Nr. 26 | JUNI 2015 Zeitsouverän mit selbstbestimmten Arbeitszeiten? Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit Interview: »Frauen traut Euch!« Seite 4 – 5 Seite 6 Seite 9 2 in eigener sache Xxxxxxxxxxxx INHALT in eigener sache Frauen entscheiden zu jeder Zeit Cornelia Leunig Frauen entscheiden zu jeder Zeit 2 editorial Heute für morgen Zeichen setzen Edeltraud Glänzer 3 titelthema Die Grenzen der Freiheit: Zeitsouverän mit selbstbestimmten Arbeitszeiten? entgeltanalyse Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit chemietarifrunde 2015 Statements von Kommissionsmitgliedern gleichstellung Gewerkschaftliche Pionierinnen 4 6 7 8 interview »Frauen traut Euch!« Im Gespräch mit Beate Bockelt initiative Arbeiten in Eigenregie aktivitäten Berichte aus den Landesbezirken 9 10 11 aktuelles Recht so: Betriebsratswahl eine Frau zu viel? 12 IMPRESSUM Herausgeberin: IG Bergbau, Chemie, Energie, Hauptvorstand, Abteilung Frauen/Gleichstellung Königsworther Platz 6, 30167 Hannover Tel. 0511 7 63 12 82, Fax 0511 7 63 17 08 E-Mail: [email protected] Verantwortlich: Edeltraud Glänzer Das Jahr 2015 ist auch das Jahr vor dem nächsten IG BCE-Frauentag. Vom 26. bis 28. Mai 2016 sind Kolleginnen und Gäste eingeladen, neue Impulse zu geben und zu bekommen, sich zu informieren, über neue Herausforderungen zu diskutieren und Anregungen aufzunehmen, welche Maßnahmen in den Unternehmen entwickelt werden müssen, um der Zeit im Leben eine neue Bedeutung zu geben. Unter dem Arbeitsmotto »Arbeit.Leben.Zeit« Cornelia Leunig können sie prüfen, von welchen »alten« VorstelLeiterin der Abteilung lungen wir uns lösen müssen und was ZeitsouveFrauen/Gleichstellung ränität bedeutet. Das wird sicher spannend. Hinweise gibt es schon jetzt, dass keine Zeit zu haben, gestern war. Heute ist angesagt: sich Zeit zu nehmen. Zeit für sich, seine Familie. Und auch die Arbeit findet darin ihren Platz. In einer Arbeitswelt, in der Männer lange das Sagen hatten und noch immer haben, brauchen wir Vorreiterinnen, die selbstbewusst und unbeirrt ihren Weg gingen und gehen. Frauen, die es in Kauf nehmen, einsam an der Spitze zu bleiben, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben. Warum wir so lange brauchen und noch immer nicht angekommen sind, hat mit Macht zu tun. Kommt eine Frau in eine bestimmte Position, muss dafür ein Mann verzichten. Wer kennt schon den Mann, der das freiwillig macht? Es gibt ihn, natürlich, aber zu einer Mehrheit gehört er, leider, noch nicht. In und mit den Kolleginnen und Kollegen der IG BCE als starker Partnerin können wir punkten. Mit unserer Arbeit erreichen wir unsere Kolleginnen am Arbeitsplatz vielleicht nicht immer und sofort. Aber wenn wir den Diskurs eröffnen und auf diese Frauen zugehen, wenn wir wissen, welche Interessen sie haben, kann aus zwei Seiten ein Ganzes werden. In Memoriam In ihrem Leben waren sie starke Frauen. Ob als Betriebsratsvorsitzende, als Mitglied des ehrenamtlichen Hauptvorstands oder als Gewerkschaftssekre tärin: Ihr Engagement spiegelt sich in ihren verantwortungsvollen Funktionen wider. In unserer Erinnerung bleiben sie Vorbild. In diesem Sinne haben wir Abschied genommen von Roswitha Uhlemann, Renate Behrendt, Cornelia Stockhorst-Köthe. Wo wir sind, sind auch sie. Redaktion: Petra Adolph, Julia Osterwald, Cornelia Leunig, Ursula Salzburger Bezirksfrauenausschuss München Mitarbeit: Özlem Körber, Sabine Ruhland Statement »Art. 23 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948« Design, Satz & Druck: BWH GmbH – Die Publishing Company Beckstraße 10, 30457 Hannover Fotos/Grafik: Werner Bachmeier, Ebersb. (Titel); DDRockstar©fotolia (4); yossarian6©fotolia, Ronny Mehne (6); [email protected], Christian Burkert (7); boersenblatt.net (8); Yvonne Wolters (9); by-studio©fotolia (10);Sami Atwa/SoVD (11); webdata©fotolia, AlienCat©fotolia, Sabine W interwerber (12) Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche § Arbeit. Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entloh§ nung, die ihm und seiner Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existentenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen. Es gibt noch viel zu tun! Die Charta ist aktueller denn je. 3 Xxxxxxxxxxxx editorial editorial Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, heute für morgen Zeichen setzen! Das war nicht nur das Motto des diesjährigen Internationalen Frauentages – der Leitgedanke ist aktueller denn je. Denn auch 2015 sind bereits wichtige Zeichen gesetzt worden. Das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst ist verabschiedet worden. Damit müssen börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Aufsichtsräte ab 2016 mit mindestens 30 Prozent Frauen besetzt sein. Wir begrüßen das Anliegen dieses Gesetzes, mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen. Viel zu lange haben freiwillige Selbstverpflichtungen wenig Erfolg gebracht. Wir haben uns konstruktiv in die Debatten eingebracht und dabei deutlich gemacht, dass die Förderung und Berücksichtigung gut ausgebildeter Frauen die Unternehmensmitbestimmung nicht unterlaufen darf. Auch deshalb haben wir immer gefordert, dass die Mitbestimmungsrechte für Betriebs rätinnen und Betriebsräten gestärkt werden müssen. Nun gilt es