Die Dekabristen von A-Z Verbannt, doch nicht vergessen Das Lexikon zum DEKABRISTENAUFSTAND von A – Z 2 Timm, Der Dekabristenaufstand vom 14. Dezember 1825 3 © Joachim Winsmann, Bergisch-Gladbach 2009-2015 Jedwede Veröffentlichung, auch auszugsweise, ist ohne Genehmigung des Herausgebers strafbar und wird gerichtlich verfolgt. Vertrieb: e-publi GmbH, Berlin Titelfoto von A. Tschechow aus dem Jahr 1890: Anlegen der Fußeisen bei Sträflingen in der Katorga 4 Vincey‘s Dekabristenlexikon Namen und Daten zu Beteiligten an den Aufständen um den 14. 12. 1825 (auch passiv), sofern sie inhaftiert und verhört wurden, bzw. frühen Organisationen des Dekabristenbundes und anderer mit ihm in Kontakt stehenden Organisationen angehörten, unter den Folgen zu leiden hatten oder die Geheimorganisation, bzw. deren Mitglieder verrieten und an ihrer Verfolgung Anteil hatten. Die Dienstränge unter der Namenszeile beziehen sich immer auf das Jahr 1825, bzw. 1826, jene Zeit., in der die Untersuchungskommission tagte – soweit nicht anders angegeben. Abkürzungen, soweit gebräuchlich, werden wegen des Layout nicht regulär angewendet und entsprechen im Großen und Ganzem dem Regelwerk des Duden. (VK=Vaterländischer Krieg; UK= Untersuchungskommission) Die persönlichen Hinweise, mit denen Nikolai I. darüber verfügte, welcher Untersuchungshäftling während der Haft wie zu behandeln ist, wurden kursiv gesetzt. 5 Inhalt Vorwort Einleitung Alphabet Seite 08 10 18 Anhang Bild-Dokumente 482 6 „Unsere wahre Lebensaufgabe stellte sich erst nach unserer Ankunft in Sibirien, wo wir dazu aufgerufen sind, mit Wort und Tat jener Sache zu dienen, für die wir uns aufgeopfert haben.“ Dekabrist Lunin „...sie haben die Armen von Kopf bis Fuß eingekleidet – die Kranken geheilt, ganz egal, ob es Burjaten oder Russen waren...“ der Burjate Otchonow um 1920, der gemeinsam mit anderen Kindern bei Nikolai Bestushew neben lesen und schreiben auch Handwerke lernte 7 Vorgeschichte des Bundes Nach dem Einfall Napoleons 1812 in Russland kam es dort für eine kurze Zeit zum Aufleben des Nationalgeistes. Die Intelligenz des Landes, damals zum Großteil beim Militär dienend und dem Adel zugehörig, geriet angesichts der Siege, die nach dem Opfer Moskaus erstritten wurden, in eine Begeisterung, die nicht mehr nachzuvollziehen ist. Fakt bleibt aber, dass diese Begeisterung die Feldzüge überdauerte und eine Generation schuf, die mit kritischem Blick auf die Hierarchien im eigenen Land schaute. Dass Alexander I. den Polen, die bis zum Schluß zu Napoleon hielten, eine Verfassung schenkte (damit die Polen vor aller Augen auszeichnete), sein Versprechen, die Opfer der russischen Menschen entsprechend zu würdigen, dagegen nicht hielt, muss ihnen als Verrat vorgekommen sein. Daraufhin bildeten sich vereinzelt Gruppen, in denen darüber diskutiert wurde, woran es liegt, dass der Zar sein Wort nicht hält. Schnell fand man heraus, dass dies nur der deutschen Abstammung des Zaren zu schulden ist, die jedes Verständnis für die Nöte des russischen Menschen verhindert. Fortan galt das Augenmerk des jungen russischen Adels dem Ziel, führende und verantwortungsvolle Posten im Russischen Reich durch Menschen russischer Nationalität besetzen zu lassen, den Einfluss des Auslands, besonders jenen Deutschlands, nach und nach zu verdrängen und den russischen Bauern aus der Leibeigenschaft zu befreien. Gleichzeitig erörterte man auch die Möglichkeit weitergehender gesellschaftlicher Veränderungen in Russland – bis hin zu einer konstitutionellen Monarchie, bzw. einer Republik. Und als sich Alexander I. 1818 fast nur im Ausland aufhielt, schuf die Unzufriedenheit hierüber eine Situation, in der aus verschiednen Gruppierungen eine geschlossene Organisation wurde, die bis 1825 zunehmend Einfluss gewann. 8 Wenn Alexander Puschkin während seiner Arbeit am „Onegin“ notiert: „In froher Runde, zwischen Spottliedern und freundschaftlichen Diskussionen, bei Burgunder und Champagner, da wurden diese Umsturzpläne ausgeheckt. In ihrem tiefsten Innern waren sie nicht revolutionär gesinnt. Es entsprang alles ihrer Langeweile, dem Tatendurst ihres jungen Gemüts. Erwachsene Männer zwar, flüchteten sie sich doch in die tollkühne Abenteuerlust der Jugend.“1, so mag das vielleicht sein Eindruck gewesen sein, eine Momentaufnahme in Erinnerung an Gelage, bei denen mancher Trinkspruch entstand, doch berührt es nicht den Kern der Bewegung und ist viel zu oberflächlich, als dass es jene tiefgreifende seelische Bewegung erfasst, die damals durch Russland ging und deren Wellenschlag bis auf den heutigen Tag anhält, die Gemüter bewegt und zum Nachdenken zwingt. Und weil er so dachte, nahm man ihn als Mitglied nicht auf. Das vorliegende Lexikon will nichts anderes, als dem interessierten Leser bei diesem Nachdenken etwas Unterstützung geben. Joachim Winsmann 1 Zitiert aus: Adam B. Ulam „Russlands gescheiterte Revolutionen“, München 1985, Piper Verlag 9 Aufbau der Geheimgesellschaft der Dekabristen bis Januar 1821 vor 1816: 1. Keimzelle Offiziersartels, z.B.: „Das Heilige Artel“ (6 Gründungsmitglieder); 2. Keimzelle Freimaurerlogen, z.B. „Ovidius“ in Kischinjow 3. Keimzelle Semjonowregiment Ab 1816: Vorgängerorganisation: „Bund der wahren und aufrichtigen Söhne des Vaterlandes“(Rettungsbund) noch in Anlehnung an den deutschen Tugendbund Organisatoren: A.N. Murawjow, Nikita M. Murawjow, Sergei P. Trubetzkoi, Iwan D. Jakuschkin, Sergei und Matwei MurawjowApostol, Pawel I. Pestel ab 1818: „Wohlfahrtsbund“ (auch „Bund des grünen Buches“) Initiatoren: Alexander Nikolajewitsch, Michail N. und Nikita M. Murawjow, Fürst S. Trubetzkoi, Peter Koloschin und Fürst Ilja Dolgorukow (die Verfasser des Statuts) Sekretär: Fürst Schachowskoi Mitglieder: ca. 200 (ausschließlich Personen männl. Geschlechts über 18 Jahre) Aufbau der Organisation 30 Gründungsmitglieder Statut: „Grünes Buch“ Hauptverwaltung Duma Nebenverwaltung 6 Mitglieder 15 Initiativausschüsse (z.B. in Petersburg, Moskau, Tultschin, Poltawa, Tambow, Nizhnij Nowgorod, Kischinjow) 10 Offizielle Aufgaben des Wohlfahrtsbundes (allen Mitgliedern bekannt): moralisch-ethische Erziehung/Aufklärung des Volkes sowie Unterstützung der Regierung in Fragen der Leibeigenschaft mit dem Ziel, hier für Erleichterungen auf Seiten der Unfreien zu sorgen. Heimliche Ziele des Wohlfahrtsbundes (nur der HV bekannt): Schaffung einer demokratischen, bzw. konstitutionellen Regierungsform durch ausschließlich russischen Adel bei gleichzeitiger Befreiung des russischen Bauern von der Leibeigenschaft; Verbreitung liberalen und humanistischen Gedankengutes in geeigneten literarischen und anderen Freizeitzirkeln (geheim gehaltener) Aktionismus: Der Weg zur Konstitution führt nur über den Kaisermord (so Nikita M. Murawjow bis zum Herbst 1820), bzw. die Zustimmung des Zaren Der Weg führt nur über eine Zeitweilige Regierung mit einem bevollmächtigten Diktator an der Spitze ( so Pawel I. Pestel) 11 Einige Parallelgesellschaften mit individuellem Aufgabenbereich: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. „Militärische Gesellschaft“ „Gesellschaft der Freunde des Militärs“ „Orden der russischen Ritter“ „Gesellschaft des Grünen Buches“ „Freie Gesellschaften“ „Freie Gesellschaft für Freunde der russischen Sprache“ „Bund der Kleinrussen“ „Gesellschaft der Naturfreunde“ „Gesellschaft der vereinigte Slawen“ (52 Mitglieder bei der 2. Armee), sowie: „Wiederaufrichtungsorden“ „Gesellschaft der Flotte in Kronstadt“ „Gesellschaft der Gardeequipage“ „Polnische Gesellschaft“ „Templergesellschaft“ „Bund freier Gärtner“ „Kaukasische Gesellschaft „Praktische Gesellschaft“ „Bund der Grünen Lampe“ 12 Im Jahr 1820 kommt es in Spanien, Neapel und Portugal zu revolutionären Erhebungen gegen die Monarchie, auch die Griechen streben nach einer unabhängigen Republik, nachdem die Versuche Russlands, das christliche Griechenland vom Osmanischen Reich zu trennen, die 50 Jahre zuvor von Katharina II. als Orlow-Revolte initiiert wurden, gescheitert waren. Die Besorgnis des aufgeklärten Zaren Alexander I. wächst. Ein unglücklicher Umstand (Wechsel des Regimentskommandeurs) führt gegen Ende des Jahres 1820 zu einer Meuterei im Semjonowregiment der kaiserlichen Garde. Es galt bis dahin als musterhaft. Jetzt verdächtigt man die Offiziere, jegliche Disziplin durch Einführung neuer Methoden untergraben zu haben. Das Regiment wird aufgelöst, die Freimaurerlogen verboten und beim Gardekorps Militärpolizei etabliert. Der Imperator zeigt sich dennoch generös gegenüber seinen Offizieren und dem gesamten Adelsstand. Zur Warnung will er lediglich ein Exempel statuieren. Die „Wahl“ fällt auf den Major des 32. Jägerregiments in Kischinjow und Freund des verbannten Poeten Alexander S. Puschkin: Wladimir F. Rajewskij. Er war in seinem Regiment als Stellvertreter für die Lancasterschulen verantwortlich. Man wirft ihm im Februar 1822 staatsfeindliche Propaganda unter den Soldaten vor. Der Prozess dauert 5 ½ Jahre, und das Urteil wird erst nach seiner Verlegung in die Peter-Pauls-Festung (20. Januar 1826!) durch Nikolai I. am 15. 10. 1827 gesprochen. Er gilt fortan als der erste Dekabrist, weil er sich (lt. Lenin) verständnisvoll für die Belange der Soldaten einsetzte und seine Überzeugungen auch unter Androhung schlimmster Strafen nicht verriet. Nach seiner Verhaftung wurde ein Angehöriger der Geheimpolizei damit beauftragt, die Geheimorganisation zu unterlaufen. Vor dem Prozess gegen Major Rajewskij, nämlich im Januar 1821, tagte ein Kongress von Deputierten des Wohlfahrtsbundes, an dem Abgeordnete des Geheimbundes aus Moskau (Tagungsort), Petersburg und der 2. Armee teilnahmen. 13 Wegen zu großer Meinungsunterschiede (und der akuten Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden) wurde die Auflösung des Bundes beschlossen. Die Liquidierung des Wohlfahrtsbundes ist für den Kern der Reformer aber nur eine Gelegenheit, sich von unliebsamen Mitgliedern zu trennen, die Polizei zu täuschen! Was sie aber nicht wissen, ist, dass ein hoher Offizier, der Graf von Witt, zwar kein Mitglied der Geheimorganisation, aber eine den Mitgliedern nahe stehende Vertrauensperson, bereits dafür gesorgt hat, dass der Südbund von Verrätern unterwandert wird. Diese erstatten ihm Bericht, den er zusammenfassend dem Kaiser Alexander I. zukommen lässt, während dieser in Taganrog weilt. Der Zar unternimmt nichts, doch wird der Bericht vom Stabschef des Hauptstabes der Armee gefunden... 14 Aufbau der Geheimgesellschaft der Dekabristen ab Februar 1821 Nach Auflösung des Wohlfahrtsbundes existierten neben einigen der o.e. Parallelgesellschaften der NORDBUND & SÜDBUND Gemäßigter Kreis Radikaler Kreis Innerhalb des Südbundes gab es eine Maßvolle Fraktion (Burzew) und eine Äußerste Fraktion (Pestel), nach Ausschluß Burzews sind alle zu äußersten Maßnahmen bereit. Die oberste Duma des Nordbundes, also die HV Nord, besteht anfangs aus: Nikita M. Murawjow Nikolai I. Turgenjew E. P. Obolenskij und später (1825) aus Fürst S.P. Trubetzkoi K. F. Rylejew Alexander N. Bestushew. Ihr sind die Filialen (Nebenverwaltungen) in Moskau (Nikita M. Murawjow) und Petersburg (N. I. Turgenjew) unterstellt. Programm: die „Konstitution“ Nikita Murawjows2 Die oberste Duma des Südbundes wird gebildet aus den Direktoren: 2 Der Text des Verfassungsentwurfes ist nachzulesen in „Die Dekabristen“ Dichtungen und Dokumente, herausgegeben von Gerhard Dudek im InselVerlag1975 ab Seite 211 (ISBN 351-260-8-75) 15 Pawel I. Pestel (hält die Verbindung zur Patriotischen Gesellschaft im russisch besetzten Polen) Alexei P. Juschnewskij Nikita Murawjow (hält die Verbindung zum Nordbund) Ihr sind die 3 Filialen (Nebenverwaltungen) in Tultschin (Pestel/Juschnewskij), Wassilkow (Sergei Murawjow-Apostol/ Michail Bestushew-Rjumin) und Kamenka (W. Dawydow/ S.G. Wolkonsky) unterstellt. Programm: „Die Russische Wahrheit“ P.I. Pestels (Der Putsch als Waffe!) Nord- und Südbund streiten um den richtigen Weg. Pestel setzt sich durch und plant einen Putsch für das Jahr 1826 während der Sommermanöver, nachdem ein Überfall auf den Zaren im Jahr 1825 gescheitert ist. Überraschend stirbt Alexander I. am 19. November 1825 in Taganrog. Seine Leiche geht auf dem Trauermarsch nach St. Petersburg verloren (unter ungeklärten Umständen). Der Südbund wird verraten. Verhaftungen stehen bevor. Alles steht plötzlich auf dem Spiel! Die Gemüter geraten in Aufruhr und außer Kontrolle. Es bleibt keine Zeit für gezielte und abgesprochene Maßnahmen. Iwan Pustschin meint: „Wenn wir jetzt nichts unternehmen, sind wir allesamt erbärmliche Schufte.“ 3000 Mann marschieren in St. Petersburg auf, die wenigsten wissen - warum eigentlich; andere Gruppen agieren auf gut Glück, um vor sich selbst das Gesicht zu wahren; bzw. es die Umstände so ergaben. 16 ALPHABET Nach dem lexikalischen Teil folgt ein Anhang mit Dokumenten, Erinnerungen und Hinweisen zu einigen der vorstehend genannten Personen. 17 A Adlerberg, Wladimir Fedorowitsch (1792-1884) Oberst, Flügeladjutant, Mitglied der Untersuchungskommission W.F. Adlerberg stammt aus einer sehr angesehenen schwedischen Familie. Sein Vater wechselte als Oberst in den russischen Dienst und vermählte sich in zweiter Ehe mit Julia Fedorowna Baggowut. Diese war in der Folge die tonangebende Erzieherin der Großfürsten Nikolai und Konstantin Pawlowitsch. Die Erziehung W.F. Adlerbergs fand am Pagenkorps statt, die Ernennung zum Fähnrich erfolgte am 14. Dezember 1811. Nach dem Einmarsch Napoleons in Russland diente A. bei der Leibgarde des Litauer, bzw. Moskauer Regiments und nahm an allen wichtigen Schlachten teil. Er bestritt auch den Auslandsfeldzug und kämpfte bei Lützen, Bautzen, Kulm, Leipzig, Brienne und vor Paris, ohne durch besondere Leistungen aufzufallen, bzw. von seinen Kommandeuren ausgezeichnet zu werden. Nach der Beförderung zum Leutnant im August 1813 wurde er 1816 Oberleutnant, 1819 Hauptmann. Die Beförderung zum Oberst erfolgte im Januar 1820, und drei Jahre später wurde er zum Bürochef des Generalinspekteurs der Ingenieurtruppen ernannt. Die Ernennung zum Flügeladjutanten erfolgte am 14. Januar 1825. Bedingt durch das Amt seiner Mutter, stand er seit der Kindheit Nikolai Pawlowitsch sehr nahe und zählte fast zur Familie des neuen Zaren. Er war es auch, der sich nach Bekanntwerden der Unruhen am 14. Dezember 1825 um den Thronfolger kümmerte und die Kaiserin bis zum Eintreffen Nikolai I. beruhigte. Nach der Urteilsfindung über die Dekabristen kehrt A. wieder zum Heer zurück und kämpft im russisch-türkischen Krieg 1828-29 an der Donau. Für seine Verdienste bei der Belagerung und Einnahme Varnas als Begleiter Nikolai I. und Bürochef des Hauptstabes wird er am 25. Juni 1828 zum Generalmajor befördert. Ab 1829 bis Mai 18 1832 begleitet er den Herrscher als Mitglied des Militärrates und Bürochef auf allen Reisen und ist 1836 interimsmäßig Kriegsminister, seit Dezember 1832 auch Generalleutnant. In all diesen Jahren wird er mehrfach hoch dekoriert, und 1841 überträgt ihm Nikolai I. eine hohe Verantwortung über das Postwesens in Russland, nach dem Tod A.N. Golizyns im März 1842 die oberste Leitung des gesamten Departements. A. führt die ersten Briefmarken in Russland ein und wird 1843 Infanteriegeneral, erhält 1847 sogar die Grafenwürde. Nach dem Tod Peter Michailowitsch Wolkonskys im August 1852 wird A. zum Minister des kaiserlichen Hofes ernannt, behält aber auch seine anderen Ämter (Post/Militär). Nach dem Tod Nikolai Pawlowitschs erweist er sich auch unter Alexander II. als einer der befähigsten Organisatoren in Russland, wird u.a. von Bismarck sehr gelobt, und fast erblindet, nach einem tätigen und erfolgreichen Leben, nimmt er im April 1870 Abschied von seinen Ämtern. Er stirbt 1884 in St. Petersburg. Er war seit 1817 mit Maria Wassiljewna Nelidowa verheiratet, einer Verwandten des Hoffräuleins Katharina Iwanowna Nelidow, und hinterließ Aufzeichnungen aus der Regierungszeit Nikolai Pawlowitschs und Alexander Nikolajewitschs, die in einem Archiv „gesichert“ wurden und auf ihre Entdeckung warten. Er hatte zwei Töchter und drei Söhne, von denen Alexander (1818-1888) kurzfristig seine Nachfolge als Hofminister übernahm, zuvor, im Jahr 1841 u.a. im Kaukasus gegen Schamil kämpfte und 1866 ein hoch dekoriertes Mitglied des Staatsrates wird. 19 Akinfow (Akinfjew), Fjodor Wladimirowitsch ( 23.06.1789 – 30.06. 1848), Generalmajor Sohn des Garde-Fähnrichs Wladimir Alexejewitsch Akinfow (gest. 30.01.1809). Die Erziehung erfolgte im Elternhaus. Am 31.03. 1806 trat er als Junker der Leibgarde des Husarenregimentes bei und wurde am 4.05. 1807 zum Kornett befördert. Er war Teilnehmer des Krieges 1807 sowie des Vaterländischen Krieges 1812 und der anschließenden Auslandsfeldzüge. Bei Krasny konnte er sich auszeichnen und erhielt das Georgskreuz 4. Grades, dazu den goldenen Säbel für Tapferkeit und die Ernennung zum Rittmeister (06.11.1812). Am 01.11. 1816 wird er zum Oberst ernannt und wechselt im Juli 1817 zum berittenen Jägerregiment, dessen Kommandeur er am 28.12. 1817 wird; seine Beförderung zum Generalmajor mit gleichzeitiger Ernennung zum Kommandeur der 1. Brigade der 2. Dragonerdivision erfolgte am 30. 08. 1824. Er war Mitglied der Militärgesellschaft. Er geriet in den Kreis der Verdächtigen aufgrund der Aussagen von Artamon Murawjow, der ihn als Mitglied des Südbundes nannte. Die Anklage gegen ihn wurde von höchster Stelle wieder fallen gelassen und hatte auch im weiteren Lebensverlauf keinerlei Folgen. Bis zu seiner Pensionierung am 10. 02. 1830 kommandierte er verschiedene Divisionen. Am 22.12. 1832 – Wahl zum Adelsmarschall des Gouvernements Susdal, am 09.01. 1833 – Wahl zum Adelsmarschall des Gouvernements Wladimir, 26.08. 1836 – Ernennung zum Geheimrat 20 17.04. 1837 – Ernennung zum Senator; am 07.10 1846 Mitglied einer Kommission zum Bau der Christi – Erlöser – Kirche, gestorben in Moskau Ehefrau: Natalja Alexandrowna Rimskij-Korsakow (Hoffräulein)!! Tochter: Elisaweta (verheiratet mit Senator Nikolai Iwanowitsch Krusenstern) Alexejew, Dmitrij Larionowitsch (festgenommen am 18.1.1826, entlassen am 25.03.1826) D.L. Alexejew war zur Zeit seiner Inhaftierung Staatsrat in Jekaterinoslaw, wo er von 1808 bis 1829 auch Adelsvorstand der Aristokratie war. Außerdem war er Freimaurer und 1818/19 Mitglied der Loge „Liebe zur Wahrheit“ in Poltawa, welcher auch der Dekabrist M.N. Nowikow angehörte. Sein Vater – Larion Spiridonowitsch Alexejew (gest. 1798) war Gouverneur des Kaukasus (1787), von Nowgorod-Sewersk (1795) und von Pskow (1797). Dmirij Larionowitsch war verheiratet mit Warwara Iwanowna, geb. Seletzkaja. Alexejew, Stepan Larionowitsch (festgenommen am 18.1. 1826, entlassen am 25.02. 