Experten-Hearing

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Experten-Hearing
„Abfallgebührensystem“
am 14. Juli 2015
im Haus der Region Hannover
Begrüßung
Conrad von Meding:
Einen schönen guten Abend, meine Damen und Herren! Es ist schön, dass sich
die Reihen so angenehm gefüllt haben.
Wir hatten angesichts des Wetters heute
ein wenig Sorge.
Ich möchte keine lange Vorrede halten.
Für die Begrüßungsworte bitte ich den
Hausherrn, den Regionspräsidenten Hauke Jagau, an das Mikrofon. - Einen Applaus für Hauke Jagau!
es zwar unterschiedliche Behältnisse, aber
mit gleichem Inhalt gibt, wobei die Anforderungen des OVG im Auge zu behalten
waren, damit das Ganze zukünftig rechtssicher ist.
Dann gab es eine erste Veränderung, die
wiederum vom OVG angeschaut wurde.
Dabei waren insbesondere zwei Dinge
streitig. Das eine war die Frage der Mindestmenge, und das andere war die Frage, ob eine Grundgebühr - einerseits mit
Wohnungsbezug und andererseits mit
Grundstücksbezug - für beide Bereiche
gesplittet eingeführt werden kann.
Das OVG hat zu der Mindestmenge gesagt, das sei so in Ordnung. Zu dem anderen Teil hat das OVG gesagt, das möchte
es nicht, sodass es eine weitere Korrektur
gab.
(Beifall)
Regionspräsident Hauke Jagau:
Liebe Mitglieder der Regionsversammlung! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Seien Sie ganz herzlich zu unserem Expertenhearing zum Abfallgebührensystem willkommen. Ganz herzlich willkommen heiße ich insbesondere auch die
Expertinnen und Experten, die eingeladen
sind.
Wir haben in den vergangenen Jahren
sehr intensiv und zum Teil auch sehr emotional und sehr engagiert über das Thema
Abfall diskutiert - in mehreren Stufen -,
ausgelöst durch eine Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichtes, die dazu geführt hat, dass das alte System so nicht
mehr Bestand haben konnte.
Es ging um die in der Bundesrepublik
einmalige Problematik, dass zwei ganz
unterschiedliche Systeme zusammengeführt werden mussten, und um eine zum
Teil leidenschaftlich geführte Diskussion,
wie das System der Zukunft aussehen
soll.
Es ging um das Thema „Sack oder Tonne?“ in verschiedenen Varianten. Diskutiert wurde zunächst die Idee der Umstellung auf die Tonne, dann die Frage, ob
unter den Vorgaben des OVG das System
einheitlich so gestaltet werden kann, dass
Deswegen, meine Damen und Herren,
haben wir eigentlich keinen rechtlichen
Anlass, heute etwas zu tun. Aber wir wissen, dass die Unzufriedenheit mit dem
jetzigen Zustand immer noch ziemlich
groß ist. Deshalb habe ich, noch bevor
das OVG entschieden hat, gesagt: Ich
möchte in jedem Fall, dass wir gemeinsam
schauen, ob es unter Berücksichtigung der
OVG-Rechtsprechung, also mit der Sicherheit zu wissen, dass es hinterher funktioniert, möglich ist, ein System zu entwickeln, das auf eine größere Akzeptanz
stößt, also das, was es an unterschiedlichen Vorstellungen gibt, zu berücksichtigen.
Die Veranstaltung heute stellt dafür den
Auftakt dar. Herr Professor Priebs wird
gleich noch etwas zu dem Thema der
Bürgerbeteiligung sagen.
Für heute haben die Fraktionen in der Regionsversammlung jeweils eine Expertin
bzw. einen Experten benannt. Deshalb bin
ich sicher, dass wir heute ganz unterschiedliche Startimpulse bekommen und
Debattenbeiträge hören werden.
Mein Ziel und mein Wunsch ist es, dass
wir am Ende dieses Jahres Verlässlichkeit
haben, dass wir in dem Bürgerbeteiligungsprozess, der sehr spannend ist,
schauen, ob es Ideen gibt, die den Krite-
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rien gerecht werden, die bisher eine Rolle
gespielt haben und, wie ich glaube, auch
weiter eine Rolle spielen sollten, um eine
zukunftssichere und verlässliche Abfallentsorgung zu haben, ein einheitliches
System mit einer einheitlichen Gebühr zu
haben, einen Anreiz zur Müllvermeidung
zu setzen und im Rahmen des zulässigen
Maßes - das ist im Gebührenrecht nur
sehr eingeschränkt gegeben - Familienfreundlichkeit und Ähnliches zu berücksichtigen.
Ich hoffe, wie gesagt, dass wir am Ende in
einer Debatte, in einer Diskussion und
dann in einem Bürgerbeteiligungsverfahren mit einem Bürgergutachten zu einer
Situation kommen, die ein höheres Maß
an Zufriedenheit herstellen kann.
Ich habe im Vorfeld gesagt und will das
gern öffentlich wiederholen, dass ich in
jedem Fall das Bürgergutachten in die
Versammlung einbringen will, damit auf
dieser Basis dann entschieden wird, ob es
zu Veränderungen kommt oder nicht.
Der Vorteil ist, dass wir tatsächlich keinen
Zeitdruck für eine Entscheidung haben,
weil wir mit diesem System schon einmal
bis zum OVG durchgelaufen sind. Vielleicht trägt das dazu bei, dass wir die Debatten, die jetzt kommen werden, mit etwas mehr Gelassenheit führen können.
Denn eines will ich noch einmal sagen:
aha hat immer eine sehr gute Arbeit gemacht. Wir haben nicht das Problem, das
andere haben, dass der Müll nicht gut entsorgt wird. Wir haben eine hervorragende
Müllentsorgung. Wir machen das zu Bedingungen, die für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in Ordnung sind, was
ebenfalls nicht in allen Bereichen der Fall
ist, sodass die Basis, von der aus wir starten, wirklich gut ist.
Ich danke Ihnen schon jetzt, dass Sie sich
die Zeit genommen haben, heute hier dabei zu sein. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, und gebe das Wort gleich an
Herrn Professor Priebs weiter.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
(Beifall)
Vorstellung
prozesses
des
Bürgerbeteiligungs-
Erster Regionsrat Prof. Dr. Priebs:
Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich
begrüße Sie und freue mich, dass Sie
heute so zahlreich gekommen sind.
Ich will mich inhaltlich kurzfassen, da heute der Schwerpunkt auf den Ausführungen
der Expertinnen und Experten liegt. Deshalb möchte ich nur einige Worte zu unserem Beteiligungsprozess sagen.
Eine ganze Reihe von Ihnen war schon
bei unserer Auftaktveranstaltung am
27. Mai, als wir den Prozess vorgestellt
haben. Ich nenne noch einmal die wichtigsten Bestandteile.
Im Grunde geht es in diesem Beteiligungsprozess um drei Bausteine:
Das Fundament, der erste Baustein, ist
sozusagen ein breiter Befragungsprozess,
eine Onlinebefragung, die ein Meinungsbild liefern soll. Sie alle haben noch bis
zum 31. Juli die Möglichkeit, sich im Internet zu beteiligen, dort einen Bogen auszufüllen und Ihre Meinung zu den Fragen,
die dort gestellt sind, oder auch zu anderen Punkten mitzuteilen. Natürlich ist das
auch auf Papier möglich, aber die meisten
nutzen den Onlineprozess.
Der zweite Baustein ist der, den wir heute
gemeinsam bearbeiten, das Expertenhearing. Dazu sind Fachleute benannt worden
- jeweils eine Person von den Fraktionen
in der Regionsversammlung, von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, vom
Zweckverband Abfallwirtschaft und von
der Regionsverwaltung. Das ist das Spektrum. Dieser Baustein wird, wie ich glaube,
sehr viele Erkenntnisse bringen.
Der dritte Baustein besteht aus einem sogenannten Bürgergutachten. Ein solches
Verfahren hat es zu unterschiedlichen
Themen in verschiedenen Städten und
Regionen bereits gegeben. Bürgerinnen
und Bürger können dabei unter sachkundiger Begleitung Vorschläge erarbeiten, in
unserem Fall, wie das System der Abfallentsorgung verbessert werden kann
oder wie die Kosten der Abfallbeseitigung
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besser unter den Gebührenzahlerinnen
und Gebührenzahlern aufgeteilt werden
können.
Dafür werden vom Büro INFA, das von
uns beauftragt worden ist - es hat ähnliche
Prozesse auch schon in anderen Städten
und Regionen begleitet -, 50 Bürgerinnen
und Bürger ausgewählt - ein größerer Teil
ist schon bestimmt; andere haben sich
noch nicht zurückgemeldet -, die voraussichtlich Anfang September ein Bürgergutachten erarbeiten, das Vorschläge enthalten wird, was besser gemacht werden
kann. Dabei gibt es keine Tabus und keine
Denkverbote. Die einzige Vorgabe, die wir
gemacht haben, ist, dass die Vorschläge
umsetzbar sind, dass sie rechtlich möglich
sind. Wir sind sehr gespannt, was dabei
herauskommt.
Herr Jagau und ich haben immer gesagt:
Es gibt das ganz klare Versprechen der
Regionsverwaltung, dass dieses Bürgergutachten der Regionsversammlung zur
Beratung vorgelegt wird. Die Regionsversammlung ist das Gremium, das letztendlich über die Abfallgebühren entscheidet.
Dieses Gremium bekommt das Bürgergutachten vorgelegt. Dazu wird es eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse des
Bürgergutachtens im Oktober/November
geben.
Da die Mitglieder der Regionsversammlung über die Abfallgebühren entscheiden,
haben sie heute nach den Präsentationen
durch die Expertinnen und Experten sozusagen auch das erste Wort. In einer ersten
Fragerunde werden sie zu Wort kommen.
Die meisten Mitglieder der Regionsversammlung sitzen, glaube ich, in der zweiten Reihe, einige sitzen aber auch in der
ersten Reihe, in der wir Plätze reserviert
haben.
Die Mitglieder der Regionsversammlung
werden entscheiden müssen, welche Vorschläge übernommen werden und wie das
Bürgergutachten weiter verarbeitet werden
soll.
Die Themen, mit denen wir uns heute befassen - viele wissen das schon, andere
werden es heute erfahren -, sind technisch
und rechtlich sehr komplex. Deswegen
kommen die Expertinnen und Experten
aus verschiedenen Bereichen und werden
das breite Thema aus verschiedenen
Blickwinkeln betrachten.
Wie schon gesagt: Alles, was hinterher in
unsere Abfallsatzung oder in unsere Abfallgebührensatzung einfließen soll, muss
letztendlich technisch und rechtlich machbar sein. Deswegen hören wir heute von
Expertinnen und Experten, welche Vorschläge diese haben.
Zunächst wird aber Herr Reuter, der Geschäftsführer des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region Hannover, den Status
quo darstellen. Sie werden daran schon
sehen, dass das Ganze doch sehr komplex ist. Dann werden wir die Expertenmeinungen hören. Danach werden wir erst
die Mitglieder der Regionsversammlung
hören. Anschließend werden wir in das
Plenum gehen. Das alles wird Ihnen Herr
von Meding, der Moderator des heutigen
Abends, dessen Zeilen in der HAZ Sie
sonst immer beim Frühstück lesen, nochmals erläutern. Er wird uns durch den heutigen Abend führen.
Ich wünsche uns allen einen interessanten
und ergiebigen Abend. Zwar stehen wir in
Konkurrenz mit dem besser werdenden
Wetter, aber ich glaube, die nächsten
Stunden hier werden sich lohnen. Ich bin
sehr gespannt und freue mich, dass Sie
alle hier sind.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Ganz herzlichen Dank, Herr Jagau, und
ganz herzlichen Dank, Herr Priebs.
Es ist eben gerade angeklungen: Es wird
heute Abend nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig für Sie alle. Das muss
man, glaube ich, in aller Ehrlichkeit sagen.
Herr Jagau sagte: Wir haben eine gute
Müllentsorgung in der Region Hannover,
aber es gibt eine Unzufriedenheit damit,
wie am Ende abgerechnet wird, wie die
Gebühren organisiert sind.
Herr Priebs sagte: Das, worum es geht, ist
technisch und rechtlich sehr komplex. -
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Das wird heute Abend Ihre Zeit ein wenig
mitbestimmen. Umso schöner ist es, dass
Sie alle hier sind.
schaffen wir es auch, ganz knapp darunter
zu bleiben, wenn ich jetzt nicht allzu lange
rede.
Ich würde gerne wissen, wer von Ihnen an
der Auftaktveranstaltung teilgenommen
hat, als das Prozedere vorgestellt worden
ist. - Das ist knapp die Hälfte. Das war ein
sehr unterhaltsamer Abend, wie ich fand.
Wir haben gelernt, wie das vonstattengehen soll, wie Sie sich daran beteiligen
können, wie das alles vorangehen kann,
sodass am Ende vielleicht nicht alle total
glücklich mit dem Gebührensystem sind,
aber zumindest alle damit zufrieden sind,
wie es zustande gekommen ist, und die
Uneinigkeit, die in der Region herrscht,
vielleicht beendet ist.
Vier Stunden sind angesetzt. Wir haben
vereinbart, dass wir ungefähr zur Hälfte ich werde versuchen, ziemlich genau die
Mitte zu treffen - eine Pause machen, damit Sie zur Toilette gehen oder kurz die
Beine ausschütteln können. Wir wissen,
dass bei einer solchen Pause immer das
Risiko besteht, dass ein Teil der jetzt Anwesenden danach draußen bleibt. Das
wäre schade. Denn nach den Expertenanhörungen kommt die Diskussion.
Der heutige Abend ist in der Tat ein Abend
der Experten. Insgesamt sind acht Experten hier, die - Herr Priebs hat das bereits
gesagt - von den einzelnen Fraktionen,
von der Region, von aha benannt worden
sind, um ein breites Meinungsbild zu der
Frage, was man eigentlich mit Abfallgebühren machen kann, zu erhalten. Einerseits sind es Techniker, die uns etwas
über Abfallentsorgung berichten werden,
andererseits sind es Juristen, und es ist
auch eine Expertin darunter, die uns aus
der Praxis der Hauseigentümer und Hausverwalter berichten wird. Sie erhalten heute Abend also ein ganz breites Spektrum,
aber möglicherweise wird es an einigen
Stellen schwierig werden.
Damit wir überhaupt durch den Abend
kommen, haben wir vereinbart, soweit uns
dies möglich erscheint, keine Zwischenfragen zuzulassen. Ich bin in dieser Frage
ein wenig gespalten. Wenn es einen Punkt
gibt, bei dem wir alle das Gefühl haben,
dass etwas überhaupt nicht zu verstehen
war oder noch eine Einordnung benötigt
wird, würde ich mir, sozusagen in Ihrem
Sinne herausnehmen nachzufragen. Aber
ich glaube, wenn wir bei acht Experten
Nachfragerunden zulassen, kommen wir
heute Abend total ins Schleudern.
Auf dem Flur hat gerade jemand gesagt:
Ich hoffe, das dauert keine drei Stunden.
Sonst gehe ich gleich wieder. - Angesetzt
sind tatsächlich vier Stunden. Ich verspreche Ihnen: Wir schaffen das. - Vielleicht
Erst einmal - Herr Priebs hat das bereits
gesagt - dürfen die Regionsabgeordneten
Fragen stellen. Denn die Mitglieder der
Regionsversammlung müssen hinterher
mit unser aller Mandat entscheiden. Am
Ende dürfen Sie dann alle mitdiskutieren.
Wir werden die Expertinnen und Experten
hier oben auf dem Podium versammeln,
und Sie alle können Fragen stellen und
diese nach Herzenslust „löchern“.
Ich kann Ihnen also nur empfehlen: Bleiben Sie möglichst da.
Ein weiterer Hinweis: Die gesamte Veranstaltung wird aufgezeichnet, und zwar vom
Stenografischen Dienst des Landtages,
also hoch offiziell. Der Vorteil ist, dass Sie
nachher alles im Wortlaut nachlesen können. Dazu bitten wir Sie, wenn Sie sich
nachher zu Wort melden, Ihren Namen zu
nennen und zu sagen, woher Sie kommen. Das macht die ganze Sache hinterher lesbar.
