit
einem Cousin B.-s verheiratet war), sich derart für ihn zu
verwenden, dass B. nach Russland zurückkehren kann – zuerst
nach Wladimir, anschließend auf das Anwesen seines Verwandten,
des Gen.-Majors N.D. Bulygin, im Gouvernement Kasan. Aus
Altersgründen lehnt er dies jedoch ab und zieht nach Tobolsk, wo
er im Kreis vieler Dekabristen 6 Jahre später verstirbt.
Er war schon vor 1820 mit Katharina Larionowa, geb. Feljarsowa
(?), verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder, die 1813 und 1816
geboren wurden (Katharina und Alexander).
48
Bassargin, Nikolai Wassiljewitsch (1800 – 03. 02. 1861)
Oberleutnant, Chefadjutant beim Hauptstab der 2. Armee
Er entstammt einem Adelsgeschlecht aus dem Gouvernement
Wladimir, wo sein Vater Wassilij Iwanowitsch (gest. 1822) 56
Seelen in dem Dorf Micheizew besaß. Seine Mutter Jekaterina war
die Schwester eines Poeten und Tochter des bekannten Architekten
Karl Blank. Anfangs erhielt er seine Ausbildung im Elternhaus,
später dann, ab dem 22.12. 1817, an der Moskauer Schule für
Kolonnenführer, wo er im Januar 1818 als Kolonnenführer
bestätigt wurde, sie am 30. März 1819 als Fähnrich mit
Spezialisierung auf rückwärtige Dienste (Quartiermeisterei)
beendete und dort noch 1 Jahr blieb, um Mathematikunterricht zu
geben. Im März 1820 wurde er nach Tultschin abkommandiert und
für Auszeichnung im Dienst am 30. Mai 1821 zum Leutnant
befördert. Nach seiner Versetzung zum 31. Jägerregiment wird er
zum Oberleutnant befördert und am 16. Oktober 1821 Adjutant des
Chefs des Hauptstabes der 2. Armee P.D. Kisseljow. Ein Jahr später
ist er bei der Leibgarde (18.09.1822) und ab 18. Januar 1825
Chefadjutant beim Hauptstab der 2. Armee.
49
Er war Mitglied des Wohlfahrtsbundes und des Südbundes.
Der Befehl zu seiner Verhaftung erging am 30. Dezember 1825,
und am 06. 01, wurde er von Tultschin in Begleitung eines
Gendarmen nach Petersburg zur Hauptwache gebracht.
Dort traf es am 14. Januar ein und bezog am 15. 01, 1826 sein
Quartier in der Peter-Pauls-Festung. Im Juni 1826 wendete er sich
in einem Brief an Nikolai I., in dem er sein Tun bereute, erhielt
aber nur zur Antwort, dass nun alles vom Gericht abhänge. Er
wurde nach der 2. Kategorie verurteilt und verließ die Peter-PaulsFestung in Richtung Sibirien am 21. Januar 1827.
Ankunft in Tschita: 07. März 1827
Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830
Ansiedlung: 17. September 1836 in Turinsk / Gouvernement
Tobolsk Von dort zog er am 15.03. 1842 nach Kurgan um und
arbeitete als Kanzleibeamter, versetzt nach Omsk am 14.05.1846
(Schreiber 3. Stufe). Ab dem 7. Februar 1852 arbeitete er am
Landgericht von Jalutorowsk und dient sich bis zum 5. Mai 1856
zum Kollegialregistrator hinauf. Nach der Amnestie vom 22.08.
1856 kehrt er nach Russland zurück, trifft am 25. 03. 1857 in
Moskau ein und reist über Kiew nach Tultschin.
1858 kauft er sich das Gut Warejewo/ Gouv. Wladimir, nachdem er
zuvor bei einem Verwandten, dem Oberst Andrei I. Baryschnikow
gewohnt hat, schreibt seine Memoiren und publiziert in
verschiedenen Zeitschriften. Bestattet wurde er in Moskau.
Sein Familienleben war nicht minder bewegt.
Seine erste Frau, die Fürstin Maria Michailowna Mestscherskaja,
starb im Jahr 1825. Dieser Ehe entspross eine Tochter Sofia,
welche bei einer Tante der Fürstin aufgezogen wurde, der Taufpatin
P.D. Kisseljows. In der zweiten Ehe, die während der Zeit seiner
Ansiedlung geschlossen wurde (am 28. 08. 1839) hatte er zwei
Söhne, die aber schon bald starben. Nach einem Familiendrama,
das seine junge Frau Maria Jelissejewna (geb. 1821) veranlasste, in
50
das Frauenkloster von Jekaterinburg einzutreten, kehrte sie bald
wieder zurück und verstarb zwei Jahre darauf.
Drei Jahre später (1847) heiratet er die Tochter des ehemaligen
Direktors vom Gymnasium und der Schulen des Kreises Tobolsk:
Iwan Pawlowitsch Mendelejew (eigentlich Sokolow). Der Bruder
von Olga Iwanowna, Schwager Dmitrij, das jüngste von 13 oder 17
Kindern, ist erst 13 Jahre alt, besucht zwei Jahre später (nach dem
Tod des 1834 erblindeten Vaters im Jahr 1847) das Gymnasium von
Tobolsk und wird nach dem Umzug der Familie (1849) nach
Petersburg das dortige Pädagogische Institut besuchen, um an der
Fakultät für Mathematik und Physik zu studieren, die er 1855 mit
der Goldmedaille abschließt. Er promoviert 1856 zum Magister an
der Uni und hält dort ab 1857 Vorlesungen zur Organischen
Chemie. All dies erlebt Nikolai Bassargin nur aus der Ferne, ebenso
die erste Auslandsreise des künftigen Vaters des Periodensystems
der Elemente (1869) nach Deutschland.4 Die Brüder Alexander und
Iwan weilen seit 1857 nicht mehr unter den Lebenden. Da Nikolai
und Olga gemeinsam keine eigenen Kinder haben, nehmen sie sich
der Erziehung Pelageja Mosgalewskajas an, der Tochter N.O.
Mosgalewskijs – auch Polinka, wie sie von den Dekabristen
genannt wurde: sie wird in Zukunft die Frau P.I. Mendelejews 5,
eines Bruders von Dmitrij Iwanowitsch Mendelejew, jenes
einzigartigen Gelehrten, dessen „Organische Chemie“ noch im
Todesjahr seines Schwagers erscheint.
4
Die Tochter D. Mendelejews aus zweiter Ehe, Ljubow (1881-1939), wird
Schauspielerin und Frau von Alexander Blok, einer Ikone der russischen
Literatur. In erster Ehe war D.M. mit
5
Das Periodensystem der Elemente fand erst Anerkennung, nachdem die von
D.I. Mendelejew vorhergesagten Elemente mit den entspr. Eigenschaften
entdeckt wurden (Gallium, Germanium, Scandium). Zeit seines Lebens erhielt
Mendelejew mehr als 130 Diplome im In- und Ausland. Das Element 101,
welches amerikanische Forscher 1855 synthetisch herstellten, erhielt seinen
Namen.
51
Batenkow, Gawriil Stepanowitsch (25. 03. 1793 – 29. 10. 1863)
Oberstleutnant des Ing.-Korps
Teilnehmer des Vaterländischen Krieges und Mitglied des
Nordbundes
Er stammt aus einer Offiziersfamilie im Gouvernement
Tobolsk/Sibirien und verlor seinen Vater mit ca. 17 Jahren. Bis
dahin hatte er in der eigenen Familie und an drei unterschiedlichen
Lehreinrichtungen die erste Bildung erhalten. So beherrschte er die
tatarische Sprache noch vor der russischen. Ab 1810 oder 1811 tritt
er dem Adelsregiment am 2. Petersburger Kadettenkorps bei, von
dem aus er im Mai 1812 als Fähnrich zur 13. Artilleriebrigade
versetzt wird, wo er sich mit A.A. Jelagin befreundet, einem
Verehrer der idealistischen deutschen Philosophie. In Anerkennung
seiner guten Leistungen wird er für die Teilnahme an VK sowie den
anschließenden Auslandsfeldzügen am 17.12. 1813 zum Leutnant,
bzw. Oltn. befördert, erhält für Tapferkeit am 20. 01. 1814 den
Wladimirorden 4. Grades am Band und wird 10 Tage später bei der
52
Schlacht von Monmirale durch 10 Bajonettstiche verwundet. Er
gerät für 10 Tage in Gefangenschaft. Am 7. Mai 1816 wird er
aufgrund seiner Verletzungen aus dem aktiven Wehrdienst
entlassen. Nachdem er sein Examen am Institut des Ing.-Korps
abgelegt hat, erhält er das Ing.-Patent 3. Klasse als Spezialist für
Straßenbau und Transportwesen und wird am 5. Oktober 1816 in
den 10. Kreis abkommandiert (Sibirien).
Bestätigung als Oberleutnant mit Weisungsbefugnis für die Zeit
vom 17.12. 1813 – 02. 02. 1817 und verantwortliche Beteiligung
am Straßen- und Brückenbau der Stadt Tomsk. Während dieser
Zeit macht er die Bekanntschaft des geistvollen Pragmatikers M.M.
Speranskij6, wird 1819 zu dessen unmittelbarem Führungskreis
versetzt und zum Hauptmann ernannt. Er verfasst Lehrbücher für
die von Speranskij gegründeten Schulen Sibiriens und hat zuvor
u.a. eine wissenschaftliche Arbeit „Über den Zusammenfluss
zweier Ströme“ verfasst – eine von drei Abhandlungen zur
Strömungstheorie der Flüsse in Russland, resultierend aus drei
Jahren intensiver Beobachtung in Tomsk.
Beförderung zum Major am 20. 06. 1821.
Ab 29. Januar 1823 ist er in Petersburg für den Bau der
Militärsiedlungen verantwortlich und anschließend Ratsmitglied
der entsprechenden Hauptverwaltung mit Beförderung zum
Oberstleutnant am 25. Januar 1824 und besonderer Befugnis ab 10.
Juli 1824. Er ist seit 1816 Mitglied der Freimaurerloge
„Auserwählter Michaels“ in Petersburg und seit 1818 der Loge
„Erleuchter des Ostens“ in Tomsk. In St. Petersburg lernt er die
Brüder Bestushew sowie Kondratij Rylejew kennen, teilt deren
6
Graf Michail M. Speranskij (1772-1839) war zu der Zeit Generalgouverneur
von Sibirien und zeichnete sich u.a. durch liberale Ideen und als Gegenpol zu
Araktschejew aus. Initiator einer Verwaltungsreform in Sibirien. Er wird 1821 als
Staatsrat nach St. Petersburg zurück gerufen und Chef der Gesetzgebenden
Kommission. Verfechter der absolutistischen Monarchie und Autor des
Manifestes vom 13. Dezember 1825 zur Thronbesteigung Nikolai I., später
Mitglied des Obersten Gerichts zur Verurteilung der Dekabristen.
53
Ansichten und wird Mitglied des Nordbundes, wo er sich dem
demokratischen Flügel anschließt. Er ist es dann, der
entscheidenden Anteil an der Planung des Aufstandes vom 14.
Dezember hat und darauf drängt, die sympathisierende
Bevölkerung in den Aufstand mit einzubeziehen.
Kandidat für eine Provisorische Regierung, falls der Putsch
erfolgreich verlaufen würde.
Verhaftung am 28. Dezember 1825 in St. Petersburg und
Verbringung auf die Peter-Pauls-Festung (Zelle 2 der NikolskijKurtine) am 29. 12. 1825 mit folgendem Hinweis des Imperators:
„...ist unter strenger Bewachung zu halten und hat die Erlaubnis,
alles aufzuschreiben, was er möchte; da er verwundet ist, sollte
man sich im Rahmen der Möglichkeiten um entsprechende
Erleichterungen kümmern.“
Während der Verhöre versuchte B. klarzustellen, dass es sich bei
dem Aufstand um keine Revolte handelte, wie z.B. jene unter
Pugatschow mit dessen Bauernheer, sondern um den ersten Versuch
einer politischen Demonstration mit dem Ziel umfassender
gesellschaftlicher Veränderungen und Neugestaltungen in
Russland. All dies stößt auf Unverständnis, Misstrauen und
Ablehnung, führt dazu, dass man ihn schnell für einen der
gefährlichsten Aufwiegler hält. Doch Batenkow gibt nicht auf.
Nachdem er einen Brief an den Zaren und am 29. 3. 1826 zwei
weitere Schreiben an den Kommandanten der Festung Sukin
geschickt hat, ergeht über Diebitsch per 04. April 1826 an den
Festungskommandanten die Weisung, dass es Batenkow ab sofort
nicht mehr gestattet sei, alles zu schreiben, was er möchte.
Verurteilung nach der 3. Kategorie. Im Unterschied zu den
anderen Dekabristen, wird er nicht nach Sibirien geschickt, sondern
nach der Urteilsverkündung (20 Jahre Zwangsarbeit) in der Festung
von Swartholm eingekerkert. Hier erleichtert ihm die Gegenwart
der Dekabristen Steinheil, Panow, Sutthoff und StschepinRostowskij das Häftlingsleben, denen er seine Gedichte vorliest.
54
Sein Urteil wir dann per 22.8.1826 auf 15 Jahre Zwangsarbeit
verkürzt, doch schickt man ihn im Juni 1827 nicht wie die anderen
nach Sibirien, sondern sperrt ihn auf allerhöchste Anweisung in die
Zelle Nr. 5 des Alexejew-Ravelin der Peter-Pauls-Festung in St.
Petersburg. Damit beginnt eine Zeit unvorstellbarer Leiden. Selbst
der III. Abteilung sind keine Gründe für diese Einzelhaft bekannt.
