© Sabine Schmitt politik ZoRA-Mentoringtreffen in Amsterdam „Sie wollen den Praxis-Nachfolger ja nicht heiraten“ Die einen haben viel Arbeit, Zeit und Leidenschaft in die Praxis gesteckt – und viele nehmen mit einer Träne im Augenwinkel Abschied von ihrem Lebenswerk. Die anderen wollen den großen Schritt in die Selbstständigkeit wagen – und suchen nach Praxen, die alle modernen zahnärztlichen Ansprüche erfüllen. Viele Gemeinsamkeiten haben potenzielle Praxisabgeber und -übernehmer eigentlich nicht. Beim ZoRA-Mentoringtreffen in Amsterdam stellte sich jedoch heraus, dass die Generationen immerhin viel voneinander lernen können. Volles Haus beim Mentoringtreffen des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) in der Amsterdamer Nachbarstadt Haarlem: Mehr als 30 junge und gestandene zahnärztliche Kollegen kamen aus Deutschland in die Niederlande, um dort einen Einstieg zum Ausstieg aus der Praxis oder in die Niederlassung zu bekommen. Drei Tage lang hatten die Teilnehmer Zeit und viele Gelegenheiten, sich einerseits zum Thema Praxisübergabe und -übernahme zu informieren und sich andererseits über die Interessen der jeweils anderen Altersgruppe miteinander auszutauschen. Was anfangs bei einer gemeinsamen Grachtenfahrt in Amsterdam noch ein vorsichtiges Beschnuppern war, mündete im Laufe des Treffens zu sehr offenen, konstruktiven Diskussionen. Mehr Abgeber als Übernehmer Naturgemäß war die Gruppe der potenziellen Praxisabgeber deutlich größer als die der -übernehmer. „Die Teilnehmerzahl spiegelt die Realität ziemlich genau wider“, sagte Referentin Diana Brendel, Geschäftsführerin der fibu-doc Praxismanagement GmbH. Etwa zwei Drittel Abgeber stehen auf dem freien Markt einem Drittel möglichen Übernehmern gegenüber. Eine glück- 26 DFZ 06 ∙ 2015 liche Ausgangslage für die Suchenden, sollte man meinen, doch im Lauf des Treffens wurde schnell klar, was die Referentinnen aus vielen Gesprächen bereits kannten: Es ist nicht so leicht, für jeden Pott einen Deckel zu finden oder für jede Praxis einen geeigneten Übernehmer. Da halfen auch die mahnenden Worte von Referentin Monika Brendel, die gemeinsam mit Tochter Diana vor kurzem eine innerfamiliäre Firmenübergabe umgesetzt hat, nicht viel. Sie erinnerte die gestandenen Zahnärzte daran: „Denken Sie immer dran: Sie wollen den Praxis-Nachfolger ja nicht heiraten.“ Natürlich sei persönliche Sympathie für einen Praxiskäufer und die Akzeptanz seines Behandlungskonzeptes eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Verhandlung, viel wichtiger aber sei die eigene Bereitschaft, tatsächlich die Praxis verkaufen zu wollen. Sie zeigte den Abgebern unterschiedliche Wege auf, sich aus der eigenen Praxis zu verabschieden: den Verkauf in einem endgültigen Schritt und dem vollständigen Rückzug aus dem Arbeitsleben, eine schrittweise Übernahme durch die Aufnahme eines „Juniorpartners“ in die Praxis, der bereits in die Praxis investiert oder einen Praxisverkauf mit der Möglichkeit, politik selbst angestellt zu bleiben. „Für jeden dieser Schritte müssen Sie allerdings einen geeigneten Partner finden“, erläuterte Monika Brendel. „Und das ist die eigentliche Schwierigkeit.