Rebound-Effekte und deren Konsequenzen im Kontext nachhaltiger ICT 1. Einleitung Nachhaltigkeit, Ökologie, Umwelt- und Klimaschutz sind derzeit allgegenwärtige Themen. Nachdem die Erkenntnis, dass das global Klima massiv durch den menschlichen Energie- und Rohstoffverbrauch gefährdet, in den letzten Jahren weltweit den Anstoss gegeben hatte, nationale Energiehaushalte nachhaltiger zu gestalten, hat der Reaktorunfall in Fukushima der Diskussion zusätzlich Schub gegeben. Weltweit – aber vor allem in der Schweiz und Deutschland – machen sich die Menschen zunehmen über die Sicherheit von Kernkraftwerken Gedanken. Im Frühling 2011 hat der schweizerische Bundesrat beschlossen, aus der Atomenergie kontrolliert auszusteigen. Diese Entscheidung impliziert die Stilllegung der AKWs Benznau 1, Benznau 2 und Mühleberg bis 2020 und die Abschaltung der Reaktoren Gösgen und Leibstadt bis 2045. Insgesamt 40% der von der Schweiz benötigten Elektizität wird in diesen AKWs erzeugt. Zusätzlich werden 10% des Bedarfs mittels Stromimporten aus Frankreich gedeckt, die ebenfalls 2020 auslaufen [1]. Nebst dem Ausbau von erneuerbaren Energien und dem Bau dezentraler Gaskraftwerke gilt allgemein die effizientere Nutzung der Energie als Schlüsselbegriff zur Schliessung der resultierenden Stromlücke und als Königsweg zu einer nachhaltigeren Gesellschaft. Tatsächliche rechnet das Bundesamt für Energie (BFE) mit einer Abnahme des Pro-Kopf_Energieverbrauchs von 3%, sowie einer Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs um 14% bis 2035.[1] Die Vision einer 2000 Watt Gesellschaft gilt als langfristiges Ziel der schweizerischen Energiepolitik.[1] 2. Begriffsklärung Grundsätzlich beschreibt der Rebound-Effekt den Umstand, dass das Einsparpotenzial aus erhöhter Produktivität und Effizienz letztlich nur teilweise (oder sogar überhaupt nicht) umgesetzt wird. Dies geschieht, da sich die daraus resultierende Preisreduktion einer energieintensiven Dienstleistung auf die Erhöhung der Attraktivität des Produktes selbst, der Initiierung von Folgeprodukten in Wachstums des durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsums niederschlagen.[2] Ein extrem ausfallender Rebound-Effekt von über 100%, das heisst dass durch die gesteigerte Effizienz sogar mehr Energie nachgefragt und umgesetzt wird als vorher, wird als Backfire(-effekt) bezeichnet. [3] In der Literatur werden im Allgemeinen drei Arten von Rebound-Effekten unterschieden: Direkte primäre Effekte, indirekte sekundäre Effekt, sowie strukturelle tertiäre Effekte auf Makroebene. [4] Der primäre Effekt beschreibt die Tatsache, dass durch die erhöhte Effizienz und den resultierenden tieferen Energiekosten das Produkt (e.i. Energieintensive Dienstleistung) günstiger und deshalb stärker nachgefragt wird. Der indirekte Rebound-Effekt sagt, dass der Konsument durch das günstiger gewordene Produkt Geld spart, das er schlussendlich für andere Produkte und Dienstleistungen, die ebenfalls Energie verbrauchen, ausgibt. Rebound-Effekte auf Makroebene lassen sich in zwei Subgruppen teilen: Zum einen in den Allgemeinen Ausgleichseffekt. Dieser besagt, dass die eingesparte Energie nach wie vor auf dem Markt erhältlich ist und quasi als Angebotserhöhung der Energie wirkt. Die resultierenden günstigeren Energiepreise führen dann zu einem Anstieg der Energienachfrage. Der Transformationseffekt auf der anderen Seite, tritt dann auf, wenn die erhöhte Energieeffizienz das Konsumverhalten in der Gesellschaft ändert und strukturelle Veränderungen wie längere Arbeitswege oder mehr Siedlungsbau zur Folge hat. [3] An dieser Stelle sollte festgehalten werden, dass nicht nur monetäre Preisdimensionen im Kontext von Rebound-Effekten von Bedeutung sind. Genau können zeitliche oder psychologische „Preise“ eine Rolle spielen. So neigen Leute im Bewusstsein, dass sie extra Energiesparlampen gekauft haben, dazu ihre Lampen eher brennen zu lassen. Das unökologische Verhalten wird in der persönlichen Wahrnehmung durch den theoretisch nachhaltigen Einsatz von Energiesparlampen wettgemacht. Ebenfalls gilt es zu beachten, dass sich der Rebound-Effekt auf Situationen bezieht, in der effizienzverbessernde Massnahmen mit dem Ziel umgesetzt wurden, insgesamt Energie zu sparen. 