KIS 12_2015 Vergärung hoher Mostgewichte (BA, TBA)

Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum
Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
Dienstsitz Oppenheim
Gruppe Oenologie und Kellertechnik
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KELLERWIRTSCHAFTLICHER
INFORMATIONS-SERVICE (KIS)
Nr. 12
Rheinhessen 2015
14.10.2015
VERGÄRUNG HOHER MOSTGEWICHTE (BA, TBA) , ABSTICH, SO2, BSA
I.
Vergärung von Mosten mit hohen Mostgewichten
Wie im letzten KIS beschrieben, besteht in diesem Jahr die Besonderheit Weine im
gehobenen Restsüßesegment (Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese) zu ernten.
Diese Moste bedürfen natürlich einer ganz besonderen Ausbauweise. Je dichter die Moste
(Zuckerkonzentrierung), umso mehr Restrub wird auch vorhanden sein, denn eine blanke
Filtration ist fast unmöglich, z. T. auch nicht notwendig. Wichtig ist, dass Sie eine schnelle
Verarbeitungslinie, bzw. eine zügige Angärung erreichen. Bei Mostgewichten über 150°Oe ist
es evtl. ratsam, den Hefeansatz zu verdünnen, um eine schnelle Angärphase zu erhalten.
Dieser Ansatz kann dann täglich und zügig verlängert werden. Damit hat die Hefe ein
besseres Milieu zum „Arbeiten“. In dem unten aufgeführten Beispiel wurde ein Hefeansatz mit
EC 1118 durchgeführt, der aber dem Most ohne Verdünnung direkt zugegeben wurde. Zu
erkennen ist, dass nach der Lese am 02.10. und der anschließenden Verarbeitung, die
Gärung zügig nach der Hefezugabe eingesetzt hat. Interessanterweise nimmt die flüchtige
Säure während der Gärung und der Alkoholbildung nicht zu, sondern wieder ab. Wir sprechen
natürlich von einer ausgelesenen „gesunden“ Botrytis in 2015. Dieses Phänomen der
Reduzierung der flüchtigen hatten wir auch in dem Problemjahrgang 2014 oft zu beobachten.
Wie und mit welchem Restzuckergehalt sollten diese Weine gestoppt werden?
Diese Frage kann und muss individuell je nach Betriebsphilosophie geklärt werden. Das
stoppen dieser Weine funktioniert am besten unter Kälte (siehe Beispiel – Kühlzelle am
09.10.). Der Restzuckergehalt sollte natürlich in Abhängigkeit der Säure eingestellt werden.
Als Faustwert kann bei einer Beerenauslese gelten: Ausgangsmostgewicht in °Oe ungefähr
Restzuckergehalt im Wein in g/l. Bei einer Trockenbeerenauslese kann und sollte der
Restzuckergehalt auch höher sein. Oft ist hier der begrenzende Faktor der erreichte
Alkoholgehalt, denn die Gäraktivität ist eher gering. Genauso wichtig ist aber die sensorische
Kontrolle, bzw. die Einstellung nach der „Harmonie“ des Weines. Die Zugabe und die Höhe
des SO2 sollten am sinnvollsten im Labor über einen SO2-Bedarf ermittelt werden. Vorher
kann natürlich über eine Rahnprobe der ungefähre Zeitpunkt ermittelt werden.
2015er Weißburgunder Beerenauslese
Lese am 02.10.2015
Ausgangsmostgewicht 147°Oe, 6,3 g/l Gesamtsäure
Mostsäuerung um 1,5 g/l
Gärende nach stoppen mit Kühlzelle am 11.10.2015
5.10.
Mostgewicht °Oe
Restzucker g/l
Alk. Vol%
fl. Säure g/l
323,4
0,63
0,83
06.10.
07.10.
08.10.
09.10.
10.10.
11.10.
116,0
106,0
237,8
5,41
0,77
94,0
206,1
7,7
0,7
83,0
200
8,09
0,68
81,0
75,0
180,7
9,44
0,62
II.
Abstich, Schwefelung und Säureharmonisierung
Was ist in den nächsten Wochen zu beachten?