nicht länger über die gesetzliche Regelung zu klagen, sondern an der Umsetzung zu arbeiten. Unser Tipp an alle Arbeitnehmervertreter/-innen: Nutzt die nächste Aufsichtsratssitzung und macht Euren Einfluss geltend. Verlangt die verbindlichen Regelungen, die auf Euer Unternehmen zugeschnitten sind. Und nutzt für die Umsetzung im Betrieb die Charta der Gleichstellung. Auf dem letzten Frauentag verabschiedet, ist sie zu einem wahren Erfolgsmodell geworden. Zahlreiche – auch börsennotierte – Unternehmen haben sich zu den Grundsätzen und Zielen der IG BCE bekannt und Maßnahmen zur betrieblichen Umsetzung auf den Weg gebracht. Wir glauben, dass sich die Debatte um die Quote auch ganz hervorragend dazu eignet, die Charta und un sere Ziele weiterzuverfolgen. Aktuell steht das Gesetzesvorhaben für mehr Entgeltgleichheit und Transparenz auf der Tagesordnung. Die zuständige Ministerin hat einen Entwurf noch vor der SomEdeltraud Glänzer stellvertretende Vorsitzende der IG BCE ausgabe 26 | Juni 2015 merpause angekündigt. Und auch hier können wir mit Stolz sagen, dass wir »gut unterwegs sind«. Überall dort, wo es Tarifverträge und starke Betriebsrätinnen und Betriebsräte gibt, sind die Unterschiede deutlich geringer. Wir haben in verschiedenen Unternehmen Entgeltanalysen durchgeführt und sind den Ursachen auf den Grund gegangen. Außerdem haben wir unsere Kompetenzen und Erfahrungen in den Beirat Logib-D eingebracht. Wir müssen uns also nicht verstecken und werden auch hier deutlich machen, dass eine Stärkung der Mitbestimmung zu mehr Gerechtigkeit führt. Maßnahmen, wie zum Beispiel das neue ElterngeldPlus, sorgen für mehr Partnerschaftlichkeit. Auch diese Regelungen tragen zu besseren Rahmenbedingungen für mehr Chancengleichheit bei. Mit der neuen Regelung ist es für Mütter und Väter nun einfacher, Elterngeldbezug und Teilzeitarbeit miteinander zu kombinieren. Eltern, die früh in Teilzeit wieder in den Beruf einsteigen wollen, bekommen länger finanzielle Unterstützung und gewinnen so Zeit für die Familie. Außerdem wird die Elternzeit flexibler. Bis zu 24 Monate zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes können ohne Zustimmung des Arbeitgebers genommen werden. Wir haben dieses Anliegen mit vorangetrieben. Die IG BCE ist eine starke Organisation – und das seit 125 Jahren. In diesem Jahr schauen wir auf eine wechselvolle und erfolgreiche Geschichte zurück und wollen feiern: unsere Stärken, unsere Erfolge und unsere zahlreichen ehrenamtlich Aktiven. Ihr habt unserer Gewerkschaft Gesicht und Stimme gegeben, und Ihr seid ein wesentlicher Teil unserer Erfolgsgeschichte. Wir sehen uns am 19. September beim Familienfest in Essen. Eure Edeltraud Glänzer 4 titelthema Die Grenzen der Freiheit: ZEITSOUVERÄN mit selbstbestimmten Arbeitszeiten? Ob es sich um die Betreuung der Kinder, die Pflege der Eltern oder die berufsbegleitende Weiterbildung handelt – flexible Arbeitszeiten schaffen Freiräume und ermöglichen es den Beschäftigten, Arbeit und Privates unter einen Hut zu bringen. Selbstbestimmte Arbeitszeiten vermitteln ein Gefühl von Freiheit und Kontrolle, versprechen Zeitsouveränität. Beschäftigte mit diesen Arbeitszeiten müssten also ein recht entspanntes (Arbeits-)Leben haben. Oder? 5 titelthema editorial H err und Herrin über seine Arbeitszeit sein. Ein Traum? Nicht unbedingt. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen mit festen Arbeitszeiten besteht für Beschäftigte mit selbstbestimmten Arbeitszeiten nämlich trotz ihrer Autonomie ein höheres Risiko, härter und mehr zu arbeiten. In der Arbeitsmarktforschung nennt sich dieses Phänomen das »Autonomie-Kontrolle-Paradoxon« (Widerspruch von Selbstständigkeit und Kontrolle). Ein wesentlicher Antreiber dabei ist die in der Arbeitsmarkt- und Sozialforschung sogenannte Norm der idealen Arbeitskraft: Die ideale Arbeitskraft arbeitet in Vollzeit, hat keine Verpflichtungen außerhalb der Arbeit und steht dem Betrieb uneingeschränkt zu Verfügung. Sie dient Vorgesetzen und Beschäftigten häufig als Maßstab, den sie an ihre Kolleginnen und Kollegen ansetzen, die wiederum diese Ansprüche übernehmen und auf sich selbst anwenden. Wenn auch indirekt, übt der Betrieb so doch Kontrolle über die Beschäftigten aus. Zeitsouverän? Sind diese Beschäftigten also nur bedingt. Männer scheinen ein höheres Risiko für Selbstausbeutung zu haben als Frauen, letztere verlängern ihre Arbeitszeiten bei fehlenden zeitlichen Grenzen weniger. Erklärt werden kann dieser Unterschied unter anderem mit der ungleichen Verteilung von unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern. In erster Linie reduzieren Frauen ihre Arbeitszeit, um Verpflichtungen oder Interessen in anderen Lebensbereichen nachkommen zu können, sie übernehmen nach wie vor den größten Teil der Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. Diese Aufgaben setzen zeitliche Grenzen, an die die Arbeitszeit angepasst werden muss. Männer haben hingegen häufiger eine Partnerin, die ihnen den Rücken frei hält. Für sie ist es daher weniger problematisch, auch mal länger zu arbeiten. Zudem wird vor allem von Männern erwartet, dass sie den größten Teil ihrer Zeit und Energie in Erwerbsarbeit investieren. Während es bei Frauen akzeptiert ist, Erwerbsarbeit wegen