3. Rebound-Effekte im Allgemeinen Rebound-Effekte treten in unser aller Alltag auf und lassen sich deshalb gut mit Beispielen veranschaulichen: Energieeffizientere Elektrogeräte verleiten uns dazu, diese länger angeschaltet zu lassen oder den Standby auszuschalten. Wir wissen ja dass es finanziell kaum ins Gewicht fällt und da wir ja schon in energieeffiziente Geräte (e.g. Energiesparlampen) investiert haben, haben wir kein schlechtes Gewissen. Dieses Phänomen entspricht dem direkten Rebound-Effekt uns ist allen wahrscheinlich bekannt. Ein anderes Beispiel wäre die Bereitschaft kurze Strecken mit dem Auto zurück zu legen, da es ja ein genügsames Fahrzeug ist und die Strecke finanziell kaum zu Buche schlägt. Auch indirekte Effekte lassen sich gut veranschaulichen: Das Geld, das wir am Ende vom Jahr durch effizientere Geräte, sparsamere Fahrzeuge und eventuell durch energiebewusstes Verhalten gespart haben, geben wir in aller Regel wieder für Dinge aus die selbst in der Benutzung und / oder in der Produktion Energie benötigen. Entscheiden wir uns am Ende vom Jahr dazu, unseren Partner mit einem Wochenendtrip nach London zu überraschen fällt der Rebound-Effekt relativ hoch aus und kann sogar zum Backfire-Effekt umschlagen. Als während der Wirtschaftskrise 2008 – 2009 der Dieselpreis einbrach, war ein Nebeneffekt, dass die Leute sich bei den günstigen „Spritpreisen“ eher für eine Sonntägliche Spritztour entschliessen als bei den vormals hohen Dieselpreisen. Dieser Effekt beschreibt die Allgemeinen Ausgleichseffekte. Den Transformationsprozess zu guter Letzt, kann man sich dahingehend vor Augen führen, dass günstigere Energiepreise die Leute dazu verleiten, weitere Wege (e.g. Einkaufen oder Arbeitswege) in Kauf zu nehmen. Insgesamt günstigere Energiepreise können auch Effekte wie mehr Häuserbau oder die Substituierung von langen Zugfahrten mit Flügen verstärken. 4. Ursachen von Rebound-Effekten Peter de Haan von der ETH Zürich beschreibt in seinem Arbeit Energieeffizienz und Rebound-Effekt: Entstehung, Ausmass und Eindämmung folgende Ursachen für das Auftreten on Rebound-Effekten: Ökonomisch induzierte Rebounds: Erhöhte Nachfrage nach effizienteren Produkten, wenn der Aufpreis für die höhere Energieeffizienz kleiner als die künftigen Minderausgaben für die Energiekosten ausfällt.[4] Sozio-psychologische Rebounds: Geringere sozio-psychologische Kosten (Reputationsverlust), aufgrund mangelnden Vorstellungen bezüglich Energieverbrauch und -kosten.[4] Regulatorisch induzierte Rebound-Effekte: Staatliche Subventionen oder Vorschriften, welche die Förderung von nachhaltigen Technologien bezwecken, führt dazu, dass sich das Nachfrage-verhalten der Konsumenten in eine energetisch ungünstige Richtung entwickelt.[4] 5. Nachhaltigkeit und Rebound-effekte im Bezug auf ICT Im Kontext der Nachhaltigkeit spielt ICT in verschiedener Hinsicht eine grosse Rolle. Zum einen wird Energieeffizienz von Computertechnologie gefördert und in manchen Fälle gar erst ermöglicht. So verbrauchen chip-gesteuerte Fahrzeuge massiv weniger Kraftstoff, CPU passen die Taktfrequenz den aktuellen Bedürfnissen an, virtuelle Server sparen massiv Energie und Technologien wie Smart-Grids versprechen eine Revolution in der Elektrizitätsinfrastruktur. In Unternehmen ermöglicht Informations- und Computertechnologie durch bessere Prozessabläufe, mehr Markttransparenz durch Echtzeitinformationen, Automatisierung etc. eine massiv höhere Produktivität und Kosteneffizienz. ICT ermöglicht auch gesellschaftliche Veränderungen. So sparen Arbeitskonzepte wie Homeworking oder Smart Work Center sowohl Arbeitswege, wie auch Energie für Transport- und Verkehrsmittel. Im Weiteren wird Computertechnologie für Forschung in den Bereichen wie Nachhaltigkeit, Klimaveränderung und Ökologie sehr wichtig. Klimamodelle sind nach wie vor relativ ungenau und können nur mit Hilfe massiver Rechenleistung erstellt werden. Zusammengefasst kann man sagen, dass die ICT einen wichtigen Faktor im Wandel zu einer nachhaltigeren Gesellschaft darstellt und Entwickler und Benutzer dürfen sich der daraus resultierenden Verantwortung nicht entziehen. Unter dem Aspekt der Rebound-Effekte stellt man allerdings fest, dass man sich auch hier den effizienz-einschränkenden Phänomenen nicht entziehen können. Sowohl direkte und indirekte Effekte, wie auch strukturelle Rebounds treten im Zusammenhang mit ICT-Nutzung, in der Produktion oder durch gesellschaftliche Veränderungen auf und es lassen sich wohl leicht zahlreiche Beispiele finden. 