Ein listiges Schauspiel

Hallertauer Zeitung vom 30.03.2016
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41
Sport aktuell
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Ein listiges Schauspiel
Zeitpunkt der Englbrecht-Verlängerung, Roos-Kündigung und Endraß-Einstellung – alles kein
Zufall. Dahinter steckt Kalkül. Und zwar der neuen LES-Macher Wollny, Zieglmaier und Altinger
Von Michael Selmeier
Die Zeiten sind schnelllebig – selbst in
der Oberliga. Auf dem Eis sowieso und
bisweilen auch hinter den Kulissen. So
wie derzeit beim EV Landshut respektive bei der für den Profibetrieb zuständigen LES GmbH: Dort haben sich –
wie berichtet – die Personalentscheidungen rund um Ostern regelrecht überschlagen. Jörg Wollny, Kilian Zieglmaier und Robert Altinger formierten
sich „bis zur vollständigen Sanierung
der GmbH“ zu einem GesellschafterTrio, Cheftrainer Bernie Englbrecht verlängerte seinen Vertrag um ein Jahr, der
designierte Geschäftsführer Matthias
Roos kündigte eineinhalb Monate vor
seinem offiziellen Amtsantritt und Stefan Endraß heuerte als dessen Nachfolger an. Alles binnen sechs Tagen. Reiner Zufall ? Wohl kaum. Eher ein listiges Schauspiel.
Als Vorlage fürs Drehbuch taugt –
neben dem Kündigungsschreiben von
Matthias Roos – ausgerechnet die LESPressemitteilung vom Karfreitag: „Es
gab unterschiedliche Auffassungen über
die Besetzung der Trainerposition. Matthias Roos wollte den Trainer für die
kommende Saison selber bestimmen.
Wir dagegen standen bei Bernie Englbrecht im Wort. Und dazu stehen wir
weiterhin. Deshalb hat sich Matthias
Roos entschieden, den Vertrag mit uns
zu kündigen. Wer anstelle von Matthias
Roos die Geschäftsführung übernimmt,
ist bereits entschieden.“
Erster Akt: Matthias Roos ist Geschäftsstellenleiter beim Zweitligisten EC Bad
Nauheim. Irgendwie stoßen die LESOberen auf ihn, umgarnen ihn. Der ist
nicht abgeneigt und bestätigt im Dezember das Werben der Landshuter flugs
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gegenüber der „Wetterauer Zeitung“.
Darüber sind sie in der Dreihelmenstadt
zwar nicht gerade glücklich, aber weiterhin Feuer und Flamme für den 36Jährigen. Nach wochenlangem Hickhack heuert der Jurist am 23. Januar bei
der LES an. Offenbar mit weitreichenden Kompetenzen, wie Matthias Roos
am Gründonnerstag konstatiert: Er habe
„deutlich mitgeteilt, dass es als zukünftiger Geschäftsführer und Sportdirektor
meine alleinige Entscheidung ist, mit
welchen Trainern ich arbeiten und welche Spieler ich verpflichten werde. Das
waren klare Voraussetzungen meinerseits, um überhaupt einen Arbeitsvertrag in Landshut zu unterschreiben“.
Zweiter Akt: Bis zu seinem offiziellen
Dienstantritt am 1. Mai ist’s noch eine
Weile hin. Matthias Roos schaut häufiger bei den Heimspielen im Eisstadion
am Gutenbergweg vorbei, diskutiert mit
Verantwortlichen und plaudert auffällig
oft mit Günter Oswald, einem gebürtigen Landshuter, Ex-Nationalstürmer
und Spielerberater. Das und insbesondere sein Faible für sportliche Belange
gefallen der LES-Troika weniger. Seither kühlt die Beziehung ab, erste Zweifel an der eigenen Personalentscheidung keimen auf. Der ehrenamtliche
Noch-Geschäftsführer Robert Altinger
spricht später von „unüberbrückbaren
Differenzen“.
Dritter Akt: Die LES-Macher bandeln
derweilen mit Stefan Endraß an – oder
umgekehrt. Der gebürtige Füssener ist
34 Jahre alt, hat ein wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Fernuniversität Hagen als Diplom-Kaufmann abgeschlossen, arbeitet (noch) als Marketingleiter beim Deutschen EishockeyBund in München und promoviert
nebenher an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Und passt – auch aufgrund seiner mehrjährigen Berufserfahrung als Banker bei der Bayern LB –
bestens ins Anforderungsprofil der
Landshuter. Aus dem „Flirt“ wird rasch
eine Beziehung. Bleibt nur ein Problem:
der Vertrag mit Roos.
Vierter Akt: Roos pocht unverdrossen
auf seinen Kompetenzsektor. Jedenfalls
fasst er ein weiteres Streitgespräch in
der LES-Zentrale so zusammen: „Beim
ersten Playoff-Viertelfinale gegen Selb
am 11. März hatten wir Diskussionen
über die Vertragsverlängerungen von
Jackson Kuhn und Trainer Berni Englbrecht. Dort habe ich nochmals deutlich
zum Ausdruck gebracht, dass ich noch
nicht entschieden habe, ob ich mit den
Beiden weiterhin zusammenarbeiten
möchte.“ Damit bringt er die LESGesellschafter vermutlich auf eine Idee.
Sie verlängern einfach den Vertrag mit
Bernie Englbrecht in Eigenregie um ein
Jahr. Aus innerer Überzeugung. Und
mutmaßlich auch als Mittel zum Zweck.
Fünfter Akt: Matthias Roos geht den
Landshutern auf den Leim. Er fühlt sich
veräppelt und kündigt am Gründonnerstag per Email. „Dies stellt für mich eine
Zerstörung unseres Vertrauensverhältnisses dar, weshalb die Grundlage eines
Arbeitsverhältnisses nicht mehr gegeben ist !“ Damit ist der Weg frei für die
Verpflichtung von Stefan Endraß. Der
ehemalige DEL-Profi der Augsburger
Panther unterzeichnet noch am selben
Abend das Arbeitspapier und wird vier
Tage später nach dem Playoff-Aus
gegen Tilburg offiziell als neuer LESGeschäftsführer vorgestellt. So funktioniert Kalkül.
GANZ SCHÖN GEWITZT: Kilian Zieglmaier (von links), Robert Altinger und Jörg Wollny bilden die neue
Gesellschafter-Troika der LES. Quasi zum Einstand haben sie den Vertrag mit Coach Bernie Englbrecht
verlängert, damit die Kündigung von Geschäftsführer Matthias Roos ausgelöst und Stefan Endraß bereits
als dessen Nachfolger installiert. Foto: Tobias Nagler
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