1826) Stepan Larionowitsch (der Bruder des o.G.) war zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung Kollegialrat im Ruhestand und lebte in Poltawa. Auch er war 1818/19 Mitglied der Freimaurerloge des Dekabristen M.N. Nowikow „Liebe zur Heimat“. In der Folge war er von September 1826 – 1829 Adelsvorstand des Kreises Chorolsk. Er hatte zwei Söhne. 21 Alimskij (Alymow?), gefallen im November 1828 bei Achalzych? Hauptmann des 37. Jägerregiments i.R. Mitglied des Wohlfahrtsbundes (Führungszentrale in Tultschin). Auf höchste Anweisung sollte seinem Fall keinerlei weitere Bedeutung zugemessen werden. Reaktivierung und Versetzung zum 31. Jägerregiment in den Kaukasus, wo er als Major während des russisch-türkischen Krieges am 01. 11. 1828 bei einem kleineren Gefecht fällt... Amfiteatrow, s. u. Raitsch, Semjon Jegrowitsch Andrejew, Andrei Nikolajewitsch (1803/04 – 28.09. 1831) Leutnant der Leibgarde des Ismailow-Regiments Andrei Andrejew entstammte einem Adelsgeschlecht des St.Petersburger Gouvernements. Sein Vater, der Kollegialrat Nikolai Andrejew, starb nach seiner Verhaftung im Jahr 1826. Die Mutter Marja Wassiljewna besaß als Tochter eines reichen Gutsbesitzers aus dem Kreis Nowgorod (Kriwino) ca. 250 - 400 Leibeigene und eine Tuchfabrik, die aber nicht viel Gewinn abwarf. All dies ermöglichte es ihnen aber doch, dass ihre Söhne das Gymnasium von Petersburg besuchen konnten, Andrei dem Beispiel seiner älteren Brüder folgte und am 27. Juni 1820 als Portupée-Fähnrich bei der Leibgarde des Ismailow-Regiments seinen Dienst aufnahm. Bis zum Dezember 1824 verlief seine Karriere planmäßig. Er wurde zum Leutnant befördert und alles wies darauf hin, dass auch er seinen Weg machen würde. Der führte ihn aber 1825 in die Gesellschaft des Nordbundes, und dies sollte für ihn verhängnisvolle Folgen haben. Von Natur aus ein Schwärmer, war er noch ganz den jugendlichen Träumereien über ein sinnvolles Leben hingegeben, als er sich am 16. Dezember in der Hauptwache des Militärhospitals wiederfand und nach einem 22 kurzen Verhör am 5. Januar 1826 im Kronwerk der Peter-PaulsFestung eingesperrt wurde. Das Urteil am 10. Juli 1826 lautete: ewige Verbannung. Dies wurde am 22. August 1826 zu einer zwanzigjährigen Verbannung geändert (Kategorie VIII). Das erfuhr er aber erst später, denn schon am 25. Juli 1826 hatte er sich auf den Weg nach Shigansk begeben (im Gebiet von Jakutsk), dem Ort seiner Verbannung. Hier hielt er sich nicht sehr lange auf und wurde nach Olekminsk verlegt, wo er sich im Getreideanbau versuchte. Der Erfolg blieb ihm aber versagt, weshalb er um Verlegung an einen anderen Ort bat, der seinen bescheidenen finanziellen Verhältnissen eher entsprach. Die Familie hatte sich von ihm abgekehrt, und er konnte auf keinerlei Unterstützung hoffen. Als man seinem Antrag entsprach und ihn nach Werchneudinsk (Kreis Irkutsk) verlegte, traf Andrejew auf dem Weg dorthin am Morgen des 27. September in Wercholenskoje ein und gastierte dort für einige Stunden bei seinem verbannten Kameraden N. P. Repin. In der Nacht zum 28. September sind beide Dekabristen bei einem Brand umgekommen. Ihr Grab ist nicht erhalten. Die männlichen Geschwister Andrei N. Andrejews: Wassilij Nikolajewitsch: Kollegialrat der Simbirsker Staatskammer (1826), Alexander Nikolajewitsch: Oberleutnant der Leibgarde des Moskauer Regiments, Dmitrij Nikolajewitsch: Oberleutnant der Leibgarde des Ismailowregiments, Iwan Nikolajewitsch: Kollegialregistrator Andrejewitsch, Gordei Maximowitsch (inhaftiert am 20. 01. 1826, entlassen am 13. 02. 1826) G.D. Andrejewitsch war Leutnant der 8. Artilleriebrigade, wurde in Zhitomir verhört und am 03. Februar auf die Hauptwache nach 23 Petersburg gebracht, bzw. in die Peter-Pauls-Festung, wo er unter „strenge Aufsicht“ gestellt wurde (Zelle 29 der Kurtine des Kronwerks). Er war der Bruder von Jakow Maximowitsch Andrejewitsch. Andrejewitsch, Jakow Maximowitsch (März 1801–18. April 1840), Leutnant der 8. Artilleriebrigade Mitglied der „Gesellschaft Vereinigter Slawen“ Im Gegensatz zu seinem Bruder, der am 20. Januar 1826 (sechs Tage danach) verhaftet und rehabilitiert wurde, verurteilte man Jakow Maximowitsch am 10. Juli 1826 zu lebenslanger Zwangsarbeit (1. Grades). Die Brüder entstammen einer Adelsfamilie aus dem Kreis Perejaslawl im Gouvernement von Poltawa. Schon als 10-jähriger wurde Jakow als Soldat des Twersker Dragonerregiments in Moldawien eingeschrieben und zwei Monate darauf zum Junker befördert. Am 09. März schickten ihn die ehrgeizigen Eltern zur Ausbildung ins Kavalleriegeschwader des Hofes nach St. Petersburg. Wegen seiner „mangelhaften Kenntnisse in den Wissenschaften“, was in diesem Alter eigentlich vorauszusehen war, wurde er zum zweiten Kadettenkorps versetzt, am 5. Mai 1816 ins Adelsregiment. Am 1. Januar 1819 wurde er als Unterleutnant vom Korps zur 2. Leichten Kompanie der 15. Artilleriebrigade kommandiert und noch im gleichen Jahr zur 1. Batteriekompanie versetzt. Drei Jahre später gehörte er zur Suite seiner kaiserlichen Hoheit im Quartiermeisterbereich des 3. Infanterieregiments, bevor er wieder zu seiner Kompanie stieß und anschließend zur 3. Leichten Reiterkompanie der 8. Artilleriebrigade versetzt wurde. Ernennung zum Leutnant am 03. Mai 1823. Seit Oktober 1825 befand er sich beim Kiewer Arsenal und diente zuvor in der 2. Leichten Reiterkompanie, bzw. der 1. Batteriekompanie. Er hatte keine Leibeigenen und war an der Seite Sergei Iwanowitsch Murawjow24 Apostols in den Hinterhalt von Trilessa geraten. Er wurde in Belaja Zerkow verhaftet, verhört und nach Kiew transportiert. Von hier aus schickte man ihn zum Hauptquartier der 1. Armee nach Mogiljow, wo er durch die Kommission des Militärgerichtes verhört wurde. Am 11. Februar 1826 wurde er in die Peter-PaulsFestung überstellt, nachdem er sich kurze Zeit in der Hauptwache aufhielt. Auf Anweisung des Zaren war „der überstellte Andrejewitsch 2. an einem beliebigen Platz einzukerkern und streng zu bewachen“. Dieser Anweisung verdankte er seine Haft in der Zelle Nr. 33 der Newskij-Kurtine, wo er am 18. Februar an den Händen angekettet wurde. Erst am 27. April nahm man ihm diese Ketten wieder ab. Am 23. 07. 1826 wurde er (wie auch Lunin) in die Schlüsselburg verlegt und nach der Urteilsverkündung am 02. Oktober 1827 nach Sibirien deportiert. Er traf im Gefängnis von Tschita am 20. Dezember 1827 ein, in Petrowskij Sawod im September 1830. Per Manifest vom 14. 12. 1835 wurde seine Strafe, die zuvor schon einmal auf 20 Jahre gesenkt wurde, auf 15 Jahre festgesetzt. Nachdem diese Zeit abgelaufen war, wurde er am 10. Juli 1839 zur Ansiedlung nach Werchneudinsk bei Irkutsk gebracht, wo er im Krankenhaus des Ortes am 18. April des Jahres 1840 gestorben sein soll. Es gibt manche, die glauben, er sei erst später gemeinsam mit Repin und Awramow verbrannt. Sein Hab und Gut hatte er den Brüdern Borissow vererbt. Sein Grab ist nicht erhalten geblieben. Er betätigte sich auch als Hobbymaler. 25 Annenkow, Iwan Alexandrowitsch (1802 - 1878 ) Oberleutnant der Leibgarde des Kavaliergarderegiments Iwan Annenkow wurde in Moskau als Sohn des Staatsrats Alexander Nikanorowitsch Annenkow (gest. 1803) geboren, einem ehemaligen Hauptmann der Leibgarde des PreobrashenskijRegiments und Berater der Zivilkammer von Nizhnij-Nowgorod (später Gorki). Seine Mutter war die Tochter des Generalgouverneurs von Irkutsk Anna Iwanowna Jakobi (gest. 1842). Nach seiner Erziehung im Elternhaus (ein Schweizer und ein Franzose) hörte er vom 1817 bis 1819 Vorlesungen an der Moskauer Universität, legte dann aber ein Examen für den Hauptstab des Kavaliergarderegiments ab und wurde am 10. 8. 1819 Junker, kurz darauf Kornett und am 13.März 1823 Oberleutnant. Im Gebiet von Wologodsk gehörten ihm 418 Seelen, zu denen später noch 2300 Seelen in verschiedenen Gouvernements aus dem Besitz seiner Mutter hinzu kamen. Im Jahr 1824 lernt er einige junge Offiziere kennen, mit denen ihn mehr verbindet, als Kartenspiel und schöne Pferde. Wie sie ist er ein glühender Patriot und zögert nicht, als er 1824 vom Südbund der Dekabristen angeworben wird. Er nimmt auch Anteil an den Aktivitäten des Nordbundes und ist von den Persönlichkeiten beeindruckt, die er hier kennen lernt. Wie ernst diese Verbindung 26 ist, erfährt er spätestens am 19. Dezember 1825, als man ihn in der Kaserne seines Regimentes unter Arrest stellt.. Erst am 1. Februar 1826 führt man ihn auf die Hauptwache in St. Petersburg und damit dem Imperator Nikolai I. vor, der ihn anschließend in die PeterPauls-Festung einweist und darum bittet, daß man ihn dort gut unterbringt und weiter unter Beobachtung hält. Man scheint von seiner Naivität überzeugt, ist sich aber nicht sicher. Er bekommt die Zelle Nr. 19 in der Newskij-Kurtine und wird am 10. Juli 1826 nach der II. Kategorie zu 20 Jahren, bzw. später zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und am 10. Dezember 1826 in Ketten gelegt und nach Sibirien verbannt. Am 28. Januar 1827 kommt er in Tschita an, heiratet dort im April 1828 Pauline Gueble, wird im September 1830 nach Petrowskij Sawod verlegt und am 20. August 1836 auf Anordnung vom 14.12. 1835 von der Zwangsarbeit befreit. Anschließend begibt er sich mit seiner Frau zur Ansiedlung in das Dorf Belskoje im Gouvernement Irkutsk, das er am 28.06. 1838 wieder verlässt und nach Turinsk zieht (28.Januar 1839). Nach beständigen Bittgesuchen seiner Mutter gelingt es ihr, ihm mit allerhöchster Genehmigung einen Posten in der Zivilverwaltung Sibiriens zu verschaffen, wo er am 25. November seine neue Karriere als Kanzleidiener 4. Ranges am Landesgericht Turinsk beginnt und sich auch um die Belange der Verbannten zu kümmern hat, es bis zum 25. Dezember 1854 zum KollegialSekretär schafft und nach der Amnestie seit dem 1. Januar 1857 berechtigt ist, den Titel eines Titularrates (Beamter 9. Klasse) zu führen, was im militärischen Bereich dem Rang eines Stabshauptmanns entspräche und wird im selben Jahr noch dem Gouverneur von Nizhnij-Nowgorod A.N. Murawjow für besondere Aufträge unterstellt. Er engagiert sich in der Folge für die Umsetzung der Bauernreform (ab 1861). Von 1865 bis 1868 ist er Landrat des Gebietes von Nizhnij-Nowgorod, wo er auch stirbt und auf dem Friedhof des Klosters der Aufrichtung des heiligen 27 Kreuzes neben seiner Frau beigesetzt wird. Sein Leichnam wurde 1953 auf den Friedhof von Bugrowsk überführt. Annenkow, Praskowja Jegorowna geb. Pauline Gueble ( 1800-1876 ) Praskowja Annenkow war gebürtige Französin, Tochter eines französischen Offiziers (Royalist) und stammte aus Lothringen. Sie wurde am 9. Juni 1800 geboren, wuchs in der Nähe von Nancy auf und verlor schon sehr früh ihren Vater. Anschließend wurde ihre Erziehung fremden Personen anvertraut, die sie nur ausnutzten und dazu nötigten, ihren Lebensunterhalt durch Näharbeiten zu verdienen. Später, nachdem sie sich zur Schneiderin ausgebildet hatte, kam sie zum Kaufhaus Mono in Paris, verlässt aber schon im Jahr 1823 Frankreich und reist nach Rußland in der Hoffnung, sich dort durchschlagen zu können. Was sie dazu veranlasste (vielleicht Schulden, vielleicht auch falsche Vorwürfe?), ist nicht bekannt, auf jeden Fall ändert sie ihren Familiennamen, um die Familie in Frankreich nicht mit ihrem Problem zu kompromittieren und reist ab. In Rußland wird sie vom Modehaus Duimansi angestellt, wo sie sich schon bald zur ersten Verkäuferin hinauf arbeitet. Hier lernt sie im Frühjahr 1825 ihren späteren Mann Iwan Alexandrowitsch Annenkow kennen, welcher einer angesehenen Familie Rußlands angehört. Auf der Messe in Pensa, wo ihre Firma die neue Kollektion vorführt, fällt sie Annenkow als charmante und intelligente Managerin auf, der eigentlich dorthin gekommen war, um für seine Einheit Pferde einzukaufen und sich bei dieser Gelegenheit unsterblich in sie verliebt. Das junge Paar beschließt im ersten Rausch der Gefühle, sich heimlich trauen zu lassen, nimmt dann aber aus Rücksicht auf die Mutter Iwan Annenkows davon Abstand. Ihr erstes Glück ist nur von kurzer Dauer. Annenkow wird im Januar 1826 verhaftet und mit weiteren Dekabristen angeklagt, Vaterlandsverrat mit öffentlichem Aufruhr 28 begangen zu haben. Pauline versucht noch während seiner Haft in der Peter-Pauls-Festung, die Mutter Annenkows dazu zu überreden, ihr Geld für dessen Flucht und einen Auslandspass zu geben, was diese jedoch ablehnt. Nach dessen Deportation am 10. Dezember 1826 folgt sie ihm nach Sibirien, nachdem sie schließlich doch die familiäre und offizielle Genehmigung zur Heirat erhalten hatte und organisiert dort im April 1828 ihre Trauung mit einem Staatsverbrecher, nachdem ihr gemeinsames Kind Alexandra schon am 11. April geboren wurde und in St. Petersburg bei einer Amme zurück blieb. Die Ehe verläuft sehr glücklich. Ihr entstammen die weiteren Kinder Olga (1830-91), Wladimir (1831>97), Iwan (183586), Nikolai (1838-ca.73) und Natalja (1842-94). Sie kehrt 1856 mit ihrer Familie wieder ins europäische Rußland zurück und veröffentlicht im Jahr 1868 (?) ihre Erinnerungen. Anoitschenko, Fjodor - Soldat (er wurde vom Militärgericht in Beleja Zerkow zu 12000 Schlägen mit Spießruten verurteilt und anschließend in den Kaukasus versetzt); Fjodor Anoitschenko war ein Vertrauter Sergeij Iwanowitsch Murawjow-Apostols. Sie kannten sich schon vom Semjonow-Regiment. Anoitschenko war Teilnehmer des Aufstands der 1. Grenadierkompanie. Im Auftrag seines Kommandeurs (S.I. Murawjow-Apostols) agitierte er unter den Soldaten für die Sache der Dekabristen – also für die Einführung demokratischer Grundrechte in Russland! Antropow, Nikolai Alexandrowitsch (1796 – 01.01. 1851) 29 Rittmeister des Astrachaner Kürassierregiments Mitschüler K. F. Rylejews am Kadettenkorps, nahm an den Auslandsfeldzügen der Jahre 1813-14 teil. Er wurde aufgrund eines Briefes, den er kurz vor dem Aufstand des 14. Dezember 1825 an Rylejew geschickt hatte durch eine Untersuchungskommission der 1. Armee verhört und inhaftiert. Es konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er ein Mitglied der Geheimgesellschaft war, weshalb er am 06. September 1826 auf allerhöchste Anweisung schließlich wieder frei gelassen wurde. Versetzung als Hauptmann zum berittenen Jägerregiment von Nezhinsk mit der Auflage, ihn streng im Auge zu behalten: 09.09.1826 16.11. 1844: als Oberstleutnant des Moskauer Dragonerregiments wird er zum Leiter des Pferdegestüts von Bronnitzkij ernannt und darf sich fortan Unterstallmeister nennen, anschließend avanciert er zum Staatsrat am Pferdekontor des Hofes und stirbt in Petersburg. Apostol-Kegitsch, Jegor Iwanowitsch (ca. 1803 – nach 1850) Fähnrich des Tschernigower Regiments Angehöriger eines Poltawer Adelsgeschlechts. Sein Vater war der Sekondemajor Iwan Michailowitsch Apostol-Kegitsch. Die Erziehung fand im Elternhaus statt. Am 28. 11 1820 Eintritt als Junker ins Tschernigower Infanterieregiment, Beförderung zum Fahnenjunker am 17. 09. 1823 und zum Fähnrich am 20. 05. 1824. Er war Adjutant des 2. Bataillons. Ursprünglich ein Teilnehmer des Aufstandes des Tschernigower Regiments, verlor dann aber recht schnell den Mut und stellte sich der Divisionsleitung. Er wurde von einem Militärgericht beim Hauptquartier der 1. Armee in Mogiljow, zu dem auch Sergei Murawjow-Apostol für ein erstes Verhör „geladen“ wurde, zum Verlust seiner militärischen 30 Ränge und des Adels verurteilt, zum Soldaten auf Lebenszeit sowie in eine der entferntesten sibirischen Garnisonen versetzt; nach Meinung des OK der 1. Armee sollte er nach seiner Degradierung zum Soldaten in ein Rgt. des Kaukasuskorps versetzt werden, wurde dann aber durch ein höheres Auditorium zu 6 Monaten Festungshaft in Bobruisk mit anschließendem Dienst (s.o.) verurteilt. Am 06.03. 1828 wurde er aus der Armee entlassen und arbeitete in der Folge als Schöffe am Kreisgericht von Konstantinograd (1843 – 44) sowie als Richter am dortigen Katastergericht seit dem 22.12. 1850. Er besaß in dem Dorf Jegorowka, Kreis Konstantinograg (Gouv. Poltawa) 58 Seelen und 1000 ha Land. Seine Frau war Nastassja Grigorjewna ?. Arbusow, Anton Petrowitsch (1797 oder 1798 bis Januar 1843) Leutnant der Gardeequipage Gründungsmitglied und Autor des Statuts der geheimen „Gesellschaft der Gardeequipage“(1824), Mitglied des Nordbundes (1825) und Teilnehmer des Aufstandes vom 14. Dezember auf dem Senatsplatz Die Familie Arbusow gehörte dem älteren Adel an. Der Vater von Anton Petrowitsch starb noch vor dem Jahr 1826 und hinterließ dem Sohn 50 Leibeigene im Gouvernement von Nowgorod. Seine Mutter war eine geborene Sawjalowa. Erzogen wurde er im Kadettenkorps der Marine, in das er am 12. Februar 1810 eintrat. Noch in der Nacht vom 14. Dezember wurde er als einer der Teilnehmer am Aufstand auf dem Senatsplatz verhaftet und im Alexejew-Ravelin der Peter-Pauls-Festung inhaftiert. Der junge Leutnant der Garde-Equipage hatte mit dem Schlimmsten zu rechnen, schließlich war er der Initiator einer Dekabristenzelle bei der Garde und hatte sich als enger Vertrauter Nikolai Bestushews auf dem Senatsplatz sehr energisch in Szene gesetzt. Selbst nach 31 der Inhaftierung leistete er stets Widerstand und wurde deshalb in Ketten gelegt (bis zum 30. April 1826). Als er am 5. Oktober 1826 die Hauptstadt in Richtung Sibirien verließ, war er dem Tode noch einmal entronnen, doch standen ihm nun 13 Jahre Zwangsarbeit bevor (ursprünglich 20). Sein Leben sollte nur 46 oder 44 Jahre währen, von denen er 4 in der sibirischen Ansiedlung verbrachte. Unter welchen Umständen er dort lebte und wie er starb, ist leider zu wenig erforscht worden. Zu wenige Menschen lebten damals in dem Dorf Nasarowsk (Kreis von Atschinsk im Gouvernement Jenissei). Sein Portrait, gefertigt von Nikolai Bestushew ist uns nur durch den glücklichen Umstand überliefert, dass E.I. Jakuschkin viele der Aquarell-Portraits Bestushews fotografierte, als er 1853/54 bei seinem Vater zu Besuch in Sibirien war (wo er ihn zum ersten Mal sah) und auch einige Kopien anfertigte, die er als Drucke Anfang der 60-er Jahre in Moskau vertrieb. Zu dieser Zeit wurden die Portraits der berühmten Männer und Frauen gern von der Jugend gekauft – auch in Petersburg. Die Historiker I.E. Sabelin und M.I. Semjowskij füllten damit ihre Archive, in denen die Fotografie des Portraits von Arbusow „überlebt“ hat. Ohne diesen Umstand hätten wir kein Zeugnis von jenem bescheidenen und unerschrockenen jungen Mann. Nur in dem Tagebuch von W.D. Filosofow finden wir eine Bemerkung darüber, wie Arbusow seine letzten Tage verbrachte: „Er war ein außergewöhnlich kluger Mensch mit liebenswürdigen, guten Umgangsformen...Er hatte einen derartigen Grad von Armut erreicht, dass er sich nur noch von Fisch ernährte, den er selbst angelte. Konnte er einen Tag nichts angeln, blieb er ohne Nahrung. Schließlich verließen ihn die Kräfte; vier Tage lag er dann da und bat seine Wirtin, ihm zwanzig Fische zu borgen. Am fünften Tag lehnte es die Wirtin ab, ihm weiter behilflich zu sein. Bei 30 Grad Kälte ging er los, krank wie er war, um Fisch zu fangen, schaffte es noch, das Eisloch freizulegen, doch dann verließen ihn die schwachen Kräfte; er fiel ins Wasser, konnte sich 32 wieder aufs Eis retten, ging aber nicht nachhause sondern fing weiter Fische. Er warf eine Reuse aus und fing zum Glück so viele Fische, dass er die Wirtin auszahlen konnte. Als er wieder Heim kam, zahlte er ihr - schon fast zu Eis erstarrt - seine Schulden und sagte, dass er von nun an weder Fisch noch sonst irgend etwas braucht. Sie nahm an, dass er damit andeuten wolle, man habe ihm Geld geschickt und war bereit, sich weiter um ihn zu kümmern. Er legte sich (aber) schon als Toter zu Bett...