mit Detailberichten: • Fleischverarbeitung • Milchverarbeitung • Backwarenerzeugung • Getränkeindustrie Oktober 2015 BranchenBericht Lebensmittel- und Getränkeerzeugung BANK AUSTRIA ECONOMICS & MARKET ANALYSIS AUSTRIA Branchenberichte - Rückblick • • • • März 2015: Werbung April 2015: Gütertransport, Speditionen Mai 2015: Personentransport Juli: 2015: Freie Berufe Branchenberichte - Vorschau • November 2015: Bau Autor: Günter Wolf Impressum Herausgeber, Verleger, Medieninhaber: UniCredit Bank Austria AG Economics & Market Analysis Austria Schottengasse 6-8 1010 Wien Telefon +43 (0)50505-41952 Fax +43 (0)50505-41050 E-Mail: [email protected] Stand: Oktober 2015 Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Zusammenfassung Zusammenfassung ■ Lebensmittelerzeugung: 3.500 Betriebe, rd. 70.000 Beschäftigte, 16,4 Mrd. € Umsatz Das relativ kleinbetrieblich organisierte Industrieschwergewicht konnte sich erfolgreich restrukturieren. Für die Lebensmittelhersteller wird es aber immer schwieriger, die Produktivität und Konkurrenzfähigkeit weiter zu verbessern. Die Branche leidet unter einem hohen Preis- und Kostendruck, nicht nur, weil die Marktmacht der Einzelhändler sehr oft ihren Preissetzungsspielraum einengt. (Seite 4ff) Die hohe Unternehmenskonzentration im heimischen Lebensmittelhandel dürfte für das hohe Lebensmittelpreisniveau in Österreich wesentlich verantwortlich sein. Von 2010 bis 2014 wurden Lebensmittel in Österreich um durchschnittlich 3,2 % im Jahr teurer, in Deutschland um 2,7 % und in der EU19 um 1,9 %. (Seite 7) Österreichs Außenhandelsbilanz mit Lebensmittel verschlechtert sich: Seit 2009 können die Exportüberschüsse mit Milch- und Fleischprodukten das Defizit mit Gemüse-, Gewürzund Fischimporten nicht mehr ausgleichen. Wichtige Erfolgsfaktoren, die Nachfrage aus Osteuropa und die Steigerung der Produktqualitäten, verlieren an Zugkraft. (Seite 8f) ■ Konjunktur: Lebensmittelproduktion 2014 +1,3 %, Umsatz -0,2 % Bis Juli 2015 legte die Branchenproduktion um knapp 2 % zu, die Erzeugerpreise sind gesunken und der Umsatz stagnierte. Dem pessimistischen Verbrauchervertrauen, stagnierenden Haushaltseinkommen und rückläufigen Lebensmittelexporten entsprechend, wird die Branche 2015 das Produktionsergebnis 2014 nicht übertreffen; erst 2016 kann auf Basis einer stärkeren In- und Auslandsnachfrage der langfristige Wachstumspfad von durchschnittlich 2 % im Jahr wieder erreicht werden. (Seite 9f) ■ Perspektiven Veränderungen in der Demografie und den Ernährungsgewohnheiten dämpfen die Lebensmittelnachfrage im In- und Ausland. Österreichs Lebensmittelindustrie wird wahrscheinlich weiter von Nachfragezuwächsen in Osteuropa profitieren und einzelne Unternehmen, nicht nur der Getränkeindustrie, in außereuropäischen Märkten reüssieren. Stärkere Wachstumsimpulse kann die Branche aber nicht erwarten. (Seite 12f) ■ Fleischverarbeitung: 950 Betriebe, 17.000 Beschäftigte, 4,5 Mrd. € Umsatz Den Fleischmarkt prägen eine stagnierende Nachfrage und der hohe Preisdruck. Zudem haben die Verarbeiter im Spartendurchschnitt wenig Spielraum, um Produktqualitäten anzuheben und ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. (Seite 14f) ■ Milchverarbeitung Der Pro-Kopf-Verbrauch von Molkereiprodukten im Inland wächst seit Jahren nur mehr schwach. Im Lebensmittelhandel sinkt der Absatz, wobei die Milchverarbeiter die Einbußen noch über Preissteigerungen und auf Auslandsmärkten kompensieren können. (Seite 16f) ■ Backwarenerzeugung: 1.800 Betriebe, 30.000 Arbeitnehmer, 2,5 Mrd. € Umsatz Konsumbefragungen zeigen, dass der individuelle Bäcker weiter an Bedeutung verliert und Produkte aus industriell gefertigten Teiglingen erfolgreich bleiben. (Seite 18) ■ Getränkeindustrie: 360 Unternehmen, 8.900 Arbeitnehmer, 5,5 Mrd. € Umsatz Zur Getränkebilanz zählen noch Fruchtsäfte im Wert von 900 Mio. €. Die Getränkeindustrie wächst seit Jahren etwas rascher als die Lebensmittelindustrie, ist allerdings ebensowenig eine Wachstumssparte und vielfach mit gesättigten Märkten konfrontiert. (Seite 19) Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 3 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Branchenstruktur 1. Branchenstruktur Herstellung von Lebensmittel und Getränken Lebensmittel 2014 2004-14 NACE 10, 11 Unternehmen Beschäftigte 2 1 2 Umsatz , in Mrd.€ Getränke z.Vgl. Industrie 2014 2004-14 2004-14 3.500 -20% 360 19% 0% 69.700 4% 8.700 -6% 0% 16,4 33% 5,3 42% 29% 1) 2013 2) Veränderungen 2004-2014 laut Konjunkturstatistik Q.: Statistik Austria; Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Eine große, kleinbetrieblich strukturierte Industriebranche Die Lebensmittelerzeugung trägt 11 % zur Industriebeschäftigung und 7,5 % zur Sektorwertschöpfung bei, die Getränkeindustrie 1,5 % respektive 2,6 %. Der höhere Wertschöpfungsanteil im Vergleich zum Beschäftigtenanteil der Getränkeindustrie erklärt sich mit dem hohen Automatisierungsgrad in der Produktion, der unter anderem die relativ großbetriebliche Struktur der Sparte verantwortet, mit einem Umsatz von durchschnittlich 14 Mio. € pro Betrieb, im Vergleich zu 5 Mio. € in der Lebensmittelerzeugung. Der Großteil der Lebensmittelerzeuger sind kleinere Gewerbebetriebe, filiallose Bäckereien oder Fleischer, und nur 430 von ihnen Mitglieder des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie. Im EU-Schnitt ist die Lebensmittelerzeugung noch wesentlich kleinbetrieblicher strukturiert; der Anteil der Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten am Branchenumsatz liegt über 6 %, und in einigen großen Märkten, beispielsweise in Frankreich und Italien, sogar bei 10 % bis 12 %, im Vergleich zu 5 % in Österreich. Die EU ist deutlich vor den USA weltweit größter Lebensmittel- und Getränkemarkt, wo rund ein Drittel des gesamten Weltmarktvolumens im Wert von rd. 3.000 Mrd. USD generiert wird. Dennoch finden sich in der globalen Top-10-Liste der Nahrungsmittel- und Getränkeerzeugung nur drei europäische Konzerne, aber sechs US-Firmen. Österreichische Unternehmen sind mit Ausnahme von Red Bull auch nicht unter den europäischen Top-20, vermutlich aufgrund des kleinen Heimmarktes. Restrukturierungserfolge erreichen Wachstumsgrenze Die Übernahme des EU-Handelsregimes löste in der heimischen Lebensmittelerzeugung, vor allem in den agrarnahen Sparten, ein massives Betriebssterben aus. Noch in den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Unternehmen um ein Fünftel gesunken (während zahlreiche neue Getränkehersteller auf den Markt gekommen sind, angetrieben von der Marktliberalisierung und Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 4 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Branchenstruktur dem Ende des Alkoholmonopols 2000). Zudem ist in der Branche, die bis zum EU-Beitritt eine der bestverdienenden Industriebranchen war, der Preis- und Kostendruck massiv gestiegen. Mit den Restrukturierungmaßnahmen haben sich die Produktivität und die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Lebensmittelerzeuger verbessert. Parallel dazu verbuchte die Branche im internationalen Vergleich einen erheblichen Wachstumsvorsprung, mit einem Produktionsplus von 49 % seit 1996, im Vergleich zu 25 % auf EU-Ebene. Zudem konnten die Unternehmen den Großteil der Ertragseinbußen infolge der