Letzter Punkt: Spätestens nach der Veranstaltung wird draußen oder hier auf einem der Tische eine Liste liegen, in die
Sie sich eintragen können. Das kennen
jene, die schon letztes Mal hier waren,
bereits. Wenn Sie sich eintragen, hat das
den Vorteil, dass Sie zu den nächsten
Veranstaltungen dieser Machart wieder
eingeladen werden. Es ist ja vielleicht
ganz schlau, dranzubleiben, wenn man
sich für das Thema interessiert.
Ich gebe jetzt an Herrn Reuter ab. Er ist
Chef der Abfallwirtschaft und weiß ziemlich genau, wie das läuft. Er ist nicht nur
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dafür zuständig, dass die Mülltonnen oder
Müllsäcke - je nachdem, wo Sie wohnen vor Ihrer Tür wegkommen, sondern auch
dafür, dass das mit der Abrechnung und
dem Gebührensystem vom Grundsatz her
immer irgendwie funktioniert.
Schon damals waren sich alle Beteiligten
darüber einig, dass es sehr schwierig sein
dürfte, die beiden unterschiedlichen Systeme, die sich in den beiden Gebietskörperschaften entwickelt hatten, zusammenzuführen.
Im Plan ist ausgedruckt, dass Herr Reuter
40 Minuten Zeit hat, wir haben aber gesagt: Wahrscheinlich reichen 30 Minuten. Viel Spaß! Ring frei!
Im Umland gab es die Sackabfuhr und die
Behälterabfuhr, wobei die Sackabfuhr dort
stattfand, wo es weniger verdichtete Bebauung, also Ein- und Zweifamilienhausbebauung, gab, und in den Bereichen mit
verdichteter Wohnbebauung eine Behälterabfuhr erfolgte. Dabei ging es aber nur
um Großbehälter, also nicht um mehr oder
weniger große Mülltonnen. Großbehälter
mit vier Rädern, wie Sie sie kennen, wurden also auch im Umland eingesetzt.
Vorstellung des aktuellen Abfallgebührensystems - Sachstand
Thomas Reuter (aha):
Danke schön, Herr von Meding. Ich werde
versuchen, etwas Zeit für die spätere Fragerunde herauszuholen.
Guten Tag, meine sehr verehrten Damen
und Herren! Mein Name ist Thomas Reuter. Ich bin der Verbandsgeschäftsführer
des Zweckverbandes und, wie gesagt, für
die Abfuhr der Tonnen und Säcke - und
was wir sonst noch haben - zuständig.
Unser aktuelles Gebührensystem beinhaltet, wenn man es genauer betrachtet, einige Besonderheiten, die im bundesdeutschen Vergleich in anderen Abfallsatzungen nicht sehr häufig wiederzufinden sind.
Das Ganze ist eigentlich das Produkt eines langen Entwicklungsprozesses.
Ich möchte Sie ganz kurz zu einem Blick
zurück einladen, und zwar in die Jahre von
2000 bis 2003. Der Zweckverband wurde
2003 gegründet, die wesentlichen Vorarbeiten sind aber schon in den Jahren seit
2000 erfolgt. Dabei ging es darum, dass
die Abfallwirtschaft des Umlandes, also
des ehemaligen Landkreises, und der
Stadt Hannover zusammengelegt werden
sollte. Das waren zwei völlig unterschiedliche Systeme.
Im Umland gab es eine GmbH, die als
100-prozentige Tochter des Landkreises
die Abfuhr übernommen hatte, während in
der Stadt ein Betrieb der Landeshauptstadt - das war der Abfallwirtschaftsbetrieb - für die Abfallentsorgung zuständig
war.
Dagegen gab es in der Stadt Hannover
schon seit jeher die Abfuhr mit Mülltonnen
von klein bis groß.
Damit waren auch zwei unterschiedliche
Abrechnungs- und Gebührensysteme verbunden. Die Ansage war seinerzeit ganz
klar: Wir wollen so wenig wie möglich Veränderungen. Das heißt, die bestehenden
Abfuhrsysteme und auch die geltenden
Gebührenveranlagungen sollten so weit
wie möglich übernommen werden.
Das Ganze wurde in die erste Abfallsatzung und die erste Abfallgebührensatzung
für die Region Hannover so eingebaut.
Dabei bestand die Ausgangssituation,
dass - Umland und Stadt zusammengezählt - ungefähr 750 000 Einwohner an die
Behälterabfuhr und rund 400 000 Einwohner an die Sackabfuhr angeschlossen waren. Für die Behälterabfuhr gab es keine
Grundgebühr, und die Leerungen wurden
nach Bedarf, also im Regelfall wöchentlich
oder 14-tägig, durchgeführt. Bei Extremsituationen fahren wir sogar täglich vorbei.
Das ist überall dort der Fall, wo wenig
Platz ist, wo viele Menschen leben, aber
nur ein kleiner Müllbehälter stehen kann.
In der Behälterabfuhr gibt es den sogenannten Hol- und Bringservice. Dieser ist
in der Stadt Hannover eigentlich nicht
mehr wegzudenken. Jeder Einwohner und
jeder Grundstücksbesitzer in der Stadt
Hannover ist es gewohnt, dass die Müll-
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tonne an einem Verwahrort - sei es ein
Behälterschrank oder irgendetwas anderes - steht und die Müllabfuhr am Abfuhrtag kommt, die Mülltonne abholt, sie leert
und wieder an den Platz zurückstellt. Das
ist sehr wichtig, um während des Abfuhrbetriebes nicht den kompletten Straßenraum mit bereitgestellten Mülltonnen zuzustellen.
Dieses System gibt es in der Landeshauptstadt Hannover schon seit Urzeiten.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass
das irgendwann einmal anders gewesen
wäre. Das ist hier wirklich in Fleisch und
Blut übergegangen.
Ein anderes System gab es im Umland mit
der Sackabfuhr. Wie gesagt, ca. 400 000
Einwohner waren daran angeschlossen.
Bei der Sackabfuhr hat es schon immer
eine Grundgebühr gegeben. Das waren
12,40 Euro, die pro Wohnung anfielen.
Dabei wurde nicht danach differenziert, ob
in der Wohnung eine Person oder fünf
oder noch mehr Personen gewohnt haben.
Wenn in der privaten Wohnung eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt worden ist,
wurde für diese Wohnung eine zweite
Grundgebühren fällig.
Die Grundgebühr von 12,40 Euro war relativ hoch und spiegelte 81 % der Gesamtkosten wider. Die Restmüllsäcke haben
19 % der Gesamtkosten gedeckt. Die Gebühr betrug 0,85 Euro für einen 50-LiterSack.
Die extreme Differenz zwischen der
Grundgebühr und der variablen Gebühr für
die Restabfallsäcke beruhte auf der Überlegung, dass der Restabfallsack im Kaufmannsladen gekauft wurde. Er wurde nicht
zugestellt, wie das heute der Fall ist. Jeder
hat nach seinem eigenen Bedarf beim
Einkaufen Restabfallsäcke gekauft. Das
waren damals Rollen, auf denen sich jeweils zwölf Stück befanden. Wer sich eine
solche Rolle in seinen Einkaufswagen gelegt hat, hat sich immerhin zehn Euro in
seinen Einkaufswagen gelegt, ein Betrag,
der nicht ganz ohne ist. Da kommt man
schon ins Grübeln. Aber wir haben über
die relativ hohe Grundgebühr den Preis für
den Restabfallsack in einem Rahmen ge-
halten, der - das darf ich wohl sagen - weitestgehend akzeptiert wurde, wobei man
allerdings auch sagen muss: Unser stetiger Kampf, den wir bei dieser relativ geringen Gebühr über sehr viele Jahre geführt haben, galt gefälschten Säcken. Diese gefälschten Säcke waren zuerst relativ
leicht zu erkennen, aber die „Produzenten“
wurden immer pfiffiger, und es wurde immer schwieriger, die gefälschten Säcke an
bestimmten Merkmalen zu erkennen. Dieses Verfahren hat damals also zu dem
Versuch geführt, den Kauf der Restmüllsäcke zu umgehen.
Die Säcke wurden an die Straße gestellt.
Das war einfach. Mit der Abfuhr verschwanden die Säcke von der Straße; das
Straßenbild war wieder aufgeräumt, nachdem das Müllauto die Straße passiert hatte. Die Sackabfuhr erfolgte generell wöchentlich.
Schon in der Anfangsphase wurde immer
wieder in Zweifel gezogen, dass es möglich ist, dass zwei unterschiedliche Gebührensysteme im Zweckverband bestehen
können. Das wurde aber in der Anfangsphase immer wieder, auch verwaltungsgerichtlich, bestätigt. Es wurde gesagt: Das
sind zwei unterschiedliche Leistungen hier die Behälter-, dort die Sackabfuhr.
Dafür können durchaus unterschiedliche
Gebühren erhoben werden.
Diese unterschiedlichen Gebühren haben
wir sehr sauber kalkuliert. Im Bereich der
Sackabfuhr wurde tatsächlich eine Gebühr
erhoben, die die Kosten der Sackabfuhr
gedeckt hat. Im Bereich der Behälterabfuhr wurden die Kosten der Behälterabfuhr
gedeckt.
Durch den Zukauf der Säcke bzw. durch
die bereitgestellten Behälter mussten völlig unterschiedliche Volumina bewegt werden.
In der Behälterabfuhr ergab sich ein jährliches Abfuhrvolumen aufgrund der bestellten Behälter. Die Behälter wurden bestellt,
wie man sie für notwendig erachtete. So,
wie sie angefordert wurden, wurden sie
von uns ausgeliefert. Mit diesen Behältern
war ein Volumen von ca. 1,6 Milliarden
Litern verbunden, das für insgesamt
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750 000 Einwohner anfiel. In der Sackabfuhr hatten wir durch den Zukauf der Säcke für 400 000 Einwohner einen Bedarf
von 300 Millionen Litern, also einen sehr
viel geringeren Bedarf. Dadurch war der
Liter in der Sackabfuhr wesentlich teurer
als der Liter in der Behälterabfuhr, da hier
der Teiler größer ist.
Schon im Jahr 2010 hat man gesehen,
dass das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seiner Rechtsprechung zu öffentlichen Einrichtungen mit differenzierten Gebühren sehr hohe Anforderungen stellt.
Daher haben wir darauf hingewiesen, dass
das System, das 2003 so gewollt war,
wahrscheinlich nicht mehr lange Bestand
haben kann.
Deshalb hat sich schon im Dezember
2010 die Regionsversammlung mit diesem
Thema beschäftigt und uns den Auftrag
gegeben, die Satzung so zu überarbeiten,
dass die Gebührenstrukturen in Stadt und
Umland angeglichen werden. Weiterhin
sollte ein hoher Dienstleistungsstandard
beibehalten werden. Es sollte eine familienfreundliche Regelung sein, die aber
gleichzeitig auch Abfallvermeidung und
Recycling unterstützt. Auch sollte die finanzielle Machbarkeit überprüft werden.
Diesem Auftrag sind wir nachgekommen,
wobei zur gleichen Zeit ein Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gegen unsere Satzung anhängig
war. In diesem Normenkontrollverfahren
hat das Gericht im Jahr 2012 im Prinzip
so, wie wir es befürchtet hatten, entschieden, indem es gesagt hat: Zunächst einmal dürfen nur Fixkosten in die Grundgebühr einfließen. - Das bezog sich auf unsere Grundgebühr für die Sackabfuhr. Wir
hatten Fixkosten eingerechnet, allerdings
waren bei den umgelegten Kostenbestandteilen, also beispielsweise bei der
Sperrmüllabfuhr, Fix- und variable Kosten
enthalten. Das war nach Ansicht des Gerichts nicht zulässig. Insofern wurden
strengere Maßstäbe für die Grundgebühr
aufgestellt.
Ganz wichtig war bei dieser Entscheidung,
dass gesagt wurde, der Verband sei eine
einheitliche Einrichtung, und bei einheitlichen Einrichtungen müsse es auch eine
einheitliche Gebühr geben. Das heißt,
wenn eine Grundgebühr erhoben wird,
muss sie für alle Bereiche gleich sein, und
auch der Preis für einen Liter muss für alle
Abfuhrarten gleich sein.
Das OVG hat durchaus gesehen, dass wir
zwei unterschiedliche Abfuhrsysteme haben. Deswegen gab es die freundlich gemeinten Hinweise, dass zwei getrennte
Einrichtungen möglich sein sollten und
dass wir ab Oktober 2012 ungefähr ein
Jahr Zeit hätten, um eine neue Satzung zu
erarbeiten und in Kraft treten zu lassen.
Für die Kalkulation hat das Oberverwaltungsgericht vier Leitsätze aufgestellt.
Diese vier Leitsätze spiegeln sich noch
heute in unserer Satzung wider. Sie sind
eigentlich die Grundlage unseres Gebührensystems. Dabei geht es zum einen um
die einheitliche Grundgebühr und zum
anderen darum, dass die Grundgebühr
keine variablen Kosten enthalten darf,
sondern nur fixe Kosten.
Das Gericht hat verschiedene Stufen definiert, wie eine Grundgebühr erhoben wird,
und, was für uns ganz wichtig ist, gesagt,
bis zu einer Höhe 30 % könnten wir eine
pauschale Grundgebühr, also eine Grundgebühr ohne weitere Differenzierung, erheben. Bei einer Höhe von 50 % müsste
schon eine Differenzierung erfolgen, und
die Grundgebühr müsste beispielsweise
an der Anzahl der Personen in einem
Haushalt ausrichtet werden. Angesprochen wurden außerdem, dass es mit einer
besonderen Begründung noch die Möglichkeit gebe, über diese 50 % hinauszugehen. Aber das wäre aus unserer Sicht
ein ganz erhebliches rechtliches Abenteuer gewesen, auf das wir uns nicht einlassen wollten. Insoweit haben wir uns dazu
entschlossen, die Grundgebühr auf 30 %
zu begrenzen. Diese Berechnung ist noch
heute Gegenstand der Abfallgebührensatzung.
Der vierte Leitsatz betraf insbesondere
das Abfuhrsystem und dabei die unterschiedliche Erhebung der Gebühren, die
bis dahin stattfand: Artikel 3 des Grundgesetzes, der Gleichheitsgrundsatz, sollte
unbedingt eingehalten werden. Das heißt,
alle Nutzer des Abfuhrbetriebes müssen
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gleich behandelt werden, wobei allerdings
eine Ausnahme gemacht wurde, indem
gesagt wurde, dass die Erzeuger kleinerer
Abfallmengen, bei denen wirklich nur Minimengen anfallen, angemessen an dem
entstehenden Aufwand beteiligt werden
sollten.
Daraus ist zum 1. Januar 2014 die neue
Abfallsatzung entstanden, mit einer einheitlichen Grundgebühr, die wir im Jahr
2014 in einer aufgeteilten Variante ins Gespräch gebracht haben. Ein Teil war
grundstücks-, der andere Teil war wohnungsbezogen. Wir haben gedacht, dass
dieser Gedanke dem Aspekt der Gerechtigkeit entgegenkommt. Als Regelform
haben wir die 14-tägige Behälterabfuhr
eingeführt. Im Zusammenhang mit dem
Mindestvolumen, auf das ich noch zu
sprechen kommen werde, ist an einen
Haushalt zu denken, in dem nur eine Person wohnt. Wenn diese Person nur das
Mindestvolumen in Anspruch nehmen
möchte, sind wir bei 40 Litern im Monat.
Das heißt, wir mussten einen 40-LiterBehälter einführen. Ihn gab es bislang
nicht.
Für Abfallbehälter, wie wir sie als Mülltonne kennen, gibt es genormte Behältergrößen. Solche Behälter sind am Markt verfügbar und auch relativ günstig zu erwerben. Richtig teuer wird es, wenn man beispielsweise einen 62,5-Liter-Behälter haben möchte, der völlig außerhalb der
Norm liegt. Das würde bedeuten, dass
völlig neue Presswerkzeuge gebaut werden müssten. Das wäre ein Auftrag, bei
dem die Kosten für die Produktion ganz
schnell in die Hunderttausende gehen
würden. Deswegen waren wir froh, dass
wir auf dem Markt einen 40-Liter-Behälter
gefunden haben, den wir Einpersonenhaushalten zur Verfügung stellen können.