“ Arzybaschew (Arzybuschew), Dmitrij Alexandrowitsch (1804/04 – 1831); Kornett der Leibgarde Kavaliergarderegiment Die Erziehung erfolgte im Elternhaus sowie am Pensionat der Moskauer Uni, wo er Vorlesungen der Moskauer Professoren hörte. Am 27. Februar 1820 erfolgte sein Eintritt bei der Leibgarde des Kavaliergarderegiments als Junker und am 05. April 1823 die Beförderung zum Kornett. Mitglied der Petersburger Zelle des Südbundes (seit 1825), Teilnehmer an den Aktivitäten des Nordbundes Am 19. 12. 1825 wurde er in seiner Petersburger Wohnung festgenommen und zur Stadtwache gebracht, taucht dann am 25. 12. aber in Narwa auf, um am 16. Februar 1826 zur Peter-PaulsFestung gebracht zu werden: Wassiljewskij-Courtine, Zelle 1. Auf höchste Anordnung sollte er noch einen Monat in der Festung verbleiben, um dann unter Beibehaltung des Dienstgrades zum Infanterieregiment nach Taman versetzt zu werden. Dort traf er am. 07. Juli 1826 ein, wird 1828 Fähnrich und 1830 Leutnant des Nascheburgsker Inf.-Rgts. Am 11.11. 1831 wird er im Rang eines Oberleutnants aus den offiziellen Listen gestrichen. Er war Teilnehmer des russisch-persischen (1826-1828) und des russischtürkischen Krieges (1828-1829), auch zugegen, als Bajazeth und Erzerum eingenommen wurden. Er ist Autor einer militärhistorischen Untersuchung. 33 Astafjew, Alexander Philippowitsch (1781 – 05. 10. 1850) Oberst und Kommandeur des Jekaterinburger Infanterieregiments Mitglied des Wohlfahrtsbundes. Auf allerhöchste Anweisung von jeder weiteren Untersuchung ausgeschlossen, nachdem er Ende Januar 1826 inhaftiert und verhört wurde. Beigesetzt auf dem Friedhof des Alexejew-Klosters in Moskau. Awenarius, Alexander Andrejewitsch (gestorben 1828) Oberst Alexander Awenarius war Oberst des 41. Jägerregiments. Der Vater war Stabsarzt in Ufa. Seine Laufbahn als Oberoffizier begann im Jahr 1817 in Mitau, wo er als Major zum obersten Adjutanten der 25. Infanteriedivision ernannt wurde, am 06. 10. 1817 zum Oberstleutnant. Im Jahr 1821 war er Oberadjutant des Stabes der 1. Armee und übernahm als Kommandeur im gleichen Jahr das 41. Jägerregiment im Kaukasus. Seine Beförderung zum Oberst erfolgte 1823. Zum Geheimbund fand er im Jahr 1817 oder Anfang 1818 während seiner Dienstzeit in Mitau. Er trat dem Rettungsbund bei und stand nach dem 14. Dezember 1826 im Verdacht einer Verschwörung, die im Bereich des Kaukasuskorps vermutet wurde – zumindest gab es einige Denunzianten, die sich derart äußerten. Es konnte ihm aber nichts nachgewiesen werden; seine Qualitäten als Kommandeur für Zar und Vaterland standen in keinem Vergleich zu den wagen Anschuldigungen. Deshalb wurde von höchster Stelle angewiesen, ihn bei der Untersuchung des 14. 12. nicht weiter zu beachten. Oberst Awenarius war Teilnehmer des russisch-persischen Krieges 1826-28 und starb als Junggeselle. 34 Awramow, Iwan Borissowitsch (1802 bis 17. September 1840) Oberleutnant der Quartiermeisterabteilung Er entstammte älterem Adelsgeschlecht aus dem Gouvernement Tula. Sein Vater (ein Oberleutnant a.D.) war Boris Iwanowitsch Awramow. Ihm gehörten knapp 200 Seelen, von denen er seinem Sohn Iwan zum 19. Geburtstag 21 schenkte: 10 Männer und 11 Frauen. Seine Mutter Elisaweta Andrejewna war eine geborene Kislinskaja. Bevor Iwan Borissowitsch 1819 seine einjährige militärische Ausbildung an der Schule für Kolonnenführer in Moskau abschloss, wurde er zu Hause von ausländischen Erziehern unterrichtet und hatte er die Adelsschule von Tula absolviert. Nach den Abschlussexamen wurde er zum Unterleutnant der Quartiermeisterabteilung befördert und der 2. Armee für topographische Arbeiten zugeteilt. Hierbei zeichnete er sich offenbar aus, denn er wurde im Jahr 1822, nach seiner Beförderung zum Leutnant, mit dem Annenorden 4. Klasse ausgezeichnet. Im März 1825 wurde er Oberleutnant und schloss seine topographischen Arbeiten zum Gouvernement Podolsk ab. Daraufhin wurde er dem Hauptquartier der 2. Armee zugeteilt und hielt sich vorwiegend in Tultschin auf. Er war Mitglied des Südbundes, der unter dem Einfluss Pestels stand. Seine Verhaftung erfolgte erst am 14. Januar 1826, obwohl der Befehl hierzu schon am 5. Januar erlassen wurde. Nachdem er auf Befehl Nikolai I. „in Untersuchungshaft unter strengen Auflagen“ genommen wurde, verurteilte man ihn am 10. Juli 1826 nach der Kategorie VII (2 Jahre Zwangsarbeit mit anschließender Verbannung in Sibirien), was am 22. August auf ein Jahr Zwangsarbeit mit Verbannung gemildert wurde. Der blauäugige junge Mann mit der großen Nase kam am 15. April 1827 in Tschita an und wurde ein Jahr später in der Stadt Turuchansk im Gouvernement Jenisseisk angesiedelt. Gemeinsam mit dem 35 Dekabristen N. F. Lissowskij stellte er einen Gewerbeantrag als Händler im Kreis Turuchansk. Dem wurde 1832 auch zugestimmt. Von nun an konnte er sich zwischen Turuchansk und Jenisseisk relativ frei bewegen. Er handelte vorwiegend mit Fisch und Gemischtwaren. Bei einer dieser Dienstfahrten verunglückte er unterwegs mit seinem Boot tödlich. Er hinterließ eine junge Frau mit drei Kindern (Sergei – 9 Jahre alt und eine Tochter von 4 Jahren sowie einen weiteren einjährigen Sohn). Geschwister: Andrei (Leutnant des Kursker Infanterieregiments im Jahr 1826), Ilja (Oberleutnant a.D. des selben Regiments seit 27.1. 1825), Nikolai (Unteroffizier des Rjasaner Infanterieregiments) Die Schwestern Pelageja, Nadeshda und Praskowja lebten bis zum Jahr 1831 – dem Todesjahr beider Elternteile – in der Moskauer Stadtwohnung Awramow, Pawel Wassiljewitsch (1790/91 bis 05. November 1836), Oberst Kommandeur des Kasaner Inf.-Rgts Er entstammte einem Adelsgeschlecht aus dem Gouvernement St. Petersburg. Sein Vater, der Kollegialrat Wassilij Michailowitsch Awramow, war Rat des Komitees an der Akademie der Wissenschaften und verstarb, wie die Mutter Alexandra, im Jahr 1831. Seit dem Jahr 1798 wurde er beim 1. Kadettenkorps erzogen und trat dann im Februar 1906 als Leutnant dem 3. Artillerieregiment bei, das kurz darauf (im August 1806) der 13. Artilleriebrigade angeschlossen wurde. Beförderung zum Oberleutnant am 7.01.1810 und Versetzung zum 1. Kadettenkorps am 03.03. 1811 als Ausbilder. Ab 1812 wurde er zu den neu gebildeten Regimentern und Bataillonen abkommandiert, um hier für die Durchsetzung der Dienstordnung zu sorgen. Am 27. 11. 1813 erhält er für Auszeichnung im Dienst den Wladimirorden 4. Grades, kehrt 1814 ins Kadettenkorps zurück und wird am 9.01. 36 1816 zum Stabshauptmann befördert. Auf eigene Bitte lässt er sich per 01.11.1818 als Hauptmann zum Grenadierregiment des preußischen Königs versetzen, wechselt im Januar 1819 als Major zum 2. Karabinerregiment und wird im August des selben Jahres zum Chefadjutanten des OK des Hauptstabes der 2. Armee (P.D. Kisseljew) ernannt, womit eine Versetzung an das Ochotsker Infanterieregiment verbunden ist. A. 1. Dezember 1819 erfolgt seine Beförderung zum Oberstleutnant. Am 10. Januar 1822 wird er als Kommandeur des Lehrbataillons am Hauptquartier der 2. Armee eingesetzt und im Dezember 1822 zum Kommandeur des Kasaner Inf.-Rgts. ernannt. In Würdigung seiner Leistungen erfolgt am 26. 11. 1823 die Ernennung zum Oberst. Mitglied des Wohlfahrtsbundes seit 1819 sowie des Südbundes Er zählte zu jenen, die von Hptm. Maiboroda denunziert wurden, verneinte die Mitgliedschaft in der Geheimgesellschaft während des ersten Verhörs in Tultschin und befand sich ab 19. 12. 1825 unter Arrest. Am 30. Dezember erhält er den Befehl des OK der 2. Armee, sich nach St. Petersburg zum Chef des Hauptstabes der Armee I.I. Diebitsch zu begeben, wo er am 11. Januar 1826 auch eintrifft und auf der Hauptwache sofort in Gewahrsam genommen wird. Am selben Abend befindet er sich „zur weiteren Beobachtung unter strenger Aufsicht“ in Zelle Nr. 15 der Trubetzkoi-Bastion in der Peter-Pauls-Festung. Am 10. Juli 18126 wird er nach der IV. Kategorie verurteilt: 12 Jahre Zwangsarbeit, gemildert per 22. 08. 1826 auf 8 Jahre. Am 27.01. 1827 verlässt er die Peter-Pauls-Festung in Richtung Sibirien. 17.03. 1827: Haft im Gefängnis von Tschita, im September 1830 Verbringung ins Gefängnis von Petrowskij Sawod, 08.11.1832: Befreiung von der Zwangsarbeit und Ansiedlung in Tschita (ab 1.2.1833), 01. 04. 1833: erneute Inhaftierung in der Festung Akscha (Gouvernement Irkutsk). 37 Letztes Dokument: Brief an K.P. Torson Letzte Verfügung: Regelung zur Beisetzung und Vererbung von Hab und Gut an verschiedene Leute, um sich dadurch ein Andenken zu bewahren; Haus und Wirtschaft mit sämtlichem Inventar überträgt er K.P. Torson, der sich damals zur Ansiedlung in Akscha befand. Seine Ruhestätte war eine zeitlang nicht mehr auffindbar, wurde 1983 aber von Archäologen wieder gefunden, was es ermöglichte, seine Überreste auf einem Memorialfriedhof in Akscha zu überführen. Brüder: Wassilij - 1826 Major des Wjatsker Inf.-Rgts.; Alexander – 1826 Ltn. Des 42. Btls. des Karabinerregiments; Pawel – 1832 Major in Rewal, anschl. Oberst (1837) und Kommandeur einer Grenzbrigade; Michail Ing.-Stabshptm. an der Ausbildungsstätte für Ingenieure Schwestern: Warwara, Jekaterina und Marja (1832 noch im Mädchenalter gestorben) 38 B Basin, Iwan Alexejewitsch (24.06.1803 – 22.02. 1887) Leutnant der Leibgarde des Finnischen Regiments Er gehörte dem Adel des Gouvernements von St. Petersburg an und begann seine militärische Laufbahn am 25. März 1817 als Unterfähnrich am Infanterieregiment von Murom (18.04.1818 – Fähnrichsanwärter, 29.04.1819 – Fähnrich). Am 13. Januar 1820 wurde er zur Leibgarde des Finnischen Regiments versetzt und 3 Jahre darauf vom Leutnant befördert. Sein Verbrechen bestand in der Hauptsache darin, am Vorabend des Aufstandes bei dem Dekabristen N. P. Repin gewesen zu sein, bei dem sich einige Putschisten für den nächsten Tag berieten. Während der Untersuchung stellte sich heraus, dass er kein Mitglied der Geheimgesellschaft war. Nach seiner Rückkehr ins Regiment erhielt er den Marschbefehl für den Kaukasus. Beförderung zum Oberleutnant am 06.06.1826. Teilnehmer des russisch-türkischen Krieges; er wird 1832 zum Hauptmann befördert, am 11. September 1838 zum Oberst und 1839 zur Leibgarde des Jägerregiments versetzt. Weiterer Lebensweg: 23.11. 1847 – Kommandeur des 1. Karabiner-Lehrregiments 06. 12. 1847 – Generalmajor 1849 – Kommandeur der 1. Brigade der 1. Grenadierdivision 1855 – Kommandierender der Kaukasischen Reservedivision 1865 – Kommandeur der 32. Infanteriedivision (1865-74 im Ruhestand) Dezember 1874 – Mitglied des Verwundetenkomitees von Alexandrowsk 15.05. 1883 – Infanteriegeneral 39 Bakunin, Alexander Pawlowitsch (1799 –1862) 1817: Lyzeumsabsolvent des 1. Jahrgangs und Klassenkamerad A.S. Puschkins Jener Umstand, dass er von 1821 – 1823 Mitglied der Gesellschaft Vereinigter Slawen war und nach 1817 bei der Leibgarde des Semjonow-Regiments, nach 1820 bei der des Finnischen Regiments kurz gedient hatte, wurde von der Untersuchungskommission kurz geprüft, doch sprach man ihn auf allerhöchste Anweisung schnell wieder frei. Seit 1823 befand er sich im Zivildienst und nahm in der Folge hohe und angesehene Posten ein. Bakunin, Wassilij Michailowitsch (1795 – 1863) Oberst des Rigaer Dragonerregiments Er war einer derjenigen, die den Vaterländischen Krieg, wie auch die anschließenden Auslandsfeldzüge aus nächster Nähe erlebt haben. Von August 1812 bis Februar 1814 avancierte er vom Junkeranwärter zum Oberleutnant der Grenadier-Leibgarde (nach der Schlacht bei Leipzig!). Seine Versetzung zum 40 Kavaliergarderegiment erfolgte am 23.12.1815, und seit dem 08. November 1816 diente er als Adjutant des Fürsten Golizyn, um dann über den Rittmeister (1819) zum Oberst des Jekaterinoslawer Kürassierregiment ernannt zu werden (1824). Der Untersuchungskommission stieß lediglich auf, dass er sich als Freimaurer der Loge „Russische Adler“ in St. Petersburg literarisch beschäftigte und ein Mitglied des 1821 offiziell liquidierten Wohlfahrtsbundes war. Auf allerhöchste Anweisung wurde die weitere Untersuchung eingestellt. 1832 nimmt er aus gesundheitlichen Gründen seinen Abschied von der Armee, wird 1833 noch einmal als Oberst des Litauer Ulanenregiments reaktiviert, 1836 Mitglied des Feldauditoriums und 1848 als Generalmajor in den Ruhestand versetzt. Seine Familie: Vater – Senator Michail Michailowitsch Bakunin (geb. 1764) Mutter – Warwara Iwanowna Golenistschew-Kutusow (1773 – 1840) Der Bruder: Iwan (1802 – 1874), Oberst Die Schwestern: Jewdokia (geb. 1794) – Künstlerin, Ljubow (geb. 1801), Praskowja (geb. 1810), Jekaterina (geb. 1811) Balugianskij (Bolugianskij), Michail Andrejewitsch (1769 – 1847) Tatsächlicher Staatsrat, Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung M.A. Balugianskij wurde in Ungarn geboren und nahm eine Entwicklung zum Professor am Lehrstuhl für Politische Ökonomie am Pädagogischen Hauptinstitut (1809). Von 1819 bis 1821 war er der erste Rektor der Universität St. Petersburg und seit 1828 deren Ehrenmitglied. Mitarbeiter Speranskijs Er geriet in den Fokus der Untersuchung wegen einer Denunziation A. I. Maiborodas, der ihn als ein Mitglied der Geheimgesellschaft 41 nannte. Die Untersuchung konnte das nicht bekräftigen, und so wurde er auf allerhöchsten Beschluss von allen Vorwürfen frei gesprochen. 1827 wird er Staatssekretär, im Dezember 1839 Senator und stirbt 1847 in St. Petersburg Er war verheiratet mit Antonia von Heger, hatte 3 Söhne und 7 Töchter, die allesamt recht interessant verheiratet waren. Die zweite Tochter Anna (geb. 1806) war Schriftstellerin. Baranow Ehemaliger Adjutant des OK der 2. Armee Soll nach Aussage von N. I. Komarow Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen sein, was die Untersuchungskommission aber nicht bestätigt fand und dem Hinweis keine weitere Aufmerksamkeit schenkte. Baranzew, Alexander Anissimowitsch (ca. 1793 - 1826) Leutnant der Gardeequipage Teilnehmer des Aufstandes vom 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz. Da er sich nach Erreichen des Aufstellungsraums wieder in die Kaserne zurück begab, wurde dem Umstand anfänglicher Teilnahme keine weitere Beachtung geschenkt. Seine Erziehung vollzog sich im Kadettenkorps der Marine ab 1797. Er unternahm einige Kreuzfahrten mit der Schaluppe „Wolchow“ (1812-1813), auf der Fregatte „Bystrij“ (1816) und nach Island (1824). Mit der Fregatte „Jelena“ besuchte er die Küste 42 Englands, wurde am 28. 09. 1826 zum Kapitänleutnant befördert und starb in Portsmouth. Sein Bruder Wassilij (gest. 1842) war Kapitän 1. Ranges seit dem 18. 04. 1837 Baratajew (Barataschwili), Michail Petrowitsch (1784 – 1856) Fürst, Stabsrittmeister a.D., Adelsmarschall des Gouvernements Simbirsk Er wurde am 23. Februar 1826 in Simbirsk verhaftet und sofort auf die Hauptwache nach Petersburg gebracht, weil er als Meister des Stuhls der Freimaurerloge „Schlüssel der Wohltat“ von Simbirsk in den Verdacht geraten war, Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen zu sein. Er stritt dies ab. Die Untersuchung konnte nichts beweisen, und deshalb wurde er mit einem Rehabilitationsschreiben bei Ersatz der Reiseauslagen am 25. Mai 1826 wieder entlassen. Seine weitere Karriere ist recht interessant... Nach seinem Eintritt als Junker beim 11. Artillerieregiment im Oktober 1798, schaffte er es bis zum 30. November 1807 (nach der Schlacht von Preußisch-Eylau) bis zum Oberleutnant der Husaren mit Wladimirorden 4. Grades am Band und goldenem Kreuz. Wegen seiner Verletzungen wurde er im Februar 1809 als Stabsrittmeister aus dem Armeedienst entlassen und im Dezember 1815 zum Adelsmarschall gewählt. Am. 26. 08. 1826 wird er zum Staatsrat ernannt und am 22. September 1835 dem Innenministerium zugeteilt, ab 14. 04. 1839 im Finanzministerium; 1839: Chef des Transkaukasischen Zollbezirks. Zudem galt er als bekannter Archäologe und Numismatiker. Er hatte zwei Söhne und sechs Töchter. Seine Frau Alexandra starb 1841. 43 Vater: Fürst Peter Michailowitsch Baratajew (1734 – 89), Statthalter von Simbirsk Mutter: eine gebürtige Nasimowa Barkowskij, Frank Kasimirowitsch (geb. 1804) Gymnasiast Mitglied diverser Geheimorganisationen, wie „Einige Brüder“ und „Gesellschaft der Militärfreunde“ (ab November 1825). Er wurde im Zusammenhang mit dem Dekabristenaufstand während der weiteren Untersuchungen, die sich auch mit Geheimbünden an mittleren Lehranstalten im Kreis Wilna beschäftigten, im Juli 1826 verhaftet und am 9. Oktober 1827 auf Erlass des Großfürsten Konstantin Pawlowitsch zu 4 Monaten Festungshaft mit anschließendem Dienst als Soldat verurteilt, nachdem ihn die Untersuchungskommission schon für schuldig befunden hatte. Vor Ablauf von zwei Dienstjahren sollte es nicht gestattet sein, ihn zum Unteroffizier zu befördern; gleichzeitig wurde seine strenge Überwachung angewiesen. Er war Teilnehmer des russisch-türkischen Krieges 1828-29, wird 1834 Unteroffizier des Nizhegoroder Dragonerregiments, und 1835 erwirkt ihm sein Regimentskommandeur die Genehmigung, den ersten Offiziersgrad zu tragen. 44 Barykow, Fjodor Wassiljewitsch Kornett der Leibgarde des Reiterregiment Er war der Sohn eines Gutsbesitzers in Mzensk, des Staatsrates Wassillij Alexejewitsch Barykow und wurde im Februar 1824 vom Jekaterinoslawer Kürassierregiment zur Leigbarde versetzt. Nach Aussage F.F. Wadkowskij hatte dieser ihn 1825 als Mitglied des Südbundes aufgenommen. Nach dem ersten Verhör durch Oberst W. Lewaschow wurde er wieder freigelassen. Am 5. Januar 1827 quittierte er den Dienst bei der Armee als Oberleutnant. Er war verheiratet mit Warwara Pawlowna Uschakowa (Hoffräulein!) Barjatynskij, Alexander Petrowitsch (07. 01. 1799 – 19.08. 