Batenkow beschließt, seinem Leben durch Hunger und
Schlafentzug ein Ende zu bereiten, als sich erste Anzeichen von
Geistesstörung bemerkbar machen. Den Beweis hierzu liefert er in
zwei Packen mit vollgeschriebenen Notizen/Briefen, die er dem
Zaren im Jahr 1835 über den Kommandanten zustellen lässt. Sie
sollten ein Geschenk zu dessen 10-jährigem Thronjubiläum sein
und belegen, dass seine geistige Zurechnungsfähigkeit deutlich
eingeschränkt war (B. hat sich um ein Jahr vertan!).
Festungskommandant Sukin ist entsetzt, als er einen Blick auf die
Notizen wirft und bezeichnet sie als Produkt geistiger Verwirrung.
Dann lässt er alles verschnüren, bezeichnet es als „geheim“ und
leitet es an den Grafen Benckendorff weiter.
Zitat Batenkow:
„Man hält mich in der Festung fest, weil ich die Hoheit des Zaren
beleidigt haben soll. Was macht das für einen Sinn? Wie könnte ich
in der Lage sein, die Hoheit des Zaren zu beleidigen? Der Zar
verfügt über eine riesige Flotte, eine vielzählige Armee, jede
Menge Festungen - wie also kann ich ihn beleidigen? Schließlich
besitze ich nichts, um seine Flotte zu zerstören, besitze auch
keinerlei Mittel, seine Armee zu vernichten, wodurch also könnte
die Hoheit des Zaren an mir Schaden nehmen? Ich möchte, dass
man mir das einmal erklärt. Selbst dann, wenn ich gesagt hätte:
Nikolai Pawlowitsch ist ein Schwein – könnte so etwas der Hoheit
des Zaren irgend einen größeren Schaden zufügen?“
Am 22. Januar 1846 (nach 20 Jahren Einzelhaft!) ersucht Graf
Orlow bei einer Audienz um Hafterleichterung. Nikolai I. stimmt
dem sinngemäß zu: ...falls man in Anbetracht der Tatsache, dass er
55
den Verstand verloren hat, überhaupt davon ausgehen kann, dass
dies Sinn macht, ihn aber weiterhin unter strenger Beobachtung
hält...
Entlassung aus der Einzelhaft am 31. Januar 1846 durch einen
Beschluss des Festungskommandanten Inf.-General Skobeljew mit
sofortiger Deportation nach Tomsk und der Auflage, dass er unter
strenger Beobachtung bleibt und sich im weiteren allen Regeln für
Staatsverbrecher unterwirft, die zur Ansiedlung auf freien Fuß
gesetzt wurden.
Ankunft im Tomsk am 9. März 1846. Kaum angelangt, beginnt er
wieder damit, Gedichte zu schreiben. Die Beschäftigung mit der
Lyrik hat ihm in der Einzelhaft das Leben gerettet; über sie hatte er
sich neue Räume erschlossen, während er seine Sehnsüchte und
Einsichten formulierte. In den folgenden Jahren beschäftigt er sich
mit Architektur, Landwirtschaft, als Übersetzer, Bankangestellter
und entwirft Staatsprojekte, die von keinem beachtet werden – aber
er lebt wieder, ist zu neuen Kräften erwacht, weil seine seelische
und physische Kraft ungebrochen scheint.
10 Jahre später, nach (fast) völliger Amnestie, kehrt Batenkow nach
Russland zurück und lebt ein Jahr bei der Witwe seines Freundes,
bei Jewdokia Petrowna Jelagina (eine Verwandte W. A.
Zhukowskijs mütterlicherseits) im Dorf Petristschew (Gouv. Tula)
mit der Erlaubnis (ab 14.04.1857), von Zeit zu Zeit nach Moskau
zu fahren. Dort unterhielt J.P. Jelagina in den 20-er Jahren einen
literarisch-musikalischen Salon, in dem alles verkehrte, was Rang
und Namen hatte. Die Jelagins waren auch gute Bekannte des
Poeten A.S. Puschkin und ließen sich nach Batenkows Verhaftung
von den Verwandten eine Vollmacht ausstellen, um sich für ihn
einzusetzen. Im Herbst 1857 zieht B. nach Kaluga, wo er noch
einige Gedichte schreibt, besucht oft das Grab seines Freundes und
stirbt sechs Jahre später.
Literatur: W. Kardin „Der geheime Häftling Nr. 1“ , 288 Seiten
(ISBN 5-275-00625-X)
56
Jekaterina Iwanowna Moier (Schwiegertochter der Jelagins):
„Erinnerungen an Batenkow“
Begitschew, Stepan Nikititsch (1785 – 22. 07. 1859)
Oberst a.D.
Mitglied der Militärgesellschaft (evtl. schon des Rettungsbundes)
und des Wohlfahrtsbundes
Er stammt aus einer Offiziersfamilie und begann seine militärische
Laufbahn 1795 im Pagenkorps. 1802 wird er Kornett im
Alexandrinischen Husarenregiment und am 21. 08. 1802 als
Fähnrich zum Musketier-Rgt. von Olonetzk versetzt. Von 1803
bis1807 läßt er sich vom Militärdienst beurlauben und tritt dann bei
der Miliz von Tula ein, um am 13. Januar 1813 als Kornett
reaktiviert und zu seinem Onkel, dem General A.S. Kologriwow als
Adjutant versetzt zu werden. Im Mai 1813 finden wir ihn im
Kavaliergarderegiment. Seine Beförderung zum Oberleutnant
erfolgt 1814, 1817 ein Fronteinsatz. Er ist in dieser Zeit mit
Alexander Gribojedow eng befreundet. Beförderung zum
Rittmeister am 13. 03. 1819 und zum Oberstleutnant am 09. Juli
1819. Am 15. September 1825 wird er als Oberst aus dem aktiven
Dienst entlassen. Anschließend lebt er in Moskau und empfängt in
seinem Haus u.a. den Fürsten W. F. Odojewskij, die Dekabristen
D.W. Dawydow und W.K. Küchelbecker, A.N. Werstowskij und
A.S. Gribojedow. Die Untersuchung gegen ihn wird auf
allerhöchste Anordnung eingestellt.
Er war zweimal verheiratet und hatte 6 Kinder. Seine Tochter
Nadeshda (geb. 1828) war Patenkind A.S. Gribojedows. Der
Bruder Dmitrij war Schriftsteller.
Belosselskij, Esper Alexandrowitsch (27.12. 1802 – 15.06.1846)
57
Fürst, Oberltn. der Leibgarde des Husarenregiments
Sein Vater war kein geringerer als der Fürst A.M. BelosselskijBelosjorskij und die Schwester eine Intimfreundin des Zaren
Alexander I.: Prinzessin Sinaida Wolkonsky - die Schwägerin des
Dekabristen S.G. Wolkonsky! Ihr lag ganz Moskau zu Füßen, und
sogar Madame de Stael bewunderte sie. Neben der Verwandtschaft
zum Fürstengeschlecht der Lavals war Esper A. Beloselskij durch
seine Ehe mit Jelena Pawlowna Bibikowa auch noch mit dem
Grafen Alexander Chr. Benckendorff verschwägert. All dies
bedeutete eine unvorstellbare Ansammlung von Macht und
Kompetenz. Kein Wunder, dass ihm die Untersuchungskommission
bescheinigte, kein Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen zu
sein, lediglich von deren Existenz wusste und sich im übrigen
geweigert habe, ihr beizutreten.
Bis zum Jahr 1825 führte seine Entwicklung über die Moskauer
Schule für Kolonnenführer, welche von N.N. Murawjow senior
geleitet wurde, direkt zur Leibgarde des Husarenregiments.
So ganz unschuldig scheint er doch nicht gewesen zu sein, denn in
der Folge wird er in den Kaukasus versetzt (was fast immer eine
58
Form von Strafe war) und nimmt am russisch-türkischen Krieg teil,
dient anschließend in der Abteilung des General Grabbe, bevor er
dann am 15. 06. 1833 zum Flügeladjutanten befördert wird (weil er
sich ganz offensichtlich bewährt hat). 10 Jahre später erfolgt seine
Ernennung zum Generalmajor, nämlich am 08. September 1843.
Bei einer Revision der Lazarette, die er als Berater des
Verkehrsministeriums in Nikolajewsk durchführt, steckt er sich mit
Typhus an und stirbt.
Seine Frau heiratet später den Fürsten Wassilij Viktorowitsch
Kotschubei.
Beljajew, Alexander Petrowitsch (1803 – 28. 12. 1887)
Bootsmann der Gardeequipage
Er entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Sein Vater, Peter
Gawrilowitsch Beljajew (gest. 1826) hatte bei der Infanterie
gedient (Träger des Georgskreuzes), war Freimaurer und verwaltete
als pensionierter Kollegialrat die Anwesen des Grafen A.K.
Rasumowskij in den Gouvernements Pensa und Rjasan. Seine
Mutter war die Schwedin Charlotte Werenius, der einige Bauern im
Gouvernement Pensa gehörten. Zur Familie gehörten neben den
zwei Söhnen noch 5 Töchter.
Ab dem Jahre 1813 lebte A.P. Beljajew in Petersburg bei dem
Fürsten W.W. Dolgorukow und bekam ab 20. Mai 1815 eine
Ausbildung beim Kadettenkorps der Marine, wo er am 2. Juli 1817
zum Gardemarin (Gardematrosen) avancierte und die Ausbildung
am 23. Februar 1820 als Bootsmann abschloss.
Versetzung zur Gardeequipage am 05. März 1820. Es folgte eine
Kreuzfahrt auf der Fregatte „Proworny“ nach Spanien, Island und
England, im Jahr 1824 nach Frankreich und Gibraltar.
A.P. Beljajew ist eines der Gründungsmitglieder der geheimen
„Gesellschaft der Gardeequipage“ (1824) und Autor der Statuten.
1825 wird er von D.I. Sawalischin in den Orden der Erneuerung
59
aufgenommen. Er war Teilnehmer des Aufstandes vom 14.
Dezember 1825 auf dem Senatsplatz
B. wurde gemeinsam mit seinem Bruder Peter am 15. Dezember
1826 durch den Großfürsten Michail Pawlowitsch verhaftet und zur
Hauptwache abgeführt, anschließende Unterbringung in der PeterPauls-Festung ab dem 03. Januar 1826 (erst in der Kurtine
zwischen der Trubetzkoi-Bastion und jener Katharina I., dann in
Zelle 14 der Newskij-Kurtine).
Verurteilt wird er nach Kategorie 4. Abtransport nach Sibirien am
02. Februar 1827. Ankunft in Tschita: 20. März 1827
Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830
Ansiedlung bei der Weinbrennerei von Ilginsk / Kreis Irkutsk lt.
Befehl vom 8.11.1832
23. April 1833: Umzug nach Minussinsk (mit allerhöchster
Erlaubnis), wo sich die Brüder Beljajew in der Viehzucht und im
Fischfang versuchen
März 1840: Abreise aus Minussinsk zum Kaukasus (einem Gesuch
des Stallmeisters, Fürst Dolgorukow, als Soldat im Kaukasus
eingesetzt zu werden, wurde stattgegeben),
Ziel: das Kabardiner Jägerregiment, und Versetzung ins
Navaginsker Inf.-Rgt. Am 27.10.1841
1842 : Beförderung zum Uffz. durch Auszeichnung im Dienst
18. 10. 1844: Beförderung zum Fähnrich nach Einsatz gegen die
Gorzen im Kurinsker Jägerregiment.
21. 01. 1846: Entlassung als Leutnant des Navaginsker Inf.-Rgts
mit der Erlaubnis, sich in Samara niederzulassen (bis 1848 folgen
auch Genehmigungen für den Besuch von Petersburg und Moskau,
bzw. für einen Wohnsitz in Petersburg).
Wie schon sein Vater, übernimmt A.P. Beljajew in der Folge diverse
Geschäftsführungen/Verwaltungsarbeiten beim Geheimrat A.E.
Shadowskij und bei E.D. Naryschkin sowie bei S.I. Kriwzow im
Gouvernement Saratow.
60
Nach der Amnestie vom 26. 08. 1856 wohnt er in Moskau,
nachdem er zum 2. Mal geheiratet hat und verliert das Augenlicht,
kann vorher aber noch seine Memoiren schreiben.7
Er hinterlässt einen Sohn und wurde auf dem Waganker Friedhof
von Moskau bestattet.
Beljajew, Peter Petrowitsch (1805 – 1864)
Bootsmann der Gardeequipage (Bruder des Vorgenannten)
Geburtsort war das Dorf Jerschowo im Kreis Tschembarsk (Gouv.
Pensa). Bis 1819 verläuft die Entwicklung analog der des Bruders,
dann unternimmt er mit dem Linienschiff „Emheiten“ eine Fahrt
nach Rostock und wird im Jahr 1824 (am 07. 11.) mit dem
Wladimirorden 4. Grades ausgezeichnet, weil er sich aktiv für die
Rettung von Menschenleben während der Überschwemmung
Petersburgs eingesetzt hatte.
Mitglied der geheimen „Gesellschaft der Gardeequipage“ (1824)
und Aufnahme in den Orden der Erneuerung durch D. I.
Sawalischin. Teilnehmer am Aufstand des 14. Dezember 1825 auf
dem Senatsplatz.
Das weitere Schicksal stimmt bis zum Jahr 1840 wieder mit dem
des älteren Bruders überein. Während sein Bruder 1840 Minussinsk
und Sibirien verlässt, um als Soldat im Kaukasus zu kämpfen (und
sich sein Offizierspatent zurück zu holen), bleibt Peter B., um sich
bis 1849 einen Frachtdampfer zu bauen, den er „Samara“ tauft und
mit welchem er in eigener Regie Fracht von Rybinsk bis nach
Astrachen verschifft. Er ist quasi sein eigener Reeder. Im Winter
bleibt er regelmäßig in Saratow. Nach der Amnestie (1856) wird
auch die polizeiliche Aufsicht aufgehoben. In der Folge ist er Leiter
der Dampfschifffahrtsgesellschaft „Kaukasus und Merkur“ in
Saratow, wo er auch stirbt.