Als Besonderheit haben wir die Sackabfuhr beibehalten, die wir nun in Anlehnung
an die Behälterabfuhr organisiert haben.
Der Sack ist im Prinzip nichts anderes als
ein Behälter, der zur Verfügung gestellt
wird - er wird genauso behandelt -, aber
ein relativ weicher Behälter.
Mit diesem System konnten wir die entgeltfreie Nutzung unserer bisherigen
Wertstoffsysteme beibehalten. Es war immer die Anforderung, alle Systeme ohne
gesonderte
Gebührenerhebung die
Wertstoffhöfe, die landwirtschaftlichen
Grüngutannahmestellen, die Sperrmüllabfuhr, das Umweltmobil mit seiner Schadstoffsammlung - unbedingt beizubehalten.
- Ich sage extra: „ohne gesonderte Gebührenerhebung“. Das sind keine kostenlosen
Systeme, denn das wird doch in irgendeiner Form, nämlich über die Grund- und
volumenabhängigen Gebühren, bezahlt. Das haben wir mit den genannten Regelungen erreicht.
Wir haben die Bioabfallverwertung gefördert, indem wir für die Bioabfälle eine Gebühr ermittelt haben, die ungefähr halb so
hoch ist wie die Gebühr für den Restmüll.
Das heißt, über den Restmüll wird die Bioabfallverwertung unterstützt. Zwischen
dem Restmüll und den Bioabfällen findet
eine Quersubventionierung statt, um die
Bioabfallverwertung zu stützen und mehr
Mengen zu generieren.
Im Umland gab es die besondere Grundgebühr für gewerbliche Tätigkeiten in der
privat genutzten Wohnung; etwas, was wir
in der Stadt Hannover bei der Zusammenführung nicht gekannt haben. Wir hätten
das dort auch nicht ermitteln können. Im
Umland war das über eine langjährige
Veranlagungspraxis möglich. Über die
Kommunen, die ihre Gewerbedatei mit
einbeziehen konnten, gab es eine Gebührenveranlagung. In der Landeshauptstadt
Hannover hingegen hatten wir überhaupt
keinen Anhaltspunkt. Es wäre sehr
schwierig gewesen - das war schon im
Umland nicht ganz einfach -, überall dort,
wo es Mehrfamilienhäuser gibt, diejenigen
Mieter herauszufinden, die in der Wohnung ein hauptberufliches Gewerbe ausüben und dafür eine Extragebühr bezahlen
müssen.
Wohnungsbaugesellschaften
haben damit beispielsweise große Probleme.
Allein dieser eine Gebührentatbestand hat
sich im Umland auf ca. 2 Millionen Euro
pro Jahr belaufen. Das heißt, bei der Ermittlung der neuen Gebühr mussten plötzlich 2 Millionen Euro umverteilt werden.
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Außerdem haben wir, ganz im Sinne der
Gerechtigkeit, eine reduzierte Grundgebühr für Gewerbebetriebe eingeführt.
Denn Gewerbebetriebe dürfen aus praktischen Gründen weder die Wertstoffhöfe
noch die landwirtschaftlichen Grüngutannahmestellen nutzen. Insofern ist die Gebühr für Gewerbebetriebe um diesen Gebührenanteil, der in der Grundgebühr enthalten ist, reduziert worden.
kosten. Unsere Fixkosten liegen bei über
60 %.
Herr Jagau hat es bereits angesprochen:
Die zweite Runde vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg war auf unsere
geteilte Grundgebühr zurückzuführen. Das
Oberverwaltungsgericht war nicht damit
einverstanden und hat uns auch vorgerechnet, dass die geteilte Grundgebühr zu
unterschiedlich hohen Grundgebühren bei
Ein- und Mehrfamilienhäusern führen
kann. Unsere Abfallgebührensatzung wurde für unwirksam erklärt, weil die darin
enthaltene Regelung zur Grundgebühr
nicht rechtskonform war.
Ein weiterer Punkt betrifft das Mindestvolumen, das in der Vergangenheit sehr häufig kritisiert worden ist. Dieses Mindestvolumen hatten wir seinerzeit auf der Basis
der Abfallbehälter, die auf freiwilliger Basis
bestellt wurden, und der Säcke, die in der
Vergangenheit je nach dem persönlichen
Bedarf im Einzelhandel erworben wurden,
ermittelt. Wir sind auf ein durchschnittliches Abfallvolumen von ungefähr 22 Litern
gekommen und haben uns auf ein Mindestvolumen auf 10 Litern geeinigt. Dieses
wurde vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg nachgerechnet. Die amtlichen Abfallbilanzen wurden als Bemessungsgrundlage genommen, aufgrund dieser
Abfallbilanzen wurde eine Rückrechnung
vorgenommen, und dabei wurde festgestellt, dass dieses Mindestvolumen von
10 Litern zumindest aus Sicht des Gerichts nicht zu bemängeln ist. Diskutieren
kann man natürlich weiterhin darüber.
Gleichzeitig wurde von dem Gericht in der
Verhandlung ausdrücklich bestätigt - man
hat uns fast dahin geprügelt -, eine wohnungsbezogene Grundgebühr vorzusehen, und gesagt, dass das eine rechtssichere Konstruktion ist. Das haben wir
auch übernommen.
Alle anderen Regelungen unserer Abfallgebührensatzung und insbesondere auch
unsere Abfallsatzung wurden vom Oberverwaltungsgericht in diesem Termin am
10. November 2014 nicht beanstandet.
Nach diesem Urteil vom Herbst 2014 haben wir zum 1. Januar 2015 unsere Gebührensatzung in diesem einen Punkt der
Grundgebühr angepasst und hatten damit
das aktuelle Gebührensystem, mit dem wir
uns seitdem beschäftigen. Das bedeutet,
jetzt gibt es nur noch einen wohnungsbezogenen Gebührenmaßstab von 4,98 Euro
je Wohnung, die Grundgebühr. Das sind
sehr genau 29 % der Gebühren. Das
heißt, wir haben sklavisch darauf geachtet,
ja nicht die 30-Prozent-Hürde, die vom
Oberverwaltungsgericht genannt wurde,
durch irgendwelche Rundungsdifferenzen
oder Ähnliches zu überschreiten. Diese
Grundgebühr deckt einen Anteil der Fix-
Die Grundgebühr ist natürlich auch wichtig, um den Anstieg der volumenspezifischen Gebühren, also der Gebühren je
Liter Abfallvolumen, in Grenzen zu halten,
wenn wir Schwankungen der zur Abfuhr
bereitgestellten Restabfallmengen zu verzeichnen haben.
Das Mindestvolumen ist in der Rechtsprechung seit jeher immer wieder bestätigt
worden. Man braucht nicht darum herumzureden: Das Mindestvolumen ist so etwas wie eine zweite Grundgebühr. - Es
soll aber auch dazu dienen, dass man bei
der Trennung von Restabfall und Wertstoff
genügend Behälterkapazität für den
Restmüll hat, um möglichst saubere Wertstofffraktionen bereitzustellen. Gleichzeitig
wollen wir, indem wir jedem Haushalt ein
Mindestvolumen zur Verfügung stellen,
auch der sogenannten wilden Entsorgung
vorbeugen.
Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass das Volumen so bemessen ist, dass nicht ständig
und an jedem Abfuhrtag irgendwelche
Tüten, Taschen oder Pappkartons neben
den Abfallbehältern stehen und das Stadtbild beeinträchtigen.
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Die gesamte Umstellungsaktion dauert
vier Jahre. Wir müssen im Umland, bei
400 000 Einwohnern oder - anders gesagt - bei ca. 135 000 Grundstücken,
Restmülltonnen aufstellen. Und wir müssen nicht nur herumfahren und dort Mülltonnen aufstellen, sondern wir müssen
auch unseren Fuhrpark teilweise umrüsten. Die Fahrzeuge brauchen andere
Schüttungen, um Behälter leeren zu können.
Weil wir gleichzeitig auch noch die Sackabfuhr anbieten, haben wir Fahrzeuge, die
beides können, die also zum einen Säcke
und zum anderen auch Restabfallbehälter
aufnehmen können. Das ist technisch gar
nicht so einfach. Man könnte denken, man
könne den Sack einfach dort, wo auch die
Mülltonne eingehängt wird, oben in das
Auto werfen, aber weit gefehlt! Wir müssen dabei die Verordnung zum Heben und
Tragen von Lasten beachten. Das ist eine
EU-Vorschrift, die besagt, dass ein
Restabfallsack nur bis zu einer bestimmten Höhe gehoben werden darf. Das bedeutet, die Schüttung an dem Auto muss
immer dann hydraulisch abgesenkt werden, wenn ein Sack hineingeworfen wird.
Wenn ein Behälter angehängt wird, wird
sie wieder hydraulisch hochgefahren. Das
ist mit relativ viel Aufwand verbunden, den
man nicht einfach innerhalb weniger Monate bewerkstelligen kann.
Deshalb haben wir das Umland in vier
Gebiete aufgeteilt, in denen ab 2014 umgestellt wird. Das erste Gebiet umfasst
den Bereich unserer Betriebsstätte in
Garbsen, wo wir die Stadt Garbsen und
die Stadt Neustadt umgestellt haben. In
diesem Jahr haben wir den gesamten Bereich, der von unserer Betriebsstätte
Burgdorf betreut wird, umgestellt. - Das ist
der blaue Bereich. - Im nächsten Jahr
werden wir den Bereich der Betriebsstätte
Laatzen - das ist der grüne Bereich - umstellen, und im Jahr 2017 werden wir dann
als letzten Bereich alles das, was von unserer Betriebsstätte Kolenfeld versorgt
wird, auf die Behälterabfuhr umstellen.
Diese Systemumstellung dauert, wie gesagt, vier Jahre, um die Logistik, wie ich
gerade erklärt habe, zu ändern und die
Betriebsstätten auf diesen Einsatz vorzubereiten.
Anhand eines Bildes zeige ich Ihnen kurz,
was wir jetzt alles als Restabfalltonne zur
Verfügung stellen können.
Daneben gibt es, wie gesagt, weiterhin
den Sack. Das Sacksystem ist sehr aufwendig, weil wir es so gestalten müssen
wie ein Behältersystem. Das heißt, die
Säcke können nicht mehr frei im Handel
erworben werden, sondern alle Haushalte,
nicht nur jene, die eine Abfalltonne haben
wollen, sondern auch diejenigen, die die
Sackabfuhr nutzen, müssen sich für eine
Behältergröße entscheiden. Entsprechend
dieser Behältergröße bekommt der jeweilige Haushalt dann seine Säcke. Das geschieht in der Form, dass wir Gutscheine
versenden, die dann im Laufe des Jahres
gegen Rollen mit Restabfallsäcken eingetauscht werden können.
Die beiden Maße, die wir dort haben, der
20-Liter- und der 32,5-Liter-Sack, sind
jeweils auf einer Rolle, die insgesamt 520
Liter Volumen ergibt. 520 Liter sind das
Mindestvolumen für eine Person.
Entsprechend dieser Ausgangslage kann
man je nach persönlichem Wunsch variieren. Der persönliche Wunsch wurde von
uns bei jedem Haushalt, bei jedem Grundstück abgefragt, das an die Sackabfuhr
angeschlossen war. Wir haben dazu Fragebögen mit Erläuterungen, in denen wir
die Einzelheiten dargestellt haben, zugestellt. Jeder Grundstückseigentümer konnte für sein Grundstück das Gewünschte
bestellen.
Dieses System ist sehr umständlich. Wie
ich vorhin ausgeführt habe, hatte das
Verwaltungsgericht in seiner ursprünglichen Entscheidung 2012 gesagt, man
könnte auch zwei Einrichtungen vorhalten.
Auch das war eine Idee, die wir sehr eingehend diskutiert haben. Man hätte auch
zwei Einrichtungen vorsehen können,
nämlich eine für die Behälterabfuhr - dann
wäre die Behälterabfuhr ungefähr so geblieben, wie sie war - und eine andere für
die Sackabfuhr. Auch die Sackabfuhr hätten wir dann theoretisch so lassen können;
sogar mit der Möglichkeit, die Säcke im
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Einzelhandel zu erwerben. Das Problem
dabei wäre aber gewesen, dass wir bezüglich der Grundgebühr nicht an der 30Prozent-Hürde vorbeigekommen wären;
vielleicht hätten wir auch die 50-ProzentHürde nicht einhalten können. Bei einer
Grundgebühr, die 30 % ausmacht, hätte
aber der Preis für einen Restabfallsack
dann - wir haben das ausgerechnet - um
die vier Euro betragen. Viele sagen: Vier
Euro sind kein Geld. Auch das bezahle
ich; kein Thema; ich würde das kaufen. Aber dann würden drei Säcke so viel kosten, wie früher zwölf Säcke gekostet haben.
Das große Problem bei dieser separaten
Einrichtung besteht darin, dass wir, wenn
wider Erwarten doch nicht so viele Säcke
zu diesem Preis verkauft würden, nach
einem Jahr eine Gebührenunterdeckung
hätten. Diese Gebührenunterdeckung
müssten wir dann durch eine Gebührenerhebung ausgleichen, da wir leider woanders kein Geld herbekommen.
Eine solche Gebührenerhöhung würde
dazu führen, dass der Sack wieder teurer
wird. Wenn der Sack noch teurer wird,
wird er wahrscheinlich noch weniger gekauft.
Von daher hat die große Befürchtung bestanden, dass wir bei getrennten Einrichtungen relativ schnell die eine der getrennten Einrichtungen, die man ansonsten organisatorisch und buchhalterisch ohne
Probleme hätte einrichten können, in die
Insolvenz treiben. Da der Verband nicht
insolvenzfähig ist, wäre auch die gesonderte Einrichtung nicht insolvenzfähig. Das
heißt, wir müssten beim Steuerzahler vorstellig werden. Das wollte niemand.
Deshalb hat man sich für dieses vielleicht
etwas umständlichere System - das kann
man ruhig so sagen - der einheitlichen
Einrichtung mit dieser komplizierten Zurverfügungstellung der Restabfallsäcke
entschieden.
Wir bereiten uns jetzt gerade auf die Ausgabe der Säcke für 2016, vor. Jetzt, nach
zwei Jahren, kann man durchaus sagen,
dass das in die Routine hineinläuft.
Anhand einer grafischen Darstellung werde ich Ihnen nun noch einmal verdeutlichen, wie unsere Gebühr angelegt ist.
Im Mittel beträgt die Gebühr rund
115 Euro pro Jahr und Einwohner. Von
diesen 115 Euro entfallen ca. 35 Euro auf
die Abfall- und Wertstoffsammlung. Ein
sehr großer Teil von 26 % oder 30 Euro
entfällt auf die Leistungen, die wir ohne
eine gesonderte Gebührenerhebung zur
Verfügung stellen. Der Anteil für die Abfallbehandlung beläuft sich auf 48 Euro.
Wir sind auch für die Nachsorge der Deponien zuständig, die von uns aktuell betrieben werden und in der Vergangenheit
betrieben wurden. Dafür ist ein Betrag von
1,15 Euro in der Gebühr enthalten.
Nun zu den positiven Veränderungen für
die Bürger. Seit 2014 gibt es ein einheitliches Gebührensystem. Wir haben den
Hol- und Bringservice, den wir in der Stadt
schon früher hatten, jetzt in der gesamten
Region. Die Tonnen sollen künftig überall
von dem jeweiligen Aufstellort abgeholt
und auch wieder zurückgebracht werden.
Das kommt in der Region jetzt allmählich
ins Laufen. Diesbezüglich besteht noch
ein völliger Unterschied zwischen der
Landeshauptstadt und dem Umland. In der
Landeshauptstadt ist ganz klar: Die Müllabfuhr kommt, macht das Tor zum Vorgarten oder zum Garten auf, holt den Abfallbehälter heraus und stellt ihn auch wieder
zurück. Wenn man im Umland das Tor zu
einem Vorgarten aufmacht, steht schon
jemand mit einer Schrotflinte hinter dem
Busch.