Preisrückgänge nach dem EU-Beitritt ausgleichen. Marktanteilsverluste waren dennoch unvermeidlich, vor allem in den agrarnahen Sparten, wie der Fleisch- und Milchverarbeitung, die vielfach zum ersten Mal unter Wettbewerbsbedingungen arbeiteten. Einen Teil ihres Wachstumsvorsprungs hat die heimische Lebensmittelerzeugung im langfristigen Vergleich wieder eingebüßt. Die schwächere Produktions- und vor allem Produktivitätsentwicklung der letzten Jahre sind ein Hinweis, dass es für die Unternehmen immer schwieriger wird, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern. Sie erzeugen zwar eine überdurchschnittlich wertschöpfungsintensive und konkurrenzfähige Produktpalette, gemessen an der Wertschöpfung von 54.000 Euro pro Beschäftigten im Vergleich zu 45.000 Euro im EU-Schnitt. Allerdings entscheidet über die Konkurrenzfähigkeit der Produkte auch die Kostenbelastung; aufgrund der relativ hohen Arbeitskosten in Österreich liegt die Produktivität der heimischen Lebensmittelerzeugung lohnbereinigt um etwa 8 % unter dem europäischen Vergleichswert. Im Jahresdurchschnitt stagniert die Branchenproduktivität seit 2007, während die Lohnkosten um durchschnittlich 3 % im Jahr gestiegen sind (Tabelle S. 10). Preisdruck … In der Nahrungsmittelerzeugung sind kleine Unternehmensgrößen nicht unbedingt ein Wettbewerbsnachteil, da individuelle Essgewohnheiten und regionale Geschmacksnoten den Herstellern einen großen Spielraum geben (die regionale Spezialisierung erklärt zusätzlich zur langsamen Liberalisierung der globalen Lebensmittelmärkte auch die niedrige Exportquote von etwa 33 %, im Vergleich zum Industrieschnitt von 59 %). Die Struktur wird dann zum Nachteil, wenn sie den Preissetzungsspielraum der Betriebe im Vergleich zu marktmächtigeren Unternehmen beeinträchtigt und damit ihr Ertragspotenzial und die Finanzierungsmöglichkeiten. Die Erzeugerpreise der Lebensmittelindustrie sind in den letzten zehn Jahren deutlich langsamer als die Preise für die wichtigsten landwirtschaftlichen Güter gestiegen (von 2004 bis 2014 um 22 %, während Rindfleisch ab Schlachthof um insgesamt 43 % teurer wurde und Weizen je nach Qualität um durchschnittlich 100 %). Auch der Lebensmittelgroßhandel erzielt seit Jahren höhere Preissteigerungen als die Hersteller (seit 2004 insgesamt 30 %). Top-10 Lebensmittel- u. Getränkekonzerne Konzernumsatz 2013/2014 Mrd. $ Österreichs Top-10 Lebensmittel- und Getränkeerzeuger Konzernumsatz 2013/2014 Mio. € Marken bzw. Beteiligungen; so. Infos Cargill 120 USA Red Bull GmbH 2.663 Absatz: 5,6 Mrd. Dosen Nestle 100 CH Agrana Beteiligungs AG 2.490 Südzucker AG, Raiffeisen Archer Daniels Midland 81 USA Leipnik Lundenburger 1.007 Finis Feinstes, Farina; Vending Heiß getränke u.a. Berglandmilch 905 Schärdinger, Desserta, fidus Pepsico 67 USA Unilever 64 NL/GB Vivatis 848 Landhof, Maresi, Inzersdorfer, Gourmet JBS 51 Bras Rauch 809 Fruchtsäfte, Brauerei Fohrenburg Anheuser-Busch 47 B 667 Gösser, Puntigamer, Schwechater, Pago u.a. Coca Cola 46 USA Marcher Norbert 378 Schlacht- und Fleischzerlegeunternehmen Tyson 38 USA NÖM AG 340 fru-fru, Waldviertler u. a. Mondelez International 34 USA Coca-Cola HBC Austria 335 Coca-Cola, Fanta, Römerquelle, Nestea, Cappy u.a. Q.: FoodEngineering, Unternehmens-Homepages Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Brau Union 1 1 Heineken Tochter; 2008 hielt die Brau-Union 49 % vom österreichischen Biermarkt gefolgt von Stiegl und Ottakringer. Q.: Unternehmens-Homepages, Trend Top-500; Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 5 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Branchenstruktur … steigt mit der Marktmacht des Lebensmittelhandels Im Vergleich zu den Agrarpreisen und den Großhandelspreisen sind die Verbraucherpreise für Lebensmittel in Österreich langfristig deutlich rascher gestiegen, in den letzten zehn Jahren auch rascher als die Preise für Lebensmittelimporte (um 31 % im Vergleich zu 22 %). Die Entwicklung lässt den Schluss zu, dass der Lebensmitteleinzelhandel Preissteigerungen im Einkauf großteils an die Konsumenten weitergeben konnte. Hintergrund davon dürfte die Marktmacht der Einzelhändler auf Basis der hohen Unternehmenskonzentration in dem Segment sein. < Der Marktanteil der größten 5 Lebensmittelhändler am Branchenumsatz in Österreich von 70 % liegt nur in Nordeuropa und Belgien höher (z. Vgl. in Deutschland 63 %; Q.: Metro). < Die Supermarktdichte in Österreich zählt zu den höchsten Europas und wächst (Zahl der Läden >400m² Fläche je 1 Mio. Einwohner: 442, z. Vgl. Deutschland 342, Frankreich 196). < Unter den Top-25-Unternehmen Österreichs sind drei Lebensmittelhändler und nur ein Lebensmittelhersteller gelistet (Red Bull neben Rewe, Spar und Hofer). Die hohe Unternehmenskonzentration ist sicher kein hinreichender Grund, um auf Marktmissbrauch zu schließen, zeigt aber, wie ungleich die Marktmacht im österreichischen Lebensmittelmarkt zwischen Produzenten und Händlern verteilt ist. Für viele Hersteller ist der großflächige Lebensmitteleinzelhandel ein unverzichtbarer Absatzweg, über den mengenmäßig 84 % vom Fleisch vertrieben werden (2000: 66 %), 84 % der Wurstwaren (80 %), 89 % der Frischmilch (83 %) und 96 % vom Käse (91 %). Ein Kunde in dem Segment kann kaum ersetzt werden, weder im Export noch auf anderen Absatzwegen, wie der Gastronomie. Die angespannte Marktstruktur spiegelt sich in der Zahl der Wettbewerbsverfahren; seit Gründung der Bundeswettbewerbsbehörde 2002 waren von insgesamt 57 verhängten Geldbußen für Kartellabsprachen und Marktmissbrauch 24 Lebensmittelhändler und -hersteller betroffen. Ein weiterer Aspekt, der den Preisdruck bei Lebensmittel verschärft und indirekt die Konzentrationstendenzen und die Marktmacht der Einzelhändler stärkt, ist das hohe „Preisbewusstsein“ österreichischer Konsumenten. Der Preis ist zwar als kaufentscheidendes Kriterium beim Lebensmitteleinkauf hinter die „Frische der Waren“ gerückt, liegt aber weiterhin deutlich vor der Qualität und der regionalen Herkunft der Waren (Q.: RollAMA). … und verschärft den Ertragsdruck Die Entwicklung der Cash-flow-Quote für Industrie zeigt, dass sich die Ertragslage der Lebensmittelerzeugung auch in Jahren mit steigenden Erzeugerpreisen nicht verbesserte. Mit dem Verfall der Lebensmittelpreise im Vorfeld des EU-Beitritts ist der Branchen-Cash-Flow um durchschnittlich 4 Prozentpunkte auf knapp 8 % vom Umsatz gefallen. In den folgenden zwei Jahrzehnten bewegte sich die Quote in einem relativ engen Korridor zwischen 5 % und 7 % und ist in den letzten drei Jahren sogar deutlich unter die 6-%-Marke gerutscht. Überdurchschnittlich gute Ergebnisse bleiben auf Sparten mit einer relativ hohen Unternehmenskonzentration und der Möglichkeit, Skalenerträge zu lukrieren, beschränkt; diese sind vor allem im Bereich Backwaren (C-F-Quote 2014 8,2 %) oder in der Bierindustrie zu finden (C-F-Quote 13,7 %; Q.: KMFA). Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 6 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Exkurs: Teure Lebensmittel Exkurs: Teure Lebensmittel in Österreich Im internationalen Vergleich sind die Lebensmittelpreise in Österreich in den letzten Jahren relativ rasch gestiegen. Die Preisentwicklung, die bis 2010 in etwa dem westeuropäischen Durchschnitt folgte, hat sich ab 2011 deutlich nach oben abgekoppelt. Zwischen 2011 und 2014 sind die Lebensmittelpreise in Österreich um 3,2 % im Jahr gestiegen, in Deutschland um 2,7 % und in der EU28 um 2,2 %. Die relativ hohen Preissteigerungen der letzten Jahre wurden in erster Linie bei Milch und Milchprodukten und bei Fleischwaren verzeichnet (wobei der Anteil der Produktgruppen am Lebensmittelwarenkorb, wie er für die Verbraucherpreiserhebungen verwendet wird, rund 38 % beträgt). Die im internationalen Vergleich relativ starke Belastung österreichischer Haushalte durch die Lebensmittelpreise kommt im Vergleich der Preisniveauindizes für die Produktgruppe besser zum Ausdruck (der Indikator zeigt das Preisniveau von Gütern und Dienstleistungen in einem EU-Land zu Kaufkraftparitäten und einheitlichen Wechselkursen gerechnet, in Relation zum EUDurchschnitt). Demnach ist in Österreich fast das gesamte Güterbündel Lebensmittel teurer als in anderen westeuropäischen Ländern. Ein „durchschnittliches“ Preisniveau erreichen nur Milch und Milchprodukte und alkoholische Getränke. Die Preisunterschiede haben vielfältige Ursachen: Transportkosten oder unterschiedliche Mehrwertsteuersätze beispielsweise, in erster Linie aber Preisdifferenzierungen der Händler. Die wiederum basieren auf länderweisen Unterschieden in der Unternehmenskonzentration im Lebensmittelhandel, der Verteilung der Marktmacht zwischen Einzelhandel und Herstellern, Unterschieden im Konsumverhalten und den lokalen Kosten. Auf Österreich bezogen ist die hohe Handelskonzentration vermutlich entscheidend für das relativ hohe Preisniveau (Q.: Grocery Prices in the Euro Area, ECB, 2015). Nicht zuletzt ist in drei der vier Länder mit den höchsten Lebensmittelpreisen Europas, in Norwegen, Dänemark und Österreich, auch die Supermarktdichte am höchsten (Q.: Nielsen). Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 7 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Branchenstruktur: Außenhandel Außenhandelsrechnung verschlechtert sich Der exportorientierte Teil der Lebensmittelerzeugung arbeitete langfristig erfolgreicher als die Gesamtbranche und hat wesentlich zum Branchenwachstum beigetragen: Von 2004 bis 2014 ist der Branchenumsatz um 3,5 Mrd. € gestiegen, die Lebensmittelexporte aus Österreich um 3,9 Mrd. € (inklusive Agrarrohstoffe, ohne Getränke) und ihr Anteil am Branchenumsatz von 33 % auf 45 %. Bis 2009 hat sich Österreichs traditionell negative Außenhandelsrechnung mit Lebensmitteln verbessert und ist danach wieder tiefer ins Minus gerutscht. Die weiter wachsenden Exportüberschüsse mit Milch- und Fleischwaren konnten die Importzuwächse mit Gemüse, Gewürzen und Fischen nicht ausgleichen. Wettbewerbsrelevant sind davon aber nur Gemüse, Früchte beziehungsweise Produktverarbeitungen daraus, da Gewürze und Fisch überwiegend importiert werden. Zudem blieb die Außenhandelsrechnung bei Gemüsezubereitungen unverändert, weshalb eine nennenswerte Konkurrenzverschärfung auch in diesem Segment ausgeschlossen werden kann. Letztendlich dürften die höheren Importzuwächse die Folge der gestiegenen Inlandsnachfrage nach Obst und Gemüse sein, die nicht mehr durch eigene Produktionen gedeckt werden kann. Erfolgsfaktoren verlieren ihre Zugkraft: die Nachfrage aus Osteuropa … Die Exporterfolge der heimischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie beruhten auf einem konkurrenzfähigen Angebot, auf offenen Märkten und einer zunehmend „globalisierten Nachfrage“, das heißt, standardisierte Produkte und Geschmäcker. Auch wenn die Lebensmittelindustrie einen Teil ihrer regionalen Verankerung verloren hat, werden Nahrungsmittel großteils noch im engen regionalen Rahmen gehandelt: mehr als die Hälfte der österreichischen Lebensmittelexporte und knapp 30 % der Getränkeexporte werden nach Deutschland und Italien geliefert, weitere 8 % in die Schweiz und von den Exporten in die neuen EU-Mitgliedsstaaten, das sind 15 % der Gesamtexporte, gehen zwei Drittel in die Nachbarländer Ungarn, Slowenien und Tschechien. Außereuropäische Märkte haben in Summe wenig Bedeutung, sind aber für einzelne Hersteller nicht zu vernachlässigen; beispielsweise sind die USA wichtigster Abnehmer heimischer Energydrinks (2014 wurden in die USA Lebensmittel im Wert von 44 Mio. € und alkoholfreie Getränke im Wert von 400 Mio. € exportiert). Österreichs Lebensmittelerzeuger profitierten überdurchschnittlich von der Osterweiterung; ihre Exporte in die neuen Mitgliedsländer sind von 2004 bis 2014 um durchschnittlich 13 % im Jahr und damit doppelt so rasch wie in die EU15 gestiegen. Der Anteil der NMS10 am gesam- Nahrungs- und Genussmittelaußenhandel Exporte 2014 90-1994 94-2012 Mio. € Ø Vdg. p.a. Importe 2013 2014 1-6 15 Vdg. z. Vorjahr 2014 90-1994 94-2012 Mio. € ØVdg. p.a. Bilanz 2013 2014 1-6 15 Vdg. z. Vorjahr 2014 Mio. € Fleisch und -waren 1.503 -3% 13% 3% 3% -4% 1.174 -2% 14% 1% 8% -4% Getreide, -erzeugnisse 1.208 0% 10% 6% 3% -1% 1.217 12% 9% 12% 2% 0% -9 Molkereierzeugnisse 1.207 0% 12% 7% 6% -2% 864 12% 9% 3% 9% -6% 344 Gemüse, Früchte 937 10% 9% 5% -2% -1% 1.986 3% 5% 3% 0% 11% -1.049 Andere Nahrungsmittel * 864 6% 14% 5% 6% 1% 763 8% 8% 8% 2% -5% 102 Tierfutter 639 17% 11% 37% 9% 8% 670 -2% 7% 23% 5% 5% -31 Kaffee, Gewürze, Schoko. 594 8% 7% 14% 5% -1% 1.016 4% 5% 1% 7% 10% -422 Zucker, -waren 274 6% 9% -6% 13% -3% 314 6% 7% 2% 1% -6% -41 Lebende Tiere 152 3% 5% -19% 7% -8% 237 -5% 19% 3% -3% 1% -85 33 17% 12% 7% -3% 18% 417 8% 5% 12% 3% 0% -384 Summe: Nahrungsmittel 7.412 4% 11% 7% 4% -1% 8.657 4% 7% 6% 4% 2% -1.245 Getränke 1.680 14% 12% -6% 1% 21% 588 2% 9% 6% 4% -10% 1.092 Fische, Krebstiere * Margarine , Würzsoß e n, etc. Q.: Statistik Austria; Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Bank Austria Economics & Market Analysis Austria 329 Stand: Oktober 2015 Seite 8 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Branchenstruktur: Außenhandel ten Lebensmittel- und Getränkeexport kletterte von 9 % auf 15 %. Zum Teil beruhten die Exporterfolge auf den Versorgungslücken in den Lebensmittelmärkten vor allem im Bereich höher verarbeiteter Waren. Zudem verstärkte der hohe Restrukturierungsbedarf der Lebensmittelerzeugung in den Ländern die Importnachfrage. In den wichtigsten österreichischen Exportmärkten der Region, in Ungarn und Tschechien, ist die Branchenproduktion in den letzten zehn Jahren sogar gesunken. Osteuropa erwies sich nicht nur als dynamische Absatzregion für heimische Lebensmittel, sondern avancierte auch zu einem wichtigen Rohstofflieferanten der Branche. Die Lebensmittelimporte aus den NMS10 sind seit 2014 wertmäßig um 15 % im Jahr gestiegen, wobei die relativ niedrigen Produktwerte pro Mengeneinheit auf ihren niedrigen Verarbeitungsgrad im Vergleich zu den Exporten in die Region hinweisen (vgl. Grafik). Die Zuwächse der Lebensmittelexporte in die Region sind bereits in den letzten Jahren schwächer geworden, die Restrukturierung der Branche in Osteuropa zeigt Erfolge und die Marktsättigung steigt; im Durchschnitt sind die Lebensmittellieferungen in die NMS10 zwischen 2011 und 2014 um 2,5 % im Jahr gestiegen, in die EU15 um 6,4 %. … und die Steigerung der Produktqualitäten Die rasche Zunahme der Außenhandelsströme nach der Marktöffnung beschleunigte die Marktbereinigung in der österreichischen Lebensmittelindustrie. Gleichzeitig