MADE IN SWITZERLAND Rausch feiert das 125-Jahre-Jubiläum und setzt auf „Swiss Made“ Kräuter als Erfolgsrezept VO N DAV E H E R T I G 68 | 05•2015 © GETY IMAGES FOTOS : © RAUSCH AG; ILLUSTRATIONEN: Der Geschäftsführer und sein Nachfolger, Vater und Sohn: Marco und Lucas Baumann sind ein eingespieltes Team 05•2015 | 69| READER’S DIGEST DER DESIGNIERTE CHEF kommt selbst zum Empfang. Es ist Arbeitsbeginn und hinter der ersten Tür stempelt Lucas Baumann ein wie alle Angestellten, obschon er bald von seinem Vater Marco die Leitung übernehmen wird. Dann führt er den Besucher durch ein Labyrinth von Gängen. „Wer bei uns neu beginnt, bekommt eine Art Stadtplan in die Hand, um sich im Haus orientieren zu können“, sagt er amüsiert. Orientierung benötigt auch der Kunde im Fachhandel. Meterweise buhlen laute Markenversprechen in bunten Behältern um Aufmerksamkeit. Im Kosmetikmarkt tobt der Verdrängungskampf. Neue, meist günstig hergestellte Körperlotionen, Shampoos und Stylingprodukte werden mit teurem Marketing in die Läden gedrückt. Die Regale gehen oft an den Meistbietenden, der dann mit Werbung den Absatz sofort derart zu fördern versucht, dass die Rechnung aufgeht. Klappt es nicht wunschgemäss, verschwindet die eben noch trendige Marke oder zieht sich auf die billigen Plätze zurück. Schon lockt von den besten Ladenflächen aus ein neuer Name mit Gesundheit und Schönheit. „Mit unseren bescheidenen Budgets können wir da nicht mitbieten“, stellt Lucas Baumann klar. Doch während die laute Konkurrenz kommt und geht, verhält sich Rausch ruhig und bleibt. Wie geht das, wenn man bei der Ladenfläche nicht mitfeilschen kann? „Wir leben von Goodwill“, sagt Bau70 | 05•2015 mann. Doch der Betriebswirtschaftler mit einem Abschluss der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur weiss es besser: Goodwill klingt wie Liebesdienst und so etwas gibt es in der Wirtschaft nicht. „Goodwill und Nachhaltigkeit“, ergänzt er deshalb. „Neue Marken sind durchschnittlich rund anderthalb Jahre in den Regalen. Uns hingegen verkaufen die Fachhändler seit Jahrzehnten. Sie sind von unseren Produkten begeistert und sie wissen: Rausch ist konstant und einzigartig.“ ECHTE KRÄUTER Einzigartigkeit gelingt Rausch mit der schweizerischen Herkunft und mit dem Fokus auf die Kräuter. Die Lagerhallen sind das Reich der natürlichen Düfte: stapelweise Kräuter in grossen Papiersäcken. Wer am offenen Fläschchen eines Rausch-Shampoos schnuppert, weiss: Ja, das ist der Duft echter Pflanzen. „Wir ziehen die Kraft aus den Kräutern“, sagt Lucas Baumann. Er hält die Hände in die Luft, die Innenflächen nach oben gerichtet. Imaginär zieht er die erwähnte Kraft zu sich und am Ende der Bewegung schliessen sich die Hände vor seinem Gesicht zu 125 JAHRE NATÜRLICHE KOSMETIK 1890 gründet der Friseur Josef Wilhelm Rausch im deutschen Konstanz die Firma Rausch. Er produziert Haarwasser und Haarwaschseife („Shampoo“) aus Kräuterextrakten. 