(Heiterkeit)
Da muss man sehr vorsichtig sein. Insoweit bestehen ganz große Unterschiede.
Ich denke, es wird noch eine ganze Zeit
dauern, bis dieser Service einheitlich genutzt wird.
Wir haben dort, wo es im Umland gewünscht wird, die Sackabfuhr beibehalten.
Weil es die Sackabfuhr schon seit 1975 im
Umland gibt, gibt es viele Fälle, in denen
man sich beim Neubau darauf eingestellt
hat. Dort gibt es Probleme, Behälter aufzustellen. Gerade in diesen Fällen ist es,
finde ich, sehr hilfreich, wenn wir dort wei-
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terhin den Sack zur Verfügung stellen
können.
Auf der anderen Seite gibt es seit ewigen
Zeiten Probleme mit den Restabfallsäcken, wenn diese, wenn sie bereitgestellt
werden, etwas enthalten, was einen unwiderstehlichen Anreiz auf Tiere - vom Igel
bis zur Krähe - ausübt. Die Säcke werden
dann von Tieren aufgerissen, und wenn
der Inhalt auf der Straße liegt, ist das kein
schöner Anblick. So etwas kann natürlich
mit einer Tonne nicht passieren.
Auch für die Bioabfallgebühren haben wir
jetzt einen einheitlichen und günstigen
Satz gefunden, sodass wir auch in diesem
Bereich anwachsende Mengen zu verzeichnen haben, die wir in unserem Abfuhrgeschäft einsammeln.
„Nachhaltig durch getrennte Sammlung“.
Auf dem Schaubild sehen Sie die Materialien, deren getrennte Entsorgung wir anbieten. Das hat noch für dieses Jahr im
Umland Gültigkeit. Wie Sie sicherlich in
der Zeitung gelesen haben, wird vom
kommenden Jahr an der Verpackungsabfall nicht mehr durch uns, sondern durch
eine andere Firma im Umland eingesammelt.
Wir haben - das war uns sehr wichtig Bewährtes beibehalten.
Sperrmüll etwa ist ein großes Thema,
auch für alle Hauptverwaltungsbeamten im
Umland. Sie sagen: Es ist ganz wichtig,
dass der Sperrmüll weiterhin ohne gesonderte Gebührenerhebung abgeholt wird.
Wir haben das Angebot der Wertstoffhöfe.
Die Zahl der Besucher hat sich hier innerhalb der letzten drei bis vier Jahre von
2 Millionen auf jetzt etwa 4,3 Millionen
erhöht.
Gleichzeitig haben wir immer noch unsere
54 landwirtschaftlichen Grüngutannahmestellen. In unserem Auftrag nehmen dort
Landwirte Grünabfälle an. Dort sammeln
wir eine Menge von ungefähr 64 000 t im
Jahr ein.
Außerdem haben wir auch noch unser
Umweltmobil am Start, das Sonderabfälle
einsammelt, wobei dieses Umweltmobil zu
einem ganz großen Teil durch unsere
Wertstoffhöfe - davon gibt es mittlerweile
immerhin 21 im gesamten Regionsgebiet verdrängt wird, weil wir über die Wertstoffhöfe eine Annahmemöglichkeit für Problemabfälle bieten, von der sehr rege Gebrauch gemacht wird.
Damit bin ich jetzt am Ende meiner Vorstellung des Gebührensystems angelangt.
Sie ist nun doch etwas länger geworden.
Conrad von Meding:
Der Moderator steht hier schon drängelnd.
- Nein, Herr Reuter, Sie haben das sehr
gut gemacht. Einen Applaus bitte für den
Chef der Abfallwirtschaft!
(Beifall)
Sie merken anhand der Nuancen, dass er
gar nicht so sehr unzufrieden damit ist, wie
das im Moment mit dem Kompromiss, der
gefunden worden ist, läuft.
Wir hören uns gleich einmal an, was die
anderen dazu sagen. Der eine oder andere von Ihnen wird sich vielleicht gefragt
haben, ob Herr Reuter nicht auf das eine
oder andere Detail hätte verzichten können. Nein, das konnte er nicht. Das war
schon die stark reduzierte Version.
Alle acht Experten, die Sie gleich hören
werden, haben von der Regionsverwaltung eine CD bekommen, die - hier vorne
wird schon leidvoll genickt - die Langversion des Vortrages, die Originalfassung der
Urteile, die es gegeben hat, und die Satzungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, enthält. Dagegen war der Vortrag von Herrn Reuter die stark gestraffte
Kurzfassung. - Ganz herzlichen Dank,
Herr Reuter.
Was passiert jetzt? - Wir werden jetzt acht
Experten in einer festgelegten Reihenfolge
hören.
Die fünf in der Regionsversammlung, also
in dem gewählten Parlament, vertretenen
Fraktionen - der Stärke nach die SPD, die
CDU, die Grünen, die FDP und die LINKE -, durften jeweils einen Experten oder
eine Expertin benennen. Die Hauptverwal-
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tungsbeamten - eben fiel schon der Begriff; wir normalen Menschen sagen dazu
„Bürgermeister“ - durften ebenfalls jemanden bestimmen, der hier vorn vortragen
kann. aha hat selber noch jemanden bestimmt, und auch die Regionsverwaltung
hat jemanden bestimmt, der hier vorne
vortragen kann. Insgesamt kommen wir
damit auf acht Expertinnen und Experten.
Was die Reihenfolge angeht, gibt es eine
ganz kleine Änderung, da der Vertreter,
der von der LINKEN benannt worden ist,
noch einen Termin hat und ein bisschen
später kommt. Deswegen haben wir seinen Vortrag hinter dem von Herrn David,
der von den Hauptverwaltungsbeamten
benannt worden ist, einsortiert. Das ist
eine ganz kleine Abweichung, die aber
abgestimmt ist.
Meine Damen und Herren! Mit der CD war
in der Tat die Versorgung mit Lesestoff für
den Urlaub gesichert. Sie ist allerdings
nicht schuld an meiner Erkältung. Ich hoffe, Sie können mir dennoch folgen.
Ich denke - Herr Reuter hat es bereits angesprochen -, Ausgangspunkt der Diskussion sollten in der Tat die Entscheidungen
des OVG aus den Jahren 2012 und 2014
sein. Damit haben wir eine sehr gute und
solide Basis für die Diskussion.
Ich werde Ihnen jeweils kurz sagen, wer
vortragen wird.
Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass das Gericht sehr pingelig war, sehr ins Detail gegangen ist und
sich dabei sehr viel Mühe gegeben hat.
Aber man kann das auch als Ressource
nutzen und sagen: Wenn man sich in diesem Rahmen bewegt, bewegt man sich in
der Tat auf gesichertem rechtlichen
Grund. - Das sollte man als Chance nutzen.
Als Erster, benannt von der SPD, trägt
Herr Dr. Holger Thärichen vor. Er kommt
vom Verband kommunaler Unternehmen
in Berlin, der hier im Haus immer mit
„VKU“ abgekürzt wird.
Herr Reuter hat diese Entscheidungen im
Einzelnen dargestellt. Insofern kann ich es
mir sparen, in die Tiefe zu gehen. Die eine
oder andere Anmerkung will ich aber
gleichwohl machen.
Ich schildere Ihnen nicht die gesamte Vita.
Er ist Jurist - wir haben heute Abend hier
Juristen, Techniker und Leute aus der
Praxis -, hat in Berlin Rechtswissenschaften studiert, beide juristische Staatsprüfungen abgelegt und dort auch promoviert.
Er war u. a. drei Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter im Umweltbundesamt und
bringt von daher Erfahrung mit. Er war
auch Rechtsanwalt, war dann Jurist bei
den Berliner Stadtreinigungsbetrieben,
und schließlich saß er als Mitglied im Abgeordnetenhaus in Berlin. Jetzt ist er aber
für den Verband kommunaler Unternehmen hier.
Wichtig ist, so denke ich, dass durch das
OVG die Klarstellung erfolgt ist, dass die
Sackabfuhr einerseits und die Behälterabfuhr andererseits keine unterschiedlichen
Leistungen im Rechtssinne sind und damit
auch nicht Anknüpfungspunkt für eine weitergehende Differenzierung sein können,
wie sie in der Vergangenheit bei den Gebühren vorgenommen worden ist.
Schön, dass Sie da sind! Ring frei! Sie
haben 10 Minuten. Wenn Sie diese Zeit
unterbieten, bekommen Sie einen größeren Applaus.
Dr. Holger Thärichen,
Verband kommunaler
e.V., Berlin:
Unternehmen
Ich werde es versuchen. - Vielen Dank.
Das OVG spricht in diesem Zusammenhang von einer technischen Modifikation
der Abfuhrleistungen. Darum geht es. Die
Abfuhrleistung wird in unterschiedlichen
technischen Ausführungen erbracht. Dies
sind aber keine unterschiedlichen Leistungen im rechtlichen Sinne. Das ist ein ganz
wichtiger Punkt, den man sich für die weitere Diskussion vergegenwärtigen sollte.
Andere Punkte - wie die Grundgebühr kalkuliert wird, was in die Grundgebühr eingestellt werden darf; natürlich keine variablen Kosten - sind vom OVG deutlich
gemacht worden; auch die unterschiedlichen Prozentsätze, die zu beachten sind.
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Auch interessant ist - darauf werde ich am
Ende meines kurzen Beitrages noch einmal zurückkommen -, wann hinsichtlich
der Grundgebühr für Gewerbebetriebe
differenziert werden muss. Wenn man
unter 30 % bleibt, muss man das nicht
machen, könnte das aber gegebenenfalls
tun. Hier befindet man sich auf rechtlich
relativ abgestecktem und gesichertem
Terrain.
Die Entscheidung aus dem Jahr 2014 hat
sich im Wesentlichen mit der Frage beschäftigt, inwieweit hinsichtlich der Grundgebühr nach Grundstücken und Wohnungen differenziert werden kann. Dies ist
vom OVG mit der insoweit hinzunehmenden und vielleicht auch nachvollziehbaren
Erwägung abgelehnt worden, dass die
Vorhalteleistung nur einheitlich erbracht
werden könne. Sie könne nicht in unterschiedlicher Ausprägung zum einen gegenüber dem Grundstückseigentümer und
dann zum anderen gegenüber dem Wohnungsnutzer erbracht werden. Das müsse
einheitlich betrachtet werden. Würde hier
differenziert, wäre das unzulässig und
auch mit einem Realitätsverlust im Vergleich zum reinen Wohnungsmaßstab
verbunden. Im Übrigen wäre das auch ein
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz,
weil dann unterschiedliche Grundgebührensätze entstünden, je nachdem, ob man
in einem Einfamilienhaus oder in einem
Mehrfamilienhaus wohnt. Man käme dann
zu einem degressiven Verlauf der Grundgebühr. Das ist vom OVG nicht akzeptiert
worden.
Das ist, wie wir gesehen haben, in der
aktuellen Gebührensatzung durch das
Umschwenken auf die reine Grundgebühr,
anknüpfend an die Wohnung, bereinigt
worden.
Wichtig ist auch die Erkenntnis zum Mindestbehältervolumen: dass 10 Liter pro
Einwohner und Woche als zulässiges
Mindestbehältervolumen durch die Satzung vorgegeben worden sind.
Mindestvolumen und Anreizgebot - das
Problem ist, dass sich das Mindestvolumen mit dem Anreizgebot, dem Gebot,
Anreize zur Getrennthaltung und zum Recycling zu machen, beißen kann. Das ist
aber dann nicht der Fall, wenn der durchschnittliche Abfallerzeuger einen Anreiz
erhält, weniger Müll zu produzieren. Das
hat das OVG auf mehreren Seiten ausführlich begründet. Das Durchschnittsaufkommen beträgt 15 bis 22 Liter. Derjenige,
der sich im Vergleich zum Durchschnitt
anstrengt und weniger Müll produziert,
kann auf das Mindestvolumen gehen und
erhält dadurch auch einen Vorteil. Das
reicht aus, um dem gebührenrechtlichen
Anreizgebot Rechnung zu tragen.
Man muss aber nicht demjenigen, der ohnehin schon sehr gut trennt, sehr gut verwertet und wenig Müll produziert, zusätzlich die Möglichkeit einräumen, auf das
geringstmögliche Volumen zu gehen, was
regelmäßig mit fünf bis sieben Liter angesetzt wird. Das ist nicht zu verlangen. Es
reicht aus, dem Durchschnittsnutzer einen
Anreiz zu geben. Das ist mit dem Mindestvolumen von 10 Litern allemal erfüllt.
Das Problem taucht häufig auf; deswegen
finden wir es auch häufig in der Rechtsprechung. Das VG Köln hat vor Kurzem
gesagt, selbst 20 Liter pro Person und
Woche seien okay. Ich komme aus Berlin.
Dort sind wir bei 30 Liter pro Person und
Woche. Mit 10 Litern sind Sie also sehr
moderat unterwegs. Insofern würde ich
auch nicht empfehlen, daran etwas zu
ändern.
Ähnliches gilt - ich kann es kurz machen für die Gewerbebetriebe, bei denen wir
Einwohnergleichwerte festlegen können.
Das wurde vom Bundesverwaltungsgericht
schon 2007 bestätigt. Auf diese Entscheidung rekurriert auch das OVG an verschiedenen Stellen. Für die Volumenbemessung können also Einwohnergleichwerte festgelegt werden. Das ist in der
Satzung von aha entsprechend geschehen.
Wichtig ist, dass das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung einige
Grundsätze zur Gebührenkalkulation festgelegt hat. Wenn Sie Einwohnergleichwerte für die gewerbliche Nutzung festlegen,
haben Sie einen weiten Spielraum. Sie
können Wirklichkeitsmaßstäbe nutzen. Sie
können Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe nutzen. Sie können haushaltsbezogen, per-
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sonenbezogen oder grundstücksbezogen
Gebührenmaßstäbe aufstellen. Insoweit
hat der jeweilige Satzungsgeber ein weites
Ermessen.
Einer Differenzierung, die der eine oder
andere gern zu seinen Gunsten hätte, sind
notwendigerweise Grenzen gesetzt. Sie
müssen typisieren. Deswegen sprechen
wir im Gebührenrecht auch nicht von Einzelgerechtigkeit, sondern wir sprechen von
Typengerechtigkeit. Sie können nicht für
jeden Einzelfall die absolut beste und gerechteste Lösung finden. Das verlangt das
Gebührenrecht auch nicht.
Deswegen ist das Modell der Einwohnergleichwerte, wie Sie es in Ihrer Satzung
festgelegt haben, vom Bundesverwaltungsgericht gebilligt worden.
Eine der zentralen Aussagen des Gerichts
lautet, dass Sie nicht den exakten Bedarf
im Einzelfall festlegen müssen. Wichtig ist
übrigens auch, dass Sie Reserven für erhöhten Mengenanfall brauchen. Sie haben
ja nicht das ganze Jahr über einen linearen Abfallanfall. Sie haben im Sommer
weniger und im Winter, nach Weihnachten
und Silvester, mehr Abfall. Das Volumen
muss immer reichen, damit es den Abfall
aufnehmen kann.
Was würde ich Ihnen zu Ihrem Modell
empfehlen oder raten? Ich denke, die beiden Entscheidungen sind eine sehr gute
und solide Grundlage. Sie haben mit Ihrem jetzigen Modell, mit den jetzigen Satzungen, eine rechtssichere Basis. Das ist,
wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, zunächst einmal keine Selbstverständlichkeit. Insofern würde ich sagen,
jetzt ist eine Phase der Konsolidierung und
nicht revolutionärer Umwälzungen angesagt. Wenn man sich mühsam über die
vergangenen Jahre eine rechtssichere
Satzung und eine rechtssichere Gebührenveranlagung erarbeitet hat, würde ich
das nicht leichtfertig aufs Spiel setzen,
sondern schauen, wo man bei einzelnen
Elementen vielleicht behutsam nachsteuern und Veränderungen bzw. Optimierungen vornehmen kann. An den grundlegenden Entscheidungen, die diesen Satzungen zugrunde liegen, würde ich nichts ändern.