1. Weißweine
Im Allgemeinen muss ausreichend Zeit zwischen Gärende und Schwefelzugabe verbleiben
(ca. 10 Tage), um das restliche Acetaldehyd abzubauen. Zu hohe Schwefelgaben behindern
die Entwicklung der Weine und führen zu verschlossenen Weintypen. Eine Abschwefelung
nach Gärende auf die „Hefe“ bei spundvollem Gebinde, kann einen frühzeitigen Abstich
ersetzen. Dafür ist eine gute Mostvorklärung vorauszusetzen. Der 1. Abstich kann dann mit
der 1. Kieselgurfiltration im Dezember oder Januar zusammengelegt werden. Hierbei ist zu
beachten, dass die
mögliche Abstich und SO2-Zeitpunkt - Variationen
„Hefe“ gesund ist, und
SO2-Dosage
Zeitpunkt
die weitere Entwicklung
mg/l
des Weines nur positiv
faules Lesegut
100 - max. 120
zügig 3-8 Tage nach Gärende
fördert.
gesundes Lesegut
80
a) 8-10 Tage nach Gärende
Durch die Rahnprobe
bzw. gute Vorklärung
b) vor weiterer chem. Entsäuerung
kann
der
gesundes Lesegut
keine
BSA-Einleitung
Schwefelzeitpunkt
des
v.a. Burgunder
direkt
Jungweines weiterhin
gesundes Lesegut
60
differenzierte Feinhefelagerung
optimiert werden.
mit und ohne Aufrühren,
Je nach gewünschtem
bei niedrigem pH-Wert
Ausbaustil
und
Vorsicht möglicher spontaner BSA
eventuell vorgesehener
Feinhefelagerung sollten die Betriebsleiter ihre Schwefelmengen variieren. So sind SO2 Gaben von 60 mg/l bis 100 mg/l zuzugeben, je nach gewünschtem Effekt. Eine geringe
Zugabe von 60 mg/l zur besseren Autolyse und Entwicklung der Jungweine erfordert natürlich
eine ständige sensorische und/oder analytische Kontrolle, damit keine unerwünschten
Veränderungen (BSA, Oxydation) entstehen. Diese Differenzierung der Schwefelung hat sich
in den letzten Jahren etabliert, und zeigt positive Auswirkungen auf die weitere
Weinentwicklung. Sie ist nur sinnvoll bei „stabilen“ Weinen bezüglich Säure, pH-Wert und evtl.
BSA. Der Einsatz von Kälte hemmt natürlich unerwünschte Veränderungen.
Bei einer Zugabe von 100 mg/l SO2 ist in der Regel eine Sicherheit bis Weihnachten und oft
darüber hinaus gegeben. Es sollte aber die Regel sein, die Schwefelstabilität 2-3 Tage nach
der Zugabe zu überprüfen. In den letzten Jahren konnte festgestellt werden, dass die
Jungweine recht stabil waren, d.h. nach einer Gabe von 80 mg/l SO2 wurden nach 3 Tagen
noch 45 mg/l freie SO2 gemessen. Gründe hierfür waren gesunde Trauben und die Vergärung
mit Vitamin B1. Inwieweit das auch für den 2015 er Jahrgang gelten kann, wird zu überprüfen
sein.
2. Säureharmonisierung
Ist die Säure im Wein (sensorisch und/oder analytisch) noch unharmonisch, sollte eine
Säurereduzierung oder vereinzelt auch Säureerhöhung ins Auge gefasst werden. Eine
frühzeitige Reduzierung, bzw. Erhöhung hat den Vorteil der schnellen Stabilisierung und
Harmonisierung und lässt sich gut zusammen mit einem Abstich durchführen. Hierzu sind
aber zunächst Kenntnisse über Wein- und Äpfelsäuregehalte notwendig. Vorversuche hierzu
erscheinen in jedem Fall sinnvoll. Dabei ist aber die begrenzte sensorische
Beurteilungsfähigkeit hefetrüber Wein zu berücksichtigen.
Fazit: Das Geheimnis, bzw. die Qualitätsphilosophie eines Weingutes liegt sicher in einer
differenzierten Betrachtungsweise der jeweiligen Weinstilistik und des jeweiligen Ausbaus.
III.
