Studieren, aber richtig Gerald Poscheschnik Tiefeninterview Ergänzung zu Abschnitt „IV.1. Qualitative Erhebungsmethoden“, Unterabschnitt „Das qualitative Interview“ Das Tiefeninterview ist ein Interviewverfahren, das von der Psychoanalyse inspiriert ist. Insofern ist es eine wichtige Erhebungsmethode für Auswertungen mit der Psychoanalytischen Textinterpretation (s. Abschnitt V.1). Es handelt sich um ein nur sehr wenig strukturiertes, offenes Interview, das angewandt wird, um verborgene, normalerweise nur schwer zu erfassende, unbewusste Motive und Einstellungen der interviewten Personen zu Tage zu fördern. Der Ablauf des Interviews wird der Individualität des Interviewten angepasst. Kurzum, die Interviewerin bleibt passiv und sorgt lediglich dafür, dass alle relevanten Themen zur Sprache kommen. Das Tiefeninterview folgt somit dem Prinzip der freien Assoziation. Das heißt, dem Interviewten wird der Raum gelassen, seine Subjektivität möglichst ungehindert zu entfalten und alles zur Sprache zu bringen, was er für erzählenswert hält. Zur Aufdeckung unbewusster Einstellungen kommen im Tiefeninterview unterschiedliche Frageformen zum Einsatz. Darunter befinden sich allgemeine erzählgenerierende Fragen, welche die als relevant definierten Themen anschneidet (z.B. Erzählen Sie mir doch einfach mal, was Ihnen so zu Ihrer Kindheit einfällt). Spricht die Interviewte Gebiete an, die nicht im Interviewleitfaden enthalten sind, aber vielversprechend erscheinen, besteht die Möglichkeit zu vertiefenden Fragen (z.B. Sie haben gesagt, mit Ihrem Bruder hatten Sie es nicht immer so leicht. Wie meinen Sie das?). Zusätzlich können spezielle Fragetechniken, wie beispielsweise Assoziationsfragen oder projektive Fragen zum Einsatz kommen. Eine Assoziationsfrage ist eine Aufforderung des Interviewers, alles zu erzählen, was einem zu einem bestimmten Stimulus-Wort einfällt (z.B. Was fällt Ihnen spontan zum Begriff Weiblichkeit ein?). Eine projektive Frage bezieht sich auf einen visuellen Reiz, der zu den besprochenen Inhalten passt und vom Interviewer ins Gespräch ein- 1 Hug, Theo & Poscheschnik, Gerald unter Mitarbeit von Bernd Lederer und Anton Perzy (2010) Empirisch Forschen. Über die Planung und Umsetzung von Projekten im Studium Stuttgart: UVK/Huter&Roth (UTB, 3357, ISBN 978-3-8252-3357-0) Gerald Poscheschnik : Tiefeninterview gebracht wird (z.B. Was denken Sie über dieses Werbeinserat aus einer regionalen Tageszeitung?). Literatur Lamnek, Siegfried (2005): Qualitative Sozialforschung: Lehrbuch. Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union. Banaka, William H. (1971): Training in depth interviewing. New York: Harper & Row. 2 Hug, Theo & Poscheschnik, Gerald unter Mitarbeit von Bernd Lederer und Anton Perzy (2010) Empirisch Forschen. Über die Planung und Umsetzung von Projekten im Studium Stuttgart: UVK/Huter&Roth (UTB, 3357, ISBN 978-3-8252-3357-0)
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