7
In Auszügen nachzulesen in: „Die Brüder Christi in Russland“
61
Er war verheiratet und hatte einen Sohn. Die Mutter lebte auf dem
Anwesen des Grafen Rasumowskij von der Pension des Vaters, die
ihr auf Fürsprache durch den Grafen Benckendorff schließlich in
voller Höhe ausgezahlt wurde (und nicht zur Hälfte) und sah ihre
Söhne nie wieder. Auch ihrer Tochter Elisabeth, die in Saratow
wohnte, wurde es nicht gestattet, die Brüder in Sibirien zu
besuchen.
Benckendorff, Alexander Christopherowitsch (1782-1844)
Generalmajor, Mitglied der Untersuchungskommission
Alexander Christophorowitsch entstammt einer livländischen
Adelsfamilie, deren estnischer Stamm über Generationen die
Bürgermeister von Riga stellte. Sein Vater war Militärgouverneur
von Riga, Bruder Konstantin Gesandter am Hof von Württemberg
und Schwester Dorothea seit 1800 Gattin des Grafen Liewen. Er
selbst, von klein auf mit der kaiserlichen Familie befreundet, wurde
1798 Fähnrich der Leibgarde des Semjonow-Regiments und
Flügeladjutant des Imperators Paul I.
Unter dem Grafen Tolstoi nahm er in den Jahren 1806-07 an vielen
Schlachten teil, wurde 1811 mit dem Georgskreuz ausgezeichnet
und 1812 Flügeladjutant des Zaren Alexander I.
Während des Vaterländischen Krieges gelang es ihm unter
Kutusow 3 Generäle und mehr als 6000 untere Dienstgrade
gefangen zu nehmen. Er kämpfte 1813 bei Tempelberg, stürmte
Berlin und überquerte die Elbe. Nach seinem Sieg über das Korps
Morand bei Lüneburg übernimmt er eine Abteilung der Nordarmee,
schlägt sich tapfer bei Dessau und Roßlau und kommandiert
während der Völkerschlacht zu Leipzig den linken Flügel der
Kavallerie des Baron Winzingerode. Anschließend geht er nach
Holland und Belgien, erobert 24 Geschütze und befreit 600
Engländer aus französischer Gefangenschaft. 1814 zeichnet er sich
bei Lüttich aus. Für seine Tapferkeit wurde er bereits am 27. Juli
62
1812 zum Generalmajor ernannt und wird 1816 Chef der 1.
Ulanendivision. 1819 zum Generaladjutanten ernannt, leitet er den
Stab des Gardekorps. Um 1816 war er auch Mitglied des "Orden
Russischer Ritter". Während der Überschwemmung von
Petersburg im Jahr 1824 wird er zum zeitweiligen
Militärgouverneur der Wassiljewskij-Insel ernannt und zeichnet
sich wiederum aus. Nach seiner Berufung in die
Untersuchungskommission, wird er am 25. Juli 1826 zum Chef des
Gendarmerie-Korps, der sog. III. Abteilung ernannt und Senator. In
dieser Funktion bearbeitet er sämtliche Gesuche der Dekabristen
und ihrer Familienangehörigen in (vor)-letzter Instanz, wirkt er als
Vermittler zwischen dem Imperator und den Verbannten. In den
Jahren 1828-29 nimmt er am türkisch-russischen Krieg teil und
wird im April 1829 zum Kavalleriegeneral ernannt. 1832 in den
Grafenstand erhoben, verstirbt er im Jahr 1844 nach längerer
Krankheit auf der Rückkehr von einem Kuraufenthalt.
Er war mit dem Fürsten M.S. Woronzow befreundet (s.
Briefwechsel im Anhang) und seit 1817 mit Elisabeth DonetzkSacharzhewskij (1788-1858), verwitwete Bibikow, verheiratet. Der
Ehe entsprossen 3 Töchter. Tochter Marie (1820-1880) war mit
dem Sohn des Hofministers Peter M. Wolkonsky, mit Grigorij,
verheiratet; deren Tochter Elisabeth heiratet später den in
sibirischer Verbannung geborenen Sohn von Sergei G. Wolkonsky,
Michail.
Berstel, Alexander Karlowitsch (1788 – 11. 11. 1830)
Oberstleutnant der 9. Artilleriebrigade
Er wurde in einer Adelsfamilie im Gouvernement Kasan geboren,
zu der 15 Leibeigene gehörten. Sein Vater, der Staatsrat Karl
Berstel, stammt ursprünglich aus Stettin und starb gemeinsam mit
der Mutter noch vor dem Jahr 1826. Die Erziehung Alexanders
fand u.a. beim 2. Kadettenkorps statt. Hier wurde er am 04.
63
Oktober 1805 im Rang eines Leutnants zum 11. Artillerieregiment
entlassen. Er war Teilnehmer des russisch-türkischen Krieges von
1808-1812 sowie des Vaterländischen Krieges 1812 mit den
anschließenden Auslandsfeldzügen. Seine Beförderung zum
Stabshauptmann erfolgt am 14.04. 1813 (Träger des Annenordens
seit 1808). Im April 1824 steht er im Rang eines Oberstleutnants
und ist Kommandeur der 9. Artilleriebrigade.
Er war Mitglied der Gesellschaft der Vereinigten Slawen seit
September 1825.
Am 21. Januar wird er im Ort Rakitno verhaftet und über Belaja
Zerkow nach St. Petersburg zur Hauptwache gebracht, wo man ihn
verhört und anschließend unter strenger Bewachung in die PeterPauls-Festung einkerkert (Zelle 24 der Newskij-Kurtine).
Verurteilt wird er am 10. 07. 1826 nach Kategorie VII zu Verlust
der Dienstränge und des Adels und zwei Jahren Zwangsarbeit in
der Verbannung (Bobruisk). Bereits nach einem Jahr wird er im
August 1827 zum 45. Jägerregiment als Soldat in den Kaukasus
versetzt und bald darauf, am 23. Oktober 1828, zum 41.
Jägerregiment, mit dem er an Kämpfen gegen die Lesghinen
teilnimmt, bei denen er 1830 (unter dem Kommando von P.M.
Lehmann8 stehend) durch Säbelhiebe getötet wird.
Er hinterlässt eine Frau, die Baroness Marja Gustafowna Imhoff,
Tochter eines preußischen Offiziers, mit 5 Kindern, deren ältestes
16 und das jüngste 6 Jahre alt ist (3 Töchter und 2 Söhne). Die
Töchter heiraten allesamt Hofräte.
Bestushew, Alexander Alexandrowitsch (1797 – 1837?), Poet
Pseudonym: Marlinskij
Stabshauptmann der Leibgarde des Dragonerregiments
8
Ein Mitglied des Südbundes, s.d.
64
Mitglied des Nordbundes und aktiver Teilnehmer am Aufstand
des 14. Dezember 1825
Alexander Bestushew ist der zweite Sohn von Alexander
Fedossejewitsch Bestushew und dessen Frau Praskowja
Michailowna. A.F. Bestushew zählt zu jenen Universalkönnern des
ausgehenden 18. Jahrhunderts, die sich in vielen Bereichen
ausprobieren und auszeichnen konnten. Nach seiner Karriere als
Artillerieoffizier mit Lehramtsberechtigung veröffentlichte er eine
pädagogische Studie, gründete eine Zeitschrift, arbeitete als
Verwaltungschef an der Akademie der Künste und beteiligte sich
am Bau der Kasaner Kathedrale. Er ließ Gießereien errichten und
gründete eine Säbelschmiede, um Russland von ausländischen
Importen unabhängig zu machen. Zu seinen engsten Freunden
gehörte I.P. Pnin9. In seinem Haus gaben sich Gelehrte und
Künstler die Klinke in die Hand. Die Kinder wuchsen in einer
Atmosphäre schöpferischer Euphorie auf und wurden von den
besten Lehrern erzogen. Leider stirbt der Vater an den Folgen einer
schweren Verwundung im Seekrieg gegen die Schweden (1790)
bereits im Jahr 1810. Bedingt durch die Leidenschaft des Vaters zur
9
Iwan Petrowitsch Pnin (1773-1805), russ. Publizist und Poet, außerhehelicher
Sohn des Fürsten Repnin, dessen Oden einen Kontrast zu Dershawin bilden
65
Mineraolgie, soll Alexander am Montankorps studieren, was er nur
mit Widerwillen tut. Er beendet die Ausbildung nicht, sondern
wechselt am 12. April 1816 als Junker zur Leibgarde des
Dragonerregiments in einem Geschwader, das in dem Ort Marli bei
Peterhof stationiert ist. In jener Zeit erscheinen seine ersten
literarischen Arbeiten, weshalb er sich fortan Marlinskij (der Mann
aus Marli) nennt. Im Juni 1817 erfolgt seine Beförderung zum
Fahnenjunker, im November die zum Fähnrich und am 1. März
1820 jene zum Oberleutnant. Am 05. Mai 1822 wird er zum
Adjutanten des OK für Rückwärtige Dienste A.F. Betancour
ernannt; ein Jahr darauf versieht er diesen Dienst beim Prinzen
Alexander
von
Württemberg.
Die
Beförderung
zum
Stabshauptmann erfolgt am 06. Januar 1825.
Bereits seit 1818 nimmt er aktiven Anteil an der Herausgabe der
Zeitschriften „Sohn des Vaterlandes“, „Eifrige Streiter für
Aufklärung und Wohltätigkeit“, „Nordarchiv“ sowie der „NewaSchau“ und gibt gemeinsam mit K.F. Rylejew in den Jahren 1823 –
25 den „Polarstern“ heraus. Er ist seit dem 15. Oktober 1820
aktives Mitglied der „Freien Gesellschaft für Freunde der
russischen Sprache“ sowie Mitglied der „Freiwilligen Gesellschaft
für Liebhaber von Sprache, Wissenschaft und Künste“ in
Petersburg.
Selbstanzeige am 15. Dezember 1825 im Winterpalais und
sofortige Verbringung in die Peter-Pauls-Festung (ursprüngl.
Alexejew-Ravelin. Er wird dann aber wegen Platzmangel in die
Zelle Nr.1 der Nikolskij-Kurtine gesperrt) unter der Anweisung
s.M., ihn in Ketten zu legen, da der dringende Verdacht besteht, er
habe den General Miloradowitsch mit einem Bajonett erstochen).
Verurteilung nach Kategorie 1.
Inhaftierung in der finnischen Festung Rotschensalm nach
Urteilsverkündung vom 17.8. 1826.
Ansiedlung in Jakutsk ab dem 06. 10. 1827 (Abtransport von St.
Petersburg) – Juli 1829.
66
Soldat im Kaukasuskorps per Befehl vom 13. April 1829.
Ankunft in Tbilissi: Mitte August 1829 (41. Jägerregiment),
Garnisonsbataillon von Derbent: 1829 – 1835.
Beförderung zum Unteroffizier und Versetzung in eines der
Schwarzmeer-Linienbataillone, die gegen die Gorzen eingesetzt
werden: am 04. Juni 1835
Beförderung zum Fähnrich des 5. Schwarzmeer-Bataillons in
Gagra: 03. Mai 1836
Versetzung zum 10. Linienbataillon am 18. 10. 1836. Gilt nach dem
Nahkampfgefecht mit den Gorzen in der Bucht von Adler als
verschollen, da sein Leichnam nicht ermittelt wurde.
(Die Gorzen sollen ihm den Kopf lt. Augenzeugen abgeschlagen
und den Körper bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt haben)
In Deutschland erschienene Werke: „Die Fregatte Nadeshda“
(Novellensammlung des Brandenburger Verlages, Berlin 1990);
„Eine Reise nach Reval“ (Verlag Ruetten&Loening, Bln. 1992)
Bestushew, Michail Alexandrowitsch (1800 – 1871)
Stabshauptmann der Leibgarde des Moskauer Regiments
Mitglied des Nordbundes und aktiver Teilnehmer des Aufstandes
vom 14. 12. 1825
Bruder des Vorgenannten. Er verdankt einen Teil seiner Erziehung
dem Kadettenkorps der Marine, in das er 1812 eintrat und welches
67
er am 10. 06. 1814 als Gardemarin verließ. Über den Bootsmann
(1817-19 in Kronstadt, 1819-21 in Archangelsk) und den Leutnant
(1822) verläuft die Karriere bis zum Oberleutnant der Leibgarde
des Moskauer Regiments (22. 03. 1825) erwartungsgemäß. Am 03.
Mai 1825 wird er zum Stabshauptmann ernannt, um die 3.
Füsilierkompanie zu kommandieren. Er diente 1817 auf dem
Linienschiff „ Ne tronj menja“ (dt.:„Rühr mich nicht an“), mit dem
er nach Calais in See stach, als das Korps des Grafen Woronzow,
das bis dahin noch in Frankreich stationiert war, in die Heimat
zurück gebracht wurde.
Seine Verhaftung erfolgte noch am 14. Dezember 1825 auf dem
Senatsplatz. Am 18. Dezember wird er in der Peter-Pauls-Festung
untergebracht, wo man ihn gemeinsam mit Obolenskij und
Stschepin-Rostowskij in Eisen legt (Zelle 14 des AlexejewRavelin)
Verurteilt nach der 2. Kategorie und gemeinsame Unterbringung
mit Bruder Nikolai per 07. August 1826 in der Schlüsselburg.
Abtransport nach Sibirien: 28. 09. 1827
Ankunft in Tschita: 13. Dezember 1827
Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830
Ansiedlung in Selenginsk ab 27.07. 1839 (über Possolskoje / Kreis
Werchneudinsk). Nach der Amnestie vom 26. 08. 1856 durch
Alexander II. bleibt er in Sibirien (Erlaubnis zum ständigen
Wohnsitz in Moskau ab 22. 04. 1862) und zieht erst 1867 nach
Moskau. Er ist Autor von Memoiren und Briefen.10
Michail war verheiratet mit Marija Nikolajewna Seliwanowa (gest.