1844) Fürst, Poet und Stabsrittmeister, Adjutant des OK der 2. Armee Mitglied des Wohlfahrtsbundes und des Südbundes (Hauptverwaltung), Vorsitzender der Filiale (Nebenverwaltung) von Tultschin anstelle Pestel wenige Wochen vor dem Tod Alexander I. 45 Nach der Erziehung im Elternhaus (dem Vater Fürst Peter Nikolajewitsch Barjatynskij gehörten im Gouvernement Kaluga, Rjasan und Tula 1.060 Seelen) besuchte er in St. Petersburg bis Ende 1814 ein Jesuitenstift. Nachdem er eine entsprechende Eignungsprüfung am Pädagogischen Institut abgelegt hatte, begann seine Dienstlaufbahn als Dolmetscher/Übersetzer am Außenministerium. Am 01. Januar meldet er sich als Junker beim Husarenregiment der Leibgarde, wird am 28.06. 1817 zum Kornett und per 30.10. 1819 zum Oberleutnant befördert. Im Jahr 1820 wird er zum Adjutanten des OK der 2. Armee Graf Wittgenstein ernannt und am 17. März 1825 Stabsrittmeister. Der Befehl zur Verhaftung wurde am 27. Dezember 1825 erlassen. Nach seiner Inhaftierung in Tiraspol wurde er am 03. Januar nach Petersburg zur Hauptwache gebracht und noch am selben Tag in der Peter-Pauls-Festung eingekerkert. Nach der Urteilsverkündung (Kategorie 1!) wurde er nach Keksholm verbracht, anschließend nach Schlüsselburg (21.04. 1827). Ankunft in Tschita nach dem Abmarsch am 28. 09. 1827 aus Petersburg: 13.12. 1827 Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830 Da er an einer Kehlkopferkrankung litt, bat seine Schwester Warwara P. Winciewicz-Sub um eine Kur im Bad von Turkinsk, was abgelehnt wurde. Befehl zur Ansiedlung: 10. Juli 1839 Auf Betreiben des Fürsten Wassili Wassiljewitsch Dolgorukow (seine Mutter Jekaterina Feodorowna war eine geborene Fürstin Barjatynskij) darf er sich in Tobolsk ansiedeln und erhält von der Familie 950 Rubel für die Kur in Bad Turkinsk und Krasnojarsk, wo er am 29. 11. 1839 eintrifft. Er überlebte die Kur 5 Jahre und wurde in Tobolsk bestattet. Baschmakow, Flegmont Mironowitsch (1774 – 21. 09. 1859) 46 Zum Soldaten degradierter Oberst des Tschernigower Inf.-Rgts Nach Aussage einiger Dekabristen Mitglied des Südbundes Angehöriger des verarmten Adels im Gouvernement Simbirsk. Beginn der militärischen Karriere als Sergant des 2. FüsilierRegiments am 28.11. 1794, Fähnrichsanwärter seit 24. 02. 1797, Teilnehmer des Italien-Feldzuges unter Suworow im Jahr 1799 und Beförderung zum Oberleutnant für Auszeichnung im Kampf am 16. 10. 1804; Teilnehmer der Kämpfe von 1805 – 1814 mit Auszeichnungen (1806 a.D.). Teilnehmer des Vaterländischen Krieges und Beförderung zum Oberst am 03.11. 1812. Nach seiner Rückkehr mit dem Okkupationskorps Woronzows im Jahr 1818 dient er im Kaukasus, wo er wegen Verleumdung und Verschwendung als Oberst der 17. Art.-Brigade ohne Verlust des Adels zum Soldaten degradiert und am 26. 03. 1820 zum Inf.-Rgt Tschernigow versetzt wird. Am Aufstand des Tschernigower Regiments im Januar 1826 nahm er (nach neueren Erkenntnissen) nicht teil,3 wurde in diesem Zusammenhang aber doch am 05. 01. 1826 verhaftet und am 15. Februar in Fesseln vom Hauptstab in Petersburg zur Peter-Pauls-Festung in eine besondere Gefängniszelle der Wassiljewskij-Kurtine für Soldaten und Verbrecher gebracht (16. 02. 1826). Obwohl er stets leugnete, jemals Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen zu sein, belasteten ihn die Indizien wie sein Verhalten offenbar sehr, denn sein Fall wird gesondert behandelt. Er scheint nicht so recht zu den Dekabristen zu passen und wird deshalb am 17. August 1826 dem Militärgericht der 1. Armee in Mogiljow überstellt, wo er am 31. 08. eintrifft und zu Folgendem verurteilt wird: Aberkennung des Adels, Ausschluß aus dem Militär unter 3 In dem Album „Die Dekabristen in Sibirien“, Ausgabe 1988 Vlg. „Sowjetskaja Rossija“ wird er als Dekabrist angegeben, ebenso in den Erinnerungen der M.D. Franzew und bei Tschenzow . 47 Verlust sämtlicher Ränge und Verbannung nach Sibirien auf Lebenszeit, was am 10. September 1827 von höchster Stelle bestätigt wird. Unter all den unehrenhaften Verurteilungen erscheint diese auf den ersten Blick als die unehrenhafteste. Es wäre interessant, mehr Details zu erfahren. Am 24. August 1828 wird er in Westsibirien (Gebiet von Rybinsk) angesiedelt, anschließend in Taru und später (auf Bitten der Mutter) in Kurgan – 1838. Im September 1853 gelingt es dem Fürsten A.A. Suworow (dem kleinen Suworow, dessen Schwester Warwara in erster Ehe mit einem Cousin B.-s verheiratet war), sich derart für ihn zu verwenden, dass B. nach Russland zurückkehren kann – zuerst nach Wladimir, anschließend auf das Anwesen seines Verwandten, des Gen.-Majors N.D. Bulygin, im Gouvernement Kasan. Aus Altersgründen lehnt er dies jedoch ab und zieht nach Tobolsk, wo er im Kreis vieler Dekabristen 6 Jahre später verstirbt. Er war schon vor 1820 mit Katharina Larionowa, geb. Feljarsowa (?), verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder, die 1813 und 1816 geboren wurden (Katharina und Alexander). 48 Bassargin, Nikolai Wassiljewitsch (1800 – 03. 02. 1861) Oberleutnant, Chefadjutant beim Hauptstab der 2. Armee Er entstammt einem Adelsgeschlecht aus dem Gouvernement Wladimir, wo sein Vater Wassilij Iwanowitsch (gest. 1822) 56 Seelen in dem Dorf Micheizew besaß. Seine Mutter Jekaterina war die Schwester eines Poeten und Tochter des bekannten Architekten Karl Blank. Anfangs erhielt er seine Ausbildung im Elternhaus, später dann, ab dem 22.12. 1817, an der Moskauer Schule für Kolonnenführer, wo er im Januar 1818 als Kolonnenführer bestätigt wurde, sie am 30. März 1819 als Fähnrich mit Spezialisierung auf rückwärtige Dienste (Quartiermeisterei) beendete und dort noch 1 Jahr blieb, um Mathematikunterricht zu geben. Im März 1820 wurde er nach Tultschin abkommandiert und für Auszeichnung im Dienst am 30. Mai 1821 zum Leutnant befördert. Nach seiner Versetzung zum 31. Jägerregiment wird er zum Oberleutnant befördert und am 16. Oktober 1821 Adjutant des Chefs des Hauptstabes der 2. Armee P.D. Kisseljow. Ein Jahr später ist er bei der Leibgarde (18.09.1822) und ab 18. Januar 1825 Chefadjutant beim Hauptstab der 2. Armee. 49 Er war Mitglied des Wohlfahrtsbundes und des Südbundes. Der Befehl zu seiner Verhaftung erging am 30. Dezember 1825, und am 06. 01, wurde er von Tultschin in Begleitung eines Gendarmen nach Petersburg zur Hauptwache gebracht. Dort traf es am 14. Januar ein und bezog am 15. 01, 1826 sein Quartier in der Peter-Pauls-Festung. Im Juni 1826 wendete er sich in einem Brief an Nikolai I., in dem er sein Tun bereute, erhielt aber nur zur Antwort, dass nun alles vom Gericht abhänge. Er wurde nach der 2. Kategorie verurteilt und verließ die Peter-PaulsFestung in Richtung Sibirien am 21. Januar 1827. Ankunft in Tschita: 07. März 1827 Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830 Ansiedlung: 17. September 1836 in Turinsk / Gouvernement Tobolsk Von dort zog er am 15.03. 1842 nach Kurgan um und arbeitete als Kanzleibeamter, versetzt nach Omsk am 14.05.1846 (Schreiber 3. Stufe). Ab dem 7. Februar 1852 arbeitete er am Landgericht von Jalutorowsk und dient sich bis zum 5. Mai 1856 zum Kollegialregistrator hinauf. Nach der Amnestie vom 22.08. 1856 kehrt er nach Russland zurück, trifft am 25. 03. 1857 in Moskau ein und reist über Kiew nach Tultschin. 1858 kauft er sich das Gut Warejewo/ Gouv. Wladimir, nachdem er zuvor bei einem Verwandten, dem Oberst Andrei I. Baryschnikow gewohnt hat, schreibt seine Memoiren und publiziert in verschiedenen Zeitschriften. Bestattet wurde er in Moskau. Sein Familienleben war nicht minder bewegt. Seine erste Frau, die Fürstin Maria Michailowna Mestscherskaja, starb im Jahr 1825. Dieser Ehe entspross eine Tochter Sofia, welche bei einer Tante der Fürstin aufgezogen wurde, der Taufpatin P.D. Kisseljows. In der zweiten Ehe, die während der Zeit seiner Ansiedlung geschlossen wurde (am 28. 08. 1839) hatte er zwei Söhne, die aber schon bald starben. Nach einem Familiendrama, das seine junge Frau Maria Jelissejewna (geb. 1821) veranlasste, in 50 das Frauenkloster von Jekaterinburg einzutreten, kehrte sie bald wieder zurück und verstarb zwei Jahre darauf. Drei Jahre später (1847) heiratet er die Tochter des ehemaligen Direktors vom Gymnasium und der Schulen des Kreises Tobolsk: Iwan Pawlowitsch Mendelejew (eigentlich Sokolow). Der Bruder von Olga Iwanowna, Schwager Dmitrij, das jüngste von 13 oder 17 Kindern, ist erst 13 Jahre alt, besucht zwei Jahre später (nach dem Tod des 1834 erblindeten Vaters im Jahr 1847) das Gymnasium von Tobolsk und wird nach dem Umzug der Familie (1849) nach Petersburg das dortige Pädagogische Institut besuchen, um an der Fakultät für Mathematik und Physik zu studieren, die er 1855 mit der Goldmedaille abschließt. Er promoviert 1856 zum Magister an der Uni und hält dort ab 1857 Vorlesungen zur Organischen Chemie. All dies erlebt Nikolai Bassargin nur aus der Ferne, ebenso die erste Auslandsreise des künftigen Vaters des Periodensystems der Elemente (1869) nach Deutschland.4 Die Brüder Alexander und Iwan weilen seit 1857 nicht mehr unter den Lebenden. Da Nikolai und Olga gemeinsam keine eigenen Kinder haben, nehmen sie sich der Erziehung Pelageja Mosgalewskajas an, der Tochter N.O. Mosgalewskijs – auch Polinka, wie sie von den Dekabristen genannt wurde: sie wird in Zukunft die Frau P.I. Mendelejews 5, eines Bruders von Dmitrij Iwanowitsch Mendelejew, jenes einzigartigen Gelehrten, dessen „Organische Chemie“ noch im Todesjahr seines Schwagers erscheint. 4 Die Tochter D. Mendelejews aus zweiter Ehe, Ljubow (1881-1939), wird Schauspielerin und Frau von Alexander Blok, einer Ikone der russischen Literatur. In erster Ehe war D.M. mit 5 Das Periodensystem der Elemente fand erst Anerkennung, nachdem die von D.I. Mendelejew vorhergesagten Elemente mit den entspr. Eigenschaften entdeckt wurden (Gallium, Germanium, Scandium). Zeit seines Lebens erhielt Mendelejew mehr als 130 Diplome im In- und Ausland. Das Element 101, welches amerikanische Forscher 1855 synthetisch herstellten, erhielt seinen Namen. 51 Batenkow, Gawriil Stepanowitsch (25. 03. 1793 – 29. 10. 1863) Oberstleutnant des Ing.-Korps Teilnehmer des Vaterländischen Krieges und Mitglied des Nordbundes Er stammt aus einer Offiziersfamilie im Gouvernement Tobolsk/Sibirien und verlor seinen Vater mit ca. 17 Jahren. Bis dahin hatte er in der eigenen Familie und an drei unterschiedlichen Lehreinrichtungen die erste Bildung erhalten. So beherrschte er die tatarische Sprache noch vor der russischen. Ab 1810 oder 1811 tritt er dem Adelsregiment am 2. Petersburger Kadettenkorps bei, von dem aus er im Mai 1812 als Fähnrich zur 13. Artilleriebrigade versetzt wird, wo er sich mit A.A. Jelagin befreundet, einem Verehrer der idealistischen deutschen Philosophie. In Anerkennung seiner guten Leistungen wird er für die Teilnahme an VK sowie den anschließenden Auslandsfeldzügen am 17.12. 1813 zum Leutnant, bzw. Oltn. befördert, erhält für Tapferkeit am 20. 01. 1814 den Wladimirorden 4. Grades am Band und wird 10 Tage später bei der 52 Schlacht von Monmirale durch 10 Bajonettstiche verwundet. Er gerät für 10 Tage in Gefangenschaft. Am 7. Mai 1816 wird er aufgrund seiner Verletzungen aus dem aktiven Wehrdienst entlassen. Nachdem er sein Examen am Institut des Ing.-Korps abgelegt hat, erhält er das Ing.-Patent 3. Klasse als Spezialist für Straßenbau und Transportwesen und wird am 5. Oktober 1816 in den 10. Kreis abkommandiert (Sibirien). Bestätigung als Oberleutnant mit Weisungsbefugnis für die Zeit vom 17.12. 1813 – 02. 02. 1817 und verantwortliche Beteiligung am Straßen- und Brückenbau der Stadt Tomsk. Während dieser Zeit macht er die Bekanntschaft des geistvollen Pragmatikers M.M. Speranskij6, wird 1819 zu dessen unmittelbarem Führungskreis versetzt und zum Hauptmann ernannt. Er verfasst Lehrbücher für die von Speranskij gegründeten Schulen Sibiriens und hat zuvor u.a. eine wissenschaftliche Arbeit „Über den Zusammenfluss zweier Ströme“ verfasst – eine von drei Abhandlungen zur Strömungstheorie der Flüsse in Russland, resultierend aus drei Jahren intensiver Beobachtung in Tomsk. Beförderung zum Major am 20. 06. 1821. Ab 29. Januar 1823 ist er in Petersburg für den Bau der Militärsiedlungen verantwortlich und anschließend Ratsmitglied der entsprechenden Hauptverwaltung mit Beförderung zum Oberstleutnant am 25. Januar 1824 und besonderer Befugnis ab 10. Juli 1824. Er ist seit 1816 Mitglied der Freimaurerloge „Auserwählter Michaels“ in Petersburg und seit 1818 der Loge „Erleuchter des Ostens“ in Tomsk. In St. Petersburg lernt er die Brüder Bestushew sowie Kondratij Rylejew kennen, teilt deren 6 Graf Michail M. Speranskij (1772-1839) war zu der Zeit Generalgouverneur von Sibirien und zeichnete sich u.a. durch liberale Ideen und als Gegenpol zu Araktschejew aus. Initiator einer Verwaltungsreform in Sibirien. Er wird 1821 als Staatsrat nach St. Petersburg zurück gerufen und Chef der Gesetzgebenden Kommission. Verfechter der absolutistischen Monarchie und Autor des Manifestes vom 13. Dezember 1825 zur Thronbesteigung Nikolai I., später Mitglied des Obersten Gerichts zur Verurteilung der Dekabristen. 53 Ansichten und wird Mitglied des Nordbundes, wo er sich dem demokratischen Flügel anschließt. Er ist es dann, der entscheidenden Anteil an der Planung des Aufstandes vom 14. Dezember hat und darauf drängt, die sympathisierende Bevölkerung in den Aufstand mit einzubeziehen. Kandidat für eine Provisorische Regierung, falls der Putsch erfolgreich verlaufen würde. Verhaftung am 28. Dezember 1825 in St. Petersburg und Verbringung auf die Peter-Pauls-Festung (Zelle 2 der NikolskijKurtine) am 29. 12. 1825 mit folgendem Hinweis des Imperators: „...ist unter strenger Bewachung zu halten und hat die Erlaubnis, alles aufzuschreiben, was er möchte; da er verwundet ist, sollte man sich im Rahmen der Möglichkeiten um entsprechende Erleichterungen kümmern.“ Während der Verhöre versuchte B. klarzustellen, dass es sich bei dem Aufstand um keine Revolte handelte, wie z.B. jene unter Pugatschow mit dessen Bauernheer, sondern um den ersten Versuch einer politischen Demonstration mit dem Ziel umfassender gesellschaftlicher Veränderungen und Neugestaltungen in Russland. All dies stößt auf Unverständnis, Misstrauen und Ablehnung, führt dazu, dass man ihn schnell für einen der gefährlichsten Aufwiegler hält. Doch Batenkow gibt nicht auf. Nachdem er einen Brief an den Zaren und am 29. 3. 1826 zwei weitere Schreiben an den Kommandanten der Festung Sukin geschickt hat, ergeht über Diebitsch per 04. April 1826 an den Festungskommandanten die Weisung, dass es Batenkow ab sofort nicht mehr gestattet sei, alles zu schreiben, was er möchte. Verurteilung nach der 3. Kategorie. Im Unterschied zu den anderen Dekabristen, wird er nicht nach Sibirien geschickt, sondern nach der Urteilsverkündung (20 Jahre Zwangsarbeit) in der Festung von Swartholm eingekerkert. Hier erleichtert ihm die Gegenwart der Dekabristen Steinheil, Panow, Sutthoff und StschepinRostowskij das Häftlingsleben, denen er seine Gedichte vorliest. 54 Sein Urteil wir dann per 22.8.1826 auf 15 Jahre Zwangsarbeit verkürzt, doch schickt man ihn im Juni 1827 nicht wie die anderen nach Sibirien, sondern sperrt ihn auf allerhöchste Anweisung in die Zelle Nr. 5 des Alexejew-Ravelin der Peter-Pauls-Festung in St. Petersburg. Damit beginnt eine Zeit unvorstellbarer Leiden. Selbst der III. Abteilung sind keine Gründe für diese Einzelhaft bekannt. Batenkow beschließt, seinem Leben durch Hunger und Schlafentzug ein Ende zu bereiten, als sich erste Anzeichen von Geistesstörung bemerkbar machen. Den Beweis hierzu liefert er in zwei Packen mit vollgeschriebenen Notizen/Briefen, die er dem Zaren im Jahr 1835 über den Kommandanten zustellen lässt. Sie sollten ein Geschenk zu dessen 10-jährigem Thronjubiläum sein und belegen, dass seine geistige Zurechnungsfähigkeit deutlich eingeschränkt war (B. hat sich um ein Jahr vertan!). Festungskommandant Sukin ist entsetzt, als er einen Blick auf die Notizen wirft und bezeichnet sie als Produkt geistiger Verwirrung. Dann lässt er alles verschnüren, bezeichnet es als „geheim“ und leitet es an den Grafen Benckendorff weiter. Zitat Batenkow: „Man hält mich in der Festung fest, weil ich die Hoheit des Zaren beleidigt haben soll. Was macht das für einen Sinn? Wie könnte ich in der Lage sein, die Hoheit des Zaren zu beleidigen? Der Zar verfügt über eine riesige Flotte, eine vielzählige Armee, jede Menge Festungen - wie also kann ich ihn beleidigen? Schließlich besitze ich nichts, um seine Flotte zu zerstören, besitze auch keinerlei Mittel, seine Armee zu vernichten, wodurch also könnte die Hoheit des Zaren an mir Schaden nehmen? Ich möchte, dass man mir das einmal erklärt. Selbst dann, wenn ich gesagt hätte: Nikolai Pawlowitsch ist ein Schwein – könnte so etwas der Hoheit des Zaren irgend einen größeren Schaden zufügen?“ Am 22. Januar 1846 (nach 20 Jahren Einzelhaft!) ersucht Graf Orlow bei einer Audienz um Hafterleichterung. Nikolai I. stimmt dem sinngemäß zu: ...falls man in Anbetracht der Tatsache, dass er 55 den Verstand verloren hat, überhaupt davon ausgehen kann, dass dies Sinn macht, ihn aber weiterhin unter strenger Beobachtung hält... Entlassung aus der Einzelhaft am 31. Januar 1846 durch einen Beschluss des Festungskommandanten Inf.-General Skobeljew mit sofortiger Deportation nach Tomsk und der Auflage, dass er unter strenger Beobachtung bleibt und sich im weiteren allen Regeln für Staatsverbrecher unterwirft, die zur Ansiedlung auf freien Fuß gesetzt wurden. Ankunft im Tomsk am 9. März 1846. Kaum angelangt, beginnt er wieder damit, Gedichte zu schreiben. Die Beschäftigung mit der Lyrik hat ihm in der Einzelhaft das Leben gerettet; über sie hatte er sich neue Räume erschlossen, während er seine Sehnsüchte und Einsichten formulierte. In den folgenden Jahren beschäftigt er sich mit Architektur, Landwirtschaft, als Übersetzer, Bankangestellter und entwirft Staatsprojekte, die von keinem beachtet werden – aber er lebt wieder, ist zu neuen Kräften erwacht, weil seine seelische und physische Kraft ungebrochen scheint. 10 Jahre später, nach (fast) völliger Amnestie, kehrt Batenkow nach Russland zurück und lebt ein Jahr bei der Witwe seines Freundes, bei Jewdokia Petrowna Jelagina (eine Verwandte W. A. Zhukowskijs mütterlicherseits) im Dorf Petristschew (Gouv. Tula) mit der Erlaubnis (ab 14.04.1857), von Zeit zu Zeit nach Moskau zu fahren. Dort unterhielt J.P. Jelagina in den 20-er Jahren einen literarisch-musikalischen Salon, in dem alles verkehrte, was Rang und Namen hatte. Die Jelagins waren auch gute Bekannte des Poeten A.S. Puschkin und ließen sich nach Batenkows Verhaftung von den Verwandten eine Vollmacht ausstellen, um sich für ihn einzusetzen. Im Herbst 1857 zieht B. nach Kaluga, wo er noch einige Gedichte schreibt, besucht oft das Grab seines Freundes und stirbt sechs Jahre später. Literatur: W. Kardin „Der geheime Häftling Nr. 1“ , 288 Seiten (ISBN 5-275-00625-X) 56 Jekaterina Iwanowna Moier (Schwiegertochter der Jelagins): „Erinnerungen an Batenkow“ Begitschew, Stepan Nikititsch (1785 – 22. 