wurden die Konkurrenzfähigkeit und die internationale Position der Branche gestärkt, da die Hersteller auf billigere Rohstoffquellen zugreifen konnten und sich spezialisieren mussten. Der Anteil höher verarbeiteter Produkte im Lebensmittelangebot ist deutlich gestiegen und parallel dazu die Exporterfolge der Branche. In diesem Kontext fand auch der Slogan vom „Feinkostladen“ Europas seine Verbreitung. Wie die Entwicklung der Produktwerte im Außenhandel aber zeigt, wächst der Verarbeitungsgrad der heimischen Lebensmittelexporte schon seit Jahren zunehmend langsamer. Darüber hinaus dominieren in zentralen Exportsegmenten unverändert wenig verarbeitete Produkte den Warenkorb, während immer mehr höher verarbeitete Lebensmittel zu höheren Preisen importiert werden. (Beispielsweise liegt der Exportwert von Molkereiprodukten aufgrund des hohen Rohmilchanteils mit durchschnittlich 1 €/kg weit unter dem Importwert von 2,2 €/kg; natürlich gibt die Analyse der Außenhandelswerte nur einen Hinweis auf den Anteil wenig verarbeiteter Produkte und lässt keinesfalls an der hohen Qualität der Agrarrohstoffe aus Österreich zweifeln.) Vorsichtig interpretiert, hat der Qualitätsaspekt im Lebensmittelexport seine Wachstumsgrenzen erreicht. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 9 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Aktuelle Konjunktur 2. Aktuelle Konjunktur 2014: Erzeugerpreisrückgang bremst Umsatzentwicklung Die Lebensmittelproduktion in Österreich hat 2014 an Schwung verloren; nach dem Plus von 3 % 2013 stieg die Produktion nur mehr um 1,3 %. Ein Ergebnis, das zwar über dem Durchschnitt der Jahre nach 2007 lag, aber von rückläufigen Erzeugerpreisen und in weiterer Folge auch von einem leichten Umsatzminus begleitet war; der Branchenumsatz erreichte 2014 rund 16,4 Mrd. €. Die Konjunkturabhängigkeit der Branche ist zwar relativ gering, weshalb die Lebensmittelerzeugung in konjunkturschwachen Jahren zur Wachstumsstabilisierung beiträgt, im Aufschwung allerdings auch nur unterdurchschnittlich von den steigenden Einkommen und dem höheren Konsumwachstum profitiert. Das schwache Ergebnis 2014 war in erster Linie die Folge einer Stagnation der Inlandsnachfrage. In Österreich wurde für Nahrungsmittel, Getränke und Außerhausverpflegung preisbereinigt nicht mehr als 2013 ausgegeben, da die Impulse durch die leicht gestiegenen Haushaltseinkommen von real gesunkenen Tourismuseinnahmen konterkariert wurden. Im Wesentlichen wurde die Branchenkonjunktur 2014 von der Exportnachfrage getragen, wobei die Lebensmittelexporte um 4 %, die Getränkeexporte um 1 % gestiegen sind. Von den größten Warengruppen im Lebensmittelexport sind nur die Ausfuhren von österreichischem Gemüse gesunken, vor allem die Fruchtsaftexporte, die mehr als ein Viertel beziehungsweise 260 Mio. € zur Exportrechnung der Warengruppe beitragen (Tabelle S. 8). Nahrungsmittelerzeugung absolut NACE 10 2 0 14 Veränderungen z. Vorjahr Ø 9 7-0 7 Ø 0 7-12 2 0 13 2 0 14 12 /14 1/15 2 /15 3 /15 4/15 5/15 6/15 7/15 8 /15 9 /15 Aktuelle Konjunktur Beschäftigte, in 1.000 69,7 -0,2% -2,5% 1,2% 1,4% 1,8% 0,9% 0,8% 0,7% 0,5% 0,8% 0,6% 0,7% 1,1% -- Produktion, 2010=100 106 2,6% -0,9% 3,0% 1,3% 5,3% -2,7% 4,6% 4,3% 0,3% -2,0% 5,5% 3,4% -- -- Umsatz, in Mrd. €1 16,4 2,6% 3,3% 4,4% -0,2% 3,9% -3,8% 3,0% 1,5% -3,6% -0,9% -0,9% 0,6% -- -- Produktivität2 -- 2,8% -0,3% 5,7% -0,2% 5,7% 2,4% 0,3% 1,5% 0,0% -- -- -- Erzeugerpreise -- -- 1,8% 2,2% -1,0% -2,3% -2,3% -2,3% -2,0% -1,8% -1,7% -2,2% -1,9% -- -- 1,7 0,9% 2,8% 4,2% 1,8% -- -- -- -- 27,0 17,4 20,5 18,0 3,4 6,6 16,0 Ertragsindikatoren Lohnkosten, Mrd. €3 1,1% 1,2% 5,6% 2,2% 1,2% 4,9% 2,5% 4,0% 5,7% Kurzfristige Aussichten Produktionserwartungen 4 1) Umsatzerlö se lt. Strukturerhebung 2013 ho chgerechnet -4,2 11,3 3) Lo hnko sten (B rutto verdienste inkl. So zialvers. u. A bfertigungen) 16,5 18,2 8,9 -2,2 4) Saldo po sitiver und negativer Unternehmehmereinschätzungen für die nächsten M o nate Q.: Statistik A ustria, HV, Euro stat, B ank A ustria Eco no mics & M arket A nalysis A ustria Bank Austria Economics & Market Analysis Austria -5,1 2) Veränderung der P ro duktio n (Wertschö pfung zu Fakto rko sten) in Relatio n zu den geleisteten A rbeitsstunden Stand: Okto ber 2015 Seite 10 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Aktuelle Konjunktur Keine Wachstumsbeschleunigung 2015 Den Schwung aus den ersten Monaten 2015, der im zweiten Quartal verloren ging, hat die Lebensmittelerzeugung im Sommer wieder zurück gewonnen. Der Optimismus der Unternehmen, die ab Juli wieder mehrheitlich eine Verbesserung der Geschäftslage in den kommenden Monaten erwarten, sind wie die sukzessive leicht steigenden Beschäftigtenzahlen zumindest ein Hinweis auf die relativ stabile Branchenkonjunktur. Allerdings begleiten das Produktionswachstum seit Jahresbeginn rückläufige Erzeugerpreise und damit stagnierende Umsatzergebnisse. Voraussichtlich kann die Lebensmittelproduktion 2015 das Ergebnis vom Vorjahr nicht übertreffen, sollte aber 2016 auf Basis einer stärkeren In- und Auslandsnachfrage ihren langfristigen Wachstumspfad von durchschnittlich 2 % im Jahr wieder erreichen. Die wichtigsten Determinanten der Inlandsnachfrage entwickeln sich uneinheitlich: vom Tourismus kommen positive Signale, insofern als bis zum August um rund 6 % mehr Besucher in Österreich registriert wurden und deren Ausgaben real um etwa 3 % gestiegen sind. Demgegenüber steht der wachsende Pessimismus der heimischen Konsumenten; wobei sich das Verbrauchervertrauen seit dem Sommer 2015 sogar deutlich eintrübte und damit auch die Umsatzentwicklung im Lebensmitteleinzelhandel, der in den ersten sieben Monaten noch ein relativ gutes Ergebnis berichtete, bremste. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte werden 2015 kaum und erst 2016 stärker an Tempo gewinnen. Darüber hinaus sind die Lebensmittelexporte im ersten Halbjahr 2015 um 1 % nominell gesunken, mit Nachfrageeinbußen in allen großen Sparten (Tabelle S. 8). Eine Erholung der Exportnachfrage ist in den nächsten Monaten nicht zu erwarten, da die Unternehmen ihre Exportauftragslage seit Mai zunehmend schlechter und im September ähnlich pessimistisch wie zuletzt in der Krise 2009/2010 beurteilten. Ausfälle im Russlandexport werden ausgeglichen Mit dem Inkrafttreten der EU-Sanktionen gegen Russland im August 2014 hat Russland selbst Importverbote vor allem gegenüber EU-Agrarprodukten und Lebensmitteln erlassen. Der Anteil Russlands an den gesamten österreichischen Lebensmittelexporten ist von knapp 3 % 2013 auf 2 % 2014 und 1,2 % im ersten Halbjahr 2015 gefallen. Ein Teil der Ausfälle konnte rasch in anderen Märkten kompensiert werden. Hervorzuheben sind die überdurchschnittlich hohen Zuwächse der österreichischen Lebensmittelexporte nach Australien und in die USA (Exportanteile im ersten Halbjahr 2015: 0,6 % bzw. 0,8 %) und innerhalb Europas in die Schweiz und die Niederlande (Exportanteile 4,4 % bzw. 3 %). Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 11 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Perspektiven 3. Perspektiven Veränderungen der Demografie und der Ernährungsgewohnheiten dämpfen das Marktwachstum Im Wesentlichen hängt die Lebensmittelnachfrage von der Zahl der Konsumenten ab, weshalb mit immer schwächeren Nachfragezuwächsen in Österreich, wie im Großteil Europas, zu rechnen ist. Das Bevölkerungswachstum verlangsamt sich trotz hoher Zuwanderungsraten, von durchschnittlich 0,6 % in den letzten fünf Jahren in Österreich auf 0,4 % in den nächsten zwei Jahrzehnten. Gleichzeitig wächst der Anteil alter Menschen (die wiederum einen geringeren Kalorienbedarf als der Bevölkerungsdurchschnitt haben) von derzeit 18 % auf 26 %. Die Lebensmittelnachfrage ist in Summe wenig einkommens- und preisabhängig, da der Kauf von Lebensmitteln im Gegensatz zu anderen Gütern zeitlich kaum verschoben werden kann. Dennoch wird die Nachfrage kurzfristig und in geringem Umfang an Änderungen der Einkommen und/oder der Arbeitsmarktbedingungen angepasst. Beispielsweise wird als wichtigstes Motiv für Außer-Haus-Essen eine „gute finanzielle Situation“ genannt (RollAMA Motivanalyse). Außerdem begünstigt der wachsende Wohlstand der Bevölkerung die Nachfrage nach höherwertigen und/oder teuren Lebensmitteln. Langfristig ist der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Konsum der privaten Haushalte rückläufig, wobei die demografiebedingten, nachfragedämpfenden Effekte noch vom Sättigungsgrad der Konsumenten verstärkt werden (auch wenn die Sättigungseffekte vermutlich noch gering sind, wie die steigende Fettleibigkeit der Bevölkerung zeigt). Vor dreißig Jahren verwendeten Österreichs Haushalte 26 % ihres Budgets für Lebensmittel, Getränke, Restaurantbesuche und sonstiges Außer-Haus-Essen, 2013 nur mehr 21 % (aufgrund der hohen Lebensmittelpreise dürfte der Anteil wieder leicht gestiegen sein; 2011 lag der Vergleichswert bei 20 %). Exportnachfrage bringt kein nachhaltiges Branchenwachstum Die fehlende Nachfragedynamik im Inland kann die Branche längerfristig auch nicht im Export kompensieren, jedenfalls nicht in westeuropäischen Märkten. Dazu ist das Konsumverhalten der Länder zu ähnlich. In Summe liegen die Ausgaben für Lebensmittel und Getränke auf einem ähnlich hohen Niveau, im Bereich von 16 % bis 25 % der gesamten Konsumausgaben. Zumindest in Osteuropa kann noch mit stärkeren Zuwächsen der Lebensmittelnachfrage gerechnet werden. In einzelnen Ländern werden weiterhin 30 % der Haushaltsbudgets für Lebensmittel, Getränke und Außer-Haus-Verpflegung verwendet, wobei das hohe Niveau auf erhebliche Unterschiede im Konsumverhalten hinweist und mit den noch relativ niedrigen Haushaltseinkommen in den Ländern erklärt werden kann. Österreichs Lebensmittelerzeuger werden in Zukunft von den erwarteten Zuwächsen in der Region profitieren und einzelne Unternehmen, nicht nur der Getränkeindustrie, in außereuropäischen Märkten reüssieren; dennoch kann die Branche keine stärkeren Wachstumsimpulse mehr erwarten. Nennenswerte Wachstumsmöglichkeiten beschränken sich auf Nischenbereiche Eine wesentliche Quelle neuer Wachstumsimpulse für die Lebensmittelerzeugung ist die zunehmend differenzierte Nachfrage. Beispielsweise ist der Absatz von Convenience-Food mit den sinkenden Haushaltgrößen und steigenden Frauenerwerbsquoten gestiegen; das Segment ist zwar in den letzten Jahren schwächer gewachsen, aber weiterhin rascher als der gesamte Lebensmittelhandel (2011-2014 Durchschnitt 2,3 % p.a. auf 1,1 Mrd. €, insgesamt +1,5 % p. a. auf 8,4 Mrd. €; Q.: Nielsen). Darüber hinaus sind mit dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung, der Verbrauch von Gemüse und Getreide gestiegen, zum Teil auch von Käse, hellem Fleisch beziehungsweise von Fisch. Insgesamt ist der Fleischkonsum pro Kopf leicht gesunken. Grundsätzlich sind die Ernährungsgewohnheiten ein Teil des kulturellen Gedächtnisses eines Landes und verändern sich nur langsam; genauso beständig entwickeln sich die Lebensmittelnachfrage und die Hauptbestandteile unseres Speiseplans. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 12 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Perspektiven Der aktuell wichtigste Richtungsentscheid in der Lebensmittelnachfrage wird von der sogenannten Generation Y gesetzt, einer Bevölkerungskohorte, die zwischen 1980 und 2000 geboren und vergleichsweise gut ausgebildet, als technologieaffin und relativ wenig status- als selbstverwirklichungsgetrieben gilt. Ihr Zugang zur Ernährung unterscheidet sich von jenem der vorhergehenden Generationen als die Authentizität, die Herkunft und die Qualität der Lebensmittel im Vordergrund stehen. Nahrungsmittelverbrauch und -versorgung Verbrauch pro Kopf 2014 Rind-, Kalbfleisch Schweinefleisch 1 1 1 Geflügel Selbstver- kg/Jahr 95-2014 sorgungsgrad 17,2 -12% 148% 55,7 -2% 103% 21,1 38% 67% Fisch 8,0 60% 6% 76,7 5% 160% Butter 5,4 8% 70% 2 Konsummilch Käse 21,6 41% 109% Getreide 90,5 38% 87% Gemüse 113,4 22% 59% Obst 78,0 9% 47% Wein, in L/J 31,3 -1% 86% Bier, in L/J 106,7 -8% 103% 1Schlachtgewicht, d.h. inkl. Kno chen; menschlicher Verzehr pro Kopf im Jahr: Rindfl. 12 kg, Schwein 39 kg, Geflügel 13 kg 2 inkl. Schmelzkäse Q.: A M A , Statistik A ustria; B ank A ustria Eco no mics & M arket A nalysis A ustria Auf regionaler Ebene unterstreichen die Ergebnisse der RollAMA Verbraucherbefragungen den Trend. Von den am meisten genannten Interessensgebieten der Österreicher stehen in Bezug auf die Ernährung das „Selber kochen“ an der Spitze und „Gut essen und trinken“ bereits an fünfter Position. Letztendlich nimmt das Interesse am guten Essen und vernünftiger Ernährung zwar kontinuierlich zu, für rund 70 % der österreichischen Konsumenten steht allerdings der Preis von Lebensmitteln weiterhin im Vordergrund. Sparten der Nahrungsmittelerzeugung* Unter- Beschäftigte nehmen in 1.000 Sonstige Nahrungs- u. Genussmittel** Umsatz Mio. € 1.958 38 5.170 Schlachthäuser, Fleischverarbeitung 956 17 Milchverarbeitung 151 5 Obst- u. Gemüseverarbeitung 130 4 Mühlen, Stärkeerzeugung Umsatz Ø 95-2004 Ø 04-2013 1% 3% 4.429 0% 6% 2.558 -3% 3% 1.479 5% 3% 121 2 1.063 1% 10% Futtermittel 63 2 1.087 2% 11% Öle, Fette 69 1 572 -9% 11% 6 0 39 3% 1% 3.454 69 16.399 0% 5% 364 9 5.215 -1% 11% Fischverarbeitung Summe Nahrungsmittelerzeugung Getränkeerzeugung * Daten aus Strukturerhebung 2013, auf Sparteneben sind keine jüngere Daten verfügbar; Abweichungen zu den Konjunkturdaten sind abgrenzungsbedingt möglich. ** Backwaren, Süß waren, Zucker, Gewürze Q.: Statistik Austria; Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 13 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Sparte Fleischverarbeitung 4.1 Sparte Fleischverarbeitung < In der ÖNACE-Gliederung zählen zur Sparte rund 170 Schlachthäuser und Geflügelschlächtereien mit 5.200 Beschäftigten und 2,1 Mrd. € Umsatz sowie 780 „sonstige“ fleischverarbeitende Betriebe mit 11.800 Beschäftigten und 2,4 Mrd. € Umsatz. < Beim Bundesverband der Fleischer sind 3.800 Schlacht-, Zerlege- und Fleischverarbeitungsbetriebe registriert (inklusive 100 Kühlhäusern); davon in der Fachgruppe Fleischer 1.350 aktive Mitglieder mit 12.100 Beschäftigten und rd. 3 Mrd. € Umsatz. Restrukturierung und Produktivitätsgewinne Der Restrukturierung der Sparte Fleischverarbeitung sind Mitte der 90er Jahre bis etwa 2005 rund ein Drittel der Unternehmen und etwa ein Zehntel der Beschäftigten zum Opfer gefallen. Erst mit der Osterweiterung der Gemeinschaft und der Öffnung neuer Absatzmärkte hat die Fleischverarbeitung ihre Produktionskapazitäten wieder ausgebaut und