Interview mit Jonas Bucher

BILDUNG
Der zielstrebige Tüftler
Jonas Bucher, der Gesamtsieger der SwissSkills über die drei SWISSMECHANIC Disziplinen, findet die Zeit, in der er steht, spannend. Nach dem Wettkampf in Bern, absolvierte
der 21-Jährige die RS, jetzt ist er mitten in den Vorbereitungen für die WorldSkills in
Brasilien. Wir trafen ihn in Hitzkirch (LU) bei MANOMETER AG und schauten ihm über
die Schultern.
Von Helena Gysin
Für die Berufswahl liess sich Jonas damals Zeit. Er schnupperte in verschiedenen Firmen, um sich ein genaues Bild zu
machen, welche Richtung ihm am besten
liegen könnte. Nebst Polymechaniker, interessierte er sich auch noch für Automatiker. Schlussendlich überzeugte ihn aber
die breitgefächerte Ausbildung eines Polymechanikers mit dem Schwerpunkt Automation (Werkzeuge und Fertigungsmittelbau). «Während eines Projekts kann
man planen, programmieren, Teile ferti-
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gen, testen und am Schluss verdrahten»,
sagt er. Man spürt seine Begeisterung für
den Beruf, wenn er davon berichtet, wie
er in seinem Betrieb oder auch während
der SwissSkills beim Zusammensetzen
des Endprodukts tüftelt oder am Schluss
ein bisschen «buuret», wie er es nennt.
Spass an der Sache
Im Gespräch mit Jonas Bucher blitzt immer wieder eine Art Leichtigkeit auf. Er
hat sichtlich Spass an der Sache. Bei den
Vorausscheidungen für die S­wissSkills,
war sein erklärtes Ziel: «…dass das Endprodukt läuft». Zwar schaffte er nicht
ganz alle geforderten Bohrungen und
erreichte damit den vierten Platz. In der
mündlichen Prüfung lief es ihm «tip-top».
Den englischen Text verstand er so gut,
dass er ihn hätte in die Praxis umsetzen
können, dass Kopfrechnen mit bis zu fünf
Faktoren forderte seine grauen Hirnzellen. Schlussendlich landete Bucher bei
der Vorausscheidung in der Gesamtwertung auf dem ersten Platz. Damit hatte er
das «Ticket» für die SwissSkills definitiv
im Sack.
Unter dem Eindruck, dass die Zeit um die
gestellte Aufgabe zu erfüllen, knapp bemessen sein könnte, ging er beim Wett-
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Der stolze Autobesitzer
kampf in Bern schnell «äne», wie der
Champion sagt. So hatte er dann auch
nach dem ersten Tag ein recht gutes Gefühl. Beim Gewindedrehen von Hand sagt
Bucher, sei sein Puls mal kurz gestiegen.
Zum einen habe er das ein halbes Jahr
nicht mehr gemacht, zum anderen war
das Messen mit dem Flankenmikrometer
nicht gerade sein tägliches Brot. Dennoch
schätzte er offensichtlich das Geforderte
richtig ein, liess bei der Fertigung auch
mal eine Messung aus und vertraute
darauf, dass er Kleinigkeiten am Schluss
bei der Montage noch korrigieren könne.
Die Rechnung ging auf. Jonas hat das
Ambiente in Bern gefallen und fand es
spannend bei längeren Pausen anderen
Kandidaten bei der Arbeit zuzuschauen.
Er realisierte auch, dass es immer noch
junge Menschen gibt, die seltene Berufe erlernen, wie zum Beispiel Flechter,
Goldschmied oder Bildhauer. Die Abende
verbrachte er in gemütlicher Runde mit
einem Bier – wo die Konkurrenten zu Kollegen wurden. Bemerkenswert ist, dass
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auch der dritte SM Goldmedaillengewinner ein Bauernsohn ist.