07. 1859) Oberst a.D. Mitglied der Militärgesellschaft (evtl. schon des Rettungsbundes) und des Wohlfahrtsbundes Er stammt aus einer Offiziersfamilie und begann seine militärische Laufbahn 1795 im Pagenkorps. 1802 wird er Kornett im Alexandrinischen Husarenregiment und am 21. 08. 1802 als Fähnrich zum Musketier-Rgt. von Olonetzk versetzt. Von 1803 bis1807 läßt er sich vom Militärdienst beurlauben und tritt dann bei der Miliz von Tula ein, um am 13. Januar 1813 als Kornett reaktiviert und zu seinem Onkel, dem General A.S. Kologriwow als Adjutant versetzt zu werden. Im Mai 1813 finden wir ihn im Kavaliergarderegiment. Seine Beförderung zum Oberleutnant erfolgt 1814, 1817 ein Fronteinsatz. Er ist in dieser Zeit mit Alexander Gribojedow eng befreundet. Beförderung zum Rittmeister am 13. 03. 1819 und zum Oberstleutnant am 09. Juli 1819. Am 15. September 1825 wird er als Oberst aus dem aktiven Dienst entlassen. Anschließend lebt er in Moskau und empfängt in seinem Haus u.a. den Fürsten W. F. Odojewskij, die Dekabristen D.W. Dawydow und W.K. Küchelbecker, A.N. Werstowskij und A.S. Gribojedow. Die Untersuchung gegen ihn wird auf allerhöchste Anordnung eingestellt. Er war zweimal verheiratet und hatte 6 Kinder. Seine Tochter Nadeshda (geb. 1828) war Patenkind A.S. Gribojedows. Der Bruder Dmitrij war Schriftsteller. Belosselskij, Esper Alexandrowitsch (27.12. 1802 – 15.06.1846) 57 Fürst, Oberltn. der Leibgarde des Husarenregiments Sein Vater war kein geringerer als der Fürst A.M. BelosselskijBelosjorskij und die Schwester eine Intimfreundin des Zaren Alexander I.: Prinzessin Sinaida Wolkonsky - die Schwägerin des Dekabristen S.G. Wolkonsky! Ihr lag ganz Moskau zu Füßen, und sogar Madame de Stael bewunderte sie. Neben der Verwandtschaft zum Fürstengeschlecht der Lavals war Esper A. Beloselskij durch seine Ehe mit Jelena Pawlowna Bibikowa auch noch mit dem Grafen Alexander Chr. Benckendorff verschwägert. All dies bedeutete eine unvorstellbare Ansammlung von Macht und Kompetenz. Kein Wunder, dass ihm die Untersuchungskommission bescheinigte, kein Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen zu sein, lediglich von deren Existenz wusste und sich im übrigen geweigert habe, ihr beizutreten. Bis zum Jahr 1825 führte seine Entwicklung über die Moskauer Schule für Kolonnenführer, welche von N.N. Murawjow senior geleitet wurde, direkt zur Leibgarde des Husarenregiments. So ganz unschuldig scheint er doch nicht gewesen zu sein, denn in der Folge wird er in den Kaukasus versetzt (was fast immer eine 58 Form von Strafe war) und nimmt am russisch-türkischen Krieg teil, dient anschließend in der Abteilung des General Grabbe, bevor er dann am 15. 06. 1833 zum Flügeladjutanten befördert wird (weil er sich ganz offensichtlich bewährt hat). 10 Jahre später erfolgt seine Ernennung zum Generalmajor, nämlich am 08. September 1843. Bei einer Revision der Lazarette, die er als Berater des Verkehrsministeriums in Nikolajewsk durchführt, steckt er sich mit Typhus an und stirbt. Seine Frau heiratet später den Fürsten Wassilij Viktorowitsch Kotschubei. Beljajew, Alexander Petrowitsch (1803 – 28. 12. 1887) Bootsmann der Gardeequipage Er entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Sein Vater, Peter Gawrilowitsch Beljajew (gest. 1826) hatte bei der Infanterie gedient (Träger des Georgskreuzes), war Freimaurer und verwaltete als pensionierter Kollegialrat die Anwesen des Grafen A.K. Rasumowskij in den Gouvernements Pensa und Rjasan. Seine Mutter war die Schwedin Charlotte Werenius, der einige Bauern im Gouvernement Pensa gehörten. Zur Familie gehörten neben den zwei Söhnen noch 5 Töchter. Ab dem Jahre 1813 lebte A.P. Beljajew in Petersburg bei dem Fürsten W.W. Dolgorukow und bekam ab 20. Mai 1815 eine Ausbildung beim Kadettenkorps der Marine, wo er am 2. Juli 1817 zum Gardemarin (Gardematrosen) avancierte und die Ausbildung am 23. Februar 1820 als Bootsmann abschloss. Versetzung zur Gardeequipage am 05. März 1820. Es folgte eine Kreuzfahrt auf der Fregatte „Proworny“ nach Spanien, Island und England, im Jahr 1824 nach Frankreich und Gibraltar. A.P. Beljajew ist eines der Gründungsmitglieder der geheimen „Gesellschaft der Gardeequipage“ (1824) und Autor der Statuten. 1825 wird er von D.I. Sawalischin in den Orden der Erneuerung 59 aufgenommen. Er war Teilnehmer des Aufstandes vom 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz B. wurde gemeinsam mit seinem Bruder Peter am 15. Dezember 1826 durch den Großfürsten Michail Pawlowitsch verhaftet und zur Hauptwache abgeführt, anschließende Unterbringung in der PeterPauls-Festung ab dem 03. Januar 1826 (erst in der Kurtine zwischen der Trubetzkoi-Bastion und jener Katharina I., dann in Zelle 14 der Newskij-Kurtine). Verurteilt wird er nach Kategorie 4. Abtransport nach Sibirien am 02. Februar 1827. Ankunft in Tschita: 20. März 1827 Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830 Ansiedlung bei der Weinbrennerei von Ilginsk / Kreis Irkutsk lt. Befehl vom 8.11.1832 23. April 1833: Umzug nach Minussinsk (mit allerhöchster Erlaubnis), wo sich die Brüder Beljajew in der Viehzucht und im Fischfang versuchen März 1840: Abreise aus Minussinsk zum Kaukasus (einem Gesuch des Stallmeisters, Fürst Dolgorukow, als Soldat im Kaukasus eingesetzt zu werden, wurde stattgegeben), Ziel: das Kabardiner Jägerregiment, und Versetzung ins Navaginsker Inf.-Rgt. Am 27.10.1841 1842 : Beförderung zum Uffz. durch Auszeichnung im Dienst 18. 10. 1844: Beförderung zum Fähnrich nach Einsatz gegen die Gorzen im Kurinsker Jägerregiment. 21. 01. 1846: Entlassung als Leutnant des Navaginsker Inf.-Rgts mit der Erlaubnis, sich in Samara niederzulassen (bis 1848 folgen auch Genehmigungen für den Besuch von Petersburg und Moskau, bzw. für einen Wohnsitz in Petersburg). Wie schon sein Vater, übernimmt A.P. Beljajew in der Folge diverse Geschäftsführungen/Verwaltungsarbeiten beim Geheimrat A.E. Shadowskij und bei E.D. Naryschkin sowie bei S.I. Kriwzow im Gouvernement Saratow. 60 Nach der Amnestie vom 26. 08. 1856 wohnt er in Moskau, nachdem er zum 2. Mal geheiratet hat und verliert das Augenlicht, kann vorher aber noch seine Memoiren schreiben.7 Er hinterlässt einen Sohn und wurde auf dem Waganker Friedhof von Moskau bestattet. Beljajew, Peter Petrowitsch (1805 – 1864) Bootsmann der Gardeequipage (Bruder des Vorgenannten) Geburtsort war das Dorf Jerschowo im Kreis Tschembarsk (Gouv. Pensa). Bis 1819 verläuft die Entwicklung analog der des Bruders, dann unternimmt er mit dem Linienschiff „Emheiten“ eine Fahrt nach Rostock und wird im Jahr 1824 (am 07. 11.) mit dem Wladimirorden 4. Grades ausgezeichnet, weil er sich aktiv für die Rettung von Menschenleben während der Überschwemmung Petersburgs eingesetzt hatte. Mitglied der geheimen „Gesellschaft der Gardeequipage“ (1824) und Aufnahme in den Orden der Erneuerung durch D. I. Sawalischin. Teilnehmer am Aufstand des 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz. Das weitere Schicksal stimmt bis zum Jahr 1840 wieder mit dem des älteren Bruders überein. Während sein Bruder 1840 Minussinsk und Sibirien verlässt, um als Soldat im Kaukasus zu kämpfen (und sich sein Offizierspatent zurück zu holen), bleibt Peter B., um sich bis 1849 einen Frachtdampfer zu bauen, den er „Samara“ tauft und mit welchem er in eigener Regie Fracht von Rybinsk bis nach Astrachen verschifft. Er ist quasi sein eigener Reeder. Im Winter bleibt er regelmäßig in Saratow. Nach der Amnestie (1856) wird auch die polizeiliche Aufsicht aufgehoben. In der Folge ist er Leiter der Dampfschifffahrtsgesellschaft „Kaukasus und Merkur“ in Saratow, wo er auch stirbt. 7 In Auszügen nachzulesen in: „Die Brüder Christi in Russland“ 61 Er war verheiratet und hatte einen Sohn. Die Mutter lebte auf dem Anwesen des Grafen Rasumowskij von der Pension des Vaters, die ihr auf Fürsprache durch den Grafen Benckendorff schließlich in voller Höhe ausgezahlt wurde (und nicht zur Hälfte) und sah ihre Söhne nie wieder. Auch ihrer Tochter Elisabeth, die in Saratow wohnte, wurde es nicht gestattet, die Brüder in Sibirien zu besuchen. Benckendorff, Alexander Christopherowitsch (1782-1844) Generalmajor, Mitglied der Untersuchungskommission Alexander Christophorowitsch entstammt einer livländischen Adelsfamilie, deren estnischer Stamm über Generationen die Bürgermeister von Riga stellte. Sein Vater war Militärgouverneur von Riga, Bruder Konstantin Gesandter am Hof von Württemberg und Schwester Dorothea seit 1800 Gattin des Grafen Liewen. Er selbst, von klein auf mit der kaiserlichen Familie befreundet, wurde 1798 Fähnrich der Leibgarde des Semjonow-Regiments und Flügeladjutant des Imperators Paul I. Unter dem Grafen Tolstoi nahm er in den Jahren 1806-07 an vielen Schlachten teil, wurde 1811 mit dem Georgskreuz ausgezeichnet und 1812 Flügeladjutant des Zaren Alexander I. Während des Vaterländischen Krieges gelang es ihm unter Kutusow 3 Generäle und mehr als 6000 untere Dienstgrade gefangen zu nehmen. Er kämpfte 1813 bei Tempelberg, stürmte Berlin und überquerte die Elbe. Nach seinem Sieg über das Korps Morand bei Lüneburg übernimmt er eine Abteilung der Nordarmee, schlägt sich tapfer bei Dessau und Roßlau und kommandiert während der Völkerschlacht zu Leipzig den linken Flügel der Kavallerie des Baron Winzingerode. Anschließend geht er nach Holland und Belgien, erobert 24 Geschütze und befreit 600 Engländer aus französischer Gefangenschaft. 1814 zeichnet er sich bei Lüttich aus. Für seine Tapferkeit wurde er bereits am 27. Juli 62 1812 zum Generalmajor ernannt und wird 1816 Chef der 1. Ulanendivision. 1819 zum Generaladjutanten ernannt, leitet er den Stab des Gardekorps. Um 1816 war er auch Mitglied des "Orden Russischer Ritter". Während der Überschwemmung von Petersburg im Jahr 1824 wird er zum zeitweiligen Militärgouverneur der Wassiljewskij-Insel ernannt und zeichnet sich wiederum aus. Nach seiner Berufung in die Untersuchungskommission, wird er am 25. Juli 1826 zum Chef des Gendarmerie-Korps, der sog. III. Abteilung ernannt und Senator. In dieser Funktion bearbeitet er sämtliche Gesuche der Dekabristen und ihrer Familienangehörigen in (vor)-letzter Instanz, wirkt er als Vermittler zwischen dem Imperator und den Verbannten. In den Jahren 1828-29 nimmt er am türkisch-russischen Krieg teil und wird im April 1829 zum Kavalleriegeneral ernannt. 1832 in den Grafenstand erhoben, verstirbt er im Jahr 1844 nach längerer Krankheit auf der Rückkehr von einem Kuraufenthalt. Er war mit dem Fürsten M.S. Woronzow befreundet (s. Briefwechsel im Anhang) und seit 1817 mit Elisabeth DonetzkSacharzhewskij (1788-1858), verwitwete Bibikow, verheiratet. Der Ehe entsprossen 3 Töchter. Tochter Marie (1820-1880) war mit dem Sohn des Hofministers Peter M. Wolkonsky, mit Grigorij, verheiratet; deren Tochter Elisabeth heiratet später den in sibirischer Verbannung geborenen Sohn von Sergei G. Wolkonsky, Michail. Berstel, Alexander Karlowitsch (1788 – 11. 11. 1830) Oberstleutnant der 9. Artilleriebrigade Er wurde in einer Adelsfamilie im Gouvernement Kasan geboren, zu der 15 Leibeigene gehörten. Sein Vater, der Staatsrat Karl Berstel, stammt ursprünglich aus Stettin und starb gemeinsam mit der Mutter noch vor dem Jahr 1826. Die Erziehung Alexanders fand u.a. beim 2. Kadettenkorps statt. Hier wurde er am 04. 63 Oktober 1805 im Rang eines Leutnants zum 11. Artillerieregiment entlassen. Er war Teilnehmer des russisch-türkischen Krieges von 1808-1812 sowie des Vaterländischen Krieges 1812 mit den anschließenden Auslandsfeldzügen. Seine Beförderung zum Stabshauptmann erfolgt am 14.04. 1813 (Träger des Annenordens seit 1808). Im April 1824 steht er im Rang eines Oberstleutnants und ist Kommandeur der 9. Artilleriebrigade. Er war Mitglied der Gesellschaft der Vereinigten Slawen seit September 1825. Am 21. Januar wird er im Ort Rakitno verhaftet und über Belaja Zerkow nach St. Petersburg zur Hauptwache gebracht, wo man ihn verhört und anschließend unter strenger Bewachung in die PeterPauls-Festung einkerkert (Zelle 24 der Newskij-Kurtine). Verurteilt wird er am 10. 07. 1826 nach Kategorie VII zu Verlust der Dienstränge und des Adels und zwei Jahren Zwangsarbeit in der Verbannung (Bobruisk). Bereits nach einem Jahr wird er im August 1827 zum 45. Jägerregiment als Soldat in den Kaukasus versetzt und bald darauf, am 23. Oktober 1828, zum 41. Jägerregiment, mit dem er an Kämpfen gegen die Lesghinen teilnimmt, bei denen er 1830 (unter dem Kommando von P.M. Lehmann8 stehend) durch Säbelhiebe getötet wird. Er hinterlässt eine Frau, die Baroness Marja Gustafowna Imhoff, Tochter eines preußischen Offiziers, mit 5 Kindern, deren ältestes 16 und das jüngste 6 Jahre alt ist (3 Töchter und 2 Söhne). Die Töchter heiraten allesamt Hofräte. Bestushew, Alexander Alexandrowitsch (1797 – 1837?), Poet Pseudonym: Marlinskij Stabshauptmann der Leibgarde des Dragonerregiments 8 Ein Mitglied des Südbundes, s.d. 64 Mitglied des Nordbundes und aktiver Teilnehmer am Aufstand des 14. Dezember 1825 Alexander Bestushew ist der zweite Sohn von Alexander Fedossejewitsch Bestushew und dessen Frau Praskowja Michailowna. A.F. Bestushew zählt zu jenen Universalkönnern des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die sich in vielen Bereichen ausprobieren und auszeichnen konnten. Nach seiner Karriere als Artillerieoffizier mit Lehramtsberechtigung veröffentlichte er eine pädagogische Studie, gründete eine Zeitschrift, arbeitete als Verwaltungschef an der Akademie der Künste und beteiligte sich am Bau der Kasaner Kathedrale. Er ließ Gießereien errichten und gründete eine Säbelschmiede, um Russland von ausländischen Importen unabhängig zu machen. Zu seinen engsten Freunden gehörte I.P. Pnin9. In seinem Haus gaben sich Gelehrte und Künstler die Klinke in die Hand. Die Kinder wuchsen in einer Atmosphäre schöpferischer Euphorie auf und wurden von den besten Lehrern erzogen. Leider stirbt der Vater an den Folgen einer schweren Verwundung im Seekrieg gegen die Schweden (1790) bereits im Jahr 1810. Bedingt durch die Leidenschaft des Vaters zur 9 Iwan Petrowitsch Pnin (1773-1805), russ. Publizist und Poet, außerhehelicher Sohn des Fürsten Repnin, dessen Oden einen Kontrast zu Dershawin bilden 65 Mineraolgie, soll Alexander am Montankorps studieren, was er nur mit Widerwillen tut. Er beendet die Ausbildung nicht, sondern wechselt am 12. April 1816 als Junker zur Leibgarde des Dragonerregiments in einem Geschwader, das in dem Ort Marli bei Peterhof stationiert ist. In jener Zeit erscheinen seine ersten literarischen Arbeiten, weshalb er sich fortan Marlinskij (der Mann aus Marli) nennt. Im Juni 1817 erfolgt seine Beförderung zum Fahnenjunker, im November die zum Fähnrich und am 1. März 1820 jene zum Oberleutnant. Am 05. Mai 1822 wird er zum Adjutanten des OK für Rückwärtige Dienste A.F. Betancour ernannt; ein Jahr darauf versieht er diesen Dienst beim Prinzen Alexander von Württemberg. Die Beförderung zum Stabshauptmann erfolgt am 06. Januar 1825. Bereits seit 1818 nimmt er aktiven Anteil an der Herausgabe der Zeitschriften „Sohn des Vaterlandes“, „Eifrige Streiter für Aufklärung und Wohltätigkeit“, „Nordarchiv“ sowie der „NewaSchau“ und gibt gemeinsam mit K.F. Rylejew in den Jahren 1823 – 25 den „Polarstern“ heraus. Er ist seit dem 15. Oktober 1820 aktives Mitglied der „Freien Gesellschaft für Freunde der russischen Sprache“ sowie Mitglied der „Freiwilligen Gesellschaft für Liebhaber von Sprache, Wissenschaft und Künste“ in Petersburg. Selbstanzeige am 15. Dezember 1825 im Winterpalais und sofortige Verbringung in die Peter-Pauls-Festung (ursprüngl. Alexejew-Ravelin. Er wird dann aber wegen Platzmangel in die Zelle Nr.1 der Nikolskij-Kurtine gesperrt) unter der Anweisung s.M., ihn in Ketten zu legen, da der dringende Verdacht besteht, er habe den General Miloradowitsch mit einem Bajonett erstochen). Verurteilung nach Kategorie 1. Inhaftierung in der finnischen Festung Rotschensalm nach Urteilsverkündung vom 17.8. 1826. Ansiedlung in Jakutsk ab dem 06. 10. 1827 (Abtransport von St. Petersburg) – Juli 1829. 66 Soldat im Kaukasuskorps per Befehl vom 13. April 1829. Ankunft in Tbilissi: Mitte August 1829 (41. Jägerregiment), Garnisonsbataillon von Derbent: 1829 – 1835. Beförderung zum Unteroffizier und Versetzung in eines der Schwarzmeer-Linienbataillone, die gegen die Gorzen eingesetzt werden: am 04. Juni 1835 Beförderung zum Fähnrich des 5. Schwarzmeer-Bataillons in Gagra: 03. Mai 1836 Versetzung zum 10. Linienbataillon am 18. 10. 1836. Gilt nach dem Nahkampfgefecht mit den Gorzen in der Bucht von Adler als verschollen, da sein Leichnam nicht ermittelt wurde. (Die Gorzen sollen ihm den Kopf lt. Augenzeugen abgeschlagen und den Körper bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt haben) In Deutschland erschienene Werke: „Die Fregatte Nadeshda“ (Novellensammlung des Brandenburger Verlages, Berlin 1990); „Eine Reise nach Reval“ (Verlag Ruetten&Loening, Bln. 1992) Bestushew, Michail Alexandrowitsch (1800 – 1871) Stabshauptmann der Leibgarde des Moskauer Regiments Mitglied des Nordbundes und aktiver Teilnehmer des Aufstandes vom 14. 12. 1825 Bruder des Vorgenannten. Er verdankt einen Teil seiner Erziehung dem Kadettenkorps der Marine, in das er 1812 eintrat und welches 67 er am 10. 06. 1814 als Gardemarin verließ. Über den Bootsmann (1817-19 in Kronstadt, 1819-21 in Archangelsk) und den Leutnant (1822) verläuft die Karriere bis zum Oberleutnant der Leibgarde des Moskauer Regiments (22. 03. 1825) erwartungsgemäß. Am 03. Mai 1825 wird er zum Stabshauptmann ernannt, um die 3. Füsilierkompanie zu kommandieren. Er diente 1817 auf dem Linienschiff „ Ne tronj menja“ (dt.:„Rühr mich nicht an“), mit dem er nach Calais in See stach, als das Korps des Grafen Woronzow, das bis dahin noch in Frankreich stationiert war, in die Heimat zurück gebracht wurde. Seine Verhaftung erfolgte noch am 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz. Am 18. Dezember wird er in der Peter-Pauls-Festung untergebracht, wo man ihn gemeinsam mit Obolenskij und Stschepin-Rostowskij in Eisen legt (Zelle 14 des AlexejewRavelin) Verurteilt nach der 2. Kategorie und gemeinsame Unterbringung mit Bruder Nikolai per 07. August 1826 in der Schlüsselburg. Abtransport nach Sibirien: 28. 09. 