Glatte Fahrbahnen und Fahrerassistenzsysteme

Institut für Fahrzeugtechnik
Glatte Fahrbahnen und Fahrerassistenzsysteme – optimale
Partner oder verfeindet?
Dipl.-Ing. Dr. Cornelia Lex,
Institut für Fahrzeugtechnik, TU Graz
Mitwirkende: J. Fehr, P. Bodonji, A. Eichberger
20. Oktober 2015
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Institut für Fahrzeugtechnik
Einleitung
Kann meine Eingabe (Lenkrad, Gaspedal, …) vom Fahrzeug
umgesetzt werden?
•
hängt vom aktuellen Fahrzustand und den übertragbaren Kräften
zwischen Reifen und Fahrbahn ab
•
Aufgabe des Fahrers, den Fahrzustand einzuschätzen und die Eingriffe
anzupassen
Gilt das auch für Fahrerassistenzsysteme?
•
Für aktive Eingriffe von Fahrerassistenzsystemen gilt
dasselbe wie für Fahrereingaben!
 Hochautomatisierte Fahrfunktionen und autonom
fahrende Fahrzeuge müssen die maximal übertragbaren
Kräfte einschätzen und berücksichtigen können!
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Institut für Fahrzeugtechnik
Wovon hängt die maximal übertragbare Kraft ab?
Reifen
• Typ, Dimension
• Lauffläche (Material,
Geometrie, Tiefe)
• Reifeninnendruck
• Temperatur im Latsch
• …
Fahrbahn
• Material
• Geometrie (Mikro- und
makroskopisch)
• Drainagevermögen
• …
Fahrzustand
• Geschwindigkeit
• Schlupf (längs, quer)
• Kräfte im Reifenlatsch
• …
Zwischenmedien
• Art (Wasser, Schnee, etc.)
• Dicke
• Temperatur
• …
Angelehnt an: Bachmann et al. 1995
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Institut für Fahrzeugtechnik
• Welchen Einfluss hat der Straßenzustand auf
Fahrerassistenzsysteme?
• Wie kann der Straßenzustand ermittelt werden?
• Zusammenfassung und Ausblick
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Institut für Fahrzeugtechnik
Agenda
• Welchen Einfluss hat der Straßenzustand auf
Fahrerassistenzsysteme?
• Wie kann der Straßenzustand ermittelt werden?
• Zusammenfassung und Ausblick
20. Oktober 2015
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Institut für Fahrzeugtechnik
Potentiale von Fahrerassistenzsystemen
Ausweichen
Stabilisieren (Querdynamisch)
Bremsen / Antreiben
Angelehnt an: Seewald A., 2000
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Institut für Fahrzeugtechnik
Einfluss des Straßenzustands auf Bremsfunktionen
Automatisierter Notbremsassistent
 Anpassung von Warn- und Auslösezeitpunkten (𝒕𝒊 )
 Anpassung von Verzögerungen (𝒂𝒙,𝒊 )
𝒕𝟐 (𝝁)
𝒕𝟑 𝝁
𝒂𝒙,𝟑 𝝁
𝒕𝟒 𝝁
𝒂𝒙,𝟒 𝝁
20. Oktober 2015
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Institut für Fahrzeugtechnik
Einfluss des Straßenzustands auf Bremsfunktionen
Die Ermittlung des Straßenzustands in der Realität ist fehlerbehaftet.
Auswirkung auf den Bremseingriff:
A) Straßenzustand unterschätzt (besser als erwartet):
B) Straßenzustand überschätzt (schlechter als erwartet):
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Institut für Fahrzeugtechnik
Einfluss des Straßenzustands auf
Stabilisierungsfunktionen
 Brems- und/oder Antriebsmomente gezielt an einzelnen
Rädern zur Beeinflussung des Kurvenverhaltens
 z.B. Elektronische Stabilitätsprogramm (ESC),
Torque Vectoring (TV)
 Kenntnis sowohl von globalem wie auch radselektivem Straßenzustand
verbessert die Eingriffsstrategien
 Beispiel Ausweichmanöver:
Je schlechter der Straßenzustand, desto mehr Potential zur
Unfallvermeidung bringen aktive Systeme
Quelle: Niederkofler 2011
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Institut für Fahrzeugtechnik
Einfluss des Straßenzustands auf Ausweichfunktionen
Entscheidung:
Ausweichen oder Bremsen?
Quelle: Hartmann 2011
20. Oktober 2015
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Institut für Fahrzeugtechnik
Einfluss des Straßenzustands auf Ausweichfunktionen
Entscheidung:
TTC ~
𝟏
𝝁𝑴
Ausweichen oder Bremsen?