1867), der Schwester eines Kosaken-Essauls und hatte mit ihr
mind. 4 Kinder (Jelena, Nikolai, Marija und Alexander)
Bestuschew, Nikolai Alexandrowitsch (1791 – 1855)
Kapitänleutnant der 8. Flottenbesatzung
10
dt. Übersetzung in: „Texte zu Vincey's Dekabristenlexikon“
68
Mitglied des Nordbundes und Verfasser eines „Manifestes an das
russische Volk“, das nach dem geglückten Aufstand vom 14.
Dezember 1825 durch die neue Provisorische Regierung im Senat
verlesen werden sollte.
Er war der älteste und genialste der Bestushew-Brüder. Bis 1820
liest sich seine Biographie so: seit dem 22. März 1802 im
Kadettenkorps der Marine erzogen, wird im Mai 1807 Gardemarin,
im Dezember 1809 Bootsmann und im Januar 1810 Leutnant und
Mitglied des Lehrkörpers im Marinekorps. Darin ähnelt alles sehr
dem Werdegang des Vaters, der im März 1810 in dem Bewusstsein
stirbt, dass sein Leben eine Fortsetzung durch die Kinder findet.
Hatte sich der Vater zum aktiven Militärdienst gemeldet, um als
Artillerist am Seekrieg gegen Schweden eingesetzt zu werden, lässt
sich Nikolai am 14. 06. 1813 als Bootsmann zur Flotte versetzen.
Am 22. 07. 1814 wird er zum Leutnant der Marine befördert.
Neben seiner militärischen Ausbildung bekam er durch den Stab
der Professoren an der Akademie der Künste (mit denen der Vater
eng befreundet war) schon in früher Jugend sehr breit gefächerte
Kenntnisse vermittelt, die mit der Ausbildung praktischer
Fähigkeiten verbunden waren (A.Woronichin/N.Fonlew). Nachdem
keine Notwendigkeit mehr bestand, sein Leben für die Heimat an
69
vorderster Front einzusetzen, sucht er nach Möglichkeiten, seinem
Land von Nutzen zu sein. Über den Gehilfen des
Leuchtturmbeauftragten im Baltikum (1820) avanciert er zum
Projektleiter der Lithographieanstalt an der Admiralität, wo er 1823
mit dem Wladimirorden 4. Grades ausgezeichnet wird. Im Herbst
1822 wird er damit beauftragt, eine Geschichte der Russischen
Flotte zu schreiben und wird bereits im Dezember als
Auszeichnung im Dienst zum Kapitänleutnant befördert. Seit Juli
1825 ist er Direktor des Museums der Admiralität. In der
zurückliegenden Zeit hat er verschiedene Reisen zur See
unternommen:
1807 – Baltisches Meer; 1815 – Holland; 1817 – Frankreich; 1824
– als Historiograph nach Frankreich und Gibraltar. Daneben wirkte
er auch in diversen literarischen Gremien, wie z.B. als Mitarbeiter
der Freien Gesellschaft für Liebhaber der russischen Sprache (seit
dem 28. 03. 1821). 1822 wurde er zum Mitglied des
Zensurkomitees ernannt, und schon seit 1818 war er Cheflektor für
div. literarische Projekte und Mitglied der Freiwilligen Gesellschaft
zur Einführung von Lehreinrichtungen nach der Methode
gegenseitiger Unterweisung. Die Liste geht noch weiter: seit 12.
09. 1825 ist er Mitglied der Freien Ökonomischen Gesellschaft,
Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der Künstler und seit 1818
Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften („Sohn des Vaterlandes“,
„Polarstern“, „Der Wohlgesonnene“, „Streiter für Bildung und
Anstand“ u.a.). All diesen Tätigkeiten und Ämtern widmete er sich
mit Energie und Fleiß, so daß ihn seine Freunde schon im Scherz
Mumie nannten, weil er sich für seine historische Forschungsarbeit
„Erfahrungen zur Geschichte der Russischen Flotte“ und als
Museumsdirektor stark engagierte – wie in Allem. Zudem
interessieren ihn die Fragen des Magnetismus und der
Zeitmessung. Ohne die Ereignisse des 14. Dezember hätte aus ihm
ein berühmter Universalgelehrter werden können, der Alexander
70
von Humboldt und einem Charles Darwin nicht nachgestanden
hätte. Doch es kam anders.
Als einer der Organisatoren des Aufstandes wurde er nach dessen
Niederschlagung gesucht. Wie im Trance floh er, nur notdürftig
bekleidet, bei starkem Frost nach Kronstadt.
...Sollte sein letztes Stündchen wirklich schon geschlagen haben?
Er erinnerte sich wieder, wie ihn Kondratij Rylejew nach dem
Eintreffen auf dem Senatsplatz zur Seite gezogen hatte und ihm zu
raunte: „Unsere Vorbestimmung wird sich nun erfüllen, unsere
letzten Minuten sind soeben angebrochen, doch es sind die Minuten
unserer Freiheit: wir haben sie geatmet – und ich gebe mein Leben
gern dafür hin.“ 11 Doch Nikolai Bestushew wollte noch nicht
sterben. Er wollte in die Schweiz fliehen, damit er beim nächsten
Mal – hoffentlich erfolgreicher – wieder zur Verfügung stand. Die
Organisation war doch so groß und würde auf Männer wie ihn auch
in Zukunft zählen. Von seiner Familie hatte er sich verabschiedet
und den Farbkasten mitgenommen. Ohne seine Farben würde er
nirgendwo hingehen – als ob er schon ahnte, dass sie es sind, die
ihn unsterblich machen.
Am 16. Dezember 1825 wurde er in Kosno bei Kronstadt ergriffen
und noch am selben Abend nach einem ersten Verhör um 22:00 in
die Peter-Pauls-Festung (Zelle 15 des Alexejew-Ravelin) gebracht,
wo man ihn sogleich in Ketten legte, um ihn auch weiterhin unter
strenger Beobachtung zu halten. Nikolai I. fügte seiner schriftlichen
Anweisung hinzu: man soll ihm etwas zum schreiben geben, wenn
er danach verlangt.
Verurteilt nach der 2. Kategorie.
Der weiter Lebensweg entspricht den äußeren Daten nach jenem
seines Bruders Michail, mit dem zusammen er nach Tschita und
Petrowskij Sawod zur Zwangsarbeit geschickt wird, um sich 1839
als Sträfling in Selenginsk / Baikalsee anzusiedeln.
11
Zitat aus den „Erinnerungen an Rylejew“
71
Er heiratet die Burjatin Sabilajewa und hat mit ihr mindestens zwei
Kinder, von denen der Sohn Alexei (1838 – 1900) ein hoch
geachteter Kaufmann mit diplomatischen Missionen wird und
Tochter Katharina (verehelichte Gombojew) ihren Vater kaum
gekannt haben dürfte. Sie stirbt erst im Jahr 1929/30. Die Kinder
trugen übrigens den Namen des Kaufmanns Starzew, mit dem
Nikolai Bestushew befreundet war. So konnte man die Verfügung
außer Kraft setzen, dass die Kinder von Sträflingen offiziell
ebenfalls wie Sträflinge zu behandeln sind. Seine Farben
begleiteten ihn bis nach Sibirien. Bei ihnen nahm er Zuflucht und
bildete sich als Portraitist aus. Mit den Jahren schuf er so die
berühmte Portraitgalerie der Dekabristen. Neben seiner Arbeit als
Aquarellist und Portraitmaler betätigte sich N.B. auch in
verschiedenen Handwerken (u.a. als Uhrmacher) und starb am 15.
Mai 1855, kurz vor der Amnestie, nachdem er sich auf einer Reise
zu seiner Kundschaft infiziert hatte.
Seit 1991 wird das Staatliche Russische Theater in Ulan-Ude nach
ihm benannt: A.N. Bestushew-Theater.
Bestuschew, Pawel Alexandrowitsch (1808 – 1846)
Bootsmann der 27. Flottenbesatzung und Adjutanten des
Hafenkommandanten von Kronstadt General Moller
Der jüngste der Bestushew-Brüder gehört eigentlich nicht zum
inneren Kreis der Dekabristen; er war weder Mitglied eines
Geheimbundes, noch nahm er am Aufstand teil oder agitierte in
irgend einer Weise dafür. Dennoch muß er hier erwähnt werden,
weil er als Bruder ohne Gerichtsurteil, ohne echte Anklage und
aufgrund falscher Anschuldigungen zu Beginn des Jahres 1827
inhaftiert und nach einem Jahr Gefängnis nach Bobruisk, in den
Kaukasus versetzt wurde. Natürlich war er bei dem denkwürdigen
Mittagessen des 13. Dezember zugegen, als sich die Familie ein
letztes Mal um die Mutter versammelte. Von dem geplanten
72
Aufstand wird man ihm aber nichts gesagt haben; diesbezüglich
war er so ahnungslos wie Praskowja Bestushew und ihre Töchter.
Teilnehmer des russisch-persischen wie des russisch-türkischen
Krieges. Er ist Erfinder des Bestushew-Visiers für die Artillerie.
Hierfür wird er mit dem Annen-Orden ausgezeichnet.
Auf Betreiben von Ilja Bibikow, dem Adjutanten des Großfürsten
Michail Pawlowitsch, wird Pawel Bestushew nach Beendigung des
Krieges wieder nach Petersburg versetzt. Er dient fortan als ChefAdjutant der Lehreinrichtungen der militärischen Hauptverwaltung.
1833 zieht Pawel Bestushew nach Moskau und heiratet die Tochter
des Gutsbesitzers Tregubow in Wladimir. In dieser Ehe wird ein
Sohn geboren, der aber bereits im Jahr 1846 stirbt, kurz nach dem
Tod der Mutter Praskowja Bestushew. Auch Pawel Bestushew ist
krank. Die Jahre im Kaukasus haben seine Gesundheit zerrüttet,
u.a. plagt ihn ein schweres Leberleiden. Am 10. Dezember 1846,
im Alter von 38 Jahren, erliegt er selbigem. Dreißig Jahre seines
Lebens wurden ihm genommen, nur weil er den Namen Bestushew
trug
Bestushew, Peter Alexandrowitsch (1804 – 1840)
Junker
Mitglied der Nordbundes (seit 1825) und Teilnehmer des
Aufstandes auf dem Senatsplatz am 14. Dezember 1825
Wie seine Brüder, wurde auch Peter Bestushew in seiner Kindheit
bis zum Jahr 1812 von Hauslehrern in der Familie erzogen und
dürfte nur schwache Erinnerungen an den Vater besitzen. Seine
älteren Brüder und Schwestern ersetzten ihm deshalb das Vorbild.
Folglich ließ auch er sich an der Kadettenschule des Marinekorps
zum Gardemarin ausbilden (1817) und wurde am 22.02. 1820 zum
Bootsmann befördert. Wie bei allen Bestushews steckte ihm die
Liebe zur See im Blut. Bereits im Alter von 13 Jahren, also ab
73
1817, unternahm er eine Kreuzfahrt auf dem Baltischen Meer und
segelte mit der Fregatte „Die Leichte“ bis nach Island und England.
Trotz
Ermahnungen
seiner
Brüder,
nahm
er
am
Dekabristenaufstand teil, denn es war für ihn undenkbar, sich
anders als seine Brüder zu verhalten. Ein ähnliches Phänomen kann
man auch bei den Brüdern Murawjow-Apostol beobachten und
daraus schließen, dass die Familien der führenden Köpfe in der
Dekabristenbewegung ausgesprochen homogene Zellen der
Gesellschaft waren. In solch harmonischen Familienverbänden
protestiert man nicht einfach so, weil einem dieses oder jenes nicht
passt, sondern steht zu seinen Äußerungen und Versprechen. Ohne
ein solches wurde man im Nordbund nicht aufgenommen. Peter
Bestushew kam – so kann man sagen – seiner menschlichen Pflicht
nach, als er sich den Aufständischen anschloss. Darin unterschied
er sich nur wenig von anderen Offizieren, welche an jenem
schicksalhaften Tag aufmarschierten. Nach Niederwerfung des
Aufstandes kehrte er in sein Quartier beim Marinekollegium
zurück, wo er um 06:00 Uhr morgens am 15. Dezember verhaftet
wurde.
Nach dem Verhör im Winterpalais wurde er in die Zelle Nr. 9 des
Alexejew-Ravelin der Peter-Pauls-Festung gesperrt, um am 27.
Januar 1826 in Zelle 27 der Newskij-Kurtine verlegt zu werden.
Verurteilt nach dem 11. Grad und Degradierung zum Soldaten
sowie Abkommandierung zum Kisilsker Garnisons-Btl. am 22. 07.
1826; Versetzung in das Schirwaner Infanterieregiment per Befehl
vom 22. 08. 1826.
Teilnehmer der Kämpfe des russisch-persischen Krieges (1826-28)
sowie des russisch-türkischen Krieges (1828/29). Beförderung zum
Unteroffizier am 21. Mai 1828; verletzt beim Sturm auf die
Festung Achalzych und Versetzung zum Kurinsker Inf.-Rgt. per
Befehl vom 09. 11. 1829. Hier war er den physischen und
psychischen Schikanen seines Kommandeurs derart ausgesetzt,
dass er seelisch schwer erkrankt. Er wird im Mai 1832 „aus
74
gesundheitlichen Gründen“ vom Armeedienst befreit und zu seiner
Mutter geschickt. Die letzten 6 Jahre lebte er fast ausschließlich bei
seiner Familie, die unter seinen Anfällen zwar litt, ihn aber
aufopferungsvoll pflegte, solange es die Kräfte zuließen. Er starb
schließlich in einem Krankenhaus für geistig Gestörte, nachdem die
Genehmigung endlich erteilt wurde, ihn dorthin zu verlegen. Er
hinterließ recht interessante Erinnerungen und Briefe, die davon
zeugen, dass auch er über ein originelles literarisches Talent
verfügte.