1827 Ankunft in Tschita: 13. Dezember 1827 Ankunft in Petrowskij Sawod: September 1830 Ansiedlung in Selenginsk ab 27.07. 1839 (über Possolskoje / Kreis Werchneudinsk). Nach der Amnestie vom 26. 08. 1856 durch Alexander II. bleibt er in Sibirien (Erlaubnis zum ständigen Wohnsitz in Moskau ab 22. 04. 1862) und zieht erst 1867 nach Moskau. Er ist Autor von Memoiren und Briefen.10 Michail war verheiratet mit Marija Nikolajewna Seliwanowa (gest. 1867), der Schwester eines Kosaken-Essauls und hatte mit ihr mind. 4 Kinder (Jelena, Nikolai, Marija und Alexander) Bestuschew, Nikolai Alexandrowitsch (1791 – 1855) Kapitänleutnant der 8. Flottenbesatzung 10 dt. Übersetzung in: „Texte zu Vincey's Dekabristenlexikon“ 68 Mitglied des Nordbundes und Verfasser eines „Manifestes an das russische Volk“, das nach dem geglückten Aufstand vom 14. Dezember 1825 durch die neue Provisorische Regierung im Senat verlesen werden sollte. Er war der älteste und genialste der Bestushew-Brüder. Bis 1820 liest sich seine Biographie so: seit dem 22. März 1802 im Kadettenkorps der Marine erzogen, wird im Mai 1807 Gardemarin, im Dezember 1809 Bootsmann und im Januar 1810 Leutnant und Mitglied des Lehrkörpers im Marinekorps. Darin ähnelt alles sehr dem Werdegang des Vaters, der im März 1810 in dem Bewusstsein stirbt, dass sein Leben eine Fortsetzung durch die Kinder findet. Hatte sich der Vater zum aktiven Militärdienst gemeldet, um als Artillerist am Seekrieg gegen Schweden eingesetzt zu werden, lässt sich Nikolai am 14. 06. 1813 als Bootsmann zur Flotte versetzen. Am 22. 07. 1814 wird er zum Leutnant der Marine befördert. Neben seiner militärischen Ausbildung bekam er durch den Stab der Professoren an der Akademie der Künste (mit denen der Vater eng befreundet war) schon in früher Jugend sehr breit gefächerte Kenntnisse vermittelt, die mit der Ausbildung praktischer Fähigkeiten verbunden waren (A.Woronichin/N.Fonlew). Nachdem keine Notwendigkeit mehr bestand, sein Leben für die Heimat an 69 vorderster Front einzusetzen, sucht er nach Möglichkeiten, seinem Land von Nutzen zu sein. Über den Gehilfen des Leuchtturmbeauftragten im Baltikum (1820) avanciert er zum Projektleiter der Lithographieanstalt an der Admiralität, wo er 1823 mit dem Wladimirorden 4. Grades ausgezeichnet wird. Im Herbst 1822 wird er damit beauftragt, eine Geschichte der Russischen Flotte zu schreiben und wird bereits im Dezember als Auszeichnung im Dienst zum Kapitänleutnant befördert. Seit Juli 1825 ist er Direktor des Museums der Admiralität. In der zurückliegenden Zeit hat er verschiedene Reisen zur See unternommen: 1807 – Baltisches Meer; 1815 – Holland; 1817 – Frankreich; 1824 – als Historiograph nach Frankreich und Gibraltar. Daneben wirkte er auch in diversen literarischen Gremien, wie z.B. als Mitarbeiter der Freien Gesellschaft für Liebhaber der russischen Sprache (seit dem 28. 03. 1821). 1822 wurde er zum Mitglied des Zensurkomitees ernannt, und schon seit 1818 war er Cheflektor für div. literarische Projekte und Mitglied der Freiwilligen Gesellschaft zur Einführung von Lehreinrichtungen nach der Methode gegenseitiger Unterweisung. Die Liste geht noch weiter: seit 12. 09. 1825 ist er Mitglied der Freien Ökonomischen Gesellschaft, Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der Künstler und seit 1818 Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften („Sohn des Vaterlandes“, „Polarstern“, „Der Wohlgesonnene“, „Streiter für Bildung und Anstand“ u.a.). All diesen Tätigkeiten und Ämtern widmete er sich mit Energie und Fleiß, so daß ihn seine Freunde schon im Scherz Mumie nannten, weil er sich für seine historische Forschungsarbeit „Erfahrungen zur Geschichte der Russischen Flotte“ und als Museumsdirektor stark engagierte – wie in Allem. Zudem interessieren ihn die Fragen des Magnetismus und der Zeitmessung. Ohne die Ereignisse des 14. Dezember hätte aus ihm ein berühmter Universalgelehrter werden können, der Alexander 70 von Humboldt und einem Charles Darwin nicht nachgestanden hätte. Doch es kam anders. Als einer der Organisatoren des Aufstandes wurde er nach dessen Niederschlagung gesucht. Wie im Trance floh er, nur notdürftig bekleidet, bei starkem Frost nach Kronstadt. ...Sollte sein letztes Stündchen wirklich schon geschlagen haben? Er erinnerte sich wieder, wie ihn Kondratij Rylejew nach dem Eintreffen auf dem Senatsplatz zur Seite gezogen hatte und ihm zu raunte: „Unsere Vorbestimmung wird sich nun erfüllen, unsere letzten Minuten sind soeben angebrochen, doch es sind die Minuten unserer Freiheit: wir haben sie geatmet – und ich gebe mein Leben gern dafür hin.“ 11 Doch Nikolai Bestushew wollte noch nicht sterben. Er wollte in die Schweiz fliehen, damit er beim nächsten Mal – hoffentlich erfolgreicher – wieder zur Verfügung stand. Die Organisation war doch so groß und würde auf Männer wie ihn auch in Zukunft zählen. Von seiner Familie hatte er sich verabschiedet und den Farbkasten mitgenommen. Ohne seine Farben würde er nirgendwo hingehen – als ob er schon ahnte, dass sie es sind, die ihn unsterblich machen. Am 16. Dezember 1825 wurde er in Kosno bei Kronstadt ergriffen und noch am selben Abend nach einem ersten Verhör um 22:00 in die Peter-Pauls-Festung (Zelle 15 des Alexejew-Ravelin) gebracht, wo man ihn sogleich in Ketten legte, um ihn auch weiterhin unter strenger Beobachtung zu halten. Nikolai I. fügte seiner schriftlichen Anweisung hinzu: man soll ihm etwas zum schreiben geben, wenn er danach verlangt. Verurteilt nach der 2. Kategorie. Der weiter Lebensweg entspricht den äußeren Daten nach jenem seines Bruders Michail, mit dem zusammen er nach Tschita und Petrowskij Sawod zur Zwangsarbeit geschickt wird, um sich 1839 als Sträfling in Selenginsk / Baikalsee anzusiedeln. 11 Zitat aus den „Erinnerungen an Rylejew“ 71 Er heiratet die Burjatin Sabilajewa und hat mit ihr mindestens zwei Kinder, von denen der Sohn Alexei (1838 – 1900) ein hoch geachteter Kaufmann mit diplomatischen Missionen wird und Tochter Katharina (verehelichte Gombojew) ihren Vater kaum gekannt haben dürfte. Sie stirbt erst im Jahr 1929/30. Die Kinder trugen übrigens den Namen des Kaufmanns Starzew, mit dem Nikolai Bestushew befreundet war. So konnte man die Verfügung außer Kraft setzen, dass die Kinder von Sträflingen offiziell ebenfalls wie Sträflinge zu behandeln sind. Seine Farben begleiteten ihn bis nach Sibirien. Bei ihnen nahm er Zuflucht und bildete sich als Portraitist aus. Mit den Jahren schuf er so die berühmte Portraitgalerie der Dekabristen. Neben seiner Arbeit als Aquarellist und Portraitmaler betätigte sich N.B. auch in verschiedenen Handwerken (u.a. als Uhrmacher) und starb am 15. Mai 1855, kurz vor der Amnestie, nachdem er sich auf einer Reise zu seiner Kundschaft infiziert hatte. Seit 1991 wird das Staatliche Russische Theater in Ulan-Ude nach ihm benannt: A.N. Bestushew-Theater. Bestuschew, Pawel Alexandrowitsch (1808 – 1846) Bootsmann der 27. Flottenbesatzung und Adjutanten des Hafenkommandanten von Kronstadt General Moller Der jüngste der Bestushew-Brüder gehört eigentlich nicht zum inneren Kreis der Dekabristen; er war weder Mitglied eines Geheimbundes, noch nahm er am Aufstand teil oder agitierte in irgend einer Weise dafür. Dennoch muß er hier erwähnt werden, weil er als Bruder ohne Gerichtsurteil, ohne echte Anklage und aufgrund falscher Anschuldigungen zu Beginn des Jahres 1827 inhaftiert und nach einem Jahr Gefängnis nach Bobruisk, in den Kaukasus versetzt wurde. Natürlich war er bei dem denkwürdigen Mittagessen des 13. Dezember zugegen, als sich die Familie ein letztes Mal um die Mutter versammelte. Von dem geplanten 72 Aufstand wird man ihm aber nichts gesagt haben; diesbezüglich war er so ahnungslos wie Praskowja Bestushew und ihre Töchter. Teilnehmer des russisch-persischen wie des russisch-türkischen Krieges. Er ist Erfinder des Bestushew-Visiers für die Artillerie. Hierfür wird er mit dem Annen-Orden ausgezeichnet. Auf Betreiben von Ilja Bibikow, dem Adjutanten des Großfürsten Michail Pawlowitsch, wird Pawel Bestushew nach Beendigung des Krieges wieder nach Petersburg versetzt. Er dient fortan als ChefAdjutant der Lehreinrichtungen der militärischen Hauptverwaltung. 1833 zieht Pawel Bestushew nach Moskau und heiratet die Tochter des Gutsbesitzers Tregubow in Wladimir. In dieser Ehe wird ein Sohn geboren, der aber bereits im Jahr 1846 stirbt, kurz nach dem Tod der Mutter Praskowja Bestushew. Auch Pawel Bestushew ist krank. Die Jahre im Kaukasus haben seine Gesundheit zerrüttet, u.a. plagt ihn ein schweres Leberleiden. Am 10. Dezember 1846, im Alter von 38 Jahren, erliegt er selbigem. Dreißig Jahre seines Lebens wurden ihm genommen, nur weil er den Namen Bestushew trug Bestushew, Peter Alexandrowitsch (1804 – 1840) Junker Mitglied der Nordbundes (seit 1825) und Teilnehmer des Aufstandes auf dem Senatsplatz am 14. Dezember 1825 Wie seine Brüder, wurde auch Peter Bestushew in seiner Kindheit bis zum Jahr 1812 von Hauslehrern in der Familie erzogen und dürfte nur schwache Erinnerungen an den Vater besitzen. Seine älteren Brüder und Schwestern ersetzten ihm deshalb das Vorbild. Folglich ließ auch er sich an der Kadettenschule des Marinekorps zum Gardemarin ausbilden (1817) und wurde am 22.02. 1820 zum Bootsmann befördert. Wie bei allen Bestushews steckte ihm die Liebe zur See im Blut. Bereits im Alter von 13 Jahren, also ab 73 1817, unternahm er eine Kreuzfahrt auf dem Baltischen Meer und segelte mit der Fregatte „Die Leichte“ bis nach Island und England. Trotz Ermahnungen seiner Brüder, nahm er am Dekabristenaufstand teil, denn es war für ihn undenkbar, sich anders als seine Brüder zu verhalten. Ein ähnliches Phänomen kann man auch bei den Brüdern Murawjow-Apostol beobachten und daraus schließen, dass die Familien der führenden Köpfe in der Dekabristenbewegung ausgesprochen homogene Zellen der Gesellschaft waren. In solch harmonischen Familienverbänden protestiert man nicht einfach so, weil einem dieses oder jenes nicht passt, sondern steht zu seinen Äußerungen und Versprechen. Ohne ein solches wurde man im Nordbund nicht aufgenommen. Peter Bestushew kam – so kann man sagen – seiner menschlichen Pflicht nach, als er sich den Aufständischen anschloss. Darin unterschied er sich nur wenig von anderen Offizieren, welche an jenem schicksalhaften Tag aufmarschierten. Nach Niederwerfung des Aufstandes kehrte er in sein Quartier beim Marinekollegium zurück, wo er um 06:00 Uhr morgens am 15. Dezember verhaftet wurde. Nach dem Verhör im Winterpalais wurde er in die Zelle Nr. 9 des Alexejew-Ravelin der Peter-Pauls-Festung gesperrt, um am 27. Januar 1826 in Zelle 27 der Newskij-Kurtine verlegt zu werden. Verurteilt nach dem 11. Grad und Degradierung zum Soldaten sowie Abkommandierung zum Kisilsker Garnisons-Btl. am 22. 07. 1826; Versetzung in das Schirwaner Infanterieregiment per Befehl vom 22. 08. 1826. Teilnehmer der Kämpfe des russisch-persischen Krieges (1826-28) sowie des russisch-türkischen Krieges (1828/29). Beförderung zum Unteroffizier am 21. Mai 1828; verletzt beim Sturm auf die Festung Achalzych und Versetzung zum Kurinsker Inf.-Rgt. per Befehl vom 09. 11. 1829. Hier war er den physischen und psychischen Schikanen seines Kommandeurs derart ausgesetzt, dass er seelisch schwer erkrankt. Er wird im Mai 1832 „aus 74 gesundheitlichen Gründen“ vom Armeedienst befreit und zu seiner Mutter geschickt. Die letzten 6 Jahre lebte er fast ausschließlich bei seiner Familie, die unter seinen Anfällen zwar litt, ihn aber aufopferungsvoll pflegte, solange es die Kräfte zuließen. Er starb schließlich in einem Krankenhaus für geistig Gestörte, nachdem die Genehmigung endlich erteilt wurde, ihn dorthin zu verlegen. Er hinterließ recht interessante Erinnerungen und Briefe, die davon zeugen, dass auch er über ein originelles literarisches Talent verfügte. Bestushewa, Jelena Alexandrowna (1792 – 1874) Literaturagentin ihres Bruders Alexander Marlinskij Die älteste Schwester der Gebrüder Bestushew nahm, wie alle Familienmitglieder regen Anteil am Schicksal ihrer Brüder. Besonders intensiv kümmerte sie sich um die Veröffentlichung der literarischen Werke ihres Bruders Michail. Ihre Schwestern waren: Bestushewa, Maria Alexandrowna (ca. 1794 – 1889) Bestushewa, Olga Alexandrowna (ca. 1795 – 1889) Bestushew-Rjumin, Michail Pawlowitsch ( 1801 – 1826) Leutnant des Poltawer Infanterieregiments 75 Er stammte aus einem alten und berühmten Moskauer Adelsgeschlecht. Sein Vater, der Hofrat Pawel Nikolajewitsch Bestushew-Rjumin (1760 – 1826!), war Polizeichef der Stadt Gorbatowsk im Gouvernement Nizhnij Nowgorod. Ihm gehörten 641 Seelen und eine Nesseltuchwirkerei in Nowo Nikolskoje. Zudem war er der Onkel des Historikers Konstantin N. BestushewRjumin. Die Familie zog 1816 nach Moskau, was ihr ermöglichte, dem Sohn Michail die beste Erziehung angedeihen zu lassen. Seine Lehrer waren Paul Saint-Germain, Sonnenberg, Schramm. Rinardion sowie die Professoren Marsljakow, Zwetajew, Tschumakow und Kemenzkij. Er war der jüngste von fünf Söhnen, von denen der älteste, Wladimir, im Jahr 1805 bei Friedland fiel. Am 13. Juli 1818 tritt er als Junker dem Kavaliergarderegiment bei und durchläuft bis zu seiner Beförderung zum Unterfähnrich der Leibgarde des Semjonowregiments eine Entwicklung, die ganz im Sinne der Eltern war. Nach dem Aufstand des Semjonowregiments wird er zum Poltawer Infanterieregiment versetzt und dort im Januar 1821 zum Fähnrich befördert, im März 1822 zum Bataillonsadjutanten und am 20. Mai 1824 zum Leutnant ernannt. Damit hatte er das Nahziel, von dem junge Männer seiner Zeit träumten, erreicht. Daneben engagierte er sich seit 1823 auch in politischen Zirkeln. Seine Liebe zu Jekaterina Andrejewna Borosdin, eine Nichte W.L. Dawydows, blieb unerfüllt, woran Pawel Pestel eine gewisse Aktie haben soll. B. war ein leitendes Mitglied des Südbundes und gemeinsam mit Sergei Iwanowitsch Murawjow-Apostol im Vorstand der Filiale von Wassilkowo in der Nähe von Kiew. Teilnehmer einer Konferenz der Leiter des Südbundes in Kamenko (auch Kamenka, da das unbetonte o wie a gesprochen wird) und in Kiew, korrespondierendes Mitglied zur polnischen Geheimgesellschaft, Mittelsmann für die Vereinigung der „Gesellschaft der Vereinigten Slawen“ mit dem Südbund. Er war mit dafür verantwortlich, dass es nach der Inhaftierung Sergei Murawjow-Apostols noch zu 76 dessen Befreiung und zum Aufstand des Tschernigower Regiments unter Sergei Iwanowitsch Murawjow-Apostol kam. B. wurde noch während des Aufstandes am 03. Januar 1826 mit der Waffe in der Hand festgenommen. Der Befehl zu seiner Inhaftierung erging bereits am 27. Dezember 1825. Von Belaja Zerkow brachte man ihn in Ketten zur Hauptwache nach St. Petersburg und nach einem kurzen Verhör sofort auf die PeterPauls-Festung, wo man „ihn streng unter Beobachtung zu halten habe und etwas zum schreiben gibt, wenn er danach verlangt“. Er befand sich vom 11. Februar bis zum 30. April 1826 angekettet in der Zelle Nr. 17 der Newskij-Kurtine. Verurteilt wurde er außerhalb aller Kategorien am 11. Juli 1826 zum Tod durch erhängen. Das Urteil wurde am 13. Juli 1826 auf dem Kronwerk der Peter-Paul-Festung vollstreckt. Beerdigt soll er zusammen mit den anderen Märtyrern auf der Insel Golodai sein. Da die Hingerichteten in einer Grube mit ungelöschtem Kalk bestattet wurde, ist ein Nachweis unmöglich. Von seinen Brüdern überlebten ihn nur Nikolai (1790 – 1848), der als pensionierter Hauptmann auf einem Anwesen der Familie im Kreis Nizhnij-Nowgorod lebte und Iwan ( 1789 – 1866). Letzterer musste ab 1826 mit dem auskommen, was Invaliden als Unterhalt zugestanden wurde. Sein Bruder Alexander starb in den 20-er Jahren, wie auch die Mutter Jekaterina Wassiljewna, geb. Gruschetzkaja, die das Jahr 1826 nicht mehr erlebte und vor ihrem Gatten verstarb. Betschasnow (Betschasny), Wladimir Alexandrowitsch (1802 – 1859), Fähnrich der 8. Artilleriebrigade Er stammt aus einer eher bedürftig zu nennenden Familie des Rjasaner Militäradels. Sein Vater (Alexander Nikolajewitsch) schaffte es bis zum Major, arbeitete nach seiner Pensionierung als Beamter 8. Klasse und verstarb noch vor dem Jahr 1826. Die 77 Mutter, Nadeshda Iwanowna (Geburtsname unbekannt), lebte zur Zeit des Aufstandes und im Jahr 1826 in Krementschug, unterstützt von der Wohlfahrt des dort ansässigen Adelshauses. Die Gymnasien im Rjasaner Kreis und des Gouvernements verließ Wladimir Betschasnow vorzeitig und meldete sich bereits vor erreichen des 12. Lebensjahres an der Kadettenschule des 2. Kadettenkorps an. Am 23. Januar 1820 wurde er zum Unteroffizier befördert und ein Jahr später als Fähnrich entlassen. Per Befehl vom 30. 01. 1821 wurde er zur 2. leichten Kompanie der 8. Artilleriebrigade versetzt. Hier lernte er offenbar jene Personen kennen, die ihn dazu bewegten, sich gesellschaftlich zu engagieren, denn 1823 wird er Mitglied der „Gesellschaft Vereinigter Slawen“. Der Befehl zu seiner Inhaftierung erging am 20. Januar 1826. Verhaftet wurde er am 24. Januar 1826 in Zhitomir und am 3. Februar, begleitet von Fähnrich Richard (Tambowsker Inf.-Rgt.) zur Hauptwache nach Petersburg verbracht, von wo aus er am 4. 02. 1826 in die Zelle 29 der Newskij-Kurtine eingewiesen wurde („wo der überwiesene Betschasnow zur weiteren Befragung in strenge Haft zu nehmen ist“). Seine Antworten fanden ganz offensichtlich nicht den Gefallen des Monarchen. Verurteilt wurde er dann auch nach der 1. Kategorie (Vierteilung!), dann aber per Gnadenerlass vom 10. Juli 1826 zu ewiger Zwangsarbeit begnadigt, was sechs Wochen später (22.8.26) zu 20 Jahren gewandelt wurde. Vom 25. Juli 1826 bis zum 17. Juni 1827 saß er in der Feste Swartholm ein. Abtransport zum Gefängnis von Tschita am 15. 08 . 1827. Ankunft in Petrowskij Sawod im September 1830. Per Gnadenakt wurde seine Strafe bis zum 14. 12. 1835 auf 13 Jahre Zwangsarbeit reduziert. Als er diese Zeit verbüßt hatte, wurde ihm per Befehl vom 10. Juli 1839 das Dorf Smolenstschina (Gouv. Irkutsk) zur Ansiedlung angewiesen, wo er am 16. August 1839 eintraf. Hier heiratete er 1846 seine Frau, die sibirische Bäuerin 78 Anna Pachomowna Kitschigina (gest. 1900), zeugte mit ihr 7 Kinder (Anna, Olga, Nadeshda, Sinaida, Wadim, Wjatscheslaw, Michail) und blieb auch nach der Begnadigung durch Alexander II. in Sibirien. Er lebte und starb in Irkutsk, wo er auf dem Snamenskoje-Friedhof bestattet wurde. Seine Schwester, die seelisch schwer erkrankte, lebte bei der Mutter, und von seinem Bruder ist nur bekannt, dass er im Jahr 1826 Portupée-Junker im Nishegoroder Inf.-Rgt. war. Bibikow, Ilja Gawrilowitsch (1794 – 1867) Oberst der 1. Leibgarde der Artilleriebrigade, Adjutant des Großfürsten Michail Pawlowitschs, Generalmajor Er stammt aus einer der angesehensten Adelsfamilien Russlands, begann seine Laufbahn am 10. 