BiOLOGISCHER SÄUREABBAU (BSA)
Bereits vergorene und abgepresste Rotweine sollten auf Ihren Alkoholgehalt überprüft
werden. Eine eventuell notwendige Nachjustierung kann/muss direkt nach der Kelterung
(Maischegärung) vorgenommen werden. Nach Abkühlung des Weines und erneutem
Zuckerzusatz kann es zu Problemen mit der Endvergärung kommen. Bei beginnendem BSA
kann die Glucose durch Milchsäurebakterien zu Essigsäure umgesetzt werden.
Wird der BSA eingeleitet, sind auf jeden Fall die Bedingungen zu optimieren, damit er zügig
verlaufen kann. Denken Sie auch an evtl. durchgeführte hohe Maischeschwefelungen, die
den BSA behindern können.
Bestehen keine Anwärmmöglichkeiten sollte die Restwärme der Gärung für den BSA-Start
ausgenutzt werden, direkt nach der Gärung beimpft und der Abstich erst nach vollständigem
BSA erfolgen. Sauerstoffzufuhr im BSA kann die Bakterienflora drastisch reduzieren. Eine
analytische Bestimmung der Äpfelsäure gibt Aufschluss über die zu erwartende
Säurereduktion durch den BSA. Die Säurereduktion ergibt nach dem BSA eine Verminderung
der Gesamtsäure im Umfang: Äpfelsäure x 0,5.
Eine schwefelfreie Lagerung kann sich mit wöchentlicher sensorischer Kontrolle zur
Gerbstoffpolymerisation dann anschließen. Falls Rotweine nach Konzentrierung sehr hohe
Alkoholgehalte aufweisen, kann zum Beispiel mit dem Stamm Lalvin VP 41 (hohe
Alkoholtoleranz) beimpft werden. Diese Eigenschaft weisen mittlerweile mehrere
Bakterienstämme auf.
Eine unzureichende Nährstoffsituation der Bakterien aufgrund von Mangelmosten oder
starkem Nährstoffkonsum durch die Hefen kann zu Problemen mit dem Start des BSA führen.
Hier kann das Aufrühren der Hefe oder ein Zusatz von Hefezellwandpräparaten hilfreich sein.
Reines Diammoniumphosphat hilft dabei nur wenig.
Die Risiken beim BSA, wie z.B. Zähwerden, Essigstich oder Mäuselton, sind in erster Linie
auf die Aktivität von Milchsäurebakterien der Gattung Lactobacillus oder Pediococcus bei pHWerten über 3,5 zurückzuführen. Durch die Einhaltung der Grundbedingungen für den BSA
und die richtige Handhabung der Starterkulturen können diese Risiken aber auf ein Minimum
reduziert werden. Der Einsatz von Starterkulturen führt durchgängig zu reintönigeren Weinen
und reduziert auch den Gehalt an biogenen Aminen. Dabei kann mittlerweile auf Citrat
negative Bakterien zurückgegriffen werden, die wenig oder kein Diacetyl produzieren. Diese
Stämme sollten dann eingesetzt werden, wenn keine buttrigen Aromaattribute im Wein
gewünscht sind.
Die wichtigsten Anforderungen zur Durchführung eines gelungenen BSA:
Temperatur
Milchsäurebakterien zeigen in ihrem Wachstum eine starke Abhängigkeit von der
Temperatur. So ist das Wachstum bei 15°C deutlich geringer als bei 25°C. Das Optimum für
Oenococcus oenii liegt z.B. zwischen 20°C und 25°C. Temperaturschwankungen sollten auf
ein Minimum reduziert werden, da die Milchsäurebakterien auf wechselnde Temperaturen
sehr empfindlich reagieren. Die Temperierung lässt sich mit Wärmeaustauschern, Heizstäben
oder Infravin-Geräten, die evtl. mit einer Zeitschaltuhr oder einem Universal-Thermometer
(Conrad) kombiniert geschaltet werden, in der Praxis umsetzen. Bei stärkerer Ausweitung des
Biologischen Säureabbaus im Betrieb, muss hier gegebenenfalls entsprechend investiert
werden.
pH-Wert
Oenococcus oeni-Stämme besitzen ein Aktivitäts-Minimum von pH 3,1 bis 3,2. Das
mikrobielle Risiko durch Bakterien der Gattung Lactobacillus und Pediococcus steigt ab pH
3,5.