Bestushewa, Jelena Alexandrowna (1792 – 1874)
Literaturagentin ihres Bruders Alexander Marlinskij
Die älteste Schwester der Gebrüder Bestushew nahm, wie alle
Familienmitglieder regen Anteil am Schicksal ihrer Brüder.
Besonders intensiv kümmerte sie sich um die Veröffentlichung der
literarischen Werke ihres Bruders Michail. Ihre Schwestern waren:
Bestushewa, Maria Alexandrowna (ca. 1794 – 1889)
Bestushewa, Olga Alexandrowna (ca. 1795 – 1889)
Bestushew-Rjumin, Michail Pawlowitsch ( 1801 – 1826)
Leutnant des Poltawer Infanterieregiments
75
Er stammte aus einem alten und berühmten Moskauer
Adelsgeschlecht. Sein Vater, der Hofrat Pawel Nikolajewitsch
Bestushew-Rjumin (1760 – 1826!), war Polizeichef der Stadt
Gorbatowsk im Gouvernement Nizhnij Nowgorod. Ihm gehörten
641 Seelen und eine Nesseltuchwirkerei in Nowo Nikolskoje.
Zudem war er der Onkel des Historikers Konstantin N. BestushewRjumin. Die Familie zog 1816 nach Moskau, was ihr ermöglichte,
dem Sohn Michail die beste Erziehung angedeihen zu lassen. Seine
Lehrer waren Paul Saint-Germain, Sonnenberg, Schramm.
Rinardion sowie die Professoren Marsljakow, Zwetajew,
Tschumakow und Kemenzkij. Er war der jüngste von fünf Söhnen,
von denen der älteste, Wladimir, im Jahr 1805 bei Friedland fiel.
Am 13. Juli 1818 tritt er als Junker dem Kavaliergarderegiment bei
und durchläuft bis zu seiner Beförderung zum Unterfähnrich der
Leibgarde des Semjonowregiments eine Entwicklung, die ganz im
Sinne der Eltern war. Nach dem Aufstand des Semjonowregiments
wird er zum Poltawer Infanterieregiment versetzt und dort im
Januar 1821 zum Fähnrich befördert, im März 1822 zum
Bataillonsadjutanten und am 20. Mai 1824 zum Leutnant ernannt.
Damit hatte er das Nahziel, von dem junge Männer seiner Zeit
träumten, erreicht. Daneben engagierte er sich seit 1823 auch in
politischen Zirkeln. Seine Liebe zu Jekaterina Andrejewna
Borosdin, eine Nichte W.L. Dawydows, blieb unerfüllt, woran
Pawel Pestel eine gewisse Aktie haben soll.
B. war ein leitendes Mitglied des Südbundes und gemeinsam mit
Sergei Iwanowitsch Murawjow-Apostol im Vorstand der Filiale
von Wassilkowo in der Nähe von Kiew. Teilnehmer einer
Konferenz der Leiter des Südbundes in Kamenko (auch Kamenka,
da das unbetonte o wie a gesprochen wird) und in Kiew,
korrespondierendes Mitglied zur polnischen Geheimgesellschaft,
Mittelsmann für die Vereinigung der „Gesellschaft der Vereinigten
Slawen“ mit dem Südbund. Er war mit dafür verantwortlich, dass
es nach der Inhaftierung Sergei Murawjow-Apostols noch zu
76
dessen Befreiung und zum Aufstand des Tschernigower Regiments
unter Sergei Iwanowitsch Murawjow-Apostol kam.
B. wurde noch während des Aufstandes am 03. Januar 1826 mit der
Waffe in der Hand festgenommen. Der Befehl zu seiner
Inhaftierung erging bereits am 27. Dezember 1825. Von Belaja
Zerkow brachte man ihn in Ketten zur Hauptwache nach St.
Petersburg und nach einem kurzen Verhör sofort auf die PeterPauls-Festung, wo man „ihn streng unter Beobachtung zu halten
habe und etwas zum schreiben gibt, wenn er danach verlangt“. Er
befand sich vom 11. Februar bis zum 30. April 1826 angekettet in
der Zelle Nr. 17 der Newskij-Kurtine.
Verurteilt wurde er außerhalb aller Kategorien am 11. Juli 1826
zum Tod durch erhängen. Das Urteil wurde am 13. Juli 1826 auf
dem Kronwerk der Peter-Paul-Festung vollstreckt.
Beerdigt soll er zusammen mit den anderen Märtyrern auf der Insel
Golodai sein. Da die Hingerichteten in einer Grube mit
ungelöschtem Kalk bestattet wurde, ist ein Nachweis unmöglich.
Von seinen Brüdern überlebten ihn nur Nikolai (1790 – 1848), der
als pensionierter Hauptmann auf einem Anwesen der Familie im
Kreis Nizhnij-Nowgorod lebte und Iwan ( 1789 – 1866). Letzterer
musste ab 1826 mit dem auskommen, was Invaliden als Unterhalt
zugestanden wurde. Sein Bruder Alexander starb in den 20-er
Jahren, wie auch die Mutter Jekaterina Wassiljewna, geb.
Gruschetzkaja, die das Jahr 1826 nicht mehr erlebte und vor ihrem
Gatten verstarb.
Betschasnow (Betschasny), Wladimir Alexandrowitsch (1802 –
1859), Fähnrich der 8. Artilleriebrigade
Er stammt aus einer eher bedürftig zu nennenden Familie des
Rjasaner Militäradels. Sein Vater (Alexander Nikolajewitsch)
schaffte es bis zum Major, arbeitete nach seiner Pensionierung als
Beamter 8. Klasse und verstarb noch vor dem Jahr 1826. Die
77
Mutter, Nadeshda Iwanowna (Geburtsname unbekannt), lebte zur
Zeit des Aufstandes und im Jahr 1826 in Krementschug, unterstützt
von der Wohlfahrt des dort ansässigen Adelshauses.
Die Gymnasien im Rjasaner Kreis und des Gouvernements verließ
Wladimir Betschasnow vorzeitig und meldete sich bereits vor
erreichen des 12. Lebensjahres an der Kadettenschule des 2.
Kadettenkorps an. Am 23. Januar 1820 wurde er zum Unteroffizier
befördert und ein Jahr später als Fähnrich entlassen. Per Befehl
vom 30. 01. 1821 wurde er zur 2. leichten Kompanie der 8.
Artilleriebrigade versetzt.
Hier lernte er offenbar jene Personen kennen, die ihn dazu
bewegten, sich gesellschaftlich zu engagieren, denn 1823 wird er
Mitglied der „Gesellschaft Vereinigter Slawen“.
Der Befehl zu seiner Inhaftierung erging am 20. Januar 1826.
Verhaftet wurde er am 24. Januar 1826 in Zhitomir und am 3.
Februar, begleitet von Fähnrich Richard (Tambowsker Inf.-Rgt.)
zur Hauptwache nach Petersburg verbracht, von wo aus er am 4.
02. 1826 in die Zelle 29 der Newskij-Kurtine eingewiesen wurde
(„wo der überwiesene Betschasnow zur weiteren Befragung in
strenge Haft zu nehmen ist“). Seine Antworten fanden ganz
offensichtlich nicht den Gefallen des Monarchen.
Verurteilt wurde er dann auch nach der 1. Kategorie (Vierteilung!),
dann aber per Gnadenerlass vom 10. Juli 1826 zu ewiger
Zwangsarbeit begnadigt, was sechs Wochen später (22.8.26) zu 20
Jahren gewandelt wurde. Vom 25. Juli 1826 bis zum 17. Juni 1827
saß er in der Feste Swartholm ein.
Abtransport zum Gefängnis von Tschita am 15. 08 . 1827.
Ankunft in Petrowskij Sawod im September 1830.
Per Gnadenakt wurde seine Strafe bis zum 14. 12. 1835 auf 13
Jahre Zwangsarbeit reduziert. Als er diese Zeit verbüßt hatte, wurde
ihm per Befehl vom 10. Juli 1839 das Dorf Smolenstschina (Gouv.
Irkutsk) zur Ansiedlung angewiesen, wo er am 16. August 1839
eintraf. Hier heiratete er 1846 seine Frau, die sibirische Bäuerin
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Anna Pachomowna Kitschigina (gest. 1900), zeugte mit ihr 7
Kinder (Anna, Olga, Nadeshda, Sinaida, Wadim, Wjatscheslaw,
Michail) und blieb auch nach der Begnadigung durch Alexander II.
in Sibirien. Er lebte und starb in Irkutsk, wo er auf dem
Snamenskoje-Friedhof bestattet wurde.
Seine Schwester, die seelisch schwer erkrankte, lebte bei der
Mutter, und von seinem Bruder ist nur bekannt, dass er im Jahr
1826 Portupée-Junker im Nishegoroder Inf.-Rgt. war.
Bibikow, Ilja Gawrilowitsch (1794 – 1867)
Oberst der 1. Leibgarde der Artilleriebrigade, Adjutant des
Großfürsten Michail Pawlowitschs, Generalmajor
Er stammt aus einer der angesehensten Adelsfamilien Russlands,
begann seine Laufbahn am 10. 10. 1811 als 17-jähriger Junker in
der Leibgarde der Artilleriebrigade und wurde im November 1812
als Fähnrich zur 2. Artilleriebrigade der Reserve versetzt.
Anschließend nahm er an den Auslandsfeldzügen des
Vaterländischen Befreiungskrieges teil und kämpfte bei Lützen,
Bautzen, Dresden, Leipzig, Paris. Für seine Tapferkeit wurde er am
1. Januar 1814 zum Leutnant befördert und wieder zur Leibgarde
der Artilleriebrigade versetzt. Zudem durfte er sich mit dem AnnenOrden 4. Klasse und dem Wladimirkreuz 4. Klasse schmücken. Die
nachfolgenden Stationen waren: 5. Artilleriebrigade (24.12.1815),
3. Artilleriebrigade (12.5.1816), Oberleutnant (12.01.1817), 1.
Artilleriebrigade (23.2.1817), Stabshauptmann (5.2.1818), Adjutant
des Großfürsten Michail (3.7.1819), Oberst (19.04.1820). Von hier
aus nahm seine Karriere ihren endgültigen Lauf. Im Gegensatz zu
Michail Lunin, dessen Weg ähnlich vorgezeichnet war, ist er
weniger eigensinnig und wird am 29.9. 1823 Generalmajor.
Mitglied des Wohlfahrtsbundes
Bei den Vernehmungen der Dekabristen fiel auch sein Name. Da er
aber nach Auflösung des Wohlfahrtsbundes weder durch
79
Äußerungen, noch durch Taten im Dienste des Geheimbundes
auffiel, sich in der Folge als loyal und dienstbeflissen erwies,
entschied Nikolai nach Rücksprache mit seinem Bruder, ihn aus
dem Kreis der verdächtigen Staatsfeinde auszuschließen. Ein wenig
Misstrauen blieb dennoch, weil die Beförderung zum
Generalleutnant erst am 01.12. 1837 erfolgte.
Ilja Gawrilowitsch war mit Warwara Petrowna Mjatlewa
verheiratet, der Schwester des Poeten Iwan Mjatlew, dessen Werk
„Die Sensationen und Bemerkungen der Madame Kudrjukow im
Ausland“ in den Salons von Karamsin, W.F. Odojewskij und der
Smirnowa kursierte und der in den 30-er Jahren mit Zhukowskij,
Puschkin und Wjasemskij befreundet war.
Die Ernennung zum Artilleriegeneral erfolgte am 26. November
1852. Von März 1850 bis Dezember 1855 war er der militärische
Oberbefehlshaber des Nordwest-Gebietes Russlands und nahm am
17. 01. seinen Abschied von der Armee, wurde am 19. 02. 1860
aber wieder zum Generaladjutanten Alexander II. ernannt.
Bistrom, Fedor Antonowitsch (Friedrich Ottonowitsch) 1781-1820
Oberst, General-Gewaldiger der 2. Armee
Mitglied des Wohlfahrtsbundes
Sein Name steht hier nicht im Zusammenhang mit den Ereignissen
vom 14. Dezember 1825, sondern für die Generation der
Dekabristen. Vom Militärdienst kommend, wurde er 1806 dem
Justizkollegium zugewiesen, einen Monat später (31.12.1806) zum
Titularrat ernannt, um ab Januar 1808 bei der Staatlichen
Notenbank zu arbeiten. Nach einer Zwischenstation beim
Verkehrswesen (Ing.-Hptm.) kam er im Mai als Stabshauptmann
zum Jägerregiment der Leibgarde. Bis 1816 nahm er an allen
Feldzügen des Vaterländischen Befreiungskrieges teil, wurde am
15.Mai 1816 zum Oberst befördert und im April 1819
Generalgewaldiger der 2. Armee. Seine Mitgliedschaft im
80
Wohlfahrtsbund konnte nicht ohne Einfluss sein. 1820 verstorben
in Tutschin (!).
Er hinterließ einen Sohn (als Offizier im Kaukasus gestorben) und
zwei Töchter, die beide mit Generälen verheiratet waren (Jewgenia
Kosen und Pauline Hoodman).
Bludow, Dmitrij Nikolajewitsch (1785 – 1864),
Schriftführer der Untersuchungskommission
Angehöriger des Adels aus dem Kreis Schuiskij, Gouvernement
Wladimir. Er verlor sehr früh den Vater, wurde von der Mutter
erzogen und ging mit ihr 1800 nach Moskau, wo er eine Tätigkeit
am Außenarchiv des Außenministeriums aufnahm. Sehr bald
wechselte er zum Außenministerium nach Petersburg, wo er die
Bekanntschaft von N.M. Karamsin, W.A. Zhukowskij u.a. machte.
Er fällt durch sein hervorragendes Gedächtnis und seine
Belesenheit bald auf, offenbart auch literarische Talent und erfüllt
diplomatische Aufträge in Schweden und England von 1817-1820.
Anschließend beschäftigt er sich mit der Übersetzung von
Dokumenten zur Erstellung einer Geschichte der Beziehungen
Russlands zu den Westmächten. Auf Empfehlung Karamsins
ernennt ihn Nikolai Pawlowitsch zum Schriftführer der UK,
befördert ihn 1826 zum Staatssekretär im Bildungsministerium,
1839 zum Geheimrat, macht ihn zum Chef der II. Abteilung, zum
Mitglied des Staatsrates und verleiht im 1842 die Grafenwürde.
Alexander II. ernennt ihn 1855 in Würdigung seiner Verdienste um
eine russische Gesetzessammlung zum Präsidenten der Akademie
der Wissenschaften, macht ihn u.a. zum Vorsitzenden des
Staatsrates und überträgt ihm wichtige Aufgaben während der
Reformen nach dem Krim-Krieg, läßt ihn u.a. eine Vorlage von
Gesetzen zur Abschaffung der Leibeigenschaft erstellen.
81
Bobrinskij, Wassilij Alexejewitsch (1804 – 1874, Graf)
Kornett der Leibgarde des Husarenregiments a.D.
Er war der Sohn des Grafen Alexei Grigorjewitsch Bobrinskij und
der Baroness Anna W. Ungern-Sternberg. Als die Verhaftungen
erfolgten, befand er sich gerade auf einer Auslandsreise, was ihm
u.U. vor weiteren Nachstellungen schützte. Ein Haftbefehl auf
seine Person wurde nicht ausgestellt, dennoch wurde noch am 13.7.
1826 durch Nikolai I. angewiesen, ihn unter geheimer
Beobachtung zu halten.
Mitglied des Südbundes 1824
In erster Ehe war er mit Lydia A. Gortschakowa (1807-26)
verheiratet, die noch auf der gemeinsamen Hochzeitsreise verstarb
(22.Mai 1826). Die zweite Frau war Sofia P. Sokowina (1812-69),
mit der er die Kinder Alexei und Sofia hatte; und nach dem Tod
seiner zweiten Frau heiratete er Alexandra P. Uschakow (18211880). Er war von 1862-63 Adelsmarschall des Gouvernements
Tula und starb in Moskau.
Bobristschew-Puschkin, Nikolai Sergejewitsch (1800 – 1871)
Oberleutnant des Quartiermeisterbereiches
Die Ereignisse des 14. Dezember 1825 haben in der Folge Dramen
geschrieben, die es Wert wären, von den größten Autoren bearbeitet
zu werden, um auf ewig in die Weltliteratur einzugehen. Die
Familie Puschkin wurde hierbei nicht verschont. Hier waren es die
Brüder Bobristschew-Puschkin, die ein Denkmal der Bruderliebe
setzten.
Nikolai Sergejewitsch war der älteste von 7 Brüdern.
Aufgewachsen in einer typischen russischen Gutsbesitzerfamilie
des Moskauer Militäradels wurde er von dem Elsässer Oblinger
82
erzogen, um mit 16 Jahren (Januar 1816) an die Pension der
Moskauer Ausbildungsstätte für Kolonnenführer geschickt zu
werden, jenen Ort, den man mit Fug und Recht als eine der
Brutstätten jener Bewegung bezeichnen kann, welche später unter
dem Begriff Dekabristenbewegung in die Geschichte einging.
Nikolai zählte hierbei zu jener Generation, die nicht an den
Schlachten der europäischen Befreiungskriege teilnehmen konnte,
weil sie noch zu jung war. Im März 1819 beendete er die
Ausbildung als Fähnrich und wurde zum Hauptquartier der 2.
Armee versetzt, um in Gouvernement Podolsk topographische
Vermessungen durchzuführen. Im Dezember wurde er dann zum
Hauptquartier der 2. Armee versetzt, im April 1822 zum Leutnant
befördert und im Juli 1822 für seine topographischen Leistungen
mit dem Annen-Orden 4. Klasse geehrt. In seiner Freizeit schrieb er
Gedichte, die in den Jahren 1816/17 in den Sammelbänden der
„Calliope“ erschienen.
Mitglied des Wohlfahrtsbundes (1820) und des Nordbundes seit
1821.
Der Befehl zu seiner Verhaftung erging relativ schnell, nämlich am
30. Dezember 1825. Am 8. Januar erfolgte seine Verhaftung in
Tultschin, wo sich ja auch das Hauptquartier der 2. Armee befand..
In Petersburg traf er am 16. Januar ein, um die Zelle Nr. 16 der
Kronwerk-Kurtine zu beziehen, wo „er in Handschellen gelegt und
gut untergebracht werden soll“. Die Handschellen wurden ihm erst
am 10. April 1826 wieder abgenommen, nachdem er sich in den
Verhören einsichtiger gezeigt hatte, wie es offiziell hieß
Die Verurteilung erfolgte dann auch nach der 8. Kategorie. Am 2.
August 1826 trat er seinen Weg in die 20-jährige Verbannung an,
um sich im Gebiet von Jakutsk ansiedeln zu lassen
(Srednekolymsk). Er war noch keine 27 Jahre alt, als der
Generalgouverneur von Ostsibirien Lawinskij darüber berichtete,
dass sich Nikolai Sergejwitsch in geistiger Verwirrung befindet. Er
hatte den Prüfungen des Schicksal nicht standhalten können. Nach
83
Aufenthalten in verschiedenen Klostern, in die er zur Genesung
eingewiesen wurde, landete er in der Abteilung für Geisteskranke
am städtischen Krankenhaus von Jenisseijsk und wurde im
September 1831 in die Anstalt für Geisteskranke nach Krasnojarsk
verlegt. Hier konnte er erst im Jahr 1833 von seinem Bruder Pawel
befreit werden, nachdem dieser zur Ansiedlung in Krasnojarsk
eintraf und die Genehmigung erhielt, seinen Bruder zu sich zu
nehmen. Im Dezember wurde beiden Brüdern gestattet, nach
Tobolsk zu ziehen, was sie im Februar 1840 taten. Hier erfolgte die
erneute Einweisung Nikolais in eine Anstalt für Geisteskranke, und
kurz vor der Amnestie im Jahr 1856 konnten die Brüder nach
vielen Bittgesuchen der Familie erwirken, in die Heimat
zurückzukehren, wo sie am 31. März 1856 auf dem Gut ihrer
Schwester in Korostino eintrafen. Hier verbrachte Nikolai noch 15
Jahre, bevor er am 13. Mai 1871 verstarb. Sein Grab ist zwar nicht
mehr vorhanden, doch die Erinnerung an ihn lebt in dem Buch von
Valentina Kolesnikowa „Die Verjagten und Unverbannbaren“, das
im Jahr 2002 in dem Moskauer Verlag Zentropoligraph erschienen
ist (ISBN 5-227-01794-8).
Bobristschew-Puschkin, Pawel Sergejewitsch (1802 – 1865)
Oberleutnant des Quartiermeisterbereichs
Der jüngere Bruder Nikolais schloß nach einem reichlichen Jahr
die Schule für Kolonnenführer (!) als Fähnrich ab, und aufgrund
seiner besonderen Fähigkeiten hielt er dort noch bis April 1820
Vorlesungen zur Praxis der Befestigungsarbeiten im Felde. Diese
Fähigkeiten waren es dann auch, wegen derer er ab April 1820
ebenfalls zum Hauptstab der 2. Armee abkommandiert wurde.
Nach anderthalb Jahren topographischer Vermessungsarbeit im
Gebiet von Podolsk wurde er wie sein Bruder mit dem AnnenOrden 4. Klasse ausgezeichnet, danach unterrichtete er im Jahr
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1824 am Hauptquartier der 2. Armee das Fach „Die Mathematik
der Topographie“ (u. a. Differentialrechnung), zudem Mathematik
an der Schule für Fähnrichsanwärter und wurde im März 1825 zum
Oberleutnant befördert. Daneben schrieb auch er Gedichte (s.
„Calliope“ aus dem Jahr 1817).
Mitglied des Südbundes wurde er im Jahr 1822
Verhaftung und Überführung nach Petersburg erfolgten analog zu
seinem Bruder, nur dass er in Zelle 16 zwischen der Bastion
Trubetzkoi und der Bastion Katharina I. eingesperrt wurde, ohne in
Eisen gelegt zu werden.
Verurteilt wurde er nach der 4. Kategorie und am 27. Januar 1827
zur Zwangsarbeit nach Sibirien geschickt. Am 17. März traf er in
Tschita ein, zog im September mit den anderen Dekabristen nach
Petrowskij Sawod um und wurde, wie oben bereits erwähnt, in
Krasnojarsk angesiedelt (zuvor kurzzeitiger Aufenthalt in
Wercholensk). Ab Dezember 1839 wohnte er bei seinem Bruder in
der Anstalt für Geisteskranke in Tobolsk, um sich ständig um ihn
kümmern zu können, bevor beide im Januar 1840 zu ihrer
Schwester ziehen durften.
Zeit seines Lebens bewahrte er seine Liebe zu N. von Wisin, die
rein platonisch blieb. Er wurde nach seinem Tod am 13. Februar
1865 auf dem Waganker Friedhof in Moskau bestattet. Sein Grab
ist noch heute erhalten.
85
Bogdanow, Arsenij Iwanowitsch (geb. 1803)
Fähnrich der Leibgarde des Finnischen Regiments
Sein Vergehen bestand darin, dass er kurz vor dem Aufstand in St.
Petersburg bei einigen Treffen der Dekabristen (Rylejew,
Bestushew) gesehen wurde. Die Mitgliedschaft in einem der
Geheimbünde konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Folglich
erging kein Haftbefehl gegen ihn. Am Tage des Aufstands meldete
er sich krank. Dennoch wurde er in den Kaukasus strafversetzt
(Garderegiment). Hier avancierte er bis zum April 1827 zum
Oberleutnant, bevor er sich im Februar 1829 in den Staatsdienst
versetzen ließ.
Bogdanowitsch, Iwan Iwanowitsch (Suizid 14. 12. 1825)
Hauptmann der Leibgarde des Ismailowregiments
Mitglied des Nordbundes und evtl. ein Sohn des Senators Iwan
Fedorowitsch Bogdanowitsch.
Wenngleich nicht sehr viel zu ihm zu sagen ist, dürfte sein
Schicksal zu den tragischsten Nebenschauplätzen des
Dekabristenaufstandes zählen.
Noch am Morgen des 14. Dezember rief der ehemalige
Kammerpage der Leibgarde nach Verlesung des Eides auf Nikolai
Pawlowitsch „Hurraaaaah Konstantin!“, um die Soldaten zum
Protest zu bewegen (was ihm auch zum Teil gelang), anschließend
begab er sich in seine Wohnung und beendete sein Leben durch
Suizid.
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Bogoroditzkij, Ossip Pantelejewitsch (ca. 1786 – 1826)
Professor der Medizin an der Universität von Charkow
Mitglied des Wohlfahrtsbundes 1818
Von 1807 bis 1815 war er Lehrer u.a. am Gymnasium von Rjasan,
bevor er sich an der Universität von Moskau an der Medizinischen
Fakultät immatrikulieren ließ. Hier dürfte es auch zu den
Begegnungen mit zukünftigen Dekabristen gekommen sein. Leider
ist mir nicht bekannt, auf welche Weise er 1826 zu Tode kam.
Bodisko, Boris Andrejewitsch (1800 – 1828)
Leutnant der Gardeequipage
Mitglied der „Gesellschaft der Gardeequipage“ und Teilnehmer
des Aufstandes am 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz
Er entstammt jüngstem Adel im Gouvernement Tula. Sein Vater
war Direktor der Moskauer Notenbank und wurde für seine
Verdienste erst in den Adelsstand erhoben. Die Mutter war
gebürtige Französin (Anna Iwanowna Gorgeone de Saint-Paul) und
schickte zwei ihrer 9 Kinder (6 Knaben und 3 Mädchen) zur
Erziehung auf das Kadettenkorps der Marine. 1809 begann Boris
hier seine Ausbildung, wurde 1814 zum Gardemarin ernannt und
im März 1817 zum Bootsmann befördert. Am 9. Dezember 1817
erfolgte seine Versetzung zur Garde-Equipage, 1822 ist er bereits
Leutnant und hat schon einige Kreuzfahrten hinter sich
(Kopenhagen, England, Frankreich, Danzig). Nach Fahrten, die ihn
erneut nach England und nach Island führen, beteiligt er sich an
einem Weltumseglungsversuch der Schaluppe „Die Friedfertige“,
die während eines Sturmes im Nordmeer stark beschädigt wurde
und ihn nötigte, im Mai 1825 nach Kronstadt zurückzukehren. Dies
wurde ihm zum Verhängnis, denn so war es ihm möglich, sich dem
Aufstand der Dekabristen anzuschließen.
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Seine Verhaftung erfolgte recht schnell – in der Nacht vom 14. zum
15. Dezember 1825.
Verurteilt wurde er nach der 8. Kategorie und aufgrund des Erlasses
vom 10. Juli 1826 zum Matrosen degradiert. Mit Befehl vom 22.
August 1826 wurde er als Soldat in den Kaukasus versetzt. Er
begab sich am 26.9.1826 auf den Weg nach Wladikawkas, wurde
dort dem Tiflisser Infanterieregiment zugeteilt, nahm 1826-28 am
russisch-türkischen Krieg teil und wurde am 12. April 1828 zum
Unteroffizier befördert. Bei einem der Gefechte gegen die Gorzen
kam er im Mai 1828 ums Leben.
Bodisko, Michail Andrejewitsch (1803 – 1867)
Bootsmann der Gardeequipage
Mitglied der „Gesellschaft der Gardeequipage“ und Teilnehmer
des Aufstandes am 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz
Der Lebensweg des jüngeren Bruders von Boris verlief bis 1823
ähnlich. 1820 zum Bootsmann der 1. Flotten-Equipage befördert,
wurde er im März 1823 zur Gardebesatzung versetzt, wo er als
Adjutant des Marineministers diente und bis 1824 verschiedene
Seereisen unternahm (England, Island, Frankreich, Gibraltar). Auch
er nahm, für die Mitglieder des Geheimbundes der Gardebesatzung
eine Selbstverständlichkeit, am Aufstand des 14. Dezember teil.
Verhaftet wurde er in den Morgenstunden des 15. 12. 1825, auf die
Hauptwache gebracht, anschließend in der Peter-Pauls-Festung
eingekerkert (03.01. 1826).
Verurteilt wurde er nach der 5. Kategorie, per 10.07. zu 5 Jahren
Zwangsarbeit verurteilt und am 21. Juli 1826 zur Festung von
Bobruisk verbracht. Anschließend als Soldat zum 6. Infanteriekorps
versetzt, nahm er 1831 an den Kämpfen zur Niederschlagung des
polnischen Aufstands teil und schaffte es dann irgendwie, sich in
den Jahren 1838/39 als Fähnrich vom Militärdienst zu befreien und
im Gouvernement Tula anzusiedeln (Kreis Tschernsk). Hier heiratet
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er Ljudmila Pawlowna Tilitschew, zeugt mit ihr 6 Kinder (3 Söhne
und 3 Töchter) und stirbt im Alter von 64 Jahren auf seinem
Anwesen.
Von den anderen Brüdern schaffte es Alexander (1788-1854) bis
zum Kammerherrn und Gesandtschaftsrat der Botschaft in
Schweden (1837-54 Botschafter in den USA). Konstantin nahm
seinen Abschied als Major, diente dann beim Zoll, Andrei war
Adjutant beim Ing.-General Graf Suchtelen, und Jakow schließlich
(1794 – 1876) gelang es, seine Karriere mit dem Generalsrang zu
krönen.
Borissow, Andrei Iwanowitsch (1798 – 1854)
Leutnant a.D.
Gründungsmitglied der „Gesellschaft der Vereinigten Slawen“
Er war einer von drei Söhnen des Marinemajors a.D. Iwan
Andrejewitsch Borissow von der Schwarzmeerflotte und dessen
Frau Praskowja. Die Familie lebte in Boroml (ein Provinznest in
der Ukraine) in äußerst bescheidenen Verhältnissen, konnte sich
keine Lehrer leisten, und so wurde der Unterricht im Haus
Borissow durch den Vater erteilt, unterstützt durch A.K. Berstel in
den Fächern Mathematik und Artillerie.
Andrei begann seine militärische Laufbahn am 10.Juni 1816
gemeinsam mit Bruder Peter als Junker der 26. Artilleriebrigade
(später, am 18. April 1819 in Georgische GrenadierArtilleriebrigade umbenannt) und bestand am 18. Juni 1820 sein
Examen zum Fähnrich. In diesen Jahren fand er Kontakt zu J.
Ljubinskij, einem polnischen Mitarbeiter der Universitätskanzlei
von Vilnius, der sich mit ernsthaften Reformplänen trug und mit
verschiedenen polnischen Geheimgesellschaften in Verbindung
stand. Im Juli 1820 wurde Andrei der 8. Artilleriebrigade zugeteilt
und im Jahr 1823 (am 24. Dezember) im Range eines Leutnants aus
familiären Gründen vom weiteren Militärdienst freigestellt. Gut
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möglich, dass seine Psyche bereits in dieser Zeit den Umgangston
und die Sitten beim Militär nicht ertrug.
Nachdem die Untersuchungskommission recherchiert hatte, dass
die „Gesellschaft der vereinigten Slawen“ ähnliche Ziele wie die
Dekabristen verfolgten, ergingen Haftbefehle auch hier an die
führenden Köpfe der Bewegung.
Der Haftbefehl wurde am 09. Februar ausgestellt, doch schon am
14. Januar 1826 saß er bereits einmal für 24 Stunden in
Untersuchungshaft, aus der er nach seiner Vernehmung aber wieder
entlassen wurde. Erst brachte man ihn nach Kursk, später - am 10.
April – zur Hauptwache nach Petersburg, zwei Tage darauf in die
Peter-Pauls-Festung.
Verurteilt nach der 1. Kategorie, wurde er per 10. Juli 1826 zu
ewiger Zwangsarbeit verurteilt. Er, wie auch sein Bruder Peter,
wurde in Ketten am 23.7.1826 nach Sibirien geführt. Bevor sie am
29. September 1827 in Tschita eintrafen, schickte man sie nach
Irkutsk und von da aus zur Schnapsbrennerei von Alexandrowsk
sowie anschließend (ab 25.10. 1826) in die Blagodatsker Erzminen.
Schon vor dem Umzug nach Petrowskij Sawod zeigte sich Andrei
geistig gestört. Er wich seinem Bruder nie von der Seite und war
allen anderen gegenüber argwöhnisch. Nachdem beide im
Dezember 1835 zu 13 Jahren Zwangsarbeit begnadigt wurden,
siedelten sie sich erst bei Werchneudinsk und dann per Erlass vom
21. März 1841 in Malaja Raswodnja an.
Als sein Bruder frühzeitig verstarb, beendete Andrei sein Leben
noch am selben Tage, am 30. September 1854, durch Suizid.
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Borissow, Peter Iwanowitsch (1800 – 1854)
Leutnant der 8. Artilleriebrigade
Gründungsmitglied der „Gesellschaft der Vereinigten Slawen“
Seine Entwicklung verlief bis zum Jahr 1824 analog zu der seines
Bruders Andrei. Anders als jener, setzte er seine militärische
Laufbahn fort und wurde am 10. Juni 1825 zum Leutnant befördert.
Der Befehl zu seiner Verhaftung erging bereits am 9. Januar 1826.
Er wurde bei der 8. Artilleriebrigade verhaftet und dann von
Zhitomir nach St. Petersburg verbracht. Am 15. 2. legte man ihn
auf der Peter-Pauls-Festung in Eisen, die ihm erst am 30. April
wieder abgenommen wurden. Dieser Tag war für die
Untersuchungskommission ein recht wichtiger, denn er entschied
über das Schicksal Michail Lunins.
Verurteilt wurde B. nach der 1. Kategorie. Er war mit Malwina
Borodowitschew verlobt und kümmerte sich ab dem Zeitpunkt
seiner Verschickung aufopferungsvoll um seinen Bruder. Dessen
naturgetreuen und fein ziselierten Aquarellzeichnungen, er plante
ein Werk über die sibirische Flora und Fauna, fanden allgemeine
Anerkennung und erschienen auch teilweise, ohne ihrem Schöpfer
allerdings den erhofften materiellen Gewinn zu bringen. Einen
flüchtigen Eindruck vom Leben in Malaja Raswodnja gewinnt man
bei der Lektüre von Erinnerungen A.P. Beljajews zum Jahr 1850.
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Borosdin, Andrei Michailowitsch (1765 –1838)
Senator, Generalleutnant
Sohn des Senators Michail Sawwitsch Borosdin ( 1740-96). Bruder
von Michail M. Borosdin (1767-1837) und Nikolai M. Borosdin
(1777-1830), Besitzer des Anwesens Sably/Krim, 15 Werst südlich
vom Simferopol und Gouverneur Tauriens von 1807-1816. Er war
mit einer geb. Sofia L. Dawydow verheiratet, der Halbschwester
von N.N. Rajewskij d.Ä. und traf im Sommer 1820 Nikita
Murawjow und Michail Lunin, die auf dem Weg nach Odessa
waren, während er mit seiner Frau in die Hauptstadt reiste. Er
erwies sich gegenüber den Murawjows und den Rajewskijs als
großzügiger Gastgeber (bot seine Anwesen auf der Krim zur
Übernachtung und zum Aufenthalt an), steht in diesem Lexikon
aber allein aus dem Grunde, weil er für die lange Einzelhaft seines
Schwiegersohnes I.W. Poggio verantwortlich war. Er ließ all seine
Beziehungen spielen, um die Tochter derart zu erpresse, dass sie
sich 1834 von ihrem Mann lossagt und eine neue Beziehung mit
dem Fürsten A.I. Gagarin eingeht.
Borosdin, KatharinaAndrejewna
Adlige des Gouvernements Kiew. Tochter des Senators Andrei M.
Borosdin und von Sofia Lwowna, geb. Dawydow (Schwester des
Dekabristen W.L. Dawydow). Sie soll mit dem Dekabristen M.P.
Bestushew-Rjumin verlobt gewesen sein, der das Verlöbnis aber
auf Zureden Pestels löste und sich so die Abneigung W.L.
Dawydows und I.W. Poggios einhandelte. Im August 1825 heiratet
sie den Dekabristen W.N. Licharjow, begleitet ihn aber nicht nach
Sibirien (mglw. unter dem Druck des Vaters). Aus dieser
Verbindung stammt Sohn Nikolai (wird 1861-66 Friedensrichter).
Sie heiratet erneut 1836 auf der Krim einen gew. Lew Schostakow.
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Borosdin, Maria Andrejewna
Schwester der obengenannten. Sie heiratet 1825 gegen den Willen
des Vaters I.W. Poggio, der nach seiner Verhaftung (auf Betreiben
des Vaters) wie vom Erdboden verschwunden scheint. Nach
mehreren Jahren erfolgloser Nachforschungen gibt sie auf, obwohl
sie fest entschlossen war, ihm nach Sibirien zu folgen und am 08.
April den gemeinsamen Sohn Lew gebar (Taufpate war N.N.
Rajewskij junior, der Mann ihrer Cousine Anna Michailowna, geb.
Borosdin). Sie erzieht (mind.) bis zur offiziellen Trennung auch die
Kinder I.W. Poggios aus erster Ehe und heiratet 1834 A.I. Gagarin.
Aus ihrer Sicht war dies der Preis für I.W. Poggios Befreiung aus
der Einzelhaft, in der er zugrunde gegangen wäre – nach Version
des Vaters. Der Dekabrist wird am 10. Juli 1834 zur Ansiedlung
nach Sibirien geschickt, wo er erfährt, dass seine Frau, auf die er
noch immer wartete, neu vermählt ist...
Borowkow, Alexander Dmitrijewitsch (1788 – 1856)
Sekretär der Untersuchungskommission
Sohn eines Kaufmanns aus Wenjow (Gouvernement Tula).
Absolvent der Moskauer Universität 1808. Anschließend wird er in
den Staatsdienst übernommen und arbeite am Gericht. 1815
avanciert er zum Staatssekretär und wird später Mitarbeiter des
Ressortchefs für Verfahrensrecht in St. Petersburg und ist seit 1820
Sekretär des Montangerichts. Er wird am 17. Dezember 1825 von
Nikolai Pawlowitsch zum Sekretär der UK ernannt, wodurch er
einigen Einfluss auf den Fortgang der Untersuchung nehmen kann.
Nach eigenen Aussagen konnte er das Schicksal von mindestens 10
Dekabristen mildern, denn die Mitglieder der UK waren mit der
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Fülle an Aussagen etc. total überfordert und mussten sich auf das
verlassen, was ihnen Borowkow mit seinem Arbeitsteam an
Unterlagen vorbereitete. Sein Einschreiten gegen die
Kategorisierung M.S. Lunins in Kategorie II, die er für
unbegründet und zu hoch hielt, blieb leider ohne Wirkung auf die
Kommission. Er verfasste das sog. Borowko-Alphabet (es enthält
579 Namen), das noch immer eine der Grundlagen zur
Dekabristenforschung und damit auch für die vorliegende
Publikation ist. 1840 wird er Senator und scheidet 1846 aus dem
Staatsdienst, da ihm Verschwendung von Geldern vorgeworfen
wurde. Vor 1825 gehörte er zu den Gründern der „Freien
Gesellschaft für Liebhaber der russischen Sprache“. Er hatte fünf
Kinder, von denen es sein Sohn Nikolai (1836-1905) bis zum
General schaffte. B. ist Autor von „Autobiographischen Notizen“,
die 1898 erstmalig erschienen.
von der Briggen, Alexander Fedorowitsch (1792 – 1859)
Oberst a.D.
Sein Vater, Friedrich-Ernst von der Briggen, starb bereits im Jahr
1787. Bevor das Taufkind Derzhawins am 14. Dezember 1808 als
Fahnenjunker in die Leibgarde des Ismailow-Regiments eintrat,
vollzog sich seine Erziehung vornehmlich an der deutschen
Peterschule von St. Petersburg sowie unter Obhut Prof. Raupachs
an der Pension Meier. Außerdem hörte er Vorlesungen zur
Politischen Ökonomie bei Prof. German.
Nach den Befreiungskriegen, in denen er sich seit Borodino
auszeichnen
konnte
(div.
Tapferkeitsauszeichnungen,
Wladimirorden 4. Klasse am Band, preußisches Eisernes Kreuz)
und bei denen er auch verletzt wurde, ist er Hauptmann, wird am 3.
Mai 1820 zum Oberst befördert und am 7. September 1821 aus
gesundheitlichen Gründen von der Armee entlassen. Fortan lebt er
in Ponurowka, Gouv. Tschernigow. Er ist seit 1817 Mitglied der
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„Freimaurerloge Petris zur Wahrheit“ und heiratet Sofia
Michailowna Miklaschewskaja, die Tochter des Gouverneurs von
Jekaterinoslaw Michail Pawlowitsch Miklaszewskij.
Mitglied des Wohlfahrtsbundes und des Nordbundes seit 1818
Als Mitglied des Nordbundes kommt er der Bitte Pestels nach, die
Verbindung zwischen Nord- und Südbund aufrecht zu erhalten.
Der Befehl zu seiner Verhaftung ergeht am 03. Januar 1826, und
am 10. 1. 1826 wird er im Haus seines Schwiegervaters in
Beresowka verhaftet, am 17. 01. auf die Hauptwache in St.
Petersburg gebracht. Am nächsten Tag sitzt er in Zelle 17 der
Trubetzkoi-Batstion der Peter-Pauls-Festung.
Die Verurteilung erfolgt per Erlass vom 22. 8. 1826 nach
Kategorie VII zu 1 Jahr Zwangsarbeit mit anschließender
Ansiedlung, und am 15. Februar 1827 bricht er nach Sibirien auf,
erreicht er das Gefängnis von Tschita am 15.4.1827.
Nach verbüßter Zwangsarbeit wird er in Pelym angesiedelt (Gouv.
Tobolsk) und die Ehe wird annulliert. Erst 1836 gelingt es ihm,
nach Kurgan umzuziehen und dort in der Kanzlei des Kreisgerichts
zu arbeiten. Ein neues Familienglück scheint sich aufzutun. Als er
aber die regionalen Machtorgane beschuldigt, beim Mord an dem
Bauern M.E. Wlassow Beihilfe geleistet zu haben, gerät er wieder
in den Fokus von Ermittlungen, wird im Juni 1850 wegen
angeblicher Inkompetenz als Beisitzer an das Kreisgericht von
Turinsk
versetzt
und
im
Dezember
1853
vom
Gouvernementssekretär zum Kollegialsekretär befördert. Im März
1855 darf er wieder zurück nach Kurgan, wird 1856 zum Titularrat
befördert und nach der Amnestie (26.8.1856) mit einer jährlichen
Pension von 285 Rubeln aus dem Dienst entlassen. Die
Beobachtung über ihn wird aufrecht erhalten. Er darf auch
weiterhin nicht in einer der Hauptstädte leben, ab 24.10.1857 aber
bei seiner Tochter Ljuba aus erster Ehe (verheiratet mit dem StabsRittmeister der Leibgarde des Ulanenregiments Wassilij W. Gerbel)
in Peterhof, wo er am 20.7. 1858 eintrifft. Das Tragen seiner
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Medaillen aus den Befreiungskriegen wird ihm auch wieder
erlaubt. Er kommt aber nicht allein, sondern bringt seinen
zehnjährigen Sohn Nikolai aus zweiter Ehe mit (der einzige noch
lebende Sohn aus der bürgerlichen Ehe mit der Sibirjakin
Alexandra Tichonowna Tomnikowa). Ein Jahr darauf stirbt er und
es wird angenommen, dass sich fortan N.I. Turgenjew um die
Erziehung des Sohnes kümmerte. Seine sibirischen Töchter
Katherina und Maria heiraten beide einen Lehrer.
Aus erster Ehe stammen noch ein Sohn Michail (geb. 1822), der
nach dem Tod des Vaters Kreispolizeichef von Gluchowskoje ist
und weitere zwei Töchter, die wie Ljuba am Smolny-Institut
erzogen wurden (Maria, geb. 1821 und Anastasia, geb. 1824).
Broke, Alexei Alexandrowitsch (1802 – 1871)
Oberleutnant der Leibgarde des Moskauer Regiments
Er stammt aus einem St. Petersburger Adelsgeschlecht (die Mutter
war in 2. Ehe eine Smirnowa), trat im Jahr 1818 als
Fähnrichanwärter bei der Leibgarde des Moskauer Regiments ein
und schaffte es bis 1.1.1825 zum Oberleutnant, kommandierte
zeitweise die 2. Füsilierkompanie.
Obwohl kein Mitglied des Geheimbundes, machte man ihm zum
Vorwurf, dass er am 13. 12. 1825 bei einer Besprechung im Haus
von D.A. Stschepin-Rostowskij zugegen war und die Soldaten des
Moskauer Regiments dazu aufforderte, sich nicht auf Nikolai I.
vereidigen zu lassen.
Seine Bestrafung war die Versetzung in den Kaukasus mit der
Auflage, monatlich über sein Verhalten zu berichten.
Er nimmt im Mingrelischen Inf.-Rgt. am russ.-türkischen Krieg
von 1828-29 teil, erleidet beim Sturm auf die adsharische Feste
Zichidsiri am 17.9. 1829 gefährliche Quetschungen und wird am
15.2. 1833 vom Armeedienst freigestellt. Ab 1838 darf er auf dem
Gut seiner Mutter leben und in die Hautstadt reisen. Die
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Beobachtung wird ebenfalls eingestellt. Seine Kandidatur zur Wahl
für den Adelsvorstand wird allerdings abgelehnt, weshalb er erst
nach der Amnestie als Deputierter der Adelsversammlung des
Kreises Neuladoga amtieren kann (Genehmigung per 19.3.1857).
Bulatow, Alexander Michailowitsch (1793 – 1826)
Oberst, Kommandeur des 12. Jägerregiments
Sohn des Generalleutnants Michail Leontjewitsch Bulatow (17601825). Nach dem Tod der Mutter wird er bei Verwandten und im 1.
Kadettenkorps erzogen (gemeinsam mit K. Rylejew!). Er beginnt
seine militärische Karriere im Grenadierregiment der Leibgarde,
dient sich dann im Jägerregiment bis zum Oberst empor und nimmt
am Vaterländischen Krieg wie auch an den Auslandsfeldzügen teil,
bei denen er am Bein, am rechten Arm und im Gesicht ziemlich
schwer verwundet wird.
Auszeichnungen: Wladimir-Orden am Band 4. Klasse (für die
Schlacht bei Bautzen), Annen-Orden 2. Klasse und goldener Degen
als Tapferkeitssymbol (Einnahme von Paris).
Kaum heimgekehrt, heiratet er Elisaweta Iwanowna Melnikow, die
ihm zwei Töchter schenkt; und ab 1823 ist er Kommandeur des 12.
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Jägerregiments in Kerensk /Gouv. Pensa. Nach dem frühen und
plötzlichen Tod der geliebten Frau (23.6.1824) sucht er Trost und
Ablenkung bei Freunden. Die Freimaurer haben es ihm angetan,
wovon ihm sein Vater abraten will, als er ihn von Omsk kommend
besucht. Der Vater stirbt im Mai 1825. Nach all diesen
Schicksalsschlägen nimmt Alexander Michailowitsch für drei
Monate Urlaub, besucht seine Brüder und trifft deshalb erst am 01.
Dezember 1825 wieder in Petersburg ein. Dies berichtet sein
Stiefbruder Alexander.
Exakt am 09. Dezember 1825 wird Oberst A.M. Bulatow von
Rylejew im Nordbund als Mitglied aufgenommen und am
Vorabend des Aufstands gar zu einem der militärischen Führer
gewählt. Er war Teilnehmer des Aufstandes vom 14. Dezember
1825 auf dem Senatsplatz.
Nach der Niederschlagung des Aufstandes erscheint er am Abend
des 14. Dezember im Winterpalais, übergibt dem Kommandanten
der Wache seinen Säbel und lässt sich verhaften. Die Umstände
seines Verhörs, wie sie Baron Rosen in seinen Erinnerungen
beschreibt, werden vom Stiefbruder heftig bestritten, denn nach
seiner und Jakuschkins Aussage wurde A.M. Bulatow in den
Kasematten der Peter-Pauls-Festung eingekerkert und nicht, wie es
übrigens auch im Borowkow-Alphabet steht, im Haus des
Festungskommandanten untergebracht.
Am 18. Januar wird er gegen 22:00 Uhr in das Militärkrankenhaus
der Landstreitkräfte eingewiesen, wo er am nächsten Tag (nach drei
Tagen seelischer Pein – wie sich Pater Myslowskij ausdrückte)
stirbt.
Bulgari, Andrei Jurjewitsch
Graf, Onkel 2. Grades von N.J. Bulgari
Er wird am 27. Dezember 1825 im Haus des Grafen J.N. Bulgari in
Odessa verhaftet, weil während der Untersuchungen bis zum
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19.12. 1825 festgestellt wurde, dass er – wie auch weitere
Mitglieder seiner Familie von der Existenz eines Geheimbundes
der Dekabristen definitiv wusste.
Erst während der Untersuchungshaft stellt sich heraus, dass er
nicht Mitglied der Geheimgesellschaft war.
Am 9. Januar trifft er mit seinem Feldjäger in St. Petersburg ein,
wird zur Hauptwache überstellt und am 10. Januar 1826 in ein
Militärhospital eingewiesen. Auf allerhöchste Weisung vom 12. 07.
1826 wird er des Landes verwiesen, am 13. 7. nach Kronstadt
verlegt und hier am 28. September auf ein Schiff verbracht, das
nach Ruan in See sticht.
Bulgari, Nikolai Jakowlewitsch (1805 – 1841)
Graf, Oberleutnant des Kürassierregiments
Seine Familie zählt zum Adel des Gouvernements von St.
Petersburg. Eine der Folgen ist, dass er am 01. 08. 1809 im
Pagenkorps eingeschrieben wird; die dortige Schule besucht er aber
nicht, sondern darf zu Hause lernen, wohl deshalb, weil er auch
noch an den Pensionen von Pastor Kollenz und Baron Schabo
Unterricht nimmt. Im Frühjahr 1823 legt er das Examen zum
Kornett ab, tritt am 20. 4. in das Kürassierregiment ein und wird
am 06. April 1824 zum Oberleutnant befördert
Er war Mitglied des Südbundes (1825)
Seine Verhaftung erfolgt am 27. Dezember 1825 im Haus des
Vaters in Odessa aufgrund des Befehls vom 19. 12. 1825. Am 10.
Januar 1826 sitzt er bereits in Zelle Nr. 6 der Trubetzkoi-Bastion
(Peter-Pauls-Festung), wo er „zur weiteren Untersuchung gut
untergebracht werden soll.“
Verurteilt wird er nach Kategorie VII, aufgrund seiner Jugend per
10.7. 1826 zu 2 Jahren Festungsarbeit, was einen Monat später auf
ein Jahr gekürzt wird, und in die Festung von Dinaburg gebracht.
Am 3. Oktober 1827 wird er zum Jägerregiment nach Finnland
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versetzt und im Mai 1828 – aufgrund der Bitte seiner Mutter – zur
Reiterei der aktiven Armee des Jägerregiments von Sewersk. Von
1829-32 schafft er es wieder bis zum Fähnrich und wird am 28.12.
1832 zum Tschugujewer Ulanenregiment versetzt, wo sich bis Juni
1834 zum Oberleutnant hinauf dient. Im Januer 1835 nimmt er
seinen Abschied von der Armee, um als Übersetzer beim Zoll von
Kertsch zu arbeiten. Er wirkt bis 1836 unter dem
Stadtkommandanten Chercheluidse und lebt ab 1839 in Reval.
Bulgari, Spiridon Nikolajewitsch (ab 1799 – nach 1850)
Graf, Oberleutnant a.D. (Onkel N.J. Bulgaris), Onkel des
Vorgenannten
Sohn des auf Korfu geborenen Tatsächlichen Staatsrates Graf
Nikolai Markowitsch Bulgari und erzogen im elterlichen Haus. Die
militärische Karriere begann 1816 bei den Ulanen in der Ukraine
und endete am 2.12 1821 aus gesundheitlichen Gründen als
Oberleutnant.
Mitglied des griechischen Geheimbundes „Philiki Etreia“
Er wurde am 27. Dezember in Odessa im Haus seines Bruders
verhaftet, den man drei Tage zuvor in Charkow unter Arrest gestellt
hatte. Sein Vergehen bestand darin, von der Existenz des
Geheimbundes der Dekabristen gewusst zu haben. Am 8. Januar
traf er in St. Petersburg bei der Hauptwache ein und wurde am
folgenden Tag „unter etwas besseren Bedingungen“ in die Zelle Nr.
1 der Trubetzkoi-Bastion der Peter-Pauls-Festung verbracht, „da er
allem Anschein nach unschuldig scheint, nichts desto trotz aber in
Eisen zu legen und unter strenger Aufsicht zu halten ist.“ Am 03.
April wird er in Zelle Nr. 12 verlegt und am 15. August - nach
Kronstadt. Von hier aus wird er mit einem französischen
Kauffahrtsschiff am 28. September 1826 nach Ruan ausgeschifft.
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All dies geschieht auf Anordnung vom 15. 06. 1826 mit dem
Verbot der Rückkehr nach Russland - weil er den Herrscher
angelogen hatte.
Anschließend lebt er auf Korfu. Sein Gesuch im Juni 1850,
Russland aus familiären Angelegenheit besuchen zu dürfen, wird
abgelehnt. Nikolai vergisst nichts.
Bulgari, Jakow Nikolajewitsch (gest. 04. 08. 1828)
Graf, Tatsächlicher Staatsrat, Bruder des Vorgenannten und Vater
von N.J. Bulgari
Mitglied des griechischen Geheimbundes „Philiki Etria“
Der Befehl zur Verhaftung des Oberstleutnant der Ionischen Inseln
a.D. erging am 19. 12. 1825 aufgrund seiner Bekanntschaft mit F.F.
Wadkowskij.
Zuvor – im April 1825 – war er schon einmal in
Untersuchungshaft, das geschah, um seine Mitwirkung am
Aufstand Ypsilantis abzuklären. Es konnte ihm aber nichts
nachgewiesen werden, auch keine Mitgliedschaft in einem der
anderen Geheimbünde. Dennoch saß er vom 01. bis zum 16. Januar
1826 in der Peter-Pauls-Festung „unter strengem Arrest“(!) ein und
wurde nur unter der Bedingung entlassen, sich nicht aus der Stadt
zu begeben, solange die Untersuchungen zum Aufstand des 14.
Dezember 1825 noch laufen. Erst am 9. Juni bekam er die
schriftliche Unschuldsbestätigung und durfte sich nach Erstatten
der Spesen wieder nach Hause begeben.
Burzow (Burzew), Iwan Grigorjewitsch (04.12.1795 – 23.07.1829)
Oberst, Kommandeur des Ukrainischen Inf.-Regiments
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Ende der Leseprobe von:
Dekabristenlexikon - Die Dekabristen von A-Z
Joachim Winsmann, Joachim Winsmann, Joachim Winsmann
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