neue Arbeitsplätze geschaffen, die Unternehmenszahlen sind weiter gesunken. Von der Marktöffnung profitierten in erster Linie größere, exportorientierte Fleischverarbeiter. Der Anteil der Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten am Umsatz der Fleischverarbeitung hat sich seit 2004 auf 40 % verdoppelt, während der Anteil von Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten von 10 % auf 6 % gesunken ist. Mit den Restrukturierungsmaßnahmen verbesserte sich die Produktivität der Sparte, wie der Zuwachs der Wertschöpfung pro Beschäftigten von 42.000 € 2004 auf 47.000 € 2013 zeigt, einem Ergebnis, das deutlich über dem EU-Schnitt von 34.000 € liegt. Die Wertschöpfung pro Beschäftigten wird maßgeblich von der Versorgungsstruktur in den einzelnen Ländern bestimmt, von der Zahl kleiner Fleischereien und von der Unternehmenskonzentration in der Sparte. In Europa verbuchen die niederländische und dänische Fleischverarbeitung mit über 60.000 € die höchste Wertschöpfung pro Beschäftigten, wobei die Sparte in Dänemark der europäische Marktführer, Danish Crown (Umsatz 7,8 Mrd. €), dominiert und in den Niederlanden Europas drittgrößter Fleischverarbeitungskonzern, Vion (5 Mrd. € Umsatz). Hingegen ist die deutsche Fleischverarbeitung vergleichsweise kleinbetrieblich strukturiert, trotzdem die Fleischverarbeiter Tönnies und Westfleisch zu den Top-5 Europas zählen (mit 5,6 Mrd. € bzw. 2,5 Mrd. € Umsatz). Im Vergleich dazu erlösen die größten heimischen Fleischverarbeiter, Marcher und Steirerfleisch, 380 Mio. € respektive 300 Mio. € Umsatz. Stagnierende Nachfrage, hoher Preisdruck Die Fleischverarbeiter sind mit einem hohen Preisdruck konfrontiert, den die leicht rückläufige Fleischnachfrage und der marktmächtige Lebensmittelhandel noch verstärken. Kurzfristige Nachfragezuwächse, angetrieben von Substitutionseffekten, wie dem Ersatz von dunklem durch Geflügelfleisch, oder infolge stark rückläufiger Fleischpreise, waren zuletzt 2009 zu beobachten. Seitdem ist die über den Lebensmitteleinzelhandel abgesetzte Menge an Fleisch und Wurstwaren langsam gesunken (2014 wurden 106.000 t Fleisch und 108.000 t Wurstwaren im Gesamtwert von 1,8 Mrd. € vertrieben; Q.: RollAMA). In naher Zukunft ist trotz steigender Bevölkerungszahlen auch mit keiner Wende des Nachfragetrends zu rechnen (Tabelle S. 13). Die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels gründet sich vor allem darauf, dass 84 % der in Österreich konsumierten Fleischmenge und ebenso viele Wurstwaren über die Schiene vertrieben werden (2000 lagen die Anteile bei 66 % respektive 80 %). Den Preisdruck verstärkt die Tatsache, dass Fleisch als möglicher Frequenzbringer im Handel eingesetzt wird. Rund 34 % vom Fleisch und 22 % der Wurst wurden 2014 zu Aktionspreisen gekauft, mit steigender Tendenz (Q.: RollAMA). Zudem haben die Diskonter in der Vergangenheit auch in dem Segment erhebliche Marktanteile gewonnen (19 % am Fleischabsatz und 26 % am Wurst- und Schinkenabsatz). Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 14 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Sparte Fleischverarbeitung Der Preisdruck im Einzelhandel bedingte, dass Österreichs Konsumenten in den letzten zehn Jahren für Fleisch- und Wurstwaren jährlich um durchschnittlich 2,7 % mehr bezahlen mussten, während die Produkte im Großhandel um 3,5 % im Jahr teurer wurden. In den Jahren 2012 und 2013 haben sich die Erzeuger- und Verbraucherpreissteigerungen angeglichen, als ein Teil der stark gestiegenen Rohstoffpreise an die Konsumenten weitergegeben wurde. 2014 und im ersten Halbjahr 2015 sind die Fleischpreise im Groß- und im Einzelhandel jeweils um durchschnittlich 1 % gestiegen. Wettbewerbsfähige Fleischwarenexporte Im Vergleich zu den gewerblichen Fleischereien dürfte der Großteil der exportorientierten fleischverarbeitenden Unternehmen zufriedenstellende Ergebnisse verbuchen. Mit der Marktöffnung Mitte der 90er Jahre sind nicht nur die Fleisch- und Fleischwarenimporte massiv gestiegen, sondern auch die Exporte der Sparte in etwa demselben hohen Tempo (Tabelle S. 8). Gleichzeitig legte der Außenhandelsüberschuss mit Fleisch und Fleischwaren, mit Ausnahme kurzer konjunkturbedingter Rückschläge, praktisch kontinuierlich zu. Überdurchschnittlich rasch sind die Ausfuhren in die neuen Mitgliedsstaaten gestiegen, die sich seit 2004 im Wert etwa verfünffacht haben (in die NMS10 werden 18 % der Fleischwarenexporte Österreichs geliefert). Ein Erfolgsfaktor der heimischen Fleischwarenexporte war die sukzessiv steigende Produktqualität, gemessen an den langfristig wachsenden Exportwerten pro Mengeneinheit, den UnitValues. Allerdings ist der Spielraum der Fleischverarbeiter die Wertschöpfungsintensität beziehungsweise die Qualität der Produktpalette anzuheben, sehr eingeschränkt. Dementsprechend sind die Zuwächse der Export-Unit-Values in den letzten zehn Jahren geringer geworden und das Verhältnis der Import- zu den Export-Unit-Values hat sich kaum noch verbessert. Vorsichtig interpretiert, signalisiert die Entwicklung, dass die heimischen Unternehmen im Spartendurchschnitt ihre Konkurrenzfähigkeit nicht mehr nennenswert ausbauen können. Die hohen Wachstumsunterschiede zwischen den exportorientierten Fleischverarbeitungsbetrieben und den lokal arbeitenden Fleischereien zeigt der Vergleich der Umsatzentwicklung der Sparte Fleischverarbeitung, die in den letzten zehn Jahren laut Strukturerhebungen um rund 6 % im Jahr zulegte, und der gewerblichen Fleischereien, die im selben Zeitraum lediglich ein Umsatzplus von 1,3 % nominell im Jahr verbuchten (laut Konjunkturbefragung der KMU Forschung Austria; Strukturerhebungsdaten auf Spartenebene sind im Zeitablauf aufgrund nicht bereinigter Änderungen in der Erhebung nur beschränkt aussagekräftig). Trotz der Erfolge der Fleischereien im Imbissgeschäft und im Verkauf von Convenience-Produkten wird sich das Ergebnis 2015 sogar noch verschlechtern (Q.: KMFA). Letztendlich verdient die Fleischerverarbeitung in dem angespannten Marktumfeld wenig. Im Spartendurchschnitt ist die Umsatzrentabilität in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, nach Finanzergebnis von durchschnittlich 2,2 % 2010 auf 1 % 2013. Erst 2014 hat sich die Ertragslage leicht erholt, da die Verarbeiter trotz des geringen Preisanstiegs für Fleisch- und Wurstwaren von 1,3 % im Großhandel von deutlich rückläufigen Schlachtviehpreisen profitierten (Grafik S. 6). Im Branchendurchschnitt ist die Umsatzrentabilität auf 1,6 % gestiegen. Davon profitierten nur die Verarbeitungsbetriebe, deren Ergebnis auf 2,4 % zulegte, während die Schlachtbetriebe im Sample der KMU Forschung Austria keine positiven Ergebnisse erzielten. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 15 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Sparte Milchverarbeitung 4.2 Sparte Milchverarbeitung Hohe, steigende Unternehmenskonzentration Die Milchverarbeitung, inklusive der Eiserzeuger sind das rund 150 Unternehmen mit 5.100 Beschäftigten und 2,6 Mrd. € Umsatz, ist die Sparte der Lebensmittelerzeugung mit den statistisch größten Unternehmen und vermutlich auch der höchsten Unternehmenskonzentration. In der Vereinigung österreichischer Milchverarbeiter (VÖM) sind 90 Molkerei- und Käsereibetriebe registriert, wobei die größten 3 Betriebe über 60 % vom Spartenumsatz erwirtschaften, die Top-10 93 %. Der Restrukturierungs- und Konzentrationsprozess in der Milchverarbeitung in Österreich hat in den letzten Jahren an Tempo verloren und die Unternehmenskonzentration längst internationales Niveau erreicht; Berglandmilch verarbeitet bereits über 40 % der gesamten Milchliefermenge, der Marktführer in Deutschland, die DMK Deutsches Milchkontor, mit rund 7 Mio. t Milch knapp 20 % der Gesamtmenge. Allerdings zeigen aktuelle Berichte um den potenziellen Zusammenschluss von Berglandmilch mit der NÖM beziehungsweise geplante Einstiege ausländischer Konkurrenten in den Markt, dass der Prozess nicht zum Stillstand gekommen ist. Im europäischen Milchmarkt ist auf jeden Fall mit weiteren Unternehmenszusammenschlüssen zu rechnen: beispielsweise wird aktuell die geplante Übernahme der britischen Dairy Crest durch Müller UK, die zusammen etwa die Hälfte des britischen Milchkonsums verarbeiten würden, von den Wettbewerbsbehörden geprüft. Und für Anfang 2016 wurde die Übernahme des zweitgrößten niederländischen Käseerzeugers, DOC Kaas, durch die deutsche DMK angekündigt. Unterdurchschnittliche Erträge In diesem Umfeld bleibt der österreichischen Milchwirtschaft wenig unternehmerischer Spielraum. Je größer die Milchproduktpalette wird, desto kleiner werden die Losgrößen der Hersteller aufgrund des engen Heimmarktes und desto höher werden die Stückkosten. Entsprechend niedrig sind Erträge der Sparte, die im Durchschnitt von 2008 bis 2013 nur einen Bruttobetriebsüberschuss von 5,2 % vom Umsatz im Jahr erzielte, im Vergleich zu 8,4 % in der Lebensmittelerzeugung insgesamt (Q.: Strukturerhebungen; Daten nur bis 2013 verfügbar). Die Auswertungen der KMU Forschung Austria für das Bilanzjahr 2013/2014 lassen keine Verbesserung des Ergebnisses erkennen; demnach lag das EGT der Milchverarbeiter mit durchschnittlich 0,7 % vom Umsatz weit unter dem Ergebnis in der Lebensmittelerzeugung von 2,5 %. Molkereiproduktabsatz wächst nur mehr im Export Der Pro-Kopf-Verbrauch von Molkereiprodukten ist in den letzten Jahren in Österreich nur mehr wenig gestiegen (Tabelle S. 13) und der Molkereiproduktabsatz im Lebensmitteleinzelhandel seit Jahren sogar rückläufig. Im Handel wurde Umsatzzuwächse in dem Segment nur mehr über Preissteigerungen erzielt (Q. RollAMA). Die Absatzschwierigkeiten im Heimmarkt konnten die Milchverarbeiter bisher aber auf Auslandsmärkten kompensieren. Im langfristigen Vergleich haben die Ausfuhren von Molkereiprodukten zwar erheblich an Wachstumstempo verloren, von jährlich 17 % nach dem EU-Beitritt bis 2003 auf durchschnittlich 5 % im Jahr in den letzten zehn Jahren. Allerdings waren die Exporte maßgeblich für das Umsatzplus der Sparte von jährlich 3 % nach 2003 (die Exportquote der Milchverarbeiter ist mit 37 % auch deutlich höher als im Branchenschnitt von 32 %). Nennenswerte Wachstumsperspektiven in der Milchwirtschaft bleiben auf den Export beschränkt. Die Milchverarbeiter konnten ihre Wettbewerbsfähigkeit mit dem Abbau von Strukturdefiziten und der Erweiterung des Angebots um hochwertige Produkte, vor allem bei Käse, deutlich verbessern. In den letzten zehn Jahren ist der Käseexport um 6 % im Jahr gestiegen, der Milchund Milchproduktexport insgesamt nur um 5 % im Jahr; der Käseanteil an den Milchproduktexporten liegt bereits bei 44 %. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 16 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Sparte Milchverarbeitung Trotzdem die Absatzerfolge der heimischen Milchwirtschaft im Herbst 2014 durch das Importembargo Russlands gebremst wurden, konnten die Milchverarbeiter im Gesamtjahr noch ein Umsatzplus von 4,2 % verbuchen (2,4 Mrd. € lt. VÖM). Milchpreisentwicklung Seit dem vierten Quartal 2014 sind die Milchproduktexporte mengen- und wertmäßig rückläufig, wobei die relativ stabile Exportpreisentwicklung einen stärkeren Einbruch der Exportumsätze verhinderte. Im ersten Halbjahr 2015 ist die Exportmenge um 3 %, der Umsatz um 2 % gesunken. Das Ergebnis ist vor dem Hintergrund fallender Erzeugermilchpreise noch bemerkenswerter und unterstreicht die Bemühungen der heimischen Milchwirtschaft um hohe Produktqualitäten. Die Erzeugermilchpreise sind seit ihrem Höchststand Anfang 2014 in Österreich um fast ein Fünftel gesunken, auf durchschnittlich 33 ct pro Liter Rohmilch (dem niedrigsten Preis seit 2010). Maßgeblich für die hohe Volatilität der Milchpreise sind neben den Angebots- und Nachfrageungleichgewichten, saisonale, witterungsbedingte und konjunkturelle Schwankungen und die Tatsache, dass Anpassungen der Milcherzeugung nur verzögert umgesetzt werden können. Im Vergleich zu Deutschland sind keine nennenswerten Unterschiede in den Milchpreisen festzustellen. Im Juni lagen die ab-Hof-Preise in Deutschland für konventionelle Milch mit rund 29 ct/kg nur geringfügig unter dem österreichischen Niveau von 30 ct/kg, bei bayerischen Molkereien sogar leicht über dem Österreichniveau. Auch für Biomilch vergleichbarer Qualität wurden den Erzeugern in Österreich im Juni und im Juli nur 42 ct/kg bezahlt, in Deutschland 47 ct/kg (der Vergleich der österreichischen ab-Hof-Milchpreise mit den deutlich niedrigeren Kieler Rohstoffwerten, der in den letzten Monaten veröffentlicht wurde, ist unzulässig; darüber hinaus dürfte auch der Preisvergleich der AK Wien, wonach ein Liter Milch im österreichischen Einzelhandel 89 ct und in Berlin nur 51 ct kostet, auf nicht vergleichbaren Qualitäten beruhen). Nach dem Quotenende Mit April 2015 wurden die EU-Milchquoten aufgehoben, bisher ohne nennenswerte Marktverwerfungen. Die Milchanlieferungen bei Österreichs Molkereien sind von Mai bis Juli im Vergleich zum Vorjahr um durchschnittlich 1 % pro Monat gestiegen. Mittelfristig rechnet die Milchwirtschaft mit einem Anstieg der Produktionsmenge von 10 % bis 15 % im Jahr, wobei das zusätzlich Angebot von 3,3 Mio. t Milch pro Jahr im Vergleich zur Durchschnittsproduktion der letzten zehn Jahre überwiegend im Export abgesetzt werden kann. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 17 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Sparte Backwarenerzeugung 4.3 Sparte Backwarenerzeugung < Mit der Herstellung von frischem und tiefgekühltem Brot, Gebäck und Konditorwaren sind in Österreich rund 1.800 Unternehmen mit knapp 30.000 Arbeitnehmern beschäftigt, die rund 2,5 Mrd. € erlösen. Die Sparte ist überwiegend kleinbetrieblich strukturiert, mit einem durchschnittlichen Umsatz von 1,5 Mio. € pro Betrieb. (In der Statistik zählen zum Bereich „sonstige Nahrungsmittel“ noch 230 Unternehmen, die Teig- und Dauerbackwaren, Süßigkeiten, Snacks, Fertiggerichte und Würzmittel erzeugen, das sind vorwiegend Großbetriebe mit durchschnittlich 12 Mio. € Umsatz; Q.: Statistik Austria, Daten 2013.) < Österreichs Bäckerinnung registriert etwa 1.700 Mitglieder mit 20.000 Beschäftigten und 1,6 Mrd. € Umsatz, die Konditorinnung weitere 500 Mitglieder mit 5.000 Beschäftigten und 460 Mio. € Umsatz (Umsatzdaten aus 2013). Restrukturierung zulasten kleiner Betriebe Die Zahl der Unternehmen im Bereich Backwarenerzeugung ist von 2004 bis 2013 um 15 % gesunken, ihr Umsatz um 32 % gestiegen. In erster Linie forderte die Restrukturierung Opfer im Segment kleinerer Gewerbebetriebe, während die