“ Wichtig in jedem Fall: die richtige Vorbereitung, sowohl buchhalterisch, finanziell und steuerlich als auch mental. Sinnvoll ist es ihrer Ansicht nach, wenn der Nachfolger langsam in die Praxis hineinwächst und in den letzten Jahren vor der gesamten Übernahme bereits Investitionen zur Modernisierung übernimmt. Faire Vertragsgestaltung Es sind genau diese Fragen zu einer fairen Gestaltung der Abgabe, aber natürlich auch zur Wertermittlung einer Praxis, die die Teilnehmer interessieren. FVDZ-Justiziar Michael Lennartz lieferte den Mentoring-Teilnehmern dazu die wichtigsten rechtlichen Hintergründe. „Kooperationen sind streitanfällig“, mahnte der Rechtsanwalt. Deshalb sei die richtige und vor allem wasserdichte Vertragsgestaltung für beide Seiten wichtig. Dies gelte sowohl für die Verträge zum Verkauf einer Praxis als auch für Kooperationen oder – ganz schlicht – den Mietvertrag einer Praxis. „Wer eine Praxis kaufen will, muss auch immer darauf achten, dass der Mietvertrag und die Nutzungsrechte Bestand haben“, betonte Lennartz. „Da möchte ich bei potenziellen Übernehmern ein Problembewusstsein schaffen.“ In Richtung der Praxisabgeber referierte er zudem darüber, welche Punkte für die Wertermittlung notwendig sind und was in einem Übernahmevertrag unabdingbar ist. Mit Beispielen aus seiner Praxis als juristischer Berater öffnete er bei vielen Teilnehmern den Blick für Hindernisse zu einer reibungsfreien Übergabe. Emotionales Thema Praxisübernahme Die meisten der potenziellen Abgeber beim Mentoringtreffen haben noch einige Jahre Zeit, bevor sie tatsächlich ihre Praxis aus Altersgründen verkaufen wollen. Doch eine Orientierung in diesem wichtigen Thema könne nicht schaden, so die einhellige Meinung. „Auch wenn es jetzt noch früh ist, beschäftige ich mich lieber schon mal mit dem Thema“, meinte ein Teilnehmer. „Dann kann ich eine Nachfolge besser vorbereiten.“ Seinen Namen wollte er nicht gedruckt lesen – wie viele andere auch. „Sonst heißt es noch: Der Dr. Sowieso macht zu“, sagte er lachend. Während sich die älteren Teilnehmer in ihrer Gruppe zwar mit vielen Fragen, aber doch sehr zielorientiert durch die Materie führen ließen, kochten auf der Seite der potenziellen Übernehmer die Emotionen hoch. Die meisten Teilnehmerinnen – in dieser Gruppe waren ausschließlich Frauen – sind nicht ganz unbefangen zum Mentoring gekommen. Einige hatten bisher schlechte Erfahrungen gemacht mit ihrem Ansinnen, eine Praxis zu übernehmen: In einigen Fällen war es so, dass sich der potenzielle Abgeber kurz vor Vertragsschluss zurückgezogen hat. „Das kommt leider immer wieder vor“, bedauerte Referentin Diana Brendel. Dass Übernahmen grundsätzlich scheitern, spiegelt allerdings nicht ihre Erfahrung. Immerhin ist laut einer Studie des Institutes der Deutschen Zahnärzte (IDZ) die Zahl der Übernahmen von 2009 bis 2014 von 50 auf 68 Prozent gestiegen und damit das beliebteste Modell bei jüngeren Zahnärzten, sich in die Selbstständigkeit zu wagen. Doch es waren nicht nur die schlechten persönlichen Erfahrungen, die die potenziellen Praxisübernehmerinnen zum Men- © (5) Sabine Schmitt Um die rechtlichen Aspekte einer Praxisübergabe kümmerte sich beim Mentoringtreffen FVDZ-Justiziar Michael Lennartz (links). Monika Brendel (unten links) lieferte Detailinformationen für potenzielle Praxisabgeber, Diana Brendel (unten rechts) gab den Interessenten für eine Übernahme wertvolle Tipps. ZoRA-Gründerin und FVDZ-Bundesvorsitzende Kerstin Blaschke (oben rechts) moderierte die Gespräche zwischen den Gruppen. 06 ∙ 2015 DFZ 27 politik toringtreffen mitbrachten, sondern ganz handfeste Fragen zum Wert einer Praxis, zum Standort, zum Aufkauf von Inventar und zum Patientenstamm. Ähnlich wie für die Seite der Abgeber gilt: Die richtige Vorbereitung ist entscheidend. „Schwierig ist es, wenn ein potenzieller Übernehmer von vornherein zu festgelegt ist“, machte Brendel ihrer Zuhörerschaft deutlich. „Es ist wichtig, das Potenzial einer Praxis zu erkennen.