Wo könnte man noch etwas tun? Sicherlich nicht beim Mindestvolumen. Das sollten Sie so lassen. Insoweit sind Sie auf
der sicheren Seite und befinden sich auch
eher am unteren Ende der Fahnenstange.
Schon gar nicht können Sie nach Behälter
oder Sack differenzieren. Das muss einheitlich festgelegt werden. Insofern können Sie, wie Herr Reuter zu Recht ausgeführt hat, nicht anders agieren. Sie müssen auch bei der Sackentsorgung durchsetzen und sicherstellen, dass das Mindestvolumen genutzt wird. Daran führt
kein Weg vorbei. Sie können bei der Veranlagung nicht zwischen Behälter und
Sack unterscheiden. Das geht nicht.
Das OVG sagt dazu: Das ist eine technische Modifizierung der Abfuhrleistung,
aber kein rechtlich zulässiger Anknüpfungspunkt für unterschiedliche Leistungen im Rechtssinne. Das muss man sich
immer wieder vor Augen führen.
Die Abfallsäcke sind bei Ihnen - ich weiß
das - ein wesentlicher Streit- und Diskussionsgegenstand. Wenn man sich die Satzung hierzu anschaut, merkt man: Da wird
es ein bisschen unrund, ein bisschen inkonsistent. Einerseits wird von einer Übergangsregelung andererseits von einer
Ausnahmeregelung gesprochen.
Herr Reuter hat ganz anschaulich deutlich
gemacht, wie aufwendig das System ist.
Sie brauchen eigene Fahrzeuge, Sie haben einen sehr starken bürokratischen
Aufwand, um das Ganze zu bewältigen.
Insofern ist - von außen betrachtet - meine
Empfehlung, darüber nachzudenken, ob
man den § 10 a im Sinne einer Übergangsregelung ernst meint, auch sagt,
dass dies eine Übergangsregelung ist, und
z. B. Auslauffristen nennt und bestimmt,
wann der Übergang vom Sack- auf das
Behältersystem definitiv abgeschlossen
ist. Das fände ich sinnvoll.
Wenn man sich die Situation bundesweit
betrachtet, stellt man fest, dass es sich bei
dem Sacksystem wirklich um ein singuläres System, um einen absoluten Ausnahmefall, handelt. Viele Argumente sprechen
dagegen. Es ist sehr aufwendig; sowohl in
bürokratischer als auch in logistischer Hin-
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sicht. Auch die Mitarbeiterbelastung muss
man sehen. An das System haben sich
sicherlich viele gewöhnt; man sollte
gleichwohl darüber nachdenken, ob man
nicht irgendwann einmal konsequent einen
Schnitt macht.
Es wird gern über Verwiegesysteme,
kombiniert mit Ident-Systemen - das ist ja
die Voraussetzung -, diskutiert. Natürlich
klingt das erst einmal verlockend. Man hat
vermeintlich mehr Gerechtigkeit und kann
die Müllgebühr vielleicht auf das Gramm
genau berechnen. Aber da geht es schon
los. Wo kann man das machen, wem gegenüber kann man das machen? Das
kann man im Falle eines Einfamilienhauses machen, aber nicht im Geschosswohnungsbau. Da kommt das System an seine Grenzen.
Das ist zulässig, weil Sie bei der Umlage
den Anteil von 30 % nicht überschreiten,
aber nicht unbedingt etwas, was die Einzelfallgerechtigkeit oder zumindest eine
grobe Typengerechtigkeit fördert. Hier
könnte man auf einen anderen Maßstab
umschwenken. Es ist zulässig, nach Anzahl der Beschäftigten oder aber auch
nach Grundfläche zu differenzieren, um
eine stärkere Leistungsgerechtigkeit für
die Vorhalteleistungen herzustellen. Das
ist auch schon durchgeklagt. Das ist möglich - andere Kommunen machen das -,
und es hätte auch Entlastungspotenzial für
die Haushalte, würden Sie einen solchen
Weg gehen. Es geht ja immer um die Verteilung der Kosten. - Das kann man machen, man muss es nicht. Das sei Ihnen
insoweit noch mit auf den Weg gegeben.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Im Übrigen muss ich immer eines abwägen - insoweit bitte ich Sie um eine sorgfältige Diskussion -: Wir müssen immer
auch dafür sorgen, dass die Wertstoffe
sauber bleiben, dass die Wertstoffe getrennt erfasst werden und dass es keine
Fehllenkung von Restabfällen in die Wertstoffe gibt.
Ich rede viel mit der Papierindustrie. Wir
diskutieren viel mit den Kompostwerken.
Wir diskutieren auch viel mit der Kunststoffindustrie. Es wird immer wichtiger,
wirklich gute, hoch qualitative Wertstoffe
zur Verfügung zu stellen. Jeder Anreiz, der
dazu führt, dass Restabfälle in die Wertstoffe oder Bioabfälle in den gelben Sack zukünftig Wertstofftonne - umgelenkt werden, schadet. Diesen Aspekt müssen Sie
immer mit berücksichtigen. Insofern habe
ich eine gewisse Skepsis, was das Verwiegesystem angeht.
Ein letzter Punkt, über den man nachdenken kann, aber nicht nachdenken muss rechtlich ist das okay was Sie haben; aber
man könnte darüber nachdenken -, ist, bei
der Grundgebühr für die Gewerbebetriebe
etwas genauer zu differenzieren. Sie sagen jetzt: Eine Nutzungseinheit, eine
Grundgebühr. - Das gilt für den Kiosk genauso wie für den großen Industriebetrieb
mit 1 000 Mitarbeitern.
(Beifall)
Conrad von Meding
Herzlichen Dank, Herr Dr. Thärichen. Das
haben Sie sehr lebensnah und sehr gut
verständlich erklärt. Bei Juristen haben wir
alle immer ein bisschen Sorge. Aber dem
war gut zu folgen. Im Grundsatz sind Sie
ganz zufrieden. Wenn ein Jurist sagt, dass
das endlich rechtssicher ist, ist damit
schon viel gewonnen. Technisch haben
Sie einige Anmerkungen gemacht, was
man vielleicht verbessern könnte. Zu Verwiegesystemen und ähnlichen Dingen
kommen wir noch in anderem Zusammenhang.
Ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie sich
weitgehend an den vorgegebenen Zeitrahmen gehalten haben.
Zum Podium begibt sich nun Frau Carola
Stümpfel.
Frau Stümpfel ist von der CDU benannt
worden. Sie kommt aus Hannover und ist
Geschäftsführerin der Haus- und Grundstücksbetreuungsgesellschaft mbH in
Hannover.
Ich habe als Begrüßung zu ihr gesagt: Ach
so, Sie kommen von Haus & Grund. - Darauf hat sie mich gleich böse angeschaut
und gesagt: Nein, natürlich komme ich
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nicht von Haus & Grund, sondern von der
Haus- und Grundstücksbetreuungsgesellschaft. - Das ist das Unternehmen, in dem
sie Geschäftsführerin ist und das u. a.
WEG-Abrechnungen, Hausverwaltungen
und ähnliche Sachen macht.
Insofern ist sie eine Frau aus der Praxis,
die uns aus der Sicht der Haus- und
Grundeigentümer und als Expertin, die
von der CDU benannt worden ist, erzählen
wird, was sie von dem System hält und
was sie vorschlägt.
Viel Spaß!
Carola Stümpfel,
Haus- und Grundstücksbeteuungsgesellschaft mbH, Hannover
Schönen guten Tag! Ich bin aus der Praxis
und bin es auch nicht gewohnt, vor einem
solch großen Gremium einen langen Vortrag zu halten. Gewohnt bin ich meine
abendlichen Eigentümerversammlungen.
Aus diesen Eigentümerversammlungen
sind mir natürlich die Vorstellungen und
die Ansichten der einzelnen Eigentümer
und Bürger bestens bekannt.
Sie müssen sich das vorstellen - die Hannoveraner wissen das sicherlich -: Auf den
Eigentümerversammlungen im Jahr 2014
und jetzt im Jahr 2015 hatten wir jedes
Mal mindestens eine Viertelstunde bis
eine halbe Stunde zu tun, um uns mit den
Änderungen bei der Müllentsorgung und
mit den Änderungen bezüglich der Kosten
zu beschäftigen. Wir verwalten kleine Eigentümergemeinschaften, bei denen es
um die Sackabfuhr geht, und wir haben
auch große Eigentümergemeinschaften,
die die Containerabfuhr haben.
Durch die Bank haben die Bürger kein
Verständnis, zumal auch die Medien nicht
so gut verbreitet haben, was Hintergrund
und Sinn der Umstellungen ist, die dort
passiert sind. Die große Kritik an den Satzungen hat, soweit ich mich erinnern kann,
zu 8 000 Gerichtsverfahren hier in Hannover geführt und ist wohl auch die Ursache
für diese Veranstaltung und für den Weg,
der jetzt gewählt worden ist.
Ich habe mir Gedanken dazu gemacht,
was in der Praxis in Zukunft vielleicht besser sein kann. Wir haben schon viel dazu
gehört, wie sich die Situation zurzeit darstellt. Sicherlich ist man auf einem guten
Weg. Wir haben von Herrn Reuter einige
Dinge gehört, die ich voll unterstützen
kann. Aber es gibt auch Punkte, in denen
ich überhaupt nicht seiner Ansicht bin.
Daher möchte ich jetzt einmal meine Meinung zu der noch zu erarbeitenden bzw.
vorläufigen Gebührensatzung sagen.
Die Auswertungen der Kostenaufstellungen, die mir bekannt geworden sind, zeigen, dass das alte System in der Landeshauptstadt mindestens doppelt so teuer
war wie das System im Umland. Das ist
etwas, was der Laie überhaupt nicht versteht.
Ich habe gelernt, dass das viel mit dem
Trennen in den ländlichen Bereichen zusammenhängt, also damit, dass die Bürger im ländlichen Bereich mit dem altvertrauten Sacksystem besser trennen, als
dies im Stadtgebiet geschieht. Das soll
aber auch damit zusammenhängen, dass
das von Ihnen angesprochene Holsystem
erheblich teurer ist als das Sackystem, bei
dem die Säcke an die Straße gestellt werden müssen. Das gibt mir doch zu denken.
Wie soll der Bürger, wenn jetzt alles zusammen veranlagt und eine einheitliche
Gebühr erhoben werden muss, verstehen,
dass derjenige, der viel weniger Müll produziert, andere mitfinanzieren soll?
Meiner Ansicht nach müsste eine getrennte Kalkulation der Gebühren für die Landeshauptstadt und für das Umland erfolgen. Außerdem müsste eine entsprechende Information an die Bürger erfolgen,
damit sie anhand grober Kalkulationen,
wie sie sonst jeder machen muss, feststellen können, dass die Gebühren wirklich
den Kosten geschuldet sind.
Zur Grundgebühr haben wir bereits etwas
gehört. Ich meine, dass die Grundgebühr
50 % der Gesamtkosten betragen und
einen Wohnungsbezug haben sollte. Denn
im Landkreis ist der Anteil in der Vergangenheit noch viel höher gewesen, was
dazu geführt hat, dass die Müllmenge dort
erheblich kleiner ist.
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Sie werden sicherlich verstehen, dass ich
als Praktikerin auf keinen Fall eine personenbezogene Abrechnung für richtig halte.
Ich habe das Theater miterleben dürfen,
als aha die Umstellung von den Abrechnungen in den Landkreisgemeinden zu
dem zentralen Abrechnungssystem bewältigen musste. Das hat den Praktikern sehr
viel Arbeit gemacht. Wenn ich mir vorstelle, aha sollte in Zukunft die Zahl der Personen ermitteln, die in einem von mir verwalteten Haus oder in einer Liegenschaft
mit 80 Wohnungen leben, dann raufe ich
mir jetzt schon die Haare.
Deshalb spreche ich mich für einen Wohnungsbezug aus. Der Wohnungsbezug ist
meiner Meinung nach wirklich gerechtfertigt. Die Zahl der Wohnungen ist auch am
sichersten zu erfassen.
Ich komme nun zu dem, was schon in der
alten Gebührenordnung berücksichtigt
wurde, dass nämlich keine Sondergebühren an den Wertstoffhöfen für Wertstoffe
und für die Annahme von Grüngut erhoben werden sollten. Die Bürger bringen die
Wertstoffe oder das Grüngut selbst zu den
Annahmestellen, müssen also selbst einen
erheblichen Aufwand betreiben, um die
Dinge dort abzugeben. Deshalb ist meiner
Meinung nach hierfür keine Sondergebühr
zu erheben.
Das Gleiche gilt für die Abfuhr des Sperrmülls, der allerdings von den Müllmännern
abgeholt werden muss. Das sollte aber
nicht unendlich sein. Ich kenne Fälle, in
denen Blumentöpfe einzelnen vor die Tür
gestellt wurden, bei aha angerufen wurde
und die Blumentöpfe dann von aha abgeholt werden mussten. Hier wäre eine Begrenzung pro Haushalt sinnvoll: Einmal
oder meinetwegen auch zweimal pro Jahr
kann man die Sperrmüllabfuhr bestellen,
aber auf keinen Fall unendlich häufig.
Ein kleines Nebenthema ist für mich die
Asbestentsorgung. Auch hier sollte eine
Begrenzung erfolgen. Es sollte erfasst
werden, ob es sich um Privathaushalte
handelt. Für die kostenlose Entsorgung
wäre eine Begrenzung auf 10 kg angemessen.
Kommen wir zum nächsten Thema, zur
Abfallsatzung. Wir haben von den Herren
gehört, dass die Säcke abgeschafft werden sollten. Ich bin eine Verfechterin der
Sackabfuhr. Seit vielen Jahren lebe ich im
ehemaligen Landkreis und kenne seit 40
Jahren die Entsorgung per Sack. Ich weiß,
dass das gut funktioniert hat.
(Beifall)
Die Praxis hat gezeigt, dass sie sogar kostengünstiger ist.
Die eingesetzten Fahrzeuge können, wie
wir gehört haben, sowohl Container als
auch Säcke entsorgen. Es gibt also eigentlich keinen Mehraufwand. Den Vorträgen meiner Vorredner habe ich entnommen, dass die Abholung der neuen Müllcontainer von den Grundstücken teuer ist
und viel Aufwand verursacht, während der
Sack an der Straße steht und nur in den
Müllwagen geworfen werden muss. Deswegen kann ich nicht sehen, welcher
Mehraufwand dort entsteht.
Die Sackabfuhr fördert in meinen Augen
die Mülltrennung. Allerdings müsste man
wirklich noch einmal über die Mindestmenge nachdenken.
Die Sackabfuhr ist erheblich kostengünstiger - das habe ich schon vorgetragen -,
weil die Bürger ihre Müllmengen so entsorgen können, wie sie es brauchen. Es
wurde vorhin schon gesagt, dass es auf
der einen Seite Spitzenzeiten gibt, auf der
anderen Seite aber auch Zeiten - etwa
wenn ich im Urlaub bin -, in denen bei mir
überhaupt kein Müll anfällt. Bei der Sackabfuhr kann das wunderbar berücksichtigt
werden.
Die Sackabfuhr ist viel flexibler. Bei Abwesenheit - etwa im Fall von Krankheit oder
Urlaub - werden keine Säcke befüllt. Bei
größerem Müllaufkommen, z. B. wegen
Feierlichkeiten, werden einfach weitere
Säcke verwendet. Dies ist bei einer Tonne
überhaupt nicht möglich. Die Tonne ist im
Zweifelsfall leer, oder sie ist so voll, dass
man - etwa zu Weihnachten - nichts mehr
hineinbekommt. Ich kann Ihnen Bilder zeigen, die Sie lieber nicht sehen möchten.
Eigentümergemeinschaften sind in der
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Frage, wohin überall Müll man stellen
kann, sehr kreativ.
Außerdem sind die Tonnen oftmals auch
sehr schmutzig. Eine Reinigung durch aha
kann man zwar kostenpflichtig beauftragen, das ist für aha aber sicherlich sehr
aufwendig. Der Sack wird gekauft. Er ist
neu, sauber und stinkt auch nicht.
Für viele Privatpersonen wird es schwer
werden, die Tonnen aufzustellen. Gerade
kleine Grundstücke, wie Grundstücke von
Reihenhäusern oder von kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften, haben
einfach nicht genug Fläche. Hier ist der
Sack meiner Meinung nach weiterhin die
optimale und praktizierbare Lösung.