privater Angelegenheiten zurückstellen, werden Männer, die längere Auszeiten nehmen oder in Teilzeit arbeiten, auf der Arbeit häufig schief angesehen. Auch aus diesen Gründen sind Frauen sehr viel öfter in Teilzeit beschäftigt als Männer (gemäß dem Gender Daten Portal des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung knapp 58 Prozent der erwerbstätigen Frauen und sogar 69 Prozent der erwerbstätigen Mütter). Sie gelten damit aber auch wiederum nicht als ideale Arbeitskräfte und unterliegen weniger den antreibenden Erwartungen, die das Arbeitsumfeld an diese Beschäftigten stellt, vor allem an Männer und Frauen, die trotz familiärer Verpflichtungen in Vollzeit arbeiten. Aber auch von der sonstigen Arbeitsorganisation hängt ab, ob Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich zeitsouverän mit selbstbestimmten Arbeitszeiten sind: Beschäftigte arbeiten beispielsweise mehr und intensiver, wenn sie selbstbestimmte Arbeitszeiten haben und gleichzeitig Bonuszahlungen erhalten. Die finanzielle Entlohnung von erbrachten Leistungen schränkt die Zeitsouveränität ein. Und auch in unterschiedlichen Ländern sind selbstbestimmte Arbeitszeiten in unterschiedlichen Maße mit Zeitsouveränität verbunden: In den Niederlanden beispielsweise ausgabe 26 | Juni 2015 haben die Beschäftigten eine gute Work-Life-Balance, weil die Arbeitszeit im Interesse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen flexibilisiert wurde: durch die Ausweitung der Teilzeitarbeit, eine Reform der Sozialleistungen und die Begrenzung der Lohnentwicklung. In Großbritannien und Deutschland hingegen, wo die Arbeitszeit im Interesse der Arbeitgeber flexibilisiert ist, ein hoher Rationalisierungsdruck bei hohen Arbeitskosten herrscht, gehen selbstbestimmte Arbeitszeiten eher zulasten der Beschäftigten: sie arbeiten mehr und länger, um mehr Arbeit in gleicher Zeit zu schaffen. Und nicht nur das: In beiden Ländern, deren Arbeitsmarkt- und Familienpolitik vorwiegend die Vollzeitarbeit von Männern fördert, sind Männer weniger zeitsouverän mit selbstbestimmten Arbeitszeiten als etwa in Schweden oder den Niederlanden. In den Niederlanden ist es nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer, normaler, in Teilzeit zu arbeiten. Diese gelockerte Vollzeitnorm unterstützt die Zeitsouveränität. Sowohl Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik als auch die betriebliche Arbeitsorganisation prägen also die Wirkung von selbstbestimmten Arbeitszeiten. Gewerkschaften und Mitbestimmung haben damit die Möglichkeit und, mehr noch, die Aufgabe, die Flexibilisierung der Arbeitszeit im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Sie müssen für eine Arbeitsorganisation sorgen, die die Vorteile von selbstbestimmten Arbeitszeiten, nämlich Autonomie und Kontrolle über die Arbeit, zur Geltung bringt. Und schließlich sollten Gewerkschaften und Betriebsräte eine Betriebskultur befördern, in der Beschäftigte selbstbestimmte Arbeitszeiten für ihre Aktivitäten außerhalb der Arbeit tatsächlich auch nutzen können. Es gilt, die Vollzeitnorm aufzubrechen und für eine »Normalität« von Arbeitszeiten zu sorgen, die den zeitlichen Bedürfnissen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern tatsächlich entsprechen. Dr. Yvonne Lott ist Soziologin und w issenschaftliche Mitarbeiterin am WSI in der Hans-BöcklerStiftung. Dort forscht sie zu Arbeitszeiten, zur Arbeitsorganisation und zu Lebensver läufen von Beschäftigten. Geschlechtergleichheit ist dabei stets im Zentrum ihres Interesses. Dr. Yvonne Lott Wirtschafts- und Sozial wissenschaftliches Institut (WSI) 6 entgeltanalyse »ÜBER GELD SPRICHT FRAU NICHT – MAN(N) HAT ES!« So könnte man die Entgeltdifferenz von 22 Prozent zwischen Frauen und Männern in Deutschland salopp erklären. Aber ist das auch die Realität in den Unternehmen der Bayer AG? Um diese Frage zu klären, wurden auf Initiative von Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber Entgeltanalysen in drei Bayer-Gesellschaften mit einem Frauenanteil zwischen 21 und 37 Prozent durchgeführt. Maßgebliche Treiberinnen dabei waren Roswitha Süßelbeck und Andrea Holstein-Wagner. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit Grundlage für die auf dem Ana lyseinstrument »Logib-D« (kurz für »Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland«) basierende Unter suchung bildeten die Daten von rund 4.200 Tarifbeschäftigten, ATsowie leitenden Angestellten. Das Gesamtergebnis der Analyse zeigt: Es gibt eine bereinigte* Entgeltlücke von 0,6 bis 1,7 Prozent. Die unbereinigte Entgeltlücke liegt zwischen 13 und 22 Prozent. Heißt: Ausgehend von den bereinigten Roswitha Süßelbeck Zahlen erhalten Frauen und Mänstellv. Betriebsratsvor ner in den beteiligten Gesellschafsitzende Bayer AG ten gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit. Guckt man auf die unbereinigten Zahlen und auf deren Zustandekommen ist festzustellen: Den vergleichsweise größten Einfluss auf die Entgeltdifferenz hat das Anforderungsniveau. Anders ausgedrückt: Je weniger Frauen als Männer in hoch qualifizierten Tätigkeiten vertreten sind, desto höher ist die Entgeltdifferenz. Dagegen haben Ausbildung, berufliche Stellung und der Teilzeitfaktor nur sehr geringen Einfluss. Es muss also ein größerer