TTC ~
𝟏
𝝁𝑴
Im Falle eines autonomen
eingreifenden Systems muss das
Fahrzeug die Entscheidung
treffen!
Angelehnt an: Hartmann 2011 und Winner et al. 2009
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Institut für Fahrzeugtechnik
Aktuelle Berücksichtigung des Straßenzustands
 Der Einfluss des Straßenzustands auf Brems-, Stabilisierungsund Ausweichmanöver ist sehr groß
 Viele Systeme zeigen hier höchstes Potential zur Erhöhung
der Verkehrssicherheit bei schlechtem Straßenzustand
Berücksichtigen serienmäßige Assistenzfunktionen den
Straßenzustand aktuell?
ABS, ESC
Notbremsassistent
Spurhalteassistent
Abstandsregeltempomat
Ausweichassistenten
 indirekt
 nein (trockene Fahrbahn)
 nein (trockene Fahrbahn)
 nein (trockene Fahrbahn)
 nein (trockene Fahrbahn)
Warum, obwohl Potential so groß?
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Institut für Fahrzeugtechnik
Vermeidung von Fehlentscheidungen
kritisch
unkritisch
Situationserkennung
Verkehrssituation
kritisch
unkritisch
Korrekte
Falsche
Warnung
Warnung
Versäumte
Keine Warnung
Warnung
(korrekt)
Quelle: Eichberger 2011
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Institut für Fahrzeugtechnik
Agenda
• Welchen Einfluss hat der Straßenzustand auf
Fahrerassistenzsysteme?
• Wie kann der Straßenzustand ermittelt werden?
• Zusammenfassung und Ausblick
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Institut für Fahrzeugtechnik
Straßenzustandsermittlung
1) “Car-to-x” - Kommunikation
!
C2C
2) “On-board” - Umgebungssensorik
vx
s
3) “On-board” - Fahrzustandssensorik
vx
Ψ,β
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Institut für Fahrzeugtechnik
“Car-to-x” - Kommunikation
 Grundidee:
Erweiterung der Reichweite zur
Vorausschau
(Kamera ca. 100m, Radar ca. 200m)
 Straßenzustand ist eine Information,
die übertragen werden soll
Vorteile:
Quelle: TU Dortmund 2009
• Vorausschauende Erkennung möglich
Nachteile:
• Wer schickt mir diese Information?
• Wie sehr kann ich der gesendeten Information vertrauen?
• Abhängig von Marktdurchdringung
• Keine Aussage über den eigenen Reifenzustand bzw. den montierten
Reifentyp
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“On-board” - Umgebungssensorik
Ziel ist die Klassifizierung in
Kategorien wie:
trocken, nass, Schnee und Eis
Vorteile:
Quelle: Hartmann 2013
• Vorausschauende Erkennung möglich
• Radar und/oder Kamerasysteme in Fahrzeugen mit Abstandsregeltempomat
und Notbremsassistent bereits verfügbar
Nachteile:
• Robustheit der Erkennung
• meist nur ein beeinflussender Faktor erkannt (abhängig von Sensorprinzip)
• Der Zustand „nass“ kann einen weiten Bereich (Reibwert) umfassen
• Keine Aussage über den eigenen Reifenzustand bzw. den montierten
Reifentyp
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Institut für Fahrzeugtechnik
“On-board” - Fahrzustandssensorik
z.B. Reifensensorik
Quelle: Continental 2014
Vorteile:
• Der eigene Reifenzustand bzw. der montierte Reifentyp kann berücksichtigt
werden
• Durch Standardsensorik für Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESC) sind viele
Signale bereits verfügbar
Nachteile:
• Keine vorausschauende Ermittlung möglich
• Genauigkeit der Methode (meist) abhängig von Dynamik der Fahrzustands
• Genauigkeit der Methode (meist) abhängig von Genauigkeit des Fahrzustandes
(v.a. Geschwindigkeit) und der Kenntnis von Fahrzeugparametern
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Institut für Fahrzeugtechnik
“On-board” - Fahrzustandssensorik
z.B. Fahrdynamikbasierte Methoden
Realfahrzeug
Fahrereingabe
(Lenkwinkel,
Gas, Bremse,
Gangwahl)
Fahrzeugreaktion
Modell
(mit Straßenzustand)
Straßen- und
Reifenzustand
(Vergleich von
Messung und Modell)
Angelehnt an: Lex 2015
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Institut für Fahrzeugtechnik
Sensorfusion
Die Kombination von unterschiedlichen Signalen wird verwendet, um
Straßenzustand zu schätzen.
Quelle: Continental 2010
 Erhöhung der Genauigkeit und Robustheit durch gezieltes Nutzen von
Vorteilen der Einzelmethoden
 Plausibilisierung der Ergebnisse (z.B. bei +10°C gibt es keine Eisglätte)
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Institut für Fahrzeugtechnik
Agenda
• Welchen Einfluss hat der Straßenzustand auf
Fahrerassistenzsysteme?