6. Verminderung von Rebound-Effekten & erhöhte Nachhaltigkeit durch den Einsatz von ICT Rebound-Effekte lassen sich nicht komplett verhindern, durchaus aber eindämmen. Insgesamt gibt es zahlreiche Massnahmen von Seiten der Politik, der Gesellschaft als ganzes sowie von jedem einzelnen umgesetzt werden können um die Folgen von Rebound-Effekten abzuschwächen. Da wir wissen, dass Effizienzgewinne durch Rebound-Effekte teilweise wieder vernichtet werden müssen wir diese bewusst maximieren. Dies gilt sowohl im Grossen, beispielsweise durch Einsatz von Smart-Grids, als auch im kleinen, individuelles Energieverhalten optimieren. Die Bevölkerung muss in diesem Sinne weiter für die Problematik Nachhaltigkeit, als auch für die Bedeutung von ReboundEffekten sensibilisiert werden. Ganz wichtig ist es, Backfire-Effekte zu verhindern. Dazu müssen Wechselwirkungen, bei denen Backfire-Effekte auftreten können (beispielsweise stark inelastische Dienstleistungen), speziell Beachtung geschenkt werden. Im Weiteren ist es wichtig, dass auftretende Rebound-Effekte nach ihrer „Kategorie“ genau identifiziert und die Ursachen des Rebound-Effekts nach einem der drei vorgestellten Arten gefunden werden. Dafür müssen Rebound-Effekten verstärkt Beachtung bei politischen Entscheiden und wissenschaftlichen Energieprognosen geschenkt werden und in Modelle miteinbezogen werden. Auswirkungen von Rebound-Effekten fallen ökologisch weniger ins Gewicht, wenn die betroffene Energie erneuerbar und möglichst CO2-neutral erzeugt wurde. Dies spricht nicht zuletzt für eine verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Im Weiteren würde eine erhöhte Transparenz bezüglich individuellem Energieverbrauch, Co2-Emmisionen und Energiekosten von Seiten der Energieversorger Konsumenten dazu anregen ihr persönliches Verhalten und den eigenen Konsum zu ändern. Zusammen mit einem gesellschaftlichen Wertewandel, der nebst finanziellen auch ökologische Kosten einer Entscheidung in Betracht zieht, könnte dies einem Entgegenwirken von Rebounds unterstützen. Die ICT im Speziellen kann dazu eingesetzt werden, die oben genannten Ziele zu erfüllen. Es erscheint allerdings auch wichtig, sich der Gefahren von ReboundEffekten in der Nutzung von ICT bewusst zu sein. Sowohl ein erhöhtes Bewusstsein der Problematik und eine aktivere Kontrolle des Energieverbrauchs in der Industrie und im privaten Sektor, als auch Automatismen und Konventionen, die beispielsweise dafür sorgen, dass Geräte abgeschaltet werden, wären Wege (direkten) Rebound-Effekten entgegen zu wirken. 7. Schlussfolgerung & Ausblick In Anbetracht der ambitiösen Ziele von Regierungen, die Erderwärmung zu begrenzen, den Energiebedarf zu einem möglichst grossen Teil erneuerbar zu decken und die Energieeffizienz zu erhöhen, stellen Rebound-Effekte durchaus ernst zu nehmende Probleme dar. Es wurde gezeigt, wie komplex die Mechanismen die hinter den Rebound-Effekten stehen, sind. Die Arten und Ursachen dieser Effekte sind unterschiedlich und müssen unbedingt im Auge behalten werden. Die Tatsache, dass Rebound-Effekte nicht verhindert sondern lediglich begrenzt werden können verlangt ein bedeutend stärkeres persönliches Bewusstsein des eigenen Energieverbrauchs, der daraus resultierenden Emmisionen und der Energiekosten. Im Weiteren kann die Nutzung von ICT in Anbetracht der Rebounds nur dann nachhaltiger gestaltet werden, wenn bewusster mit den Geräten umgegangen wird und nebst finanziellen Kosten auch ökologische Kosten in Betracht gezogen werden. Die Tatsache, dass Rebound-Effekt zu wenig in Energieprognosen und -modellen berücksichtigt wird zeigt, dass zukünftig mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden muss, und von verschiedener Seite mehr in diesem Bereich – Ursache, Formen, Auswirkungen und Begrenzungsmassnahmen von Rebound-Effekten geforscht werden muss. 8. Quellenverzeichnis [1] Vimentis (2011) http://www.vimentis.ch/d/publikation/209/Atomenergie+in+der+Schweiz.html [2] Schauer, T., 2002. Der reale Ressourcenhunger der virtuellen Ökonomie. Natur und Kultur 3/1. Gesellschaft für ökologisch-nachhaltige Entwicklung [3] Wikipedia (2011) http://de.wikipedia.org/wiki/Rebound_(%C3%96konomie) [4] De Haan, P., 2009. Energie-Effizienz und Reboundeffekte: Entstehung, Ausmass, Eindämung. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK. Bundesamt für Energie BFE
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