Fokus auf die Entwicklung von Frauen in an spruchsvolleren Tätigkeiten und Führungsfunktionen gelegt werden. Die Anwendung des Bundesentgelttarifvertrages trägt mit Sicherheit dazu bei, die Lohnunterschiede zwiAndrea Holstein-Wagner schen Frauen und Männern zu verMitglied im Betriebsrat ringern, reicht aber allein nicht aus. Bayer AG Für zwei Gesellschaften wurde vereinbart, eine vergleichbare Entgeltanalyse wieder in drei Jahren durchzuführen. Bernd Naaf, Arbeitsdirektor der Bayer CropScience AG: Ich freue mich über das positive Ergebnis. Wir werden weiter an Ver besserungen der Rahmenbedingungen arbeiten. Mit einer Vielzahl von Teilzeitmodellen und unserer Kindertagesstätte soll eine schnel lere Rückkehr von Frauen in den Beruf ermöglicht werden. Auch die Erhöhung des Frauenanteils in leitenden Positionen wird ein Schwer punkt unserer Personalarbeit sein. Roswitha Süßelbeck, stellvertretende BayerBetriebsratsvorsitzende am Standort Leverkusen: Die Resultate sind eine Bestätigung unserer jahrelangen Arbeit, um die Chancengleichheit zu verbessern und Diversity zu fördern. Es lohnt sich, Entgeltanalysen durchzuführen, um an vergleichbaren Zahlen die Situation in den Unternehmen zu bewerten und Maßnah men zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern mit dem Arbeit geber zu vereinbaren. Spekulationen kosten Energie und Zeit und füh ren nicht zu mehr Entgeltgleichheit. Zur Ermittlung der unbereinigten Entgeltlücke werden die durch schnittlichen Entgelte aller erwerbstätigen Frauen und Männer miteinander verglichen, ohne dass dabei Ausbildung, Betriebs zugehörigkeit, potenzielle Erwerbstätigkeit, berufliche Stellung und Ausbildungsniveau berücksichtigt werden. Die bereinigte Entgeltlücke ergibt sich, indem die durchschnitt lichen Entgelte von Frauen und Männern mit denselben Merk malen wie gleicher Anzahl an Ausbildungsjahren, gleicher Betriebszugehörigkeitsdauer sowie gleichem Anforderungsniveau oder gleicher beruflicher Stellung verglichen werden. www.logib-d.de 7 chemietarifrunde 2015 editorial STATEMENTS VON KOMMISSIONSMITGLIEDERN Ich fand es spannend, die Verhand lungen als Bundestarifkommissions mitglied zum ersten Mal live mitzuerle ben. Diese Tarifrunde ist viel heftiger verlaufen, als die letzten Jahre. Die pro vokante Haltung der Arbeitgeberseite konnte dank der bundesweiten Prote staktionen, in denen rund 100.000 Kol leginnen und Kollegen ihren Forde rungen Nachdruck verliehen, aufgebrochen werden. Besonders wich tig war mir die Weiterführung des De mografie-Tarifvertrags, da wir bei Bayer dazu gute Vereinbarungen abge schlossen haben, die nur so weiter ge Marianne Maehl führt werden können. Das kommt nicht Bayer CropScience AG nur den älteren Kolleginnen und Kolle Frankfurt gen zugute, sondern auch den ganz jun gen, da wir über die Demografie-Vereinbarung vermehrt Auszubildende übernehmen k önnen. Eine drei vor dem Komma wäre toll gewesen, und auch eine kürzere Laufzeit. Die 40 Euro mehr für die Auszubildenden und die neue Regelung mit insgesamt 412 Euro mehr für Demografie sind echt gut, daher mussten wir in der Entgeltfrage einen Kompromiss eingehen. Bei der nächsten Tarifrunde im Sommer 2016 aber geht es nur ums Geld! Um dann ein noch besseres Ergebnis erzielen zu können, brauchen wir noch mehr Unterstützung aus den Betrieben. Wenn ich meinen Eindruck aus dieser Tarifrunde zusammenfassen soll? Eine spannende Runde mit vielen tollen Aktionen vor Ort! Für mich war es wichtig, bei den Verhandlungen dabei zu sein. So konnte ich zum einen die Forderung der Be schäftigen direkt einbringen und zum anderen den Verhandlungsverlauf, die Stimmung und das Verhandlungsergeb nis zurückspiegeln. Besonders am Herzen lag mir das The ma »Generationentandem«. Dies ist ein guter Einstieg, um den Älteren einen gleitenden Ausstieg aus dem Job zu er möglichen und gleichzeitig eine Zu kunftsperspektive für die jüngeren Be schäftigten zu schaffen. In den diesjährigen Verhandlungen konnten Alexandra Friedrich wir uns hier auf kein Ergebnis einigen. B. Braun AG Die weitere Finanzierung des Demogra Melsungen fiefonds ist ein klarer Erfolg und ein wichtiger Grundstein für die zukünftigen Diskussionen des Generations tandems. Rückblickend fand ich es erschreckend, wie die Arbeitgeber uns unterstellt haben, wir würden Frühverrentungsmodelle vorantreiben wol len. Denn eines ist doch klar: 2008 wurde das Fundament für die Demogra fiefonds geschaffen, beide Seiten haben die Notwendigkeit dafür gesehen und einen zukunftsweisenden Schritt getätigt. Jetzt ging es darum, einen weiteren zukunftsweisenden Schritt zu machen. Die Arbeitgeber haben vor den Verhandlungen nicht ihre Hausaufgaben gemacht und sich mit der Thematik auseinandergesetzt. Dies muss sich für die nächsten Verhand lungen ändern. Mein Dank gilt allen, die sich für unsere Forderungen ein gesetzt haben, denn die Teilnahme an den vielen Aktionen hat mir wieder bestätigt, dass wir eine starke Gewerkschaft sind. ausgabe 26 | Juni 2015 Es war eine Ehre, entsendet zu sein. Eine Chance, die natürlich auch mit großer Verantwortung verbunden ist. Live dabei zu sein und hinter die Ku lissen blicken zu können, hat mir einen noch besseren Zugang zur Gewerk schaft und zum Ergebnis verschafft. Ich kann mich