Verzögerte Sofortimplantation und Augmentation bei hoher

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Verzögerte Sofortimplantation und Augmentation
bei hoher Lachlinie
Im vorliegenden Fall wurde vor ca. zehn Jahren im Bereich
des oberen rechten Eckzahnes (13) aufgrund eines Traumas eine
Implantatversorgung durchgeführt. Seit einiger Zeit störte sich
der Patient an der signifikant erhöhten Beweglichkeit seines ’Implantatzahnes’, als auch der schlechten Ästhetik bei seinem stark
ausgeprägten ’Gummy Smile’ (hohe Lachlinie; Abb. 1, 2).
Abb. 1
Abb. 2
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Klinische Analyse und Planung:
Die signifikante Erhöhung der Kronen-/Implantatbeweglichkeit konnte mit dem PerioTest Gerät (Gulden) verifiziert werden
(PT-Wert +21). Auf dem initialen Einzelröntgenbild (Abb. 3) war
ein erhöhter krestaler Knochenverlust bei 13 feststellbar, welcher auf der 3D DVT-Aufnahme vestibulär im Transversal- und
Sagittalschnitt bestätigt werden konnte (Abb. 4). Dies spiegelte
sich im erheblichen zervikalen Weichgewebsdefizit im Bereich
des Implantates wider (Abb. 5, 6). Die 3D-Analyse ergab zudem,
dass das Implantatbett bei der Erstversorgung achsengerecht
aufbereitet wurde, und dass die Vollkeramikkrone adhäsiv auf
dem Titan-/Keramikhybridaufbau verankert war. Es konnte
zudem kein Lösen oder eine Fraktur der Aufbauschraube oder
sogar des Aufbaus festgestellt werden, weshalb von einer bindegewebigen Integration des Implantates ausgegangen werden
musste (s. auch Abb. 3, 4).
Entsprechend war geplant, Krone und Aufbau zu entfernen,
bei bindegewebiger Einheilung das Implantat zu explantieren,
verzögert zu replantieren, und vestibulär sowie krestal einen
Knochenaufbau durchzuführen. Für die Einheilzeit von
vier Monaten war die Versorgung mit einem Klammerprovisorium vorgesehen.
Abb. 3
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Abb. 4
Abb. 6
Abb. 5
Chirurgie:
Abb. 7
Nach Entfernung von Aufbau und Krone konnte das bindegewebig eingeheilte Implantat (Frialit/Dentsply) im entzündungsarmen Gewebe einfach entfernt (Abb. 7) und die Lücke provisorisch versorgt werden (Abb. 8).
Fünf Wochen später war der Weichteilverschluss komplett
erfolgt (angewachsene Gingiva), dem Zeitpunkt der verzögerten Sofortimplantation und simultanen Augmentation (Abb.
9). Nach Bildung eines Mukoperiostlappens via leicht palatinal parakrestaler Inzision regio 13 sowie marginaler, minimalinvasiver Inzision bei 12, 14 und 15 vestibulär und einer kleinen
Vertikalinzision im Bereich des mesialen ’Line-Angles’ bei 16
wurde die zirkulär intakte Implantatalveole sorgfältig gereinigt
(Abb. 10). Anschließend konnte ein spezielles Soft Tissue Level
Implantat (Straumann) primärstabil gesetzt werden, welches
prothetisch einen Normaldurchmesser besitzt (Regular Neck),
und enossal jedoch einen Molarendurchmesser aufweist (Wide
Body; Abb. 11).
Abb. 8
Danach erfolgte eine großzügige vestibuläre Periostschlitzung/Spaltlappenbildung, um nach lateraler und auch vertikaler
Augmentation bei mäßig starker Kieferkammresorption einen
spannungsfreien Lappenverschluss für eine entsprechende Primärheilung erzielen zu können. Zusätzlich wurden lateral und
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Abb. 9
Abb. 11
Abb. 10
krestal regio 12-14 multiple kleine Perforationen mit dem Rosenbohrer angelegt, um die physiologische Wachstumshormonausschüttung im Augmentationsgebiet optimieren zu können (Abb.
12). Zur Augmentation lateral und vertikal wurde synthetisches
Knochenersatzmaterial benutzt (BoneCeramic/Straumann), welches mit Schmelz-Matrix-Proteinen kombiniert wurde (Emdogain/Straumann), wodurch die Hart- und Weichgewebsheilung
getriggert werden kann (Abb. 13). Schließlich wurde das Augmentationsareal über dessen Grenzen hinaus mit einer porcinen
Kollagenmembran mit der Double-Layer-Technique abgedeckt
(Bio-Gide/Geistlich; Abb. 14). Der spannungsfreie Nahtverschluss erfolgte abschließend über 5-0 pseudomonofile, nichtresorbierbare Nähte krestal/papillär (PSN/Hu-Friedy), sowie 6-0
resorbierbare Fäden im Bereich der Vertikalinzision (Vicryl Rapide/ Ethicon; Abb. 15, 16).
Abb. 12
Abb. 13
Abb. 14
Prothetik:
Abb. 15
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Abb. 16
Vier Monate nach komplikationsloser Einheilung erfolgte die
Implantatfreilegung und simultane, offene Implantatabformung
mit Polyäther Abformmassen (Permadyne/Impregum/3M ESPE;
Abb. 17, 18). Zur Ausformung eines individuellen Durchtrittsprofiles (’Emergence Profile’) wurde im Labor ein transokklusal
verschraubtes Langzeitprovisorium (Titanbasis/Kunststoff) hergestellt (Abb. 19, 20). Unmittelbar nach vorsichtigem Einschrauben (ohne Anästhesie) kam es zur charakteristischen Ischämie
(’Blanching’) im marginalen, papillären Bereich bei 13 (Abb. 21).
Zwei Wochen später erkennt man deutlich die Inzisalmigration
(’Remodeling’) im Bereich der marginalen, vestibulären Gewebe,
sowie im Bereich der Papillen, welche innerhalb der Grenzen der
Biologischen Breite möglich ist (Abb. 22). Das Einzelröntgenbild
bestätigt diese Befunde auf dem Hartgewebeniveau mit entsprechender Implantatintegration sowie stabilem, krestalem KnoPraktische Implantologie und Implantatprothetik | pip 4 | 2015
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Abb. 17
Abb. 18
chenaufbau via o.g. Knochenersatzmaterialien (Abb. 23). Sechs
Monate nach verzögerter Sofortimplantation und simultaner
Augmentation sind stabile Hart- und Weichgewebsdimensionen
mit entsprechend erfolgter dreidimensionaler Gewebeaugmentation und einem ästhetischen Zwischenresultat im Vergleich
zum Anfangsbefund ersichtlich (Abb. 1-6 vs. 22-25b). Nach einer
4-6-monatigen Tragezeit/Gewebematuration soll dann die definitive prothetische Versorgung erfolgen.
K
Joachim S. Hermann
Abb. 19
Abb. 20
Abb. 22
Abb. 21
Abb. 23
Abb. 24
Abb. 25a
Abb. 25b
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Prof. Dr. Joachim S. Hermann, München, www.icc-m.de,
Zahntechnische Ausführung: Zahntechniker Pascal Müller,
Glattbrugg/Zürich, www.dentalceramics.ch
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