Elektrische Antriebe: wer traut sich?

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Anhand des «gläsernen» Traktors werden die für einen elektrischen Antrieb notwendigen Komponenten ersichtlich. Das Herzstück ist ein
Schwungradgenerator, welcher direkt am Verbrennungsmotor angeflanscht Strom produziert. Rechts davon der Elektromotor mit Getriebe.
Elektrische Antriebe:
wer traut sich?
Elektrische Antriebe lassen sich einfacher regeln als mechanische oder
hydraulische, was die Arbeitsfunktionalität verbessert. Hersteller
benötigen jedoch Mut, einen Traktor oder ein Gerät zu elektrifizieren.
Nicht wegen eines Stromschlags, sondern wegen der Marktakzeptanz.
M
it Stromgeneratoren auf
Traktoren lassen sich Arbeitswerkzeuge von Düngerstreuern oder Kreiselschwadern
mühelos elektrisch antreiben. Die
Landtechnikhersteller Rauch und
Pöttinger haben bereits entsprechende
Maschinen gebaut und präsentiert.
Auch die Traktorenhersteller Rigitrac
(Fahrantrieb), Belarus (Frontzapfwelle) und John Deere (Steckdose)
haben Möglichkeiten für elektrische
Antriebe entwickelt. Zudem gibt es
diverse Anbieter von Zapfwellengeneratoren, die an der Fronthydraulik
angebaut werden und Strom für mo-
die grüne | Nr. 16/2015
bile Anwendungen herstellen. Beim
Düngerstreuer ist der Nutzen eines
elektrischen Antriebs besonders
gross, weil die Drehzahl beim Grenzstreuen ohne grosse Verzögerungen
angepasst werden kann. Auch bei
wechselnden Motordrehzahlen des
Traktors bleibt die Drehzahl der
Wurfscheiben konstant. Der Traktor
kann so immer im treibstoffsparendsten Drehzahlbereich gefahren
werden. Beim Schwader entfallen
mechanische Antriebsverbindungen,
wenn ein Elektromotor direkt auf
dem Zinkenträgergehäuse montiert
ist. Was die Arbeit der Konstrukteure
deutlich vereinfacht, vor allem bei
Mehrkreiselschwadern.
Elektrischer Zapfwellenantrieb
Bis zum direkten elektrischen Antrieb von Arbeitsgeräten gibt es noch
eine Zwischenstufe. Dabei geht es
darum, die Zapfwelle elektrisch in
Schwung zu bringen. Fachleute wie
Harald Dietel, welcher bei der Sensor
Technik Wiedemann in Kauf beuren
(D) als Project Manager tätig ist, sehen
in der elektrischen Zapfwelle grosse
Vorteile: «Damit könnte ein Anbaugerät, zum Beispiel ein Mäher, mit
der immer passenden Drehzahl betrieben werden, ohne dass der Verbrennungsmotor eine fixe Drehzahl
halten muss», so Dietel. Oft muss die
Motordrehzahl hoch eingestellt werden und braucht viel Treibstoff, weil
die Arbeitsfunktion des Mähers auf
eine fixe Drehzahl ausgelegt ist.
Wer macht den nächsten Schritt?
Die elektrische Zapfwelle kann ein
Traktorhersteller unabhängig von den
Aktivitäten auf dem Anbaugerätemarkt in den Verkauf bringen. Letztlich wird der Antrieb auf dem Gerät
wie bisher mit Wellen und Getrieben
mechanisch übertragen. Wer Traktoren baut, könnte hier also von sich
aus einen Entwicklungsschritt machen. Dies im Gegensatz zu Geräteherstellern, welche erst dann Elektromotoren montieren können, wenn die
Traktorenhersteller entsprechende
Traktoren mit einer genormten
Schnittstelle (Steckdose) ausstatten.
Sensor-Technik Wiedemann GmbH
Die Sensor-Technik Wiedemann
GmbH in Kaufbeuren im Allgäu (D)
produziert unter anderem Komponenten für mobile elektrische Antriebe.
Die Systemkomponenten für den
elektrischen Pistenbully sind von
Wiedemann entwickelt worden.
Ähnliche Bauteile, in verschiedenen
Leistungsklassen, kommen auch bei
mobilen Arbeitsmaschinen zum
Einsatz. Im Zentrum steht jeweils ein
Generator, der am Verbrennungsmotor angeflanscht wird, Elektromotoren
zum Fahr- oder zum Geräteantrieb
Die Frage lautet also, wer macht hier
den nächsten Schritt respektive, wer
traut sich ein elektrisches Gerät auf
den Markt zu bringen? Was technisch möglich ist, muss von den
Landwirten zuerst akzeptiert werden.
Dazu gehört auch, dass die Angst vor
dem Strom abgelegt werden kann.
Mit den Normen, die bereits geschaffen wurden, ist die Gefahr von
Stromschlägen ausgeschlossen, wie
sowie eine Steuereinheit. SensorTechnik Wiedemann entwickelte
Elektromotoren, welche innerhalb
des Gehäuses mit Öl gekühlt werden.
Dies ermöglicht im Vergleich zur
Leistung eine erstaunlich kompakte
Bauweise. Elektrische Antriebe
können direkt an dem Ort platziert
werden, wo der Prozess stattfindet.
Aufwendige mechanische Wellenverbindungen sind nicht mehr notwendig.
Durch die Dynamik und Flexibilität
der elektrischen Antriebe können die
Prozesse deutlich verbessert werden.
Harald Dietel beteuert. Er leitet die
Standardisierungsbemühungen für
eine Hochvoltsteckdose unter dem
Dach der AEF (Agricultural Industry
Electronics Foundation). Ein Stromschlag ist selbst dann ausgeschlossen, wenn beispielsweise die Steckverbindung abreisst oder ein Kablel
verletzt wird. | Beat Schmid
LLWeitere Informationen:
www.sensor-technik.de
Bremsen macht Strom
Ein Pistenfahrzeug hat Einsatzbereiche, bei denen bergab gearbeitet
wird. Der Pistenbully-Hersteller
Kässbohrer produziert eine elektrisch
angetriebene Baureihe. Anstelle der
hydraulischen Antriebskomponenten
kommen beim Fahr- und Maschinenantrieb (Fräse) Elektromotoren zum
Einsatz. Diese werden von zwei
Generatoren versorgt. Als Hauptantrieb dient ein 400-PS-Dieselmotor.
Die beiden Fahrantriebe und der
Fräsantrieb können bis zu 140 kW
Leistung aufnehmen. Bergab wirken
die Fahrmotoren als Bremse, was
wiederum Strom produziert für die
Fräse. Der Verbrennungsmotor dreht
dann nur im Leerlauf. Insgesamt kann
damit bis zu 30 Prozent Treibstoff
eingespart werden.
Nr. 16/2015 | die grüne
Bild: zVg
Bild: Beat Schmid
Wird die Zapfwelle elektrisch betrieben, kann die Drehzahl unabhängig
von der Motordrehzahl geregelt werden. Dazu muss auf dem Traktor jedoch ein Generator vorhanden sein,
welcher, angetrieben vom konventionellen Verbrennungsmotor, den erforderlichen Strom produziert.
Besonders bei Arbeiten im Berggebiet bei Talfahrt könnte die Motordrehzahl stark gesenkt werden, ohne
dass die Drehzahl am Arbeitswerkzeug abnimmt und die Arbeitsqualität
nicht mehr gewährleistet wäre.