jetzt besser identifizie ren. Und es hat mir erleichtert, un seren Azubis das Ergebnis vermitteln zu können. Für sie habe ich mir mehr Geld gewünscht. Was sie bisher hatten, ist knapp bemessen. Junge Leute sollen mobil sein, aber sie müssen es sich auch leisten können. Und die Entwick Maria-Lucia Amoddeo lung des Demografie-Fonds war mir BASF SE wichtig. Auch wir als »junge Genera Ludwigshafen tion« dürfen bei diesem Thema nicht vergessen werden. Wir möchten nicht nur für die Alten einsteigen, sondern auch von ihnen lernen können. Darüber, was im schlimmsten Fall am En de der Tarifrunde als Ergebnis hätte herauskommen können, wollten wir uns vorher innerhalb der Jugend gar nicht den Kopf zerbrechen. Wir ha ben unsere Forderungen gut überlegt, gut begründet und für realistisch gehalten. Deswegen haben wir positiv gedacht, dass wir forderungsnah abschließen. In der BASF-Belegschaft war die Stimmung angespannt, die Leute waren enttäuscht. Sie haben sich über die Aussagen der Arbeit geber geärgert, fanden sie realitätsfern. Die Leute arbeiten hart, sind abends geschafft und dann hören sie, dass ihre Forderungen nach mehr Geld und mehr Entlastung nicht ernst genommen werden. Sie fühlen sich dadurch wenig wertgeschätzt. Verglichen mit vorherigen Tarifrunden war der Ton unter der Gürtellinie. Es war eine Geizrunde, die großen Är ger und große Betroffenheit ausgelöst hat. Aber wir waren bereit zu kämpfen. Mit den 40 Euro mehr für unsere Azubis sind wir auf jeden Fall sehr zufrieden, das ist ein super Ergebnis. Aber auch beim Demogra fie-Thema haben wir als Jugend jetzt eine riesige Chance, mitzugestalten. Ich war in Vertretung für die Belegschaft hier, das bedeutet mir viel. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, den Beschäftigten die Ergeb nisse zu vermitteln und deren Zustan dekommen zu erklären. Die unter schiedlichen Themen spielen ja für sie differenzierte Rollen. Eine vernünftige Vergütung für die Azubis fand ich wichtig. Ich sehe sonst Probleme, in der Zukunft noch Ausbil dungsplätze zu besetzen. Entsprechend wichtig war und ist mir auch die De mografie-Frage, denn sie betrifft alle. Wir haben mit dem ersten Abschluss Manuela Strauch vor zehn Jahren einen Wegweiser ge Lanxess Deutschland schaffen. Grundsätzlich habe ich die GmbH Krefeld Verhandlungen in diesem Jahr als schwieriger empfunden als in der Vergangenheit. Die Arbeitgeber haben sich nicht besonders verhandlungsbereit gezeigt. Die IG BCE steht für re alistische, differenzierte Forderungen und gute Sozialpartnerschaft. Demgegenüber waren die Arbeitgeber sehr, sehr verhalten. Mir scheint es so, als hätte es einen Trend gegeben, das wirtschaftliche Risiko auf die Arbeitnehmerseite abzuwälzen. Aufgrund des Einsatzes der vielen Men schen, die auf die Straßen gegangen sind, war überhaupt ein Ergebnis möglich. Dafür bedanke ich mich bei allen Mitgliedern ganz herzlich. Es war ein hart erkämpfter Abschluss. 8 gleichstellung Gewerkschaftliche Pionierinnen VON DR. SIBYLLE PLOGSTEDT Frauen standen immer Seite an Seite mit ihren Kollegen und vertraten gemeinsam mit ihnen die Interessen von Frauen und Männern. Ohne ihr Engagement könnten wir heute nicht von Erfolgen reden und mit guten Beispielen arbeiten. Dafür sind wir ihnen dankbar. Die IG BCE feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Jubiläum. Anlass genug, die aktive Frauenpolitik innerhalb der Gewerkschaftsbewegung zu würdigen. Dr. Sibylle Plogstedt »Mut« stammt von »sich mühen«. Er spricht die Seele an, den Geist, das Denken, das Empfinden. Mut ist mit Kraft verbunden und der Bereitschaft, sich zu erproben. Auch und vor allem auf dem Berufsweg. Töchter aus Arbeiterfamilien waren da Pionierinnen. Und die Gewerkschaften lange die einzige Möglichkeit für einen beruflichen Aufstieg. Diese sind legendär geworden: Maria Weber (1919–2002), von ihren Gefährtinnen als Kumpeltyp und »harter Knochen« bezeichnet, entstammte einer katholischen Bergarbeiterfamilie. Ihren Lehrberuf Schneiderin mochte sie nicht, wollte Ärztin werden. Stattdessen begann sie, die Gesellschaft zu kurieren. Sie arbeitete als Telefonistin in einem Chemiebetrieb, wurde Mitglied der IG Chemie. Später besuchte sie die gewerkschaftlichen Akademien, wurde Hauptamtliche, Betriebsratsvorsitzende und schließlich erste stellvertretende Vorsitzende im DGB. Keine Frau brachte es dort bisher weiter als sie, die zu den Begründerinnen der Frauen arbeit in den Gewerkschaften gehört. Webers Gegenspielerin im DGB war Babette Rögner (1905–1992). Ihr Vater, der Arbeiter Georg Krämer, wurde 1923 ermordet, ihr Mann befand sich zeitweise in Gestapohaft, weil er sozialdemokratische Schriften verteilte. Die gelernte Schuhstepperin war schon vor 1933 Betriebsrätin und 1949 eine der wenigen weiblichen Delegierten auf dem DGB-Gründungskongress in München. 