10. 1811 als 17-jähriger Junker in der Leibgarde der Artilleriebrigade und wurde im November 1812 als Fähnrich zur 2. Artilleriebrigade der Reserve versetzt. Anschließend nahm er an den Auslandsfeldzügen des Vaterländischen Befreiungskrieges teil und kämpfte bei Lützen, Bautzen, Dresden, Leipzig, Paris. Für seine Tapferkeit wurde er am 1. Januar 1814 zum Leutnant befördert und wieder zur Leibgarde der Artilleriebrigade versetzt. Zudem durfte er sich mit dem AnnenOrden 4. Klasse und dem Wladimirkreuz 4. Klasse schmücken. Die nachfolgenden Stationen waren: 5. Artilleriebrigade (24.12.1815), 3. Artilleriebrigade (12.5.1816), Oberleutnant (12.01.1817), 1. Artilleriebrigade (23.2.1817), Stabshauptmann (5.2.1818), Adjutant des Großfürsten Michail (3.7.1819), Oberst (19.04.1820). Von hier aus nahm seine Karriere ihren endgültigen Lauf. Im Gegensatz zu Michail Lunin, dessen Weg ähnlich vorgezeichnet war, ist er weniger eigensinnig und wird am 29.9. 1823 Generalmajor. Mitglied des Wohlfahrtsbundes Bei den Vernehmungen der Dekabristen fiel auch sein Name. Da er aber nach Auflösung des Wohlfahrtsbundes weder durch 79 Äußerungen, noch durch Taten im Dienste des Geheimbundes auffiel, sich in der Folge als loyal und dienstbeflissen erwies, entschied Nikolai nach Rücksprache mit seinem Bruder, ihn aus dem Kreis der verdächtigen Staatsfeinde auszuschließen. Ein wenig Misstrauen blieb dennoch, weil die Beförderung zum Generalleutnant erst am 01.12. 1837 erfolgte. Ilja Gawrilowitsch war mit Warwara Petrowna Mjatlewa verheiratet, der Schwester des Poeten Iwan Mjatlew, dessen Werk „Die Sensationen und Bemerkungen der Madame Kudrjukow im Ausland“ in den Salons von Karamsin, W.F. Odojewskij und der Smirnowa kursierte und der in den 30-er Jahren mit Zhukowskij, Puschkin und Wjasemskij befreundet war. Die Ernennung zum Artilleriegeneral erfolgte am 26. November 1852. Von März 1850 bis Dezember 1855 war er der militärische Oberbefehlshaber des Nordwest-Gebietes Russlands und nahm am 17. 01. seinen Abschied von der Armee, wurde am 19. 02. 1860 aber wieder zum Generaladjutanten Alexander II. ernannt. Bistrom, Fedor Antonowitsch (Friedrich Ottonowitsch) 1781-1820 Oberst, General-Gewaldiger der 2. Armee Mitglied des Wohlfahrtsbundes Sein Name steht hier nicht im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 14. Dezember 1825, sondern für die Generation der Dekabristen. Vom Militärdienst kommend, wurde er 1806 dem Justizkollegium zugewiesen, einen Monat später (31.12.1806) zum Titularrat ernannt, um ab Januar 1808 bei der Staatlichen Notenbank zu arbeiten. Nach einer Zwischenstation beim Verkehrswesen (Ing.-Hptm.) kam er im Mai als Stabshauptmann zum Jägerregiment der Leibgarde. Bis 1816 nahm er an allen Feldzügen des Vaterländischen Befreiungskrieges teil, wurde am 15.Mai 1816 zum Oberst befördert und im April 1819 Generalgewaldiger der 2. Armee. Seine Mitgliedschaft im 80 Wohlfahrtsbund konnte nicht ohne Einfluss sein. 1820 verstorben in Tutschin (!). Er hinterließ einen Sohn (als Offizier im Kaukasus gestorben) und zwei Töchter, die beide mit Generälen verheiratet waren (Jewgenia Kosen und Pauline Hoodman). Bludow, Dmitrij Nikolajewitsch (1785 – 1864), Schriftführer der Untersuchungskommission Angehöriger des Adels aus dem Kreis Schuiskij, Gouvernement Wladimir. Er verlor sehr früh den Vater, wurde von der Mutter erzogen und ging mit ihr 1800 nach Moskau, wo er eine Tätigkeit am Außenarchiv des Außenministeriums aufnahm. Sehr bald wechselte er zum Außenministerium nach Petersburg, wo er die Bekanntschaft von N.M. Karamsin, W.A. Zhukowskij u.a. machte. Er fällt durch sein hervorragendes Gedächtnis und seine Belesenheit bald auf, offenbart auch literarische Talent und erfüllt diplomatische Aufträge in Schweden und England von 1817-1820. Anschließend beschäftigt er sich mit der Übersetzung von Dokumenten zur Erstellung einer Geschichte der Beziehungen Russlands zu den Westmächten. Auf Empfehlung Karamsins ernennt ihn Nikolai Pawlowitsch zum Schriftführer der UK, befördert ihn 1826 zum Staatssekretär im Bildungsministerium, 1839 zum Geheimrat, macht ihn zum Chef der II. Abteilung, zum Mitglied des Staatsrates und verleiht im 1842 die Grafenwürde. Alexander II. ernennt ihn 1855 in Würdigung seiner Verdienste um eine russische Gesetzessammlung zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, macht ihn u.a. zum Vorsitzenden des Staatsrates und überträgt ihm wichtige Aufgaben während der Reformen nach dem Krim-Krieg, läßt ihn u.a. eine Vorlage von Gesetzen zur Abschaffung der Leibeigenschaft erstellen. 81 Bobrinskij, Wassilij Alexejewitsch (1804 – 1874, Graf) Kornett der Leibgarde des Husarenregiments a.D. Er war der Sohn des Grafen Alexei Grigorjewitsch Bobrinskij und der Baroness Anna W. Ungern-Sternberg. Als die Verhaftungen erfolgten, befand er sich gerade auf einer Auslandsreise, was ihm u.U. vor weiteren Nachstellungen schützte. Ein Haftbefehl auf seine Person wurde nicht ausgestellt, dennoch wurde noch am 13.7. 1826 durch Nikolai I. angewiesen, ihn unter geheimer Beobachtung zu halten. Mitglied des Südbundes 1824 In erster Ehe war er mit Lydia A. Gortschakowa (1807-26) verheiratet, die noch auf der gemeinsamen Hochzeitsreise verstarb (22.Mai 1826). Die zweite Frau war Sofia P. Sokowina (1812-69), mit der er die Kinder Alexei und Sofia hatte; und nach dem Tod seiner zweiten Frau heiratete er Alexandra P. Uschakow (18211880). Er war von 1862-63 Adelsmarschall des Gouvernements Tula und starb in Moskau. Bobristschew-Puschkin, Nikolai Sergejewitsch (1800 – 1871) Oberleutnant des Quartiermeisterbereiches Die Ereignisse des 14. Dezember 1825 haben in der Folge Dramen geschrieben, die es Wert wären, von den größten Autoren bearbeitet zu werden, um auf ewig in die Weltliteratur einzugehen. Die Familie Puschkin wurde hierbei nicht verschont. Hier waren es die Brüder Bobristschew-Puschkin, die ein Denkmal der Bruderliebe setzten. Nikolai Sergejewitsch war der älteste von 7 Brüdern. Aufgewachsen in einer typischen russischen Gutsbesitzerfamilie des Moskauer Militäradels wurde er von dem Elsässer Oblinger 82 erzogen, um mit 16 Jahren (Januar 1816) an die Pension der Moskauer Ausbildungsstätte für Kolonnenführer geschickt zu werden, jenen Ort, den man mit Fug und Recht als eine der Brutstätten jener Bewegung bezeichnen kann, welche später unter dem Begriff Dekabristenbewegung in die Geschichte einging. Nikolai zählte hierbei zu jener Generation, die nicht an den Schlachten der europäischen Befreiungskriege teilnehmen konnte, weil sie noch zu jung war. Im März 1819 beendete er die Ausbildung als Fähnrich und wurde zum Hauptquartier der 2. Armee versetzt, um in Gouvernement Podolsk topographische Vermessungen durchzuführen. Im Dezember wurde er dann zum Hauptquartier der 2. Armee versetzt, im April 1822 zum Leutnant befördert und im Juli 1822 für seine topographischen Leistungen mit dem Annen-Orden 4. Klasse geehrt. In seiner Freizeit schrieb er Gedichte, die in den Jahren 1816/17 in den Sammelbänden der „Calliope“ erschienen. Mitglied des Wohlfahrtsbundes (1820) und des Nordbundes seit 1821. Der Befehl zu seiner Verhaftung erging relativ schnell, nämlich am 30. Dezember 1825. Am 8. Januar erfolgte seine Verhaftung in Tultschin, wo sich ja auch das Hauptquartier der 2. Armee befand.. In Petersburg traf er am 16. Januar ein, um die Zelle Nr. 16 der Kronwerk-Kurtine zu beziehen, wo „er in Handschellen gelegt und gut untergebracht werden soll“. Die Handschellen wurden ihm erst am 10. April 1826 wieder abgenommen, nachdem er sich in den Verhören einsichtiger gezeigt hatte, wie es offiziell hieß Die Verurteilung erfolgte dann auch nach der 8. Kategorie. Am 2. August 1826 trat er seinen Weg in die 20-jährige Verbannung an, um sich im Gebiet von Jakutsk ansiedeln zu lassen (Srednekolymsk). Er war noch keine 27 Jahre alt, als der Generalgouverneur von Ostsibirien Lawinskij darüber berichtete, dass sich Nikolai Sergejwitsch in geistiger Verwirrung befindet. Er hatte den Prüfungen des Schicksal nicht standhalten können. Nach 83 Aufenthalten in verschiedenen Klostern, in die er zur Genesung eingewiesen wurde, landete er in der Abteilung für Geisteskranke am städtischen Krankenhaus von Jenisseijsk und wurde im September 1831 in die Anstalt für Geisteskranke nach Krasnojarsk verlegt. Hier konnte er erst im Jahr 1833 von seinem Bruder Pawel befreit werden, nachdem dieser zur Ansiedlung in Krasnojarsk eintraf und die Genehmigung erhielt, seinen Bruder zu sich zu nehmen. Im Dezember wurde beiden Brüdern gestattet, nach Tobolsk zu ziehen, was sie im Februar 1840 taten. Hier erfolgte die erneute Einweisung Nikolais in eine Anstalt für Geisteskranke, und kurz vor der Amnestie im Jahr 1856 konnten die Brüder nach vielen Bittgesuchen der Familie erwirken, in die Heimat zurückzukehren, wo sie am 31. März 1856 auf dem Gut ihrer Schwester in Korostino eintrafen. Hier verbrachte Nikolai noch 15 Jahre, bevor er am 13. Mai 1871 verstarb. Sein Grab ist zwar nicht mehr vorhanden, doch die Erinnerung an ihn lebt in dem Buch von Valentina Kolesnikowa „Die Verjagten und Unverbannbaren“, das im Jahr 2002 in dem Moskauer Verlag Zentropoligraph erschienen ist (ISBN 5-227-01794-8). Bobristschew-Puschkin, Pawel Sergejewitsch (1802 – 1865) Oberleutnant des Quartiermeisterbereichs Der jüngere Bruder Nikolais schloß nach einem reichlichen Jahr die Schule für Kolonnenführer (!) als Fähnrich ab, und aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten hielt er dort noch bis April 1820 Vorlesungen zur Praxis der Befestigungsarbeiten im Felde. Diese Fähigkeiten waren es dann auch, wegen derer er ab April 1820 ebenfalls zum Hauptstab der 2. Armee abkommandiert wurde. Nach anderthalb Jahren topographischer Vermessungsarbeit im Gebiet von Podolsk wurde er wie sein Bruder mit dem AnnenOrden 4. Klasse ausgezeichnet, danach unterrichtete er im Jahr 84 1824 am Hauptquartier der 2. Armee das Fach „Die Mathematik der Topographie“ (u. a. Differentialrechnung), zudem Mathematik an der Schule für Fähnrichsanwärter und wurde im März 1825 zum Oberleutnant befördert. Daneben schrieb auch er Gedichte (s. „Calliope“ aus dem Jahr 1817). Mitglied des Südbundes wurde er im Jahr 1822 Verhaftung und Überführung nach Petersburg erfolgten analog zu seinem Bruder, nur dass er in Zelle 16 zwischen der Bastion Trubetzkoi und der Bastion Katharina I. eingesperrt wurde, ohne in Eisen gelegt zu werden. Verurteilt wurde er nach der 4. Kategorie und am 27. Januar 1827 zur Zwangsarbeit nach Sibirien geschickt. Am 17. März traf er in Tschita ein, zog im September mit den anderen Dekabristen nach Petrowskij Sawod um und wurde, wie oben bereits erwähnt, in Krasnojarsk angesiedelt (zuvor kurzzeitiger Aufenthalt in Wercholensk). Ab Dezember 1839 wohnte er bei seinem Bruder in der Anstalt für Geisteskranke in Tobolsk, um sich ständig um ihn kümmern zu können, bevor beide im Januar 1840 zu ihrer Schwester ziehen durften. Zeit seines Lebens bewahrte er seine Liebe zu N. von Wisin, die rein platonisch blieb. Er wurde nach seinem Tod am 13. Februar 1865 auf dem Waganker Friedhof in Moskau bestattet. Sein Grab ist noch heute erhalten. 85 Bogdanow, Arsenij Iwanowitsch (geb. 1803) Fähnrich der Leibgarde des Finnischen Regiments Sein Vergehen bestand darin, dass er kurz vor dem Aufstand in St. Petersburg bei einigen Treffen der Dekabristen (Rylejew, Bestushew) gesehen wurde. Die Mitgliedschaft in einem der Geheimbünde konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Folglich erging kein Haftbefehl gegen ihn. Am Tage des Aufstands meldete er sich krank. Dennoch wurde er in den Kaukasus strafversetzt (Garderegiment). Hier avancierte er bis zum April 1827 zum Oberleutnant, bevor er sich im Februar 1829 in den Staatsdienst versetzen ließ. Bogdanowitsch, Iwan Iwanowitsch (Suizid 14. 12. 1825) Hauptmann der Leibgarde des Ismailowregiments Mitglied des Nordbundes und evtl. ein Sohn des Senators Iwan Fedorowitsch Bogdanowitsch. Wenngleich nicht sehr viel zu ihm zu sagen ist, dürfte sein Schicksal zu den tragischsten Nebenschauplätzen des Dekabristenaufstandes zählen. Noch am Morgen des 14. Dezember rief der ehemalige Kammerpage der Leibgarde nach Verlesung des Eides auf Nikolai Pawlowitsch „Hurraaaaah Konstantin!“, um die Soldaten zum Protest zu bewegen (was ihm auch zum Teil gelang), anschließend begab er sich in seine Wohnung und beendete sein Leben durch Suizid. 86 Bogoroditzkij, Ossip Pantelejewitsch (ca. 1786 – 1826) Professor der Medizin an der Universität von Charkow Mitglied des Wohlfahrtsbundes 1818 Von 1807 bis 1815 war er Lehrer u.a. am Gymnasium von Rjasan, bevor er sich an der Universität von Moskau an der Medizinischen Fakultät immatrikulieren ließ. Hier dürfte es auch zu den Begegnungen mit zukünftigen Dekabristen gekommen sein. Leider ist mir nicht bekannt, auf welche Weise er 1826 zu Tode kam. Bodisko, Boris Andrejewitsch (1800 – 1828) Leutnant der Gardeequipage Mitglied der „Gesellschaft der Gardeequipage“ und Teilnehmer des Aufstandes am 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz Er entstammt jüngstem Adel im Gouvernement Tula. Sein Vater war Direktor der Moskauer Notenbank und wurde für seine Verdienste erst in den Adelsstand erhoben. Die Mutter war gebürtige Französin (Anna Iwanowna Gorgeone de Saint-Paul) und schickte zwei ihrer 9 Kinder (6 Knaben und 3 Mädchen) zur Erziehung auf das Kadettenkorps der Marine. 1809 begann Boris hier seine Ausbildung, wurde 1814 zum Gardemarin ernannt und im März 1817 zum Bootsmann befördert. Am 9. Dezember 1817 erfolgte seine Versetzung zur Garde-Equipage, 1822 ist er bereits Leutnant und hat schon einige Kreuzfahrten hinter sich (Kopenhagen, England, Frankreich, Danzig). Nach Fahrten, die ihn erneut nach England und nach Island führen, beteiligt er sich an einem Weltumseglungsversuch der Schaluppe „Die Friedfertige“, die während eines Sturmes im Nordmeer stark beschädigt wurde und ihn nötigte, im Mai 1825 nach Kronstadt zurückzukehren. Dies wurde ihm zum Verhängnis, denn so war es ihm möglich, sich dem Aufstand der Dekabristen anzuschließen. 87 Seine Verhaftung erfolgte recht schnell – in der Nacht vom 14. zum 15. Dezember 1825. Verurteilt wurde er nach der 8. Kategorie und aufgrund des Erlasses vom 10. Juli 1826 zum Matrosen degradiert. Mit Befehl vom 22. August 1826 wurde er als Soldat in den Kaukasus versetzt. Er begab sich am 26.9.1826 auf den Weg nach Wladikawkas, wurde dort dem Tiflisser Infanterieregiment zugeteilt, nahm 1826-28 am russisch-türkischen Krieg teil und wurde am 12. April 1828 zum Unteroffizier befördert. Bei einem der Gefechte gegen die Gorzen kam er im Mai 1828 ums Leben. Bodisko, Michail Andrejewitsch (1803 – 1867) Bootsmann der Gardeequipage Mitglied der „Gesellschaft der Gardeequipage“ und Teilnehmer des Aufstandes am 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz Der Lebensweg des jüngeren Bruders von Boris verlief bis 1823 ähnlich. 1820 zum Bootsmann der 1. Flotten-Equipage befördert, wurde er im März 1823 zur Gardebesatzung versetzt, wo er als Adjutant des Marineministers diente und bis 1824 verschiedene Seereisen unternahm (England, Island, Frankreich, Gibraltar). Auch er nahm, für die Mitglieder des Geheimbundes der Gardebesatzung eine Selbstverständlichkeit, am Aufstand des 14. Dezember teil. Verhaftet wurde er in den Morgenstunden des 15. 12. 1825, auf die Hauptwache gebracht, anschließend in der Peter-Pauls-Festung eingekerkert (03.01. 1826). Verurteilt wurde er nach der 5. Kategorie, per 10.07. zu 5 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und am 21. Juli 1826 zur Festung von Bobruisk verbracht. Anschließend als Soldat zum 6. Infanteriekorps versetzt, nahm er 1831 an den Kämpfen zur Niederschlagung des polnischen Aufstands teil und schaffte es dann irgendwie, sich in den Jahren 1838/39 als Fähnrich vom Militärdienst zu befreien und im Gouvernement Tula anzusiedeln (Kreis Tschernsk). Hier heiratet 88 er Ljudmila Pawlowna Tilitschew, zeugt mit ihr 6 Kinder (3 Söhne und 3 Töchter) und stirbt im Alter von 64 Jahren auf seinem Anwesen. Von den anderen Brüdern schaffte es Alexander (1788-1854) bis zum Kammerherrn und Gesandtschaftsrat der Botschaft in Schweden (1837-54 Botschafter in den USA). Konstantin nahm seinen Abschied als Major, diente dann beim Zoll, Andrei war Adjutant beim Ing.-General Graf Suchtelen, und Jakow schließlich (1794 – 1876) gelang es, seine Karriere mit dem Generalsrang zu krönen. Borissow, Andrei Iwanowitsch (1798 – 1854) Leutnant a.D. Gründungsmitglied der „Gesellschaft der Vereinigten Slawen“ Er war einer von drei Söhnen des Marinemajors a.D. Iwan Andrejewitsch Borissow von der Schwarzmeerflotte und dessen Frau Praskowja. Die Familie lebte in Boroml (ein Provinznest in der Ukraine) in äußerst bescheidenen Verhältnissen, konnte sich keine Lehrer leisten, und so wurde der Unterricht im Haus Borissow durch den Vater erteilt, unterstützt durch A.K. Berstel in den Fächern Mathematik und Artillerie. Andrei begann seine militärische Laufbahn am 10.Juni 1816 gemeinsam mit Bruder Peter als Junker der 26. Artilleriebrigade (später, am 18. April 1819 in Georgische GrenadierArtilleriebrigade umbenannt) und bestand am 18. Juni 1820 sein Examen zum Fähnrich. In diesen Jahren fand er Kontakt zu J. Ljubinskij, einem polnischen Mitarbeiter der Universitätskanzlei von Vilnius, der sich mit ernsthaften Reformplänen trug und mit verschiedenen polnischen Geheimgesellschaften in Verbindung stand. Im Juli 1820 wurde Andrei der 8. Artilleriebrigade zugeteilt und im Jahr 1823 (am 24. Dezember) im Range eines Leutnants aus familiären Gründen vom weiteren Militärdienst freigestellt. Gut 89 möglich, dass seine Psyche bereits in dieser Zeit den Umgangston und die Sitten beim Militär nicht ertrug. Nachdem die Untersuchungskommission recherchiert hatte, dass die „Gesellschaft der vereinigten Slawen“ ähnliche Ziele wie die Dekabristen verfolgten, ergingen Haftbefehle auch hier an die führenden Köpfe der Bewegung. Der Haftbefehl wurde am 09. Februar ausgestellt, doch schon am 14. Januar 1826 saß er bereits einmal für 24 Stunden in Untersuchungshaft, aus der er nach seiner Vernehmung aber wieder entlassen wurde. Erst brachte man ihn nach Kursk, später - am 10. April – zur Hauptwache nach Petersburg, zwei Tage darauf in die Peter-Pauls-Festung. Verurteilt nach der 1. Kategorie, wurde er per 10. Juli 1826 zu ewiger Zwangsarbeit verurteilt. Er, wie auch sein Bruder Peter, wurde in Ketten am 23.7.1826 nach Sibirien geführt. Bevor sie am 29. September 1827 in Tschita eintrafen, schickte man sie nach Irkutsk und von da aus zur Schnapsbrennerei von Alexandrowsk sowie anschließend (ab 25.10. 