Eine chemische Entsäuerung vor dem BSA ist nur dann zu empfehlen wenn der
ursprüngliche pH-Wert unter 3,2 liegt, und der angestrebte Säuregehalt nicht durch einen
vollständigen BSA zu erzielen ist (1 g/l Gesamtsäure erhöht etwa um 0,1-0,2 pH Einheiten).
Keine schweflige Säure
Der BSA kommt nur in Gang wenn auf eine Schwefelung beim Abstich verzichtet wurde!
Dies gilt auch bei einer Entscheidung zum BSA für Teilpartien, daher muss dies bereits zum
Abstich entschieden sein.
Der Schwefel aus der Maischeschweflung bis 50 mg/l bei Rotwein-Maischegärung ist in der
Regel abgebunden und stellt dann keine Hürde mehr für die Bakterien dar.
Alkoholgehalt
Der Alkoholgehalt ist ein weiterer reduzierender Faktor. Die Wachstumsraten von
Oenococcus oeni-Stämmen erreichen ihr Maximum bei Alkoholkonzentrationen von ca. 5-6
Volumenprozent. Bei Weinen mit Alkoholgehalten von über 13,5 % Vol. sind alkoholtolerante
Stämme zu empfehlen (siehe Übersichtstabelle).
Kein vorliegender Restzucker
Die Weine, die in den BSA gehen, sollten keinen Restzucker aufweisen, da die
Milchsäurebakterien nach Abbau der Äpfelsäure zu Milchsäure auch vorhandene Glucose
verstoffwechseln, und daraus Essigsäure bilden können. Die gärbegleitenden Maßnahmen
(Hefeauswahl, Temperaturführung) sollten daher bereits zu trockenen Weinen führen
(Clinitest).
Übersicht Milchsäurebakterienkulturen: (Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)
Vertrieb
2BFermControl
Breisach;
Schliessman
Schwäbisch Hall ;
Fa.Gauch
Bad Kreuznach
Begerow/Eaton,
Langenlohnsheim
Deutscher
WeinanalytikerVerband
Erbslöh,
Geisenheim
Keller,
Mannheim
Laffort,
mit KiKK GmbH
Föhren
pH – Wert
Maximaler
Minimum
Temperatur
Alkoholgehalt
Wenn der Wein/Most beinahe die Grenze von
mehr als einem Faktor erreicht hat, kann der BSA
verzögert oder verhindert werden.
Bezeichnung
citrat-negativ
MaloBacti CN1
ja
3,2
16° - max. 26°C
14%
MaloBacti HF 2
nein
3,0
13° - max. 26°C
16%
MaloBacti AF 3
nein
3,2
15° - max. 26°C
17%
Viniflora oenos
Viniflora CH 11
Viniflora CH 16
nein
nein
nein
3,1
3,0
3,3
17° - max. 25°C
14° - max 25°C
15° - max. 25°C
14%
15%
14%
Viniflora CH 35
Viniflora CiNe
nein
ja
3,0
3,2
15° - max. 25°C
16° - max. 25°C
16%
14%
Lalvin VP 41
Uvaferm alpha
Uvaferm beta
nein
nein
nein
3,1
3,2
3,2
16° - max. 24°C
13° - max. 25°C
14° - max. 25°C
15%
14%
14,5%
Lalvin 49A1
Biostart SK 11
Biostart SK2
Biostart SK55
LittoMaloStar
fruit
LittoMaloStar
cream
nein
nein
nein
nein
3,1
3,0
3,0
?
15° - max. 25°C
16° - max. 25°C
15° - max. 25°C
? - max. 25°C
13,5%
16%
14,5%
??
ja
3,2
16° - max. 26°C
14%
nein
3,1
16° - max. 24°C
15,5%
Keller-BSA
LACTOENOS
350 PreAc®
nein
nein
3,0
15° - max. 26°C
13,5%
nein
15° - max. 25°C
16° - max. 25°C
16%
LACTOENOS
450 PreAc®
2,9
3,5
LACTOENOS
SB3 Instant
LACTOENOS
B16 Standard
17%
nein
3,3
16° - max. 25°C
15%
3,1
16° - max. 25°C
16%
nein