1950 wurde sie Vorstandsmitglied im geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft Leder. Als Weber 1956 für den Vorstand des DGB kandidierte, wurde sie von den Sozialdemokratinnen als Gegenkandidatin nominiert, scheiterte aber daran, dass im Sinne der Einheitsgewerkschaft entschieden wurde, die DGB-Vorstandsfrau müsse der CDU angehören. Rose Marquardt (1907–2005) gilt als »Stammmutter« innerhalb der IG Chemie. Die Tochter eines ungelernten, bildungshungrigen Arbeiters begann mit der Frauenarbeit schon bevor die Nazis die Gewerkschaftshäuser erstürmten. Mutig versteckte sie Mitgliedslisten und Beitragsmarken, Geld und Maschinen vor den Nazis. Nach dem Krieg begann sie zunächst als Sekretärin von Otto Adler, der 1946 zum Vorsitzenden der IG Chemie-PapierKeramik gewählt und kurz vor seinem Tod (12. Dezember 1948) erneut in diesem Amt bestätigt wurde. Nach seinem Tod übernahm sie erneut die Frauenarbeit. Legendär ist auch Marlies Kutsch (1919– 1989), die Leiterin der Frauenabteilung in der IG Bergbau und Energie. Sie galt als aktive Gewerkschafterin, der es sogar gelang, die Ehefrauen der Bergarbeiter zu organisieren. Sie kooperierte mit Maria Weber und galt als graue Eminenz im DGB-Bundesfrauenausschuss. Die SPDGewerkschafterin gründete über ihre Gewerkschaftsarbeit hinaus den Verband alleinstehender berufstätiger Frauen und war im Deutschen Frauenrat aktiv. Sie leitete die bundesweit erste Gleichstellungsbehörde im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und zählte zu den Strateginnen in der gewerkschaftlichen Frauenpolitik, die ihr die Frauenbeauftragten und deren Abgrenzung von den Betriebsräten verdankt. Gründerinnen haben viel durchlebt. Trotzdem blieben sie wachen Geistes, um Frauen politik und Demokratie in Gewerkschaften und Gesellschaft voranzutreiben. »Mit vereinten Kräften – Zur Gleichstellungsarbeit der DGB-Frauen in Ost und West (1990–2010).« Verlag Psychosozial, 19,90 € (erschien im März 2015) 9 interview editorial »Frauen, traut Euch!« Beate Bockelt (51), Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Sanofi Aventis und Mitglied im Hoechst-Aufsichtsrat sowie Mitglied im ehrenamtlichen Hauptvorstand der IG BCE. Engagement liegt ihr im Blut. Du bist in diversen gewerkschaftlichen Funktionen aktiv, hast eine bis 1982 zurückreichende Aktiven- Biographie. Was treibt Dich an? Ich engagiere mich gerne für andere. Und ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich glaube, er ist vor allem der Grund für mein Engagement. Ich war schon in der Schule Klassensprecherin. In der Berufsgruppe aktiv zu sein, mich als Vertrauensfrau zu engagieren, das passte zu meiner Persönlichkeit. Und nachdem ich einmal aktiv und in die Gewerkschaft reingewachsen war, ergab sich für mich das eine aus dem anderen. Jetzt bist Du außerdem im ehrenamtlichen Hauptvorstand der IG BCE und im Hoechst-Aufsichtsrat . . . Ich wollte mehr bewegen können und auch mehr Verantwortung übernehmen. Das war die Grundlage dafür, dass ich Entscheidungen für weitere Mandate treffen konnte. Was hat Dich gereizt? Über die Arbeit im ehrenamtlichen Hauptvorstand bestimme ich mit, wohin es mit der Organisation in den nächsten Jahren gehen soll und trage strategische Entscheidungen mit. Das interessiert mich. Ich er- ausgabe 26 | Juni 2015 weitere ständig mein Wissen. Über den Aufsichtsratsposten nehme ich Einfluss auf Unternehmensentscheidungen und setze strategische Akzente. Das finde ich spannend. Ich kann im Sinne des Standortes und der Kolleginnen und Kollegen Einfluss darauf nehmen, dass unser gutes Niveau erhalten bleibt. Ich möchte, dass es unseren Beschäftigten und ihren Kindern auch noch in 20 Jahren gut geht. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Immer wieder wird bemängelt, dass Frauen verantwortungsvolle Posten übernehmen. Hat das »Frau-Sein« in Deinen Entscheidungen je eine Rolle gespielt? Nein. Ich bin glücklicherweise in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem es nie hieß »Tu dies nicht!« oder »Du kannst das nicht, weil Du ein Mädchen bist«. Warum fällt es anderen Frauen schwer? Frauen sind zögerlicher als Männer. Sie überlegen lieber ein zweites Mal, bevor sie eine Entscheidung treffen. Ich würde ihnen am liebsten sagen: »Traut Euch etwas zu! Nehmt ein Scheitern in Kauf, das passierte anderen auch.« Beate Bockelt Gesamtbetriebsrats vorsitzende, Sanofi Aventis Ist der Aufsichtsrat eine Männerdomäne? Zumindest nicht bei uns. Etliche französische Kollegen auf der Arbeitgeberseite sind noch von der »alten Garde«, die hatten anfangs Probleme mit den relativ vielen Frauen auf der Arbeitnehmerbank. Aber mit der Zeit haben sie festgestellt, dass die genauso kompetent sind. Und mittlerweile gibt es auch zwei Frauen auf der Arbeitgeberseite, die sehr qualifiziert sind und keine »Alibifrauen«. Hältst Du eine Frauenquote für Aufsichtsräte für sinnvoll? Früher hätte ich mit »nein« geantwortet. Ich dachte, dann hängt frau immer der Makel »Quotenfrau« an. Aber die ganzen freiwilligen Selbstverpflichtungen der vergangenen Jahre haben unterm Strich nichts gebracht. Deshalb ist die Quote sicher eine gute Türöffnerin bis sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Frauen doch was können. Was können Frauen? Sie springen leichter über ihren Schatten. Ihnen fällt es leichter, in kniffligen Situa tionen im Interesse der Sache zuzugeben, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Julia Osterwald 10 initiative OFFENSIVE FRAUEN – Arbeitszeitregime Im Rahmen der Offensive Frauen wurden Interviews mit Frauen im Büro, im Labor und in der Produktion geführt. Ein Thema, welches die Frauen immer wieder angesprochen haben, ist die Arbeitszeit im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. G roßen Herausforderungen sehen sich insbesondere alleinerziehende Mütter gegenübergestellt. So berichtet eine Alleinerziehende: »Der Kindergarten schließt, bevor ich meine Arbeitszeit erfüllt habe. Zum Glück kenne ich die Kindergärtnerin privat. Die passt auf meinen Sohn auf, bis ich ihn bei ihr abholen kann!