“ Das ist es, was potenziellen Übernehmern deutlich schwer fällt. „Es ist eben nicht leicht zu erkennen, was dahinter steckt, wenn man in Praxen kommt, in denen 20 Jahre oder länger nichts gemacht wurde“, betonte eine Teilnehmerin. Deutlich wird, dass die Ansprüche der Übernehmer-Generation an eine Praxis hoch sind: Modernen Ansprüchen an die zahnärztliche Kunst sollten sie in ihrer Ausstattung schon genügen, sonst sind potenzielle Käufer schnell abgeschreckt. Dies gilt sowohl für die Behandlungseinheiten als auch sonstige Standards (beispielsweise digitales Röntgen), mit denen der jüngere Teil der Zahnärzteschaft „groß geworden“ ist, oder auch die digitale Verwaltung der Patientenkartei oder ein Recall-System. „Oft waren die Zahnärzte in größeren, modernen Konzepten angestellt“, erläuterte Diana Brendel, „Dann trifft sie die Ernüchterung bei der Niederlassung in die Einzelpraxis.“ Gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz © (2) Sabine Schmitt Beim Mentoringtreffen in Haarlem war diese Art der Ernüchterung zumindest beidseitig, denn dort trafen die Generationen erstmals zu einem ganz offenen Austausch über gegenseitige Erwartungen – sowohl an eine Abgabe als auch eine Übernahme – zusammen. Bei der jüngeren Zahnärztegeneration wurden Verständnis und Akzeptanz dafür geweckt, dass die Praxisabgeber in den letzten Jahren vor dem Ruhestand wohl kaum mehr sehr hohe Investitionen tätigen wollen. Auch das Thema „Verbindlichkeit“ wurde angesprochen. „Wer immer darauf wartet, dass noch etwas besseres kommt, kann sich nicht festlegen“, sagte ein Teilnehmer. Doch genau dies sei der Eindruck, den viele erweckten. Die älteren Zahnärzte hatten ihrerseits allerdings ebenfalls einen Aha-Effekt, als ihnen klar wird, dass auch die potenziellen Übernehmer oft schon vorbelastet durch schlechte Erfahrungen in die Verhandlung gehen und vor allem, dass sie eine Praxis auf einem modernen Stand halten müssen, um einen angemessenen Preis dafür zu bekommen. Dass es sich neben den rein finanziellen und vertraglichen Aspekten bei der Praxisübergabe um ein hochemotionales Thema handelt, wurde beiden Seiten klar. Besonders deutlich wurde dies bei den Gesprächen in ZoRA-Mentoring bringt Erfahrung und Experimentierfreude zusammen – und jeder hat dem anderem etwas zu bieten. 28 DFZ 06 ∙ 2015 Volles Haus beim Mentoringtreffen in Haarlem: Der Austausch zwischen den Generationen funktionierte bestens. kleinen „Speeddating“-Gruppen in denen Abgeber und Übernehmer zusammenfanden und die häufig über den puren Aspekt der Praxisabgabe hinausgingen. „Die wenigsten Übernahmen scheitern letztlich am Kaufpreis“, fasste Referentin Monika Brendel zusammen und erntete Kopfnicken auf beiden Seiten. Schnittmenge zusammenbringen „Wir wollen eine Schnittmenge finden zwischen denjenigen, die ein Lebenswerk in gute Hände legen wollen und denjenigen, die den Schritt in die eigene Praxis und in eine große Verantwortung wagen wollen“, machte die FVDZ-Bundesvorsitzende Kerstin Blaschke in Haarlem deutlich. Der Verband wolle dabei gern die Rolle der „Partnervermittlung“ übernehmen. Zwar müsse niemand das Leben mit dem Käufer oder Verkäufer einer Praxis teilen, doch es sei wichtig, sich über die „harten Faktoren“ wie Finanzierung und Verträge hinaus, angstfrei auf die Suche nach einer geeigneten Praxis oder einem geeigneten Übernehmer machen zu können. Der FVDZ wolle dafür die Plattform bieten: zum einen mit Netzwerkveranstaltungen wie dem ZoRA-Mentoringtreffen und handfester Information, aber darüber hinaus auch mit einem Internet-Angebot, mit dem sich potenzielle Abnehmer und Übernehmer frei von monetären Interessen und der Beeinflussung Dritter auf die Suche begeben könnten. Sabine Schmitt
© Copyright 2024 ExpyDoc