Zahl der Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sogar leicht gestiegen ist. Diese 130 größeren Unternehmen verbuchten zugleich ein Umsatzplus von mehr als 40 %. Die Entwicklung ist die Folge der sukzessiven Marktanteilsverluste der Bäcker und Konditoren an den Lebensmitteleinzelhandel. Aktuell teilen sich 56 % des heimischen Brot- und Gebäckmarktes die Supermarktketten, 19 % die Lebensmitteldiskonter und nur mehr 25 % gewerbliche Bäcker (Q.: GfK, 2014). Dem Bäckerhandwerk fehlen die Wachstumsperspektiven Grundsätzlich sind die Nachfragebedingungen für die Backwarenerzeuger in Österreich wie in Deutschland aufgrund des hohen Brot- und Gebäckverbrauchs günstig; in Österreich werden etwa 73 kg Brot und Gebäck pro Kopf und Jahr, in Deutschland sogar rund 84 kg verbraucht, je nach Erhebung westeuropäische Rekordwerte. Allerdings sind die Verbrauchszahlen mit Ausnahme bei Produktspezialitäten seit Jahren langsam rückläufig. Das Dilemma der Bäcker kommt sehr gut in den Konsumentenbefragungen zum Ausdruck, wonach das entscheidende Kaufargument beim Einkauf von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs zwar noch immer die Produktfrische ist, aber im Schnitt aller Antworten der Preis für fast 90 % der Befragten wichtig sei, gefolgt von der Frische der Waren für 60 % und der Qualität für etwa 50 %, während der Geschmack nur von 11 % der Befragten als wichtiges Kriterium genannt wird (Q.: RollAMA 2013). Bezogen auf Brot und Gebäck lassen die Konsumbefragungen den Schluss zu, dass der individuelle Bäcker weiter an Bedeutung verlieren wird und Produkte aus industriell gefertigten Teiglingen auch in Zukunft erfolgreich bleiben. Preisdruck von Seiten des Lebensmittelhandels wächst Die Konkurrenz von Seiten des Lebensmitteleinzelhandels wird das Backgewerbe mit der wachsenden Zahl von Backstationen in Zukunft weiter unter Druck bringen. Aktuell plant und baut Hofer in 450 seiner Filialen eine „Backbox“. Nicht nur kleine gewerbliche Bäcker und Konditoren leiden unter der Konkurrenz vom Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch die heimischen Großbäcker. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Linzer Bäckerei Ring und vor Jahren des Marktführers Anker dürften aber vielschichtiger gewesen sein. Die Zahl der Anker-Filialen hat sich von 180 2002 auf zuletzt 114 Läden und gleichzeitig bei Ring von 78 voraussichtlich auf 24 verringert. Die drei Konkurrenten Ströck, DerMann und Felber haben in den letzten Jahren nur mehr wenige neue Standorte eröffnet, die Tiroler Ruetz mit dem sechstgrößten Filialnetz einige Läden geschlossen. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 18 Lebensmittel- u. Getränkeerzeugung Sparte Getränkeindustrie 4.4 Sparte Getränkeindustrie Sparte wächst auf der Basis von Produktinnovationen und Exporterfolgen Österreichs 360 Getränkeerzeuger beschäftigen rund 8.900 Arbeitnehmer und erlösen etwa 5,5 Mrd. € mit Wein, Bier, Spirituosen und vor allem Erfrischungsgetränken. Zur Getränkebilanz zählen noch Frucht- und Gemüsesäfte im Wert von rund 900 Mio. € und die Milchmixgetränke (für die keine rezenten Umsatzdaten verfügbar sind). Die Getränkeerzeugung wuchs in den letzten Jahren Getränkekonsum in Österreich etwas rascher als die Lebensmittelindustrie, unter anderem angetrieben vom Energy-Drink-Boom (von Pro-Kopf, in Liter 20 14 Ø 0 0-2013 Bier 105 109 2010 bis 2014 legte der Spartenumsatz um 22 % Limonaden 84 88 zu). In Summe wird der Verbrauch an Erfrischungsgetränken (inklusive Energy Drinks) bereits wieder Mineralwasser 91 89 schwächer, im Inland, aber auch im Export. Fruchtsäfte 27 34 Absatzeinbußen wurden in den letzten Jahren in Wein 31 30 allen Getränkesparten verbucht. Österreichs WeinQ.: Getränkeverband, Brauereiverband hersteller erzielten zumindest kontinuierliche UmBank Austria Economics & Market Analysis Austria satzzuwächse. Ihr Erfolg beruht in erster Linie auf steigenden Qualitäten, die höhere Preise ermöglichen, vor allem im Export. Infolgedessen wird seit 2011 auch Wein höherer Qualität exportiert als importiert; der durchschnittliche Exportwert pro Liter Wein aus Österreich liegt über dem entsprechenden Importwert. Trockene Perspektiven Die Getränkeerzeugung ist ebenso wenig wie der Großteil der Lebensmittelerzeugung eine Wachstumssparte, weil ihre Märkte vielfach gesättigt sind; beispielsweise wird der theoretische Flüssigkeitsbedarf von 700 Litern pro Person im Jahr in Westeuropa zu mindestens 90 % mit industriell erzeugten Getränken, inklusive Kaffee, Tee und Milch, gedeckt. Lediglich mit Produktinnovationen können noch nennenswerte Nachfragezuwächse generiert werden, die aber wiederum traditionelle Getränke verdrängen. Mögliche Wachstumsperspektiven beschränken sich auf Fusionen mit Konkurrenten, weshalb die längst hohe Unternehmenskonzentration in Teilen der Sparte noch zunehmen wird. Jüngstes Beispiel ist der Zusammenschluss der weltweit größten Bierbrauer, der belgischen Anheuser-Busch InBev und der britisch-südafrikanischen SAB Miller, vor dem Hintergrund des stagnierenden globalen Biermarktes. In wichtigen Absatzmärkten, beispielsweise Tschechien oder Deutschland, ist der Bier-Pro-Kopf-Konsum sogar rückläufig (auch in Österreich; vgl. Tabelle). Österreichs Getränkeaußenhandel Exporte 2014 Mio.€ Insgesamt* Importe Ø94-0 3 Ø0 3-12 2013 2014 1-6 15 Veränderungen 2014 Mio.€ Ø94-03 Ø03 -12 2013 2014 1-6 15 Veränderungen 1.680 19% 6% -6% 1% 21% 588 13% 4% 6% 4% -10% 1.379 301 26% 1% 6% 9% -10% 14% 0% 5% 24% 8% 181 408 16% 12% 5% 4% 12% 4% 13% 0% 10% -19% 148 69 13% -6% 8% 10% 16% 9% -6% 11% 2% -4% 209 59 14% 8% 5% 5% 2% -6% -3% 6% -18% 8% 261 7% 5% 8% -14% -12% 252 11% 7% -12% -10% -12% davon: af-Getränke alkoholische G. davon: Wein** Bier Frucht-, Gemüsesäfte * Ohne Frucht- und Gemüsesäfte ** lt. Weinmarketing ist der Weinexportwert 2014 um 6 % gestiegen, nachdem die Daten 2013 um Reexporte korrigiert wurden Q.: Statistik Austria; Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Stand: Oktober 2015 Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 19 Disclaimer und Impressum Zum Weiterlesen: Wirtschaft Online: Alle Prognosen und Analysen der Abteilung Economics and Market Analysis Austria auf http://wirtschaftonline.bankaustria.at Bank Austria Homepage: Alles Informationsangebote der Abteilung Economics and Market Analysis Austria unter http://economicresearch.bankaustria.at Bank Austria Economic News: Die neuesten Veröffentlichungen der Abteilung Economics and Market Analysis Austria direkt in Ihrem Posteingang. Registrieren Sie sich bitte unter https://nlreg.bankaustria.at/reg_econews_d.htm: Sollten Sie Fragen haben schicken Sie uns ein E-Mail unter [email protected]. Ohne unser Obligo: Diese Publikation ist weder eine Marketingmitteilung noch eine Finanzanalyse. 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Der Betriebsratsfonds der Angestellten der UniCredit Bank Austria AG, Region Wien, sowie die Privatstiftung zur Verwaltung von Anteilsrechten (Stifter: Anteilsverwaltung-Zentralsparkasse; Begünstigter: WWTF – Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds) sind mit einem Anteil von zusammen 0,005% am Medieninhaber beteiligt. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria Seite 20
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