Dadurch, dass die Sackgrößen verringert
wurden, sind die Säcke leicht zu tragen.
Ich muss mir nur einmal die tollen Müllmänner ansehen, die zum Bodybuilding
gehen. Sie werden, genauso wie eine
Oma den Sack an die Straße trägt, den
Sack sicherlich in den Wagen mit der abgesenkten Schüttung werfen können.
Das Sacksystem - das habe ich schon
gesagt - hat sich im Umland bewährt. 40
Jahre haben wir den Sack dort im Einsatz
gehabt. Die Sackabfuhr wurde eingeführt,
weil wir die Mülltrennung lernen mussten.
Nun können wir Müll trennen und werden
dadurch bestraft, dass wir eine höhere
Müllmindestmenge aufgedrückt bekommen.
gehört, dass die Gutscheinabgabe sehr
aufwendig und teuer ist. Warum konnte
man nicht das alte System beibehalten?
(Beifall)
Ich meine, es wäre sehr wichtig, darüber
nachzudenken - das wäre kundenfreundlich; von Privatunternehmen wird immer
gefordert, auf das zu hören, was der Kunde möchte -, dass man von der Tonne, die
man vielleicht schon aufgedrückt bekommen hat, wieder zur Sackabfuhr zurück
wechseln kann.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch
Kunden, die gerne zur Tonne wechseln
möchten. Auch das müsste freigestellt
werden.
Da wir schon bei der Frage der Wahlfreiheit sind: Ich meine, dass auch für die
Landeshauptstadt die Möglichkeit der
Sackabfuhr überlegt und vielleicht auch
geplant werden sollte. Ich denke an die
Objekte, die ich betreue. Ich habe große
Objekte in Laatzen zu verwalten, wo es
selbstverständlich ist, dass wir einen ganzen Müllraum haben, der vom Hausmeister betreut wird und in dem Container stehen. Aber auch in der Landeshauptstadt
gibt es Gebiete, die ländlichen Charakter
haben und in denen viele Einfamilienhäuser stehen, deren Bewohner sicherlich
zumindest einmal über die Sackabfuhr
nachdenken möchten und, nachdem die
Diskussion geführt worden ist, vielleicht
auch umschwenken würden.
(Beifall)
Also sollte in den weiteren Gesprächen
unbedingt über die Rückkehr zur Sackabfuhr diskutiert werden.
Die Befragung, die durchgeführt worden
ist, ist von vielen Mitbürgern nicht verstanden worden. Die Bögen sind nicht richtig
abgegeben worden. Alle die, die nicht richtig abgegeben haben, sind automatisch
auf die Tonne umgestellt worden und haben auch noch 20 Liter aufgedrückt bekommen.
Das Gutscheinsystem, das für die Sackabfuhr eingeführt worden ist, muss sicherlich
noch einmal diskutiert werden. Wir haben
Damit bin ich bei meinem Lieblingsthema,
dem Mindestrestmüllvolumen. Über die
Aufregung haben wir schon gesprochen.
Im Umland wurde besser getrennt. Das
haben alle Fachleute bestätigt. Das wird
nun dadurch bestraft, dass man - so habe
ich es erneut gehört - die Gesamtmenge,
die in der Landeshauptstadt produziert
wurde, mit der Gesamtmenge, die im
Landkreis produziert wurde, addiert und
dann durch die Zahl der Einwohner geteilt
hat. Dadurch ergab sich eine höhere
durchschnittliche Menge, und wir sind bei
22 Litern gelandet. Das ist auf 10 Liter
reduziert worden.
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In der großen Diskussion, die auch in den
Medien geführt wurde, hat sich gezeigt,
dass die Leute die vielen Säcke, die sie
2014 bezahlen mussten, nicht verbraucht
haben. Sonst hätten sie sie ja nicht im
Januar noch hinausgestellt. Ich habe meine Säcke an den Kindergarten verschenkt.
Es waren 20 Säcke, die ich übrig hatte.
Das zeigt, dass die 10 Liter nicht der
Weisheit letzter Schluss sein können.
Conrad von Meding
Frau Stümpfel, ich muss Sie drängen. Sie
sind schon deutlich über der Zeit.
Carola Stümpfel:
Ich bin fast am Ende meines Beitrages
angelangt.
Zum Mindestrestmüllvolumen möchte ich
noch sagen, dass Sie bitte auch an die
Familien mit Kindern denken. Es wird immer argumentiert, Kinder bräuchten so
viele Windeln. Es gibt aber auch Kinder,
die bei der Mindestrestmüllmenge mitzählen, aber keine Windel mehr brauchen. Ein
Ehepaar mit drei kleinen Kindern müsste
somit 50 Liter Müll produzieren. Das
schafft es aber nicht.
Ich habe mir Gedanken zu einer besseren
Nutzung der Gutscheine gemacht. - Das
geht ganz schnell. - Damit man nicht jeden
Biomüll in den Restmüllsack stopft, nur
damit man die Restmüllsäcke voll bekommt, könnte es vielleicht ja auch sein der Biosack kostet, wie wir gehört haben,
die Hälfte des Restmüllsacks - , dass man
für einen Gutschein zwei Biosäcke bekommt. Dann kann man das getrennt an
die Straße stellen.
Damit bin ich jetzt ganz schnell zum Ende
gekommen. Ich bin nicht auf die rechtlichen Aspekte eingegangen, sondern mehr
auf das, was mir auf den Nägeln brannte.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Conrad von Meding
Ganz herzlichen Dank, Frau Stümpfel.
Das haben Sie sehr schön vorgetragen.
Ich muss die nächsten Vortragenden dringend darum bitten, auf die Zeit zu achten.
Wir sind bereits zehn Minuten über der
Zeit. Ein Experte ist sozusagen von der
Zeit her bereits „verschluckt“ worden.
Umso besser ist es, dass Herr Löhle
schon zum Mikrofon läuft.
Herr Löhle kommt von der cyclos GmbH in
Osnabrück. Er hat in Köln - ich habe auf
Xing gesehen: mit einem Auslandssemester in Chile - Ver- und Entsorgungstechnik
studiert. Er hat Bauingenieurswesen in
Köln studiert und danach in Abfalltechnik
promoviert. Er ist also sicherlich ein Experte, der hier sprechen darf. Er war danach
wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni
Kassel und ist jetzt seit drei Jahren Prokurist bei cyclos in Osnabrück, Fachmann für
die Erstellung von Abfallwirtschafts- und
Behandlungskonzepten, insbesondere für
Sortieranalysen und Siedlungsabfälle und
da besonders - da habe ich ein neues
Wort gelernt - für die Verwertung und Reuse von Elektronikgeräten. Er ist benannt
von den Grünen.
Herr Löhle, wir sind gespannt, was Sie zu
erzählen haben. Ring frei!
Dr. Stephan Löhle,
cyclos GmbH, Osnabrück
Vielen Dank für die Einführung. Mein Name ist Stephan Löhle. Sie haben es gehört. Ich fange direkt an.
Das Gebührensystem - Herr Thärichen hat
es schon angesprochen - setzt sich aus
zwei Elementen zusammen. Wir haben
zum einen ein solidarisches Element, die
Grundgebühr je Wohneinheit, und zum
anderen ein Element, das verursachergerecht ist, nämlich die Volumengebühr, bei
der jeder Einzelne eine gewisse Wahlfreiheit hat, sie entsprechend seinem täglichen Bedarf anzupassen.
Darüber hinaus - das hat Herr Reuter
schon angesprochen - gibt es eine Vielzahl von kostenfreien Leistungen, die hier
in der Region angeboten werden. Dazu
zählen beispielsweise die Sperrmüllabfuhr,
die Wertstoffhöfe und die Grüngutannahme, von denen die Bürger der Region
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ganz unterschiedlich profitieren, indem sie
sie auch ganz unterschiedlich wahrnehmen. Jeder Einzelne hat aber auch die
angesprochenen Wahlmöglichkeiten, das
Mindestvolumen wahrzunehmen, eine
günstigere Biotonne oder einen Biosack
zu wählen. Es gibt die Möglichkeit einer
Nachbarschaftstonne und auch Zustellsäcke bei Übermengen. Die Frage ist, wie
aktiv man daran partizipiert, um solche
Möglichkeiten wahrzunehmen.
Ich stimme mit der Einschätzung von
Herrn Thärichen überein, dass die bestehende Gebührensatzung gut und vor allem
rechtlich sicher ist und man jetzt schauen
könnte, welche Optionen sich bieten, um
vielleicht etwas mehr Verursachergerechtigkeit ins System zu bringen. Dazu haben
wir verschiedene Regler betrachtet, die ich
gleich vorstellen möchte.
Diese Regler haben wir analysiert. Wir
haben verschiedene Varianten aufgestellt,
um die Auswirkungen auf die Gebühr für
den einzelnen Bürger, auch bezüglich der
Frage, was das für seinen Komfort bedeutet, und hinsichtlich ökologischer Effekte
abzuschätzen, um daraus eine Empfehlung zu den einzelnen Punkten abzuleiten.
Eine grundsätzliche Empfehlung besteht
darin, die Verwertungs- und Entsorgungswege der Abfälle möglichst transparent
darzustellen, sodass jedem Bürger bewusst ist, was mit seinem Abfall passiert,
und er in seinem Entsorgungsverhalten
entsprechend sensibilisiert wird. Das ist
gerade hinsichtlich der Abfallvermeidung
und der möglichst sortenrein getrennten
Erfassung von Wertstoffen wichtig.
Wir empfehlen die Beibehaltung der kostenfreien Abholung von Sperrabfällen, da
die von uns analysierten Alternativen entweder kostentechnisch oder hinsichtlich
des Komforts deutlich zulasten des Bürgers gehen.
Ähnlich verhält es sich mit der Beibehaltung der kostenfreien Abgabe von Wertstoffen an den Wertstoffhöfen, die wir
auch empfehlen, da es die Einführung
einer Gebühr an dieser Stelle erfordern
würde, eine Abrechnungssystematik zu
implementieren, die die zu erwartenden
Erlöse an dieser Stelle wieder auffräße.
Des Weiteren empfehlen wir die Beibehaltung der kostenfreien Abgabe von Grüngut
aus dem gleichen Grund wie im Falle der
Wertstoffhöfe, da auch hier nicht von einem wirklich gebührensenkenden Effekt
ausgegangen werden kann und darüber
hinaus die Gefahr sehr groß ist, dass
Grüngutmengen in relevantem Umfang
nicht sachgemäß, sondern in der Umgebung entsorgt werden und nicht zu den
Annahmestellen gelangen.
Ferner empfehlen wir die Beibehaltung
des bisherigen Mindestvolumens von 10
Litern pro Einwohner und Woche, welches
man eigentlich nur bei intensiver Abfalltrennung und Abfallvermeidung erreichen
kann.
Wenn man gleichzeitig zu Hause eine OTonne und eine Biotonne aufgestellt hat,
ist anzudenken, möglicherweise einen
zusätzlichen Rabatt auf die Restabfallgebühr zu gewähren.
Ein Ident-System - das wurde schon von
Herrn Thärichen angesprochen; dem
schließe ich mich voll und ganz an - ist als
sehr verursachungsgerechtes System, bei
dem die Abfälle bei der Abholung verwogen und entsprechend abgerechnet werden, derzeit nicht zu empfehlen.
Zu dem Thema Restabfallsack und
-behälter haben wir schon viel gehört. Für
den Sack spricht, dass man keine Extratonne gestellen muss und dass es sich im
Umland um ein etabliertes System handelt. Gegen die Sackabfuhr spricht, dass
es sich nicht um einen Vollservice handelt.
Man muss den Sack eigenständig herausstellen. Die Sauberkeit ist problematisch.
Die Weiterentwicklung der Abfuhrlogistik
wird dadurch behindert, dass teilautomatisierte Leerungen nicht einfach möglich sind. Die Arbeitssicherheit wurde bereits angesprochen. Zudem ist das in
Deutschland eigentlich ein Auslaufmodell.
Daher empfehlen wir, die Säcke möglichst
schnell abzuschaffen, da auf diese logistisch gesondert und zunehmend kostenverursachend eingegangen werden muss.
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(Beifall)
Ein weiteres Thema hier in Hannover ist
die O-Tonne. Dazu haben wir eine Empfehlung hinsichtlich des Zuweisungskataloges. Das betrifft Alttextilien im Sack und
Elektrokleingeräte. Wir empfehlen dringend, diese aus dem Zuweisungskatalog
zu streichen, da einerseits das Potenzial
einer wertschöpfenden Wiederverwendung oder hochwertigen Verwertung durch
diese Abfuhr und anschließende Sortierung deutlich gesenkt wird. Außerdem
sprechen bei Elektroaltgeräten Sicherheitsaspekte gegen die Miterfassung in
einer O-Tonne.
Es gibt bestehende Alternativen an den
Wertstoffinseln für Altkleider, und es gibt
auch die kostenfreie Annahme an den
Wertstoffhöfen für Elektrokleingeräte; zukünftig auch über den Elektrohandel.
Als Weiterentwicklung der O-Tonne empfehlen wir, eine gemeinsame flächendeckende Wertstofftonne einzuführen, in der
die Materialien aus der O-Tonne, also
stoffgleiche
Nichtverpackungen
und
Leichtverpackungen, in einem Behältnis
erfasst werden. Das hätte den Vorteil,
dass wir einen eindeutigen Zuweisungskatalog hätten, keine getrennte und doppelte
Abfuhr dieser beiden Systematiken, transparente Entsorgungswege. Das bedeutet
gleichzeitig aber auch einen Aufwand für
den Abstimmungsprozess mit dem Dualen
System, das den Anteil der Verpackungen
verantwortet.
Zu den Mengen und Kosten möchte ich
kurz eine Darstellung zeigen, aus der ersichtlich ist, wie eine solche Zuweisung
aussehen würde. Die Leichtverpackungen
und die stoffgleichen Nichtverpackungen
in Form von Folien, Kunststoffen und Metallen sollten in einem Behältnis erfasst
werden, wobei dies hier lediglich ein Beispielbild ist, und möglichst sollten Behälter, die bereits gestellt sind, verwendet
werden. Alttextilien und Elektronikgeräte
sollten, wie schon angesprochen, aus dem
Katalog gestrichen werden.
Hier sehen Sie eine Mengengegenüberstellung aus einer Hochrechnung, die wir
gemacht haben. 2013 wurden nach Anga-
ben von aha 2 612 t Material aus der OTonne erfasst. In einer gemeinsamen flächendeckenden Erfassung unter Berücksichtigung eines gewissen Mengenzuwachses liegt die Menge etwa bei
10 000 t.
Zu den Kosten. Jetzt haben wir die OTonne als freiwilliges System, das einige
nutzen, für das aber alle zahlen müssen.
Bei einer gemeinschaftlichen Wertstofftonne würden alle diese Systematik nutzen und auch bezahlen.
Die spezifischen Kosten liegen für die OTonne nach unseren Berechnungen bei
etwa 1,50 Euro. Bei einer Ausweitung in
Form einer Wertstofftonne würden die
Kosten etwa 2,07 Euro betragen.
Eine wichtige Frage lautet, wie mit der
Menge umzugehen ist, die in der gemeinsamen Wertstofftonne erfasst wird und
dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuzuschreiben ist. Dafür, wie man
damit umgehen kann, gibt es verschiedene Systematiken. Das ist alles eine Frage
der Abstimmung zwischen Kommune und
Dualem System.
Es besteht die Möglichkeit, sich diese
Menge nach der Erfassung als Haufwerk
bereitstellen zu lassen und entsprechend
selber zu verwerten. Es gibt auch die Möglichkeit, sich nach der Sortierung dieser
Sammelmenge entsprechende Produkte
bereitstellen zu lassen bzw. Reste zu
übernehmen, um sie beispielsweise in
eigenen Verwertungsanlagen weiterzuverwerten. Natürlich ist es auch möglich,
nur rein rechnerisch an diesem System zu
partizipieren und die weitere praktische
Aufgabe den beteiligten Akteuren zu überlassen.