Der Countdown läuft
Bis es endgültig heisst aufzubrechen,
lässt Jonas Bucher sein Motorrad noch
ein bisschen in der Garage und die
E­ -Gitarre in der Ecke stehen. Umso häufiger fährt der Gesamtsieger den VW
Polo, den ihm die Firma Fraisa für ein
Jahr zur Verfügung stellt. Einige Schulungen hat er schon absolviert, so zum
Beispiel für die Steuerung Logo comfort
von Siemens bei aprentas in Basel, die
er in Brasilien benutzen wird. Er ist sich
bewusst, dass die 103 Tage (so viele waren es bei unserem Interview) bis zu den
WorldSkills schnell vergehen. Dennoch
nimmt er das Ganze sportlich und sagt:
«Damit ich wiederum auf dem Podest
lande, müssen mir die anderen Teilnehmer helfen und etwas mehr Ausschuss
produzieren als ich.» Vier Wochen wird
Bucher noch in der Lehrwerkstätte in
Basel unter den ­Fittichen seines Experten
François Fiechter verbringen. Dort hat er
die Möglichkeit, verschiedene Drehbänke
und Fräsmaschinen auszutesten. In São
Paulo wird er vor Ort die Maschine, mit
der er während des Wettkampfs arbeitet,
auf Herz und Nieren prüfen. Er sagt: «Ich
werde mal «chli ahänke» und schauen,
«…öb sie mag».
Im Mentaltraining hat Jonas schon mal
den Start an den WorldSkills visualisiert.
Er weiss, dass er vermutlich nervös sein
wird, aber in seiner lockeren Art meint
er dazu: «Ein bisschen Nervosität schadet nicht, dann legt man einen etwas
schnelleren Start hin». Dass er in Brasilien zumindest aus Schweizersicht, aus der
­Pole-Position startet, macht ihn keineswegs zu selbstsicher, die Konkurrenten
aus Korea und Japan seien nicht zu unterschätzen. «Die üben zum Teil 1–2 Jahre
ausschliesslich auf die WorldSkills hin»,
weiss Bucher. Albträume hat er nicht, er
ist neugierig und findet die Teilnahme
samt allen Herausforderungen spannend.
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Stiftung, überreicht wurde, wird er schon
bald nutzen. Nach den WorldSkills bildet
er sich in Emmen zum Techniker Automation weiter. «Der Beruf des Polymechanikers gefällt mir. Ganz ins Büro zu wechseln, kann ich mir nicht vorstellen, aber
vielleicht vermehrt in der Projektplanung
tätig zu sein – warum nicht?», sinniert
Jonas. Nun steht aber zuerst das Projekt
WorldSkills vor der Türe. Der hartnäckige
Problemlöser scheint dieses mit dem nötigen Respekt, einer Prise Leichtigkeit und
einer Portion Spass anzupacken. SWISSMECHANIC wünscht ihm von Herzen viel
Erfolg in São Paulo, wenig Ausschuss und
einen Platz auf dem Siegerpodest.
Hartnäckig Dranbleiben
Wo seine Stärken liegen, frage ich den
jungen Berufsmann. Dann kommt ein
zögerliches: «Ja, äbe…» – das zu formulieren haben die WorldSkills-Teilnehmer
an einem ihrer Team-Weekends geübt.
Trotzdem fällt es dem Luzerner nicht
leicht, das so frisch von der Leber weg zu
definieren. «Ich bin hartnäckig und gebe
nicht so schnell auf, auch wenn es nicht
beim ersten Versuch funktioniert», sagt
Jonas schlussendlich. Eine Stärke, die in
Brasilien durchaus nützlich sein könnte.
Möglicherweise schwanken nämlich die
Temperaturen in den Hallen in São Paulo
stark. Bucher hat sich den Schlachtplan
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schon bereit gelegt: er wird die gefertigten Teile jeweils rasch abgeben, damit bei
der Nachmessung die gleichen klimatischen Bedingungen herrschen. «Sollten
sich die Masse bis zur Montage noch ein
wenig verändern, kann ich das bei der
Fertigstellung noch anpassen», sagt er.
Nebst seinem Rollwagen, der rund
400 kg wiegt, nimmt Bucher zudem
«Handgepäck» mit: seinen persönlichen
Werkzeugkoffer von Facom – bestückt
mit buntem, gesponsertem Werkzeug
von «Swisstools». Den Preis im Wert von
Fr. 13 000, der ihm von SWISSMECHANIC
im Namen der Josef und Paulette Binkert-
Drei Fragen an Jonas Bucher
Was wird in deinem Koffer, mit dem du nach Brasilien
reist, bestimmt nicht fehlen?
Das Messmittel, das mich nun schon beinahe 5 Jahre begleitet und mich auch an den SwissSkills nicht im Stich liess.
Wer ist dein grösster Fan?
Schwer zu sagen: Mutter, Vater, Freundin, Geschäft – alle
­haben Freude.
Wo stehst du beruflich in 10 Jahren?
Ich bleibe sicher der Branche treu. Der Beruf des Polymechanikers gefällt mir nach wie vor. Ich könnte mir vorstellen,
nach der Technikerschule in der Projektplanung tätig zu sein.
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