• Wie kann der Straßenzustand ermittelt werden?
• Zusammenfassung und Ausblick
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Institut für Fahrzeugtechnik
Ausblick
Aktuelle Forschungsprojekte an der TU Graz
• Weiterentwicklung der fahrdynamikbasierten Schätzung
des Straßenzustands (längsdynamisch) mit
Partikelfilterung
• Erweiterung in Querrichtung mit geeigneten
Beobachtern
• Vollautomatischer Spurwechsel unter
Berücksichtigung des maximalen Kraftschlusses bei der
Pfadplanung
• Erweiterte Reifenmodellierung (v.a. Reifendynamik)
• Car-2-X Kommunikationssysteme:
Reichweiten, Leistung, Entwicklung von neuen
Systemen zur Fahrerunterstützung
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Institut für Fahrzeugtechnik
Zusammenfassung
• Der Straßenzustand hat maßgeblichen Einfluss auf das
Potential von Fahrerassistenzsystemen in Hinblick auf
Unfallvermeidung und Reduktion der Unfallschwere
• Aktuell ist es noch nicht möglich, den Straßenzustand mit
ausreichender Genauigkeit und Robustheit zu ermitteln
• Die Kombination von geeigneten Methoden zur
Abschätzung des Straßenzustands (Sensorfusion) zeigt
aber großes Zukunftspotential!
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Institut für Fahrzeugtechnik
Vielen Dank für die
Aufmerksamkeit!
Technische Universität Graz
Institut für Fahrzeugtechnik
Dipl.-Ing. Dr. Cornelia Lex
Forschungsbereich Fahrerassistenz, Fahrdynamik, Fahrwerk
Inffeldgasse 11, 8010 Graz
+43 316-873-35260
+43 316-873-35202
[email protected]
http://www.ftg.tugraz.at
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Institut für Fahrzeugtechnik
Bibliographie
•
Bachmann T., Bielaczek C., Breuer B.: Der Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn und dessen
Inanspruchnahme durch den Fahrer, ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 97 (1995) 10, S. 658-667
•
Continental AG: Continental arbeitet an Frühwarnsystem für Fahrbahnsituationen mit geringer
Haftung, Pressemeldung, 12.10.2010
Online verfügbar: http://www.continentalcorporation.com/www/presseportal_com_de/themen/pressemitteilungen/3_automotive_group/interio
r/press_releases/pr_2010_10_12_sensorfusion_de.html [13.10.2015]
•
Continental AG: Continental-Sensoren im Reifen erkennen Profiltiefe, Pressemeldung, 07.05.2014
Online verfügbar: http://www.continentalcorporation.com/www/presseportal_com_de/themen/pressemitteilungen/3_automotive_group/interio
r/press_releases/pr_2014_05_07_tpms_profil_de.html [13.10.2015]
•
Eichberger A.: Contributions to Primary, Secondary and Integrated Traffic Safety, 1. Auflage
Holzhausen Verlag, Wien, 2011
•
Hartmann B.: Emergency Brake & Steer Assist, 9. Symposium Reifen- und Fahrwerk, Wien,
4.10.2011
•
Hartmann B.: A Novel Approach to Classification of Road Surface Conditions for Future Automotive
Applications, 11. Symposium Reifen- und Fahrwerk, Wien, 24.09.2013
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Institut für Fahrzeugtechnik
Bibliographie
•
Lex C.: Estimation of the Maximum Coefficient of Friction between Tire and Road Based on Vehicle
State Measurements, Dissertation, TU Graz, 2015
•
Niederkofler H., Lex C., Eichberger, A., Rojas Rojas, A. E.: Potentialanalyse von aktiven
Systemen für die Anwendung in Fahrerassistenzsystemen,13. VDI-Tagung Reifen-FahrbahnFahrwerk, Hannover, 25.10.2011
•
Seewald A.: Integrated Vehicle Control System Technology - Steering, Braking, Suspension, and
Powertrain Systems, Technology Review Journal, Millenium Issue, 2000, S. 79-88
•
TU Dortmund: Fahrerassistenzfunktionen mit Car-2-x auf einem skalierten Fahrzeug, 2009
Online verfügbar: http://www.rst.e-technik.tudortmund.de/cms/de/Lehre/Projektgruppen/PG_20092010/deutsch/index.html [13.10.2015]
•
Winner H., Hakuli S., Wolf G. (Hrsg.): Handbuch Fahrerassistenzsysteme, Vieweg + Teubner,
2009, S. 522-542
20. Oktober 2015
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