Hier sehen Sie noch einmal kurz zusammengefasst die Vor- und Nachteile einer
gemeinsamen Wertstofftonne: mehr Wertstofferfassung gleichbedeutend mit mehr
stofflicher Verwertung. Es ist gerechter, da
flächendeckend, keine zwei parallelen,
separaten Touren. Es würde aber Mehrkosten von ungefähr 0,55 Euro pro Einwohner verursachen.
Vielen Dank.
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(Beifall)
Conrad von Meding:
Danke schön. - Ich muss zwischendurch
einmal das Publikum loben. Sie sind unglaublich konzentriert, und Sie sind, was
den Applaus betrifft, sehr ausgewogen.
Ganz herzlichen Dank dafür. Es wäre ja
frustrierend, wenn nur für eine Person applaudiert würde. Sie machen das klasse!
Sie scheinen tatsächlich interessiert zuzuhören.
Ich würde gern wissen, wer von Ihnen aus
dem Umland kommt. - Wer kommt aus der
Stadt? - Das Umland ist leicht in der
Mehrheit. Das ist interessant zu sehen.
Wer von Ihnen ist mit dem derzeitigen
Müll- und Abrechnungssystem zufrieden?
- Wer von Ihnen ist unzufrieden? - Das ist
eine erstaunlich gute Mischung.
Es macht Spaß mit Ihnen. - Sehr schön!
Als Nächster spricht Herr Björn Klippel zu
uns. Er ist von der FDP als Experte benannt. Er ist Inhaber und Geschäftsführer
des Unternehmens TIM CONSULT aus
Mannheim, und zwar seit 1995, also seit
genau 20 Jahren. Man darf Sie, wie ich im
Internet gefunden habe, beglückwünschen. Denn Sie haben seit diesem Jahr
eine Niederlassung in New York. Richtig?
- Nicht schlecht!
Wir sind gespannt auf das, was Sie uns zu
sagen haben.
Björn Klippel
TIM CONSULT GmbH, Mannheim
Heute Abend ist aber Hannover die wichtigste Stadt der Welt.
Vielen Dank für die Gelegenheit, zu Ihnen
zu sprechen.
Kurz hergeleitet: Was ist die Aufgabe? Es
geht um ein richtiges, um ein akzeptables
Abfallwirtschafts- und Gebührensystem.
Insofern interpretiere ich die Aufgabenstellung etwas anders. Das Hearing heißt
zwar „Abfallgebührensystem“, aber eigentlich reden wir über das Abfallwirtschaftssystem und über die richtigen Gebühren.
Wie will ich, ausgehend von unserem Verständnis, wie wir Politik beraten - wir machen das in der Tat seit 20 Jahren - an die
Frage herangehen? Die Ziele muss die
Politik setzen. Das gilt insbesondere für
die Frage ob in Richtung Sackabfuhr oder
Behälterabfuhr gegangen werden soll. Wir
als Berater sind aufgerufen, auf der Basis
empirischer Fakten Sachaussagen zu treffen; die Entscheidungen müssen andere
treffen.
Wie will ich vorgehen? Ich will Ihnen kurz
meinen Erfahrungshintergrund darlegen. Das wird kein PowerPoint-Karaoke, wie
mein Sitznachbar befürchtet hat. - Dann
werde ich ganz konkret auf die Fragen
eingehen, die die FDP-Fraktion gestellt
hat. Ich denke, das, was Ihre Kollegen aus
dieser Fraktion an Fragen bewegt, ist in
dieser Form vielleicht auch in Ihrem Kopf.
Es geht also nicht so sehr darum, thesenartig unsere Erfahrungen in anderen
Kommunen zu referieren. Diese Erfahrungen fließen natürlich ein, und Sie werden
dazu nachher in der Diskussion sicherlich
auch Fragen haben.
Kurz zum Hintergrund. Die Firma ist vor 20
Jahren im Abfallwirtschaftsbereich mit einem logistischen Hintergrund, d. h. mit
einer technisch-kaufmännischen, nicht so
sehr mit einer rechtlichen oder politischen
Perspektive, gestartet.
Lassen Sie uns auf einen Ausschnitt unserer Kunden schauen. Die Kunden sind vor
allem öffentlicher Natur; von Süddeutschland bis Norddeutschland. Wenn wir über
Abfallwirtschaft, über Planungen, Optimierungen und Umsetzungen von oder mit
kommunalen Betrieben oder über Ausschreibungen reden, dann haben wir,
wenn wir das addieren, in der Hinsicht
etwa 12 Millionen Deutsche unterstützen
können. Insofern verfügen wir über einiges
an Erfahrung, sowohl was den Schmerz
bei Veränderungsprozessen angeht, als
auch was die Möglichkeiten betrifft, das zu
bewältigen und daraus einen Vorteil zu
schöpfen.
Eine Auswahl unserer Referenzen sehen
Sie in einer diesbezüglichen Darstellung.
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Auf den folgenden Folien sehen Sie jeweils im blauen Balken oben die Frage
Ihrer Kollegen von der FDP und unten
einige Punkte, mit denen wir darauf antworten möchten.
Mit Blick auf die Zeit - ich nehme die 10Minuten-Vorgabe ernst - möchte ich nicht
auf alle neun Fragen einschließlich der
Unterfragen eingehen.
Zur ersten Frage: Wie könnte ein modernes, effizientes Abfallgebührensystem sprich: Abfallwirtschaftssystem - für die
sehr heterogen strukturierte Region ausschauen?
gewesen sein. Wenn man heute zweiwöchentlich fährt, ist trotzdem die Frage erlaubt, ob man das gegebenenfalls ausdünnen kann.
Wenn wir über die Leistungserstellung
nachdenken - jetzt kommt vielleicht Applaus von der anderen Seite des Saals; es
geht um die Idee, die Leistung nicht nur
komfortabel, sondern auch kostengünstig
zu erbringen -, müssen wir über Mechanisierbarkeit und damit Automatisierbarkeit
nachdenken. Das bringt uns, wenn wir das
als Grundsatz nehmen, ein Stück vom
Sack weg und ein Stück in Richtung Behältersysteme, die sich mithilfe von Maschinen leichter handhaben lassen.
Eine solche Aufgabenstellung besteht in
sehr vielen Gebieten Deutschlands, in
denen Planungsregionen oder Zweckverbände geschaffen wurden, die in hohem
Maße heterogen sind. Im Grunde währt
der Streit ewig; denn wir schaffen damit
keine gleichen Siedlungsstrukturen und
daher auch keine gleichen Bedarfsstrukturen.
Wir empfehlen smarte, variable Abrufsysteme unter Nutzung der modernen Technik, keine starren Frequenzen wie früher,
als einmal im Monat ein Sperrmüllauto
durch die Gegend fuhr und Kilometer um
Kilometer zurückgelegt hat, ohne etwas zu
finden.
Die Richtung, in die Sie unserer Empfehlung zufolge denken sollten - das ist als
Antwort auf die erste Frage vielleicht noch
ein wenig abstrakt, wird aber noch deutlicher werden; ich werde auf die Prinzipien
öfter eingehen -, ist, Wahlfreiheit vorzusehen, z. B. was die Abfuhrfrequenz angeht.
Mit Blick auf die Müllwerker - ob in einem
privaten oder in einem öffentlichen Betrieb - ist die Ergonomie ein ganz wichtiger
Punkt, und zwar nicht nur aus sozialer
Verantwortung, sondern auch aus wirtschaftlichen Erwägungen. Ein Mann, der
vergleichsweise ausgeruht arbeiten kann,
ist effizienter als jemand, der mittags müde ist.
Erlauben Sie durchaus, wenn das dem
politischen Gestaltungswillen entspricht,
verschiedene Formen. Herr Thärichen hat
das „technische Variationen“ genannt. Ob
Sack oder Behälter - da muss man als
Berater schmerzfrei sein. Sehen Sie sowohl Bring- als auch Holsystemoptionen
vor. Letztlich haben Sie einen Kunden zu
bedienen.
(Beifall)
Heutzutage sind das ja keine Anschlussverpflichteten mehr. Vielmehr wollen wir
ein attraktives Leistungsangebot unterbreiten. Im Übrigen sind das, richtig gestaltet,
sehr kostengünstige Varianten.
Insbesondere geht es um die wählbare
Abholfrequenz. Wöchentlich zu fahren, wie
das früher der Fall war, muss sehr teuer
Ich komme zur nächsten Frage: Wie können wir die Wirtschaftlichkeit bei zwei
Sammelsystemen darstellen?
Dazu muss man ganz klar sagen: Die
sackgestützte Abfuhr erfordert aus Hygienegründen vergleichsweise kurze Abfuhrintervalle und einen hohen Arbeitsansatz. Unter sonst gleichen Bedingungen man kann nicht die Durchschnittskosten in
der Stadt den früheren Durchschnittskosten im Landkreis gegenüberstellen, weil
die Voraussetzungen auch strukturell ganz
unterschiedlich sind - würde man sehen,
dass das Sacksystem hohe systemimmanente Kosten hat.
Das kann man, wie gesagt, in Kauf nehmen, wenn der politische Wille in diese
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Richtung zielt, aber wir sind aufgerufen,
ehrlich Auskunft zu geben.
Ich habe aus der Frage auch herausgelesen: Wäre es nicht schön, wenn wir mit
einem Mischsystem weiterfahren könnten?
- Möglich ist alles. aha hat auch mit technischem Einfallsreichtum bewiesen, dass
es möglich ist. Aber das hat eben seinen
Preis. Das muss man sehen. Wenn man
das politisch so will, kann der Betrieb,
können die Berater das umsetzen. Aber
ein Mischbetrieb ist teurer als eine effiziente Systematik. Das muss man ganz klar
sehen.
Die Unterfrage lautete: Wie würde sich
das Beibehalten zweier unterschiedlicher
Systeme auswirken? Dazu muss man
ganz klar sagen: Langfristig zwei Systeme
vorzuhalten, würde die Region als hohen
Service empfinden. Man kann es sich
aussuchen. Das ist immer gut. Es müssen
keine lieb gewordenen Verhaltensweisen
geändert werden. Alles, was Abfall berührt, ist in höchstem Maße emotional.
Das ist einfach ein Faktum. Darüber muss
man gar keine Scherze machen. Das ist
einfach so; das berührt uns jeden Tag. Auf
der anderen Seite sind die Kosten höher das muss man ganz klar sagen - als bei
einem effizienten System, das einheitlich
ist.
Eine spannende Frage sind die kostenfreien Leistungen. Darauf antworte ich als
Ökonom: Preise haben eine Lenkungswirkung. An anderer Stelle würde man sagen:
Kasse macht sinnlich. - Es ist ganz klar:
Wenn ich eine Gebühr erhebe, reagieren
die Menschen mit Verhaltensänderung.
Das heißt, Gebühren verursachen ein
Vermeidungsverhalten, unzulässiges Verhalten eingeschlossen. Wenn es zu teuer
wird, liegt vielleicht Müll im Wald. Das ist
einfach die Lebenswirklichkeit.
Ihre Kollegen von der FDP haben uns gefragt, was wir als Berater davon halten und
was andere machen. Das ist eigentlich die
spannende Frage, zu deren Beantwortung
ich mich aufgerufen fühle.
Die kostenfreien Leistungen sind Teil des
Serviceangebots, finanziert durch die Abfallgebühren. Es ist eine politische Ent-
scheidung, wie weit Sie gehen wollen.
Wenn wir das von der Wirkung her betrachten, müssen wir sagen: Eine Mengenbegrenzung muss sein; das verhindert
Missbrauch. Beispielsweise: Sperrmüllabfuhr bis x Kubikmeter zweimal im Jahr
nach Voranmeldung, damit nicht alle anderen alles Mögliche dazu werfen, Anlieferung von Grünschnitt an Wertstoffhöfen
oder Sammelplätzen in haushaltsüblichen
Mengen. Wenn Sie in diese Richtung gehen, sind Sie absolut im Bereich dessen,
was man als „gute geübte Praxis“ bezeichnen würde. Würden Sie mich privat
fragen, würde ich sagen: Ich habe kein
Problem damit! Hinzu kommt, dass das in
meiner Heimatkommune ähnlich gemacht
wird.
Teilweise führt das, wenn man genau hinschaut, sogar zu einer Kostenentlastung.
Wenn die Sperrmüllabfuhr Geld kostet,
gibt es Leute, die den Sperrmüll mit Liebe
zerkleinern und in die Restabfalltonne
stopfen, wobei es sowohl ökologisch als
auch wirtschaftlich unter Umständen viel
sinnvoller wäre, die Sperrmüllabfuhr bereitzustellen, eine ordentliche Sortierung
zu betreiben und einen qualitativ hochwertigen Entsorgungsweg einzuschlagen.
Vergleichbares gilt für den Grünschnitt,
wenn es Schwierigkeiten gibt, ihn loszuwerden. In der Region Hannover haben
Sie ein extrem dichtes Sammelsystemen
mit 55 Annahmestellen. Das ist Luxus pur.
In anderen Gebietskörperschaften müssen
die Menschen weiter fahren. Aber auch
hier gilt: Das ist eine politische Entscheidung. Sie halten damit den Grünschnitt
aus der Biotonne und aus dem Biosack
heraus. Der Kompostierungsweg ist allemal teurer als eine ordentliche Grünschnittentsorgung. Diese vordergründig
kostenfreie Komfortstufe muss noch nicht
einmal wirklich teurer Luxus sein, sondern
kann sogar zu einer Kostenentlastung beitragen.
Für den Fall, dass Sie eine persönliche
Einschätzung hören wollten: Ich halte das
für ein sehr gutes System.
Wie ist der bürokratische Mehraufwand im
Falle einer Kostenpflicht? Als Deutsche
nehmen wir das ja genau. Um 5 Euro zu
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erheben, kann man durchaus 4,80 Euro
oder sogar 6 Euro an Verwaltungskosten
aufwenden. Wenn man über eine effiziente Abwicklung redet, hat man auch da ein
Argument, um auf eine kleinteilige Gebührenerhebung zu verzichten.
Stellen Sie sich einen Wertstoffhof vor, auf
dem ein Mitarbeiter fünf-Euro-weise Gebühren erheben muss. Sie haben dort
Bargeldbestände, die vielleicht irgendwann einmal gestohlen werden. Sie haben
alle möglichen Abläufe. Häufig ist das die
Sache nicht wert. Wenn Sie ein moderates
System, wie auf der Folie zuvor beschrieben, wählen, sind Sie gut unterwegs.
Die Sorge Ihrer Kollegen von der FDP,
dass wir, wenn wir Geld nehmen, besonders hohe Standards bieten müssen, teile
ich nicht. So, wie ich die Region und den
Entsorgungsbetrieb kenne, ist der Standard hoch. Wenn es 5 Euro oder 10 Euro
kostet, dann kostet es das halt. Die Gefahr
übertriebener Leistungsanforderungen der
Kunden sehe ich hier nicht
Conrad von Meding
Herr Klippel, ich muss ein wenig drängen.
Die Zeit ist eigentlich um. Sie sind aber
erst bei Frage 3 b gewesen.
Björn Klippel:
Ich springe ganz an den Schluss. Das
Mindestlitervolumen wurde mehrfach diskutiert. Eines ist klar: Über die Bereitstellung des bezahlten Volumens beeinflussen Sie massiv das Abfallvermeidungsverhalten. Sie haben eine sehr üppige
Ausstattung mit Kapazitäten und dementsprechend auch ein sehr hohes spezifisches Aufkommen. Wie viel Kilo pro Einwohner und Jahr entstehen? Sie diskutieren über 10 Liter, über 5 Liter. Die Frage
der FDP-Kollegen war: Können wir eigentlich auf 5 Liter gehen, ohne Substandards
zu erzeugen? 5 Liter sind bei den sehr
kostenbewusst und mit guten Systemen
ausgestatteten Gebietskörperschaften - in
Städten weniger - durchaus gebräuchlich.