1920 verlegt er den Unternehmenssitz ins benachbarte thurgauische Kreuzlingen. FOTO: © RAUS CH AG Familie Baumann Nachdem das Unternehmen von drei Generationen der Familie Rausch geführt wird, übernimmt 1949 Josef Baumann-Widmer den Kosmetikhersteller. Ab 1975 führen dessen Söhne J. Alexander Baumann (bis 2006) und Marco Baumann gemeinsam das Unternehmen. Derzeit steht mit Marcos Sohn Lucas die dritte Generation der Familie Baumann in den Startlöchern. Lucas Baumann, der zukünftige Geschäftsführer, und sein Bruder Thomas sind im Verwaltungsrat. Das Unternehmen befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Familie. Swiss Made – mit 164 Angestellten Rausch stellt kosmetische und pharmazeutische Produkte auf der Basis von Pflanzen- und Kräuterextrakten her. Zwei Drittel des Sortiments bestehen aus Haarpflegespezialitäten. Kernmärkte sind die Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien. Die Produkte werden zudem in 22 weiteren Ländern verkauft. Rausch beschäftigt 164 Angestellte – davon 99 am Standort Kreuzlingen. Hier werden die 70 Produkte hergestellt und abgefüllt, hier wird geforscht, verwaltet und vermarktet. Rausch bleibt „Swiss Made“ – das ist ein Versprechen der Unternehmerfamilie. Die Kraft der Kräuter Die Shampoos bestehen neben den normalen Basisinhaltsstoffen bis zu 40 Prozent aus reinen Kräuterextrakten. Rund die Hälfte dieser 87 Extrakte stellt Rausch selbst her. Eine bemerkenswerte Eigenheit im Kosmetikmarkt, der von billigen Inhaltsstoffen und teurem Marketing dominiert wird. 68 der 70 RauschProdukte werden vegan produziert und alle 70 sind frei von Tierversuchen. DH Ur-Mischung: Firmengründer J. W. Rausch lancierte 1903 als erstes ein Kamillen-Shampoo 05•2015 | 71| Fäusten. Es hat etwas Religiöses und man versteht: Der angehende Firmen chef, der die komplexen Prozesse der Extraktion im Detail kennt, glaubt selbst ohne Zweifel an die Kraft sei ner Kräuter. Von den infrage kommenden Roh stoffen kauft Rausch zuerst eine Pro be menge, ein Kilo vielleicht. Diese wird in einem Gerät analysiert, das Feinheiten im Extrembereich erkennt. Nur beste Qualität wird danach zur Verarbeitung eingekauft. Und: Was in der Schweiz angebaut wird, kommt auch von Schweizer Vertragsland wirten. „Kokosnuss und Meeresalgen würden wir hierzulande aber vergeb lich suchen“, sagt Baumann mit einem Lächeln. TRADITION UND FAMILIE Der gesamte Rest der Wertschöpfung fällt in der Schweiz an – Produktion, Vertrieb und Verwaltung. Ein paar hundert Meter von der deutschen Grenze entfernt stellt sich das Unter nehmen den Schweizer Produktions kosten und kämpft mit den Schwierig keiten rund um den teuren Franken. Für Lucas Baumann eine Selbstver ständlichkeit: „Wir werben mit der Schweiz. Das ist für uns wichtig und da machen wir keine Kompromisse.“ Eines Tages wollte eine Stadt in Po len die RauschProduktion abwerben, so wie das bei vielen anderen Unter nehmen passiert. „Man hätte uns die Produktionsanlagen kostenlos hinge stellt“, sagt Baumann. Doch er und 72 | 05•2015 sein Vater – der 69jährige Patron ist seit 47 Jahren in der Firma – winkten dankend ab. Rausch wird „Swiss Made“ bleiben, auch unter der Führung des Junior chefs. Lucas Baumann freut sich auf die neuen Aufgaben, die ihn erwar ten. Tradition ist ihm wichtig: Er muss das Familienunternehmen nicht um bauen oder gar auf den Kopf stellen. Er will den Standort und die Arbeits plätze schützen und bei der Qualität keine Kompromisse zulassen. Sein Vater würde wohl die gleichen Sätze sagen. Das ist kein Zufall, denn für Lucas Baumann ist Rausch Teil seines Lebens, seit er denken kann. Er hat in jeder Abteilung gearbeitet und kam 2012 nach ein paar Jahren in der Hotellerie zurück. Fast jeden Mor gen fährt er heute zum Eltern haus, frühstückt mit seinem Vater – und bespricht die anstehenden Aufga ben des Tages. 05•2015 | 73| FOTO: © RAUS CH AG READER’S DIGEST
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