« Arbeiten die Frauen in flexiblen Arbeitszeitregimen, können sie die beruflichen Anforderungen und die privaten Belange überwiegend gut miteinander vereinbaren. Insbesondere die Frauen im Labor verfügen über ein hohes Maß an Autonomie. Sie gestalten ihre Arbeitsabläufe weitestgehend autark. Herausforderungen treten dann auf, wenn erstens das private Netzwerk (Familie, Freunde) nicht unterstützt und zweitens die Institutionen der Kinderbetreuung nicht ausreichend große Zeitfenster anbieten. Die Herausforderungen werden dann überwiegend privat gelöst. Betriebsrätinnen und Betriebsräte finden unter Einbindung der betroffenen Frauen gute Lösungen, um die Lage hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Arbeiten die Frauen in Teilzeit, beispielsweise um die Kinderbetreuung zu gewährleisten, treten sekundäre Effekte auf: Frauen in Teilzeit werden systematisch bei der Weiterbildung und Förderung benachteiligt. Zum einen liegt dies an der strukturellen Planung der Weiterbildung, zum anderen an der Förderungsbereitschaft durch die Vorgesetzten. So werden Frauen in Teilzeit überwiegend als nicht vollwertige Arbeitnehmerinnen wahrgenommen. Auch setzen sich die Frauen selbst unter Druck. Sie möchten ihre Arbeit gut erledigen und den Erwartungen des/der Vorgesetzen und der Kolleg(inn)en entsprechen. Mit der reduzierten Arbeitszeit steigt hierdurch die Arbeitsintensität an. Themen sind folglich die Arbeitsplanung und die Bestimmung des Arbeitsvolumens in der Arbeitsstunde sowie die Gestaltung von Weiterbildung. Frauen, die in der Produktion in Schichtarbeit tätig sind und Kinder erziehen, sind besonders belastet. So ist die Schichtarbeit an sich bereits eine erhebliche Belastung mit Auswirkungen auf die Gesundheit und die private Lebensführung. Mit Familienanhang werden die Belastungen potenziert. Der Tagesablauf der Frauen ist strikt um die Schichtarbeit organisiert. Abweichungen von der üblichen Routine, beispielsweise die Ankündigung von Mehrarbeit oder das An- bzw. Absagen von Schichten, führen zu einem erheblichen Organisationsaufwand für die Frauen. Manchmal ist es nur der verpasste Bus, der den restlichen Tagesablauf durcheinander wirft. Die Folge ist Stress in ungesundem Umfang. Dies gilt es bei der Arbeitsplanung zu berücksichtigen. Betriebsrätinnen und Betriebsräte sind aufgefordert, dies bei den Verantwortlichen zu thematisieren und Lösungen zur Entlastung anzubieten. Weitere Informationen bezüglich der Analyseergebnisse und Instrumente zur Umsetzung sind erhältlich bei: Abteilung Politische Schwerpunktgruppen – Offensive Frauen, Marion Hackenthal, [email protected], Tel. 0511 76 31 386. 11 aktivitäten editorial Die IG BCE war und ist in vielen Themen Trendsetterin. Wir freuen uns, wenn wir unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben davon überzeugen können, dass wir gute Arbeit in den Betrieben gestalten. Eine Auswahl an Beispielen aus den Landesbezirken zeigt: Nur so geht Erfolg! Nord Nordost Westfalen Nordrhein Hessen/Thüringen RheinlandPfalz/Saarland Nord Bade dende Würrrttembe e erg Im Netzwerk mit anderen Gewerkschaften trafen sich am 15. März Frauen in Hannover, um beim jährlichen »Politischen Frauenfrühstück mit Kultur« mit der stellvertretenden IG BCEVorsitzenden Edeltraud Glänzer zu diskutieren. Ihr Impulsreferat zum Thema »60 Jahre Kampf um Arbeitszeit – Wir streiten wieder« war Einstieg in die Diskussion. Für den kulturellen Teil sorgte das Duo »Schönundgut« mit Liedern »von heute und gestern über Liebe und Abschiede.« Nordost Der Landesbezirk Nordost lud seine Kolleginnen am 27./28. März zum Thema »Neue Nachbarinnen: Flüchtlingsfrauen« ins Bildungszentrum Kagel ein. Gezeigt wurde die Wanderausstellung »Auf gepackten Koffern – Leben in der Abschiebehaft« des Flüchtlingsrats Berlin. Das kulturelle Rahmenprogramm stand unter dem Motto »Kulturelle Vielfalt«. Gast am Samstag war Dilek Kolat, Berliner Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration. Außerdem wurden Sachspenden für das Wohnübergangsheim für Asylsuchende in Fürstenwalde/Spree gesammelt. Damit setzten die Frauen ein Zeichen und machten deutlich: Gewerkschafterinnen heißen Flüchtlinge, die in unserem Land Schutz vor Verfolgung, Folter und unmenschlicher Behandlung suchen, herzlich willkommen. Westfalen Auch die Frauen im Landesbezirk Westfalen arbeiteten beharrlich und engagiert an den gemeinsamen Zielen der Frauen- und Gleichstellungspolitik der IG BCE. Sie sind überzeugt: Die Themen der Charta sind die Themen der Gleichstellung und so überraschte es nicht, dass ein weiteres Unternehmen in Westfalen dafür gewonnen werden konnte, die Charta zu unterschreiben: Am 9. März 2015 unterzeichnete die Technische Fachhochschule Georg Agricola und bekannte sich mit ihrer Signatur zur Zielsetzung Gleichstellung. Nordrhein Im Landesbezirk Nordrhein trafen sich rund 120 Kolleginnen aus sämtlichen