Wir haben erste Landkreise - z. B. der
Landkreis Darmstadt-Dieburg; ein langjähriger Kunde -, die bei 3 Liter angekommen
sind; allerdings mit einem sehr aufwendigen und nicht ganz billigen, sehr komfortträchtigen Entsorgungssystem für alle an-
deren Abfälle. Es geht nicht nur darum,
Druck auf die Restabfallgebühr zu machen, sondern es geht auch darum, einen
Weg zu eröffnen, mit sehr hohem Komfort
und sehr leicht für die Bürger die getrennten Abfälle einer ordentlichen Entsorgung
zuzuführen.
Zu guter Letzt die Zusammenfassung: Um
modern, effizient und kostensparend zu
arbeiten, braucht es nach unserer Erfahrung drei Elemente. Das Erste ist ein Impuls, damit sich die Menschen in Bewegung setzen, ihr Verhalten zu ändern. In
der Hinsicht sind wir alle mit sehr großem
Beharrungsvermögen ausgestattet. Gefährliche Bemerkung: Die Motivation für
ein unverändertes Verhalten liegt zum Teil
auch in einer erhöhten Gebühr. Wir haben
gesehen, dass wir mit dem gegebenen
Topf die Leistungen finanzieren müssen.
Das bedeutet im Gegenzug - wie man das
auslegt, ist wieder eine politische Entscheidung - gesenkte oder gar wegfallende Gebühren für umweltpolitisch präferierte Abfallarten. Wie meine Vorredner sagten: Das, was wir uns wünschen, nämlich
Wertstoff, müsste kostengünstig oder sogar umsonst angenommen werden. Ganz
klar: Dann muss der Restabfall die restlichen Kosten tragen. Das wird von jemandem, der sein Verhalten nicht ändert, so
empfunden werden, als ob er mehr als
zuvor zahlt. Eine solche Diskussion muss
ausgehalten werden.
Zweitens. Nur Druck zu machen, hilft
nicht. Vielmehr muss man auch ein Ventil
auf den Kessel packen, damit er nicht
auseinander fliegt. Das Leistungsangebot - nennen wir es einmal „Komfort“,
nämlich bedarfsgerechte und komfortable
Entsorgungslösungen - muss vorhanden
sein, genauso wie Beratung und Information, um die Umstellung der Menschen auf
das neue Verhalten zu unterstützen.
Zu guter Letzt hat sich „Klappern gehört
zum Handwerk“ überall bewährt. Nennen
Sie es „Marketing“, nennen Sie es „Öffentlichkeitsarbeit“. Es geht darum, dass alle
die Chancen, die in dem neuen System
liegen, verstehen. Das gehört genauso
dazu, um die gewünschten Effekte schnell
zu erzielen.
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Danke.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Es tut mir leid. Drängeln ist immer ein
bisschen unhöflich. Sie haben sich alle
vorbereitet und haben auch alle etwas zu
sagen. Dennoch müssen wir ein bisschen
auf die Zeit achten.
Wir sind jetzt in einer komfortablen Situation. Es ist jetzt wenige Minuten vor 18 Uhr.
Ich hatte ja gesagt, dass wir gegen 18 Uhr
eine Pause machen werden. Nun ist aber
Herr Mäurer schon da, sodass wir Herrn
Mäurer vorziehen und damit zu der ursprünglich geplanten Abfolge zurückkommen können. Wir können uns also die
Statements der von den politischen Fraktionen benannten Experten im Block anhören.
Herr Mäurer kommt aus Celle zu uns. Er
ist Geschäftsführer und leitender Verbandsdirektor des Zweckverbandes Abfallwirtschaft in Celle.
Das ist insofern interessant, als Celle ein
Ident-Wiege-System hat. - Sie schütteln
den Kopf. Der Zweckverband Abfallwirtschaft Celle hat aber ein System, von dem
viele, insbesondere die Linken, schwärmen. Deswegen ist Herr Mäurer hier. Wir
hören uns an, was er zu sagen hat.
Henry Mäurer
Zweckverband Abfallwirtschaft Celle
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrer
Veranstaltung. Ich werde mich bemühen,
Ihnen keine Empfehlungen zu geben,
sondern Ihnen einfach vorzustellen, wie es
in der Praxis - gar nicht so weit weg, sondern an der nördlichen Grenze der Region
Hannover - geht, und dies nicht erst seit
gestern.
Wir haben seit 1993 ein konstantes Gebührensystem und standen noch nie vor
der Notwendigkeit, es aufgrund der Rechtsprechung ändern zu müssen.
Mein Vortrag gliedert sich in zwei Teile:
Behälter- und Gebührensystem sowie
Ident-System.
Wir haben ein differenziertes Behältersystem mit Restmülltonne, Biotonne, Papiertonne und Gelber Tonne. Die Gelbe Tonne
wird durch den Gelben Sack ergänzt. Ungefähr zwei Drittel der Nutzer nutzen den
Gelben Sack, ein Drittel der Nutzer nutzt
die Gelbe Tonne.
Zu jeder dieser Tonnen gibt es auch noch
jeweils einen Sack für den Fall, dass einmal mehr Mengen anfallen, der separat
erworben werden kann.
Wir bieten unseren Bürgern alle am Markt
erhältlichen und vernünftig einsetzbaren
Behältergrößen an: zehn verschiedene
Behältergrößen im Bereich Restmüll und
Altpapier, sechs im Bereich Bioabfall. Das
geht von 40 Liter bis 1 100 Liter, mit Zwischengrößen - 180 Liter, 400 Liter -, die
relativ selten im Einsatz sind, sodass wir
eine vernünftige Palette an Behältern zur
Verfügung stellen können.
Beim Bioabfall bieten wir nur Behältergrößen von 40 Liter bis 240 Liter an. Das hat
schlicht den Grund, dass Bioabfallbehälter
größeren Volumens zu schwer werden
und nicht mehr zu leeren sind.
Dazu haben wir ein Gebührensystem, differenziert nach Leerungen. Sie zahlen die
in Anspruch genommenen Leerungen. Es
gibt eine Grundgebühr pro Jahr und Behälter. Ich betone das. Sie bezieht sich
nicht auf Wohnungen, Personen oder
Grundstücke, sondern ist schlicht an den
Behälter gekoppelt. Sie beträgt im Moment
76,65 Euro. Das ist ein schräger Betrag er ist durch 365 teilbar; das sind 0,21 Euro
pro Tag -, weil wir im Falle eines Wechsels
tagesscharf abrechnen.
Der Leerungsgebührenmaßstab für die
Restmülltonne ist linear. Pro Liter beträgt
die Gebühr 7,2 Cent. Dieser Maßstab gilt
für alle Behälter. Der Gedanke, der dahinter steht: Sie sollen, egal, in welchem Behälter Ihr Abfall entsorgt wird, den gleichen
spezifischen Preis haben.
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Daneben gibt es eine Biotonne. Für sie gilt
ein reduzierter Leerungsgebührensatz,
keine Grundgebühr. Das ist ein Anreiz, die
Bioabfälle zu trennen. Deshalb der Gebührenabstand.
Für die Papiertonne gibt es keine Grundgebühr und keine Leerungsgebühr.
In der Grundgebühr für die Restmülltonne
ist jeweils ein Leervolumen von 240 Litern
enthalten. Das heißt, eine Leerung der
240-Liter-Tonne bzw. sechs Leerungen
der 40-Liter-Tonne sind quasi mit der
Grundgebühr bezahlt.
Darüber hinaus bieten wir eine abschließbare Tonne, bei der kleineren Version für
einen Gebührensatz von 7,30 Euro, bei
der größeren für 14,60 Euro pro Jahr, an.
Auf Wunsch bieten wir einen Vollservice:
für die kleine Tonne bis 240 Liter für
58,40 Euro im Jahr und für die größeren
Behälter für 120,45 Euro im Jahr.
Daneben gibt es einen Restabfallsack für
4,53 Euro,
einen
Bioabfallsack
für
3,08 Euro und einen Altpapiersack für
10 Cent.
Unsere Kunden können also auswählen.
Zur Größe des Abfallbehälters: Wir geben
keine Größen vor. In unserer Satzung haben wir keinerlei Bestimmungen darüber,
welche Behältergröße Sie wählen müssen.
Sie können frei wählen, wie viele Abfallbehälter Sie haben möchten. Wir machen
auch keine Vorgaben hinsichtlich Mindestvolumen und Anzahl.
Sie können die Häufigkeit der Leerungen
wählen. Maximal sind es 26. Wir fahren
also 14-täglich durch die Abfuhrbezirke.
Sie können zusätzliche Leistungen wählen: abschließbare Tonne, Vollservice.
Damit haben Sie natürlich direkten Einfluss auf die Höhe Ihrer individuellen Gebühr. Der Grundsatz, der uns bewegt, ist:
Wir bieten Lösungen. Der Kunde wählt die
für ihn am besten passende Lösung.
Welcher Grundgedanke steckt dahinter?
Die Lebensumstände der Menschen sind
heutzutage so vielfältig und so unterschiedlich, dass man immer dann, wenn
man Eckpunkte setzt, Zwangspunkte setzt
und man in Diskussionen kommt, bei denen man nur verlieren kann. Denn Ihr Gegenüber kann Ihnen mit Leichtigkeit beweisen, dass jeder einzelne Zwangspunkt,
den Sie gesetzt haben, in seinem speziellen Fall vollkommen unsinnig ist.
(Beifall)
Deshalb sind wir diesen Weg noch nie
gegangen, sondern haben uns immer gefragt, was zur Funktionsfähigkeit des Systems unbedingt notwendig ist, und haben
alles andere in die Wahlfreiheit der Bürger
gestellt. Ich denke, wir fahren damit gut.
Unsere Bürger sind zufrieden.
Unser Credo ist: Nur so viele Zwangspunkte wie nötig bei größtmöglicher Wahlfreiheit. Denn wenn sich der Bürger die
Lösung selber aussuchen kann, die ihm
am besten gefällt, dann ist er logischerweise auch zufrieden. Fehler in der Wahl
muss er sich ja selber zurechnen, und er
kann nicht sagen: Die haben mir das aber
aufs Auge gedrückt! - Das ist der Hintergedanke dabei.
Ich komme zum Ident-System. - Alles ein
bisschen im Schweinsgalopp, der Zeit geschuldet.
Sie sehen: Es gibt einen Datenträger an
der Tonne. An jeder Tonne gibt es einen
Schreib-Lese-Chip. Das ist ein Sonderfall.
So etwas gibt es in ganz Deutschland
wohl nicht noch einmal. Früher war es
verbreiteter. Wir legen auf dem Chip die
Anzahl der bisher erfolgten Leerungen und
das Datum der letzten Leerung ab. Das ist
eine zusätzliche Datensicherheit und leistet gute Dienste im Falle von Reklamationen.
An dem Pfeil oben auf dem Bild sehen
Sie, wo der Chip sitzt. - Das ist eine Szene
mit einer Programmierung des Chips. Wir
fahren also zu Ihnen und geben dem Chip
erst bei Ihnen vor Ort die Informationen,
die er braucht - so ist klar, dass er zu
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Ihnen gehört -, damit kein Missbrauch
möglich ist.
Das hier ist die Fahrzeugtechnik. Hier sehen Sie die Antenne am Fahrzeug - das
sage ich nur der Vollständigkeit halber -,
durch die der Chip abgelesen wird.
Auf diesem Bild sehen Sie das Bedienteil
im Fahrerhaus, über das der Fahrer den
Betriebszustand während des Leerungsprozesses überwachen kann.
Es gibt ein weiteres Bedienteil am Heck.
Dort kann der Müllwerker, der die Tonne
leert, weitere Zusatzinformationen zur
Leerung eingeben: Tonne überfüllt,
Falschmüll enthalten, aber auch solche
Dinge wie: Deckel defekt, Korpus defekt,
Rad defekt.
Welches Ziel verfolgen wir damit? Diese
Informationen werden zusammen mit der
Leerungsdatei, die während des Tages
erzeugt wird, in den Kundenservice geliefert. Ist der Behälter defekt, erfolgt automatisiert ein Auftrag an den Behälterservice, der dann den Behälter entweder austauscht oder vor Ort instand setzt. Ist
Falschmüll enthalten, bekommt der Kundenservice eine entsprechende Information, und der Kunde bekommt ein Mahnschreiben und wird darauf hingewiesen.
Das alles geschieht unter dem Aspekt der
Vereinfachung der Abläufe.
Das, was Sie auf diesem Bild sehen, ist
der Ausschnitt einer Tour. Die Fahrzeugtechnik verfügt über einen GPS-Empfänger, und wir zeichnen die Touren mit den
einzelnen Leerungsvorgängen auf. Jeder
rote Punkt, den Sie dort sehen, ist ein Leerungsvorgang. Das hat zwei positive Effekte: Erstens können dem Kunden gegenüber belegen, dass wir in seiner Straße
waren, um seine Tonne zu leeren, wenn er
sie einmal nicht hinausgestellt hat, aber
das Gegenteil behauptet. Zweitens. Der
Kunde ruft an: Ich habe vergessen, meine
Tonne hinauszustellen. Ich wohne in der
Straße Schwarzer Weg. Sind die Kollegen
schon dort gewesen, oder kommen sie
noch? - Der Kundenservice hat jederzeit
Zugriff auf die Informationen. Der Kollege,
der am Telefon sitzt, kann mit einer Verzögerung von ungefähr fünf bis sieben
Minuten auf dem Bildschirm sehen, wo
sich das Fahrzeug gerade aufhält. Dann
kann er dem Kunden sagen: „Sind schon
durch!“ oder: „Kommen noch!“ Das ist also
ein zusätzlicher Servicegesichtspunkt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Herr Mäurer, Sie haben die Zeit gut eingehalten. Prima! Herzlichen Dank nach Celle! Manchmal braucht man gar nicht weit
zu gehen. Auch in Celle gibt es ein interessantes System.
Wir wollen das alles aber jetzt nicht bewerten, sondern eine ganz kurze Pause, sagen wir, von zehn Minuten, machen. Ich
trommele Sie also kurz vor 18.20 Uhr wieder zusammen. Ich würde mich freuen,
wenn möglichst viele von Ihnen Lust haben, weiter zuzuhören. Es kommen noch
drei Experten zu Wort, dann folgt eine
Fragerunde der Politikerinnen und Politiker, und danach sind alle anderen an der
Reihe und können die auf dem Podium
versammelten Experten „löchern“.
Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bis gleich!
(Unterbrechung von 18.10 Uhr bis
18.22 Uhr)
Conrad von Meding:
Meine Damen und Herren! Während die
Letzten die Plätze suchen: Gerade eben
kam die Frage, ob man die PowerPointPräsentationen und alles das, was vorhin
gezeigt wurde, irgendwo im Internet nachlesen kann. - Ja, das können Sie im Anschluss. Alle Materialien sind gesammelt
worden. Jetzt wird die Zustimmung eingeholt, ob es in Ordnung ist, wenn sie veröffentlicht werden. Dann werden alle Materialien im Internet zu sehen sein. Herr
Priebs klärt - - (Prof. Dr. Axel Priebs: Über hannover.de!)
- Über hannover.de, über diesen Zugang
werden Sie auf jeden Fall weitergeleitet.
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Sie wissen: Dort finden Sie auch den Zugang zu der Bürgerbeteiligung, über den
Sie Ihre Meinung äußern können, und
Ähnliches.
Wir machen jetzt rigoros weiter; denn ich
habe Ihnen versprochen, dass wir um
20 Uhr pünktlich hier herauskommen.
Aber derzeit sind wir, ehrlich gesagt, ein
bisschen über die Zeit.
Wir wollen noch drei Experten hören. Bis
jetzt haben wir die Experten gehört, die
von den Fraktionen benannt worden sind.
Jetzt möchte ich als Ersten Herrn Eckhard
David an das Mikrofon bitten. Er war viele
Jahre Stadtdirektor von Stadthagen und ist
insofern gut bekannt.
(Zuruf: Wunstorf!)
- Ich ordne ihn immer Schaumburg zu. Er
wohnt in Stadthagen. Entschuldigung.
Er war viele Jahre Stadtdirektor von
Wunstorf und ist insofern mit verwaltungsrechtlichen Fragen gut vertraut. Er ist eigentlich Jurist und arbeitet seit 2014 in der
Kanzlei von Professor Versteyl in Hannover. Er ist von den Hauptverwaltungsbeamten, also von den Bürgermeistern, als
Experte benannt worden.
Herr David, wir sind