FOKUS FARBE 10 27. September 2015 / Nr. 39 Darf es ein warmes Blau sein? ben farbige Decken in feinen Nuancen oft ein spannendes Raumerlebnis, da der Betrachter diese nicht auf Anhieb erkennt. Weiter kann der Farbauftrag das Raumgefühl verändern. Ob die Farbe hochglänzend, strukturiert oder aber fein lasierend in durchschimmernden Schichten aufgetragen wird, be«Die räumliche einflusst die Identität der Farbe. Situation und der Und als letzter Tageslichteinfall sind Hinweis noch Farbe ist ein für die Auswahl des kostengünstiges dies: Farbe defiFarbtons enorm niert immer eine Gestaltungsmittel, Form. Ob der gemit dem sich Räuwichtig.» samte Raum, nur me rasch veränSUSANNE SCHMID eine Wand oder dern lassen. AllINNENARCHITEKTIN BA FHZ, eine Nische in eigemeingültige FARBGESTALTERIN HF nen Farbton geRichtlinien für den Farbeinsatz gibt taucht werden, es nicht. Neben den oben genann- sollte immer einhergehen mit der ten Faktoren gilt es, die Hierarchie Architektur. So kann Farbe ihre raumbildende Kraft der Wahrnehmung zu beachten. entfalten. Welche Volumen und Flächen sollen ausgezeichnet werden? Wohin wird das Auge gelenkt? Decken werden übrigens farblich selten wahrgenommen. Dabei erge- diffusionsoffen ist und dadurch Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben kann. Diese zusätzliche Funktion der Wandoberfläche verhindert Schimmelbildung im Innenraum und Algenbildung im Aussenraum. Diese überaus positive Wirkung betrifft übrigens nicht nur Altbauten. In den meisten Wohnungen herrschen weisse Wände vor. Wer hingegen Mut zur Farbe beweist und einige Tipps bei der Auswahl beherzigt, schafft sich ein individuelles und anregendes Wohnumfeld. Susanne Schmid Weisse Räume passen immer, so die weit verbreitete Meinung. Kein Wunder, tendieren viele Menschen zu weissen Wänden – im Glauben, durch Weiss auch hellere Räume zu schaffen. Doch Oberflächen leben vom Licht, sei es vom Tages- oder vom Kunstlicht. Wände in einem standardisierten Weisston haben die Eigenschaft, in der Verschattung zu ergrauen und wirken deshalb oft blass und kühl. Fein abgetönte Wände hingegen erstrahlen durch ihre Farbigkeit in den unterschiedlichen Lichtverhältnissen und Schattenbildern, was die Räume lebendiger und reizvoller macht. Farbtöne mit wenig Ultramarin etwa wirken an verschatteten Orten freundlicher und heller als ein Standardweiss. Dies hat schon der Schweizer Architekt Le Corbusier erforscht und deshalb je nach Lichtverhältnis passende Blautöne eingesetzt, die unterschiedlich warm wirken. Denn Blau ist keineswegs nur eine kühle Farbe. Wer trotzdem helle Räume bevorzugt, kann sich die Eigenschaft von Ultramarin zunutze machen und die Raumfarbe um farbige Weisstöne ergänzen. Denn Weiss muss ja nicht zwingend neutral sein, sondern darf ruhig in farbigen Nuancen auftreten. Was Farbe bewirkt Farben in Räumen setzen die nötigen Akzente und sind Ausdruck der Persönlichkeit. Sie beeinflussen nicht nur die räumliche Dimension der Architektur, sondern wirken sich auch auf unsere Empfindungen aus. Ein gezielter Einsatz von Farbe kann Zonen auszeichnen, einen Raum umhüllen oder abgrenzen und zum Licht hin öffnen. Farben verändern Proportionen. Sie helfen, die Räume zu definieren. Und: Farben öffnen eine weitere Ebene des Räumlichen und sprechen eine eigene Sprache. Farben in der Architektur werden unmittelbar und intuitiv wahrgenommen. Doch zufällig wählen sollte man sie nicht. Um ausdrucksvolle und farblich abgestimmte Räume zu schaffen, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem Kontext. Die räumliche Situation und der Tageslichteinfall sind für die Auswahl des Farbtons enorm wichtig. Als weitere Faktoren kommen die persönlichen Bedürfnisse sowie die Funktionen der Räume hinzu. Zu welcher Tageszeit halte ich mich in diesem oder jenem Raum auf? Welche Tätigkeit übe ich darin aus? Solche Fragen tragen dazu bei, ein Farbkonzept zu definieren, damit Farben eine räumliche Abfolge stärken und zum Begleiter der Bewohner werden. Das Farbmaterial ist tonangebend Farben werden oft nur über den Farbton definiert. Farbe ist aber immer auch Material. Dieser wesentliche Punkt wird zu wenig beachtet. Das Farbmaterial hat nicht nur einen substanziellen Anteil an der Wirkung der Farbe, sondern ist auch von hoher bauphysikalischer Relevanz. Es sind letztlich die Pigmente, die farbgebend sind. Je nach Qualität und Einbettung der Pigmente in den Farbträger kommt die Wirkung des Farbtons mehr zum Tragen. Deshalb ist ein Rot nicht gleich Rot. Ein Zinnoberrot kann je nach Farbmaterial flach und fad oder aber wärmend und tief wirken. Natürliche Farbmaterialien wie Mineral- oder Kalkfarben sind so beschaffen, dass die wertvollen anorganischen Pigmente optimal eingebettet sind. Die Leuchtkraft wird erhöht und der Anstrich wirkt dreidimensional, während die Oberfläche samtig matt erscheint. Zusätzlich verbessern anorganische, hochalkalische Farbmaterialien unter anderem durch ihre Laugenwirkung das Raumklima. Denn die immer dichter werdenden Gebäudehüllen verändern die Feuchtigkeitshaushalte der Innenräume. Ein mineralischer Farbaufbau hat den bauphysikalischen Vorteil, dass seine Oberfläche Räume mit Identität Wände streichen ist mit wenig Aufwand verbunden. Umso grösser ist die Wirkung. BILD HAGA /D. PARZINGER Natürliche Mineral- und Kalkfarben mit anorganischen Pigmenten verfügen über besonders grosse Leuchtkraft. BILD HAGA /D. PARZINGER BILD INGO BARTUSSEK
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