Bezirken am 8. März zum traditionellen »Frauenfrüh- ausgabe 26 | Juni 2015 Bayern stück« im Volksgarten Düsseldorf, um die Erfolge ihrer Arbeit zu feiern. »Angekommen sind wir noch nicht, aber wir haben schon viel erreicht«, fanden sie und das war auch der Tenor, als die stellvertretende IG BCE-Vorsitzende Edeltraud Glänzer über Entgeltgleichheit, Frauen in Führung und Arbeitszeit sprach. Hessen/Thüringen Das Frauenreferat der Stadt Frankfurt lud am 20. März zu einer Veranstaltung zum Thema »Entgeltungleichheit« in die Frankfurter Goethe-Universität ein. Studienergebnisse zur Einkommens lage von Frauen in Frankfurt am Main wurden vorgestellt und anschließend wurden Handlungsansätze diskutiert. Baden-Württemberg Im Landesbezirk Baden-Württemberg trafen sich am 20. März Frauen von IG BCE und DGB auf dem Paradeplatz in Mannheim. Im Gepäck hatten sie eine Leiter. Mit dieser Karriere leiter wurde Passantin nen und Passanten demonstriert, wer sie wie schnell erklimmt und damit anschaulich verdeutlicht: Die (Aufstiegs-) Chancen von Frauen und Männer sind noch immer sehr unterschiedlich. Rheinland-Pfalz/Saarland Im Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland trafen sich am 20. März Patricia Erb, Betriebsratsvorsitzende der Boehringer Ingelheim GmbH, und Malu Dreyer, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz mit anderen Gästen zu einer Diskussionsrunde zum Thema »Frauen in Führung«. Hinweis der Redaktion: Malu Dreyer hat neben vielen anderen namhaften Personen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden ein Statement zur Charta der Gleichstellung auf der IG BCE-Website gegeben, und das Thema »Frauen in Führung« ist eines der Handlungsfelder der Charta. Bayern Im Landesbezirk Bayern hatte am 20. März in Zusammenarbeit mit dem DGB, unter anderem in Garching, eine Aktion zur Entgeltlücke von 22 Prozent stattgefunden. Sie sollte die Aufmerksamkeit auf das Thema »Entgeltungleichheit« richten. Darüber hinaus war es gelungen, die Inhaberinnen eines Schmuckladens und eines Kreativladens davon zu überzeugen, ihren Kundinnen an diesem Tag 22 Prozent Rabatt einzuräumen. 12 aktuelles RECHT SO: Betriebsratswahl: Eine Frau zu viel? Nach dem Beschluss des Arbeitsgerichtes Köln wirkt es sich nicht auf die geschlechterquotierte Besetzung aus, wenn im Laufe der Wahlperiode ein weiteres Mitglied des Minderheitengeschlechtes nachrückt. Insbesondere wird das nach dem Quoten as pekt gewählte Mitglied nicht ausgetauscht. Damit wies das Arbeitsgericht den Antrag eines Betriebsrates ab. Dieser hatte die Quote als übererfüllt angesehen, weil ein Mitglied des Minderheitengeschlechtes in den Betriebsrat nachgerückt war und dabei ein Mitglied des Mehrheitsgeschlechtes ersetzt hatte. Bei seiner Entscheidung bezog sich das Arbeitsgericht Köln auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), das schon im Jahr 2013 festgestellt hatte, dass eine »Übererfüllung der Quote« wegen des Wortes mindestens nicht eintreten kann. Es handelt sich bei der Besetzung des Betriebsratsgremiums nicht um eine starre Quotenregelung, die eine Verteilung exakt entsprechend der Geschlechteranteile vorsieht, wie dies derzeit bei der Quotierung von Aufsichtsräten und Vorständen diskutiert wird, sondern das Betriebsverfassungsgesetz berücksichtigt die Geschlechter in dem Verhältnis, wie sie im Betrieb vertreten sind. Dem klagenden Betriebsrat attestierte das Gericht auch ein unzureichendes Rechts- verständnis, weil eine gewählte Betriebs rätin nicht aufgrund des Proporzes aus dem Gremium ausscheiden kann. Dies widerspricht dem Grundsatz der Ämterstabilität. AZ: 17 BV 296/14, 12.11.2014 Eine Frage – eine Antwort Wie viele Schwangerschaftsmeldungen erfolgen jährlich durch den Arbeitgeber an die zuständigen Aufsichtsbehörden? (Circa-Angabe, Stand: Juni 2013) Die ersten zehn Einsendungen mit der richtigen Antwort erhalten einen kleinen Preis. Bitte die richtige Lösung auf eine Postkarte schreiben und senden an: IG BCE Abteilung Frauen/Gleichstellung Königsworther Platz 6 30167 Hannover oder per E-Mail an: [email protected] Einsendeschluss 30. Juni 2015 Vorbildlich Dr. Christina Boll, Forschungsdirektorin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), hat ein Rechenbeispiel von zwei Frauen aufgemacht, die ihre Ausbildung zum gleichen Zeitpunkt begannen, von denen eine aber eine Unterbrechungszeit (warum auch immer) nahm. Das Ergebnis: Letztere stand nach ihrer Rückkehr finanziell deutlich schlechter da, als ihre Kollegin, die ihren beruflichen Werdegang fortsetzte. Und schlimmer noch als das: Diesen Gap holt sie bis zur Rente nicht auf. Der Foliensatz mit dem Rechenbeispiel kann in der Abt. Frauen/Gleichstellung bestellt werden. sind Unternehmen, die die Herausforderungen der demografischen Entwicklung anpacken und die Kompetenz gut ausgebildeter Frauen nutzen. Vorfahrt haben Unternehmen, die aus eigener Überzeugung handeln und nicht erst per Gesetz dazu gezwungen werden müssen, Frauen in Führung zu bringen. Vorankündigung eines Workshops »Entgeltgleichheit« am 25. August 2015 in Hannover. Zielgruppe sind Betriebs rätinnen und -räte sowie Personalverantwortliche. Ansprechpartnerin: Cornelia Leunig, 0511 7 63 12 82.
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