1826) in die Blagodatsker Erzminen. Schon vor dem Umzug nach Petrowskij Sawod zeigte sich Andrei geistig gestört. Er wich seinem Bruder nie von der Seite und war allen anderen gegenüber argwöhnisch. Nachdem beide im Dezember 1835 zu 13 Jahren Zwangsarbeit begnadigt wurden, siedelten sie sich erst bei Werchneudinsk und dann per Erlass vom 21. März 1841 in Malaja Raswodnja an. Als sein Bruder frühzeitig verstarb, beendete Andrei sein Leben noch am selben Tage, am 30. September 1854, durch Suizid. 90 Borissow, Peter Iwanowitsch (1800 – 1854) Leutnant der 8. Artilleriebrigade Gründungsmitglied der „Gesellschaft der Vereinigten Slawen“ Seine Entwicklung verlief bis zum Jahr 1824 analog zu der seines Bruders Andrei. Anders als jener, setzte er seine militärische Laufbahn fort und wurde am 10. Juni 1825 zum Leutnant befördert. Der Befehl zu seiner Verhaftung erging bereits am 9. Januar 1826. Er wurde bei der 8. Artilleriebrigade verhaftet und dann von Zhitomir nach St. Petersburg verbracht. Am 15. 2. legte man ihn auf der Peter-Pauls-Festung in Eisen, die ihm erst am 30. April wieder abgenommen wurden. Dieser Tag war für die Untersuchungskommission ein recht wichtiger, denn er entschied über das Schicksal Michail Lunins. Verurteilt wurde B. nach der 1. Kategorie. Er war mit Malwina Borodowitschew verlobt und kümmerte sich ab dem Zeitpunkt seiner Verschickung aufopferungsvoll um seinen Bruder. Dessen naturgetreuen und fein ziselierten Aquarellzeichnungen, er plante ein Werk über die sibirische Flora und Fauna, fanden allgemeine Anerkennung und erschienen auch teilweise, ohne ihrem Schöpfer allerdings den erhofften materiellen Gewinn zu bringen. Einen flüchtigen Eindruck vom Leben in Malaja Raswodnja gewinnt man bei der Lektüre von Erinnerungen A.P. Beljajews zum Jahr 1850. 91 Borosdin, Andrei Michailowitsch (1765 –1838) Senator, Generalleutnant Sohn des Senators Michail Sawwitsch Borosdin ( 1740-96). Bruder von Michail M. Borosdin (1767-1837) und Nikolai M. Borosdin (1777-1830), Besitzer des Anwesens Sably/Krim, 15 Werst südlich vom Simferopol und Gouverneur Tauriens von 1807-1816. Er war mit einer geb. Sofia L. Dawydow verheiratet, der Halbschwester von N.N. Rajewskij d.Ä. und traf im Sommer 1820 Nikita Murawjow und Michail Lunin, die auf dem Weg nach Odessa waren, während er mit seiner Frau in die Hauptstadt reiste. Er erwies sich gegenüber den Murawjows und den Rajewskijs als großzügiger Gastgeber (bot seine Anwesen auf der Krim zur Übernachtung und zum Aufenthalt an), steht in diesem Lexikon aber allein aus dem Grunde, weil er für die lange Einzelhaft seines Schwiegersohnes I.W. Poggio verantwortlich war. Er ließ all seine Beziehungen spielen, um die Tochter derart zu erpresse, dass sie sich 1834 von ihrem Mann lossagt und eine neue Beziehung mit dem Fürsten A.I. Gagarin eingeht. Borosdin, KatharinaAndrejewna Adlige des Gouvernements Kiew. Tochter des Senators Andrei M. Borosdin und von Sofia Lwowna, geb. Dawydow (Schwester des Dekabristen W.L. Dawydow). Sie soll mit dem Dekabristen M.P. Bestushew-Rjumin verlobt gewesen sein, der das Verlöbnis aber auf Zureden Pestels löste und sich so die Abneigung W.L. Dawydows und I.W. Poggios einhandelte. Im August 1825 heiratet sie den Dekabristen W.N. Licharjow, begleitet ihn aber nicht nach Sibirien (mglw. unter dem Druck des Vaters). Aus dieser Verbindung stammt Sohn Nikolai (wird 1861-66 Friedensrichter). Sie heiratet erneut 1836 auf der Krim einen gew. Lew Schostakow. 92 Borosdin, Maria Andrejewna Schwester der obengenannten. Sie heiratet 1825 gegen den Willen des Vaters I.W. Poggio, der nach seiner Verhaftung (auf Betreiben des Vaters) wie vom Erdboden verschwunden scheint. Nach mehreren Jahren erfolgloser Nachforschungen gibt sie auf, obwohl sie fest entschlossen war, ihm nach Sibirien zu folgen und am 08. April den gemeinsamen Sohn Lew gebar (Taufpate war N.N. Rajewskij junior, der Mann ihrer Cousine Anna Michailowna, geb. Borosdin). Sie erzieht (mind.) bis zur offiziellen Trennung auch die Kinder I.W. Poggios aus erster Ehe und heiratet 1834 A.I. Gagarin. Aus ihrer Sicht war dies der Preis für I.W. Poggios Befreiung aus der Einzelhaft, in der er zugrunde gegangen wäre – nach Version des Vaters. Der Dekabrist wird am 10. Juli 1834 zur Ansiedlung nach Sibirien geschickt, wo er erfährt, dass seine Frau, auf die er noch immer wartete, neu vermählt ist... Borowkow, Alexander Dmitrijewitsch (1788 – 1856) Sekretär der Untersuchungskommission Sohn eines Kaufmanns aus Wenjow (Gouvernement Tula). Absolvent der Moskauer Universität 1808. Anschließend wird er in den Staatsdienst übernommen und arbeite am Gericht. 1815 avanciert er zum Staatssekretär und wird später Mitarbeiter des Ressortchefs für Verfahrensrecht in St. Petersburg und ist seit 1820 Sekretär des Montangerichts. Er wird am 17. Dezember 1825 von Nikolai Pawlowitsch zum Sekretär der UK ernannt, wodurch er einigen Einfluss auf den Fortgang der Untersuchung nehmen kann. Nach eigenen Aussagen konnte er das Schicksal von mindestens 10 Dekabristen mildern, denn die Mitglieder der UK waren mit der 93 Fülle an Aussagen etc. total überfordert und mussten sich auf das verlassen, was ihnen Borowkow mit seinem Arbeitsteam an Unterlagen vorbereitete. Sein Einschreiten gegen die Kategorisierung M.S. Lunins in Kategorie II, die er für unbegründet und zu hoch hielt, blieb leider ohne Wirkung auf die Kommission. Er verfasste das sog. Borowko-Alphabet (es enthält 579 Namen), das noch immer eine der Grundlagen zur Dekabristenforschung und damit auch für die vorliegende Publikation ist. 1840 wird er Senator und scheidet 1846 aus dem Staatsdienst, da ihm Verschwendung von Geldern vorgeworfen wurde. Vor 1825 gehörte er zu den Gründern der „Freien Gesellschaft für Liebhaber der russischen Sprache“. Er hatte fünf Kinder, von denen es sein Sohn Nikolai (1836-1905) bis zum General schaffte. B. ist Autor von „Autobiographischen Notizen“, die 1898 erstmalig erschienen. von der Briggen, Alexander Fedorowitsch (1792 – 1859) Oberst a.D. Sein Vater, Friedrich-Ernst von der Briggen, starb bereits im Jahr 1787. Bevor das Taufkind Derzhawins am 14. Dezember 1808 als Fahnenjunker in die Leibgarde des Ismailow-Regiments eintrat, vollzog sich seine Erziehung vornehmlich an der deutschen Peterschule von St. Petersburg sowie unter Obhut Prof. Raupachs an der Pension Meier. Außerdem hörte er Vorlesungen zur Politischen Ökonomie bei Prof. German. Nach den Befreiungskriegen, in denen er sich seit Borodino auszeichnen konnte (div. Tapferkeitsauszeichnungen, Wladimirorden 4. Klasse am Band, preußisches Eisernes Kreuz) und bei denen er auch verletzt wurde, ist er Hauptmann, wird am 3. Mai 1820 zum Oberst befördert und am 7. September 1821 aus gesundheitlichen Gründen von der Armee entlassen. Fortan lebt er in Ponurowka, Gouv. Tschernigow. Er ist seit 1817 Mitglied der 94 „Freimaurerloge Petris zur Wahrheit“ und heiratet Sofia Michailowna Miklaschewskaja, die Tochter des Gouverneurs von Jekaterinoslaw Michail Pawlowitsch Miklaszewskij. Mitglied des Wohlfahrtsbundes und des Nordbundes seit 1818 Als Mitglied des Nordbundes kommt er der Bitte Pestels nach, die Verbindung zwischen Nord- und Südbund aufrecht zu erhalten. Der Befehl zu seiner Verhaftung ergeht am 03. Januar 1826, und am 10. 1. 1826 wird er im Haus seines Schwiegervaters in Beresowka verhaftet, am 17. 01. auf die Hauptwache in St. Petersburg gebracht. Am nächsten Tag sitzt er in Zelle 17 der Trubetzkoi-Batstion der Peter-Pauls-Festung. Die Verurteilung erfolgt per Erlass vom 22. 8. 1826 nach Kategorie VII zu 1 Jahr Zwangsarbeit mit anschließender Ansiedlung, und am 15. Februar 1827 bricht er nach Sibirien auf, erreicht er das Gefängnis von Tschita am 15.4.1827. Nach verbüßter Zwangsarbeit wird er in Pelym angesiedelt (Gouv. Tobolsk) und die Ehe wird annulliert. Erst 1836 gelingt es ihm, nach Kurgan umzuziehen und dort in der Kanzlei des Kreisgerichts zu arbeiten. Ein neues Familienglück scheint sich aufzutun. Als er aber die regionalen Machtorgane beschuldigt, beim Mord an dem Bauern M.E. Wlassow Beihilfe geleistet zu haben, gerät er wieder in den Fokus von Ermittlungen, wird im Juni 1850 wegen angeblicher Inkompetenz als Beisitzer an das Kreisgericht von Turinsk versetzt und im Dezember 1853 vom Gouvernementssekretär zum Kollegialsekretär befördert. Im März 1855 darf er wieder zurück nach Kurgan, wird 1856 zum Titularrat befördert und nach der Amnestie (26.8.1856) mit einer jährlichen Pension von 285 Rubeln aus dem Dienst entlassen. Die Beobachtung über ihn wird aufrecht erhalten. Er darf auch weiterhin nicht in einer der Hauptstädte leben, ab 24.10.1857 aber bei seiner Tochter Ljuba aus erster Ehe (verheiratet mit dem StabsRittmeister der Leibgarde des Ulanenregiments Wassilij W. Gerbel) in Peterhof, wo er am 20.7. 1858 eintrifft. Das Tragen seiner 95 Medaillen aus den Befreiungskriegen wird ihm auch wieder erlaubt. Er kommt aber nicht allein, sondern bringt seinen zehnjährigen Sohn Nikolai aus zweiter Ehe mit (der einzige noch lebende Sohn aus der bürgerlichen Ehe mit der Sibirjakin Alexandra Tichonowna Tomnikowa). Ein Jahr darauf stirbt er und es wird angenommen, dass sich fortan N.I. Turgenjew um die Erziehung des Sohnes kümmerte. Seine sibirischen Töchter Katherina und Maria heiraten beide einen Lehrer. Aus erster Ehe stammen noch ein Sohn Michail (geb. 1822), der nach dem Tod des Vaters Kreispolizeichef von Gluchowskoje ist und weitere zwei Töchter, die wie Ljuba am Smolny-Institut erzogen wurden (Maria, geb. 1821 und Anastasia, geb. 1824). Broke, Alexei Alexandrowitsch (1802 – 1871) Oberleutnant der Leibgarde des Moskauer Regiments Er stammt aus einem St. Petersburger Adelsgeschlecht (die Mutter war in 2. Ehe eine Smirnowa), trat im Jahr 1818 als Fähnrichanwärter bei der Leibgarde des Moskauer Regiments ein und schaffte es bis 1.1.1825 zum Oberleutnant, kommandierte zeitweise die 2. Füsilierkompanie. Obwohl kein Mitglied des Geheimbundes, machte man ihm zum Vorwurf, dass er am 13. 12. 1825 bei einer Besprechung im Haus von D.A. Stschepin-Rostowskij zugegen war und die Soldaten des Moskauer Regiments dazu aufforderte, sich nicht auf Nikolai I. vereidigen zu lassen. Seine Bestrafung war die Versetzung in den Kaukasus mit der Auflage, monatlich über sein Verhalten zu berichten. Er nimmt im Mingrelischen Inf.-Rgt. am russ.-türkischen Krieg von 1828-29 teil, erleidet beim Sturm auf die adsharische Feste Zichidsiri am 17.9. 1829 gefährliche Quetschungen und wird am 15.2. 1833 vom Armeedienst freigestellt. Ab 1838 darf er auf dem Gut seiner Mutter leben und in die Hautstadt reisen. Die 96 Beobachtung wird ebenfalls eingestellt. Seine Kandidatur zur Wahl für den Adelsvorstand wird allerdings abgelehnt, weshalb er erst nach der Amnestie als Deputierter der Adelsversammlung des Kreises Neuladoga amtieren kann (Genehmigung per 19.3.1857). Bulatow, Alexander Michailowitsch (1793 – 1826) Oberst, Kommandeur des 12. Jägerregiments Sohn des Generalleutnants Michail Leontjewitsch Bulatow (17601825). Nach dem Tod der Mutter wird er bei Verwandten und im 1. Kadettenkorps erzogen (gemeinsam mit K. Rylejew!). Er beginnt seine militärische Karriere im Grenadierregiment der Leibgarde, dient sich dann im Jägerregiment bis zum Oberst empor und nimmt am Vaterländischen Krieg wie auch an den Auslandsfeldzügen teil, bei denen er am Bein, am rechten Arm und im Gesicht ziemlich schwer verwundet wird. Auszeichnungen: Wladimir-Orden am Band 4. Klasse (für die Schlacht bei Bautzen), Annen-Orden 2. Klasse und goldener Degen als Tapferkeitssymbol (Einnahme von Paris). Kaum heimgekehrt, heiratet er Elisaweta Iwanowna Melnikow, die ihm zwei Töchter schenkt; und ab 1823 ist er Kommandeur des 12. 97 Jägerregiments in Kerensk /Gouv. Pensa. Nach dem frühen und plötzlichen Tod der geliebten Frau (23.6.1824) sucht er Trost und Ablenkung bei Freunden. Die Freimaurer haben es ihm angetan, wovon ihm sein Vater abraten will, als er ihn von Omsk kommend besucht. Der Vater stirbt im Mai 1825. Nach all diesen Schicksalsschlägen nimmt Alexander Michailowitsch für drei Monate Urlaub, besucht seine Brüder und trifft deshalb erst am 01. Dezember 1825 wieder in Petersburg ein. Dies berichtet sein Stiefbruder Alexander. Exakt am 09. Dezember 1825 wird Oberst A.M. Bulatow von Rylejew im Nordbund als Mitglied aufgenommen und am Vorabend des Aufstands gar zu einem der militärischen Führer gewählt. Er war Teilnehmer des Aufstandes vom 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz. Nach der Niederschlagung des Aufstandes erscheint er am Abend des 14. Dezember im Winterpalais, übergibt dem Kommandanten der Wache seinen Säbel und lässt sich verhaften. Die Umstände seines Verhörs, wie sie Baron Rosen in seinen Erinnerungen beschreibt, werden vom Stiefbruder heftig bestritten, denn nach seiner und Jakuschkins Aussage wurde A.M. Bulatow in den Kasematten der Peter-Pauls-Festung eingekerkert und nicht, wie es übrigens auch im Borowkow-Alphabet steht, im Haus des Festungskommandanten untergebracht. Am 18. Januar wird er gegen 22:00 Uhr in das Militärkrankenhaus der Landstreitkräfte eingewiesen, wo er am nächsten Tag (nach drei Tagen seelischer Pein – wie sich Pater Myslowskij ausdrückte) stirbt. Bulgari, Andrei Jurjewitsch Graf, Onkel 2. Grades von N.J. Bulgari Er wird am 27. Dezember 1825 im Haus des Grafen J.N. Bulgari in Odessa verhaftet, weil während der Untersuchungen bis zum 98 19.12. 1825 festgestellt wurde, dass er – wie auch weitere Mitglieder seiner Familie von der Existenz eines Geheimbundes der Dekabristen definitiv wusste. Erst während der Untersuchungshaft stellt sich heraus, dass er nicht Mitglied der Geheimgesellschaft war. Am 9. Januar trifft er mit seinem Feldjäger in St. Petersburg ein, wird zur Hauptwache überstellt und am 10. Januar 1826 in ein Militärhospital eingewiesen. Auf allerhöchste Weisung vom 12. 07. 1826 wird er des Landes verwiesen, am 13. 7. nach Kronstadt verlegt und hier am 28. September auf ein Schiff verbracht, das nach Ruan in See sticht. Bulgari, Nikolai Jakowlewitsch (1805 – 1841) Graf, Oberleutnant des Kürassierregiments Seine Familie zählt zum Adel des Gouvernements von St. Petersburg. Eine der Folgen ist, dass er am 01. 08. 1809 im Pagenkorps eingeschrieben wird; die dortige Schule besucht er aber nicht, sondern darf zu Hause lernen, wohl deshalb, weil er auch noch an den Pensionen von Pastor Kollenz und Baron Schabo Unterricht nimmt. Im Frühjahr 1823 legt er das Examen zum Kornett ab, tritt am 20. 4. in das Kürassierregiment ein und wird am 06. April 1824 zum Oberleutnant befördert Er war Mitglied des Südbundes (1825) Seine Verhaftung erfolgt am 27. Dezember 1825 im Haus des Vaters in Odessa aufgrund des Befehls vom 19. 12. 1825. Am 10. Januar 1826 sitzt er bereits in Zelle Nr. 6 der Trubetzkoi-Bastion (Peter-Pauls-Festung), wo er „zur weiteren Untersuchung gut untergebracht werden soll.“ Verurteilt wird er nach Kategorie VII, aufgrund seiner Jugend per 10.7. 1826 zu 2 Jahren Festungsarbeit, was einen Monat später auf ein Jahr gekürzt wird, und in die Festung von Dinaburg gebracht. Am 3. Oktober 1827 wird er zum Jägerregiment nach Finnland 99 versetzt und im Mai 1828 – aufgrund der Bitte seiner Mutter – zur Reiterei der aktiven Armee des Jägerregiments von Sewersk. Von 1829-32 schafft er es wieder bis zum Fähnrich und wird am 28.12. 1832 zum Tschugujewer Ulanenregiment versetzt, wo sich bis Juni 1834 zum Oberleutnant hinauf dient. Im Januer 1835 nimmt er seinen Abschied von der Armee, um als Übersetzer beim Zoll von Kertsch zu arbeiten. Er wirkt bis 1836 unter dem Stadtkommandanten Chercheluidse und lebt ab 1839 in Reval. Bulgari, Spiridon Nikolajewitsch (ab 1799 – nach 1850) Graf, Oberleutnant a.D. (Onkel N.J. Bulgaris), Onkel des Vorgenannten Sohn des auf Korfu geborenen Tatsächlichen Staatsrates Graf Nikolai Markowitsch Bulgari und erzogen im elterlichen Haus. Die militärische Karriere begann 1816 bei den Ulanen in der Ukraine und endete am 2.12 1821 aus gesundheitlichen Gründen als Oberleutnant. Mitglied des griechischen Geheimbundes „Philiki Etreia“ Er wurde am 27. Dezember in Odessa im Haus seines Bruders verhaftet, den man drei Tage zuvor in Charkow unter Arrest gestellt hatte. Sein Vergehen bestand darin, von der Existenz des Geheimbundes der Dekabristen gewusst zu haben. Am 8. Januar traf er in St. Petersburg bei der Hauptwache ein und wurde am folgenden Tag „unter etwas besseren Bedingungen“ in die Zelle Nr. 1 der Trubetzkoi-Bastion der Peter-Pauls-Festung verbracht, „da er allem Anschein nach unschuldig scheint, nichts desto trotz aber in Eisen zu legen und unter strenger Aufsicht zu halten ist.“ Am 03. April wird er in Zelle Nr. 12 verlegt und am 15. August - nach Kronstadt. Von hier aus wird er mit einem französischen Kauffahrtsschiff am 28. September 1826 nach Ruan ausgeschifft. 100 All dies geschieht auf Anordnung vom 15. 06. 1826 mit dem Verbot der Rückkehr nach Russland - weil er den Herrscher angelogen hatte. Anschließend lebt er auf Korfu. Sein Gesuch im Juni 1850, Russland aus familiären Angelegenheit besuchen zu dürfen, wird abgelehnt. Nikolai vergisst nichts. Bulgari, Jakow Nikolajewitsch (gest. 04. 08. 1828) Graf, Tatsächlicher Staatsrat, Bruder des Vorgenannten und Vater von N.J. Bulgari Mitglied des griechischen Geheimbundes „Philiki Etria“ Der Befehl zur Verhaftung des Oberstleutnant der Ionischen Inseln a.D. erging am 19. 12. 1825 aufgrund seiner Bekanntschaft mit F.F. Wadkowskij. Zuvor – im April 1825 – war er schon einmal in Untersuchungshaft, das geschah, um seine Mitwirkung am Aufstand Ypsilantis abzuklären. Es konnte ihm aber nichts nachgewiesen werden, auch keine Mitgliedschaft in einem der anderen Geheimbünde. Dennoch saß er vom 01. bis zum 16. Januar 1826 in der Peter-Pauls-Festung „unter strengem Arrest“(!) ein und wurde nur unter der Bedingung entlassen, sich nicht aus der Stadt zu begeben, solange die Untersuchungen zum Aufstand des 14. Dezember 1825 noch laufen. Erst am 9. Juni bekam er die schriftliche Unschuldsbestätigung und durfte sich nach Erstatten der Spesen wieder nach Hause begeben. Burzow (Burzew), Iwan Grigorjewitsch (04.12.1795 – 23.07.1829) Oberst, Kommandeur des Ukrainischen Inf.-Regiments 101 Ende der Leseprobe von: Dekabristenlexikon - Die Dekabristen von A-Z Joachim Winsmann, Joachim Winsmann, Joachim Winsmann Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das komplette Buch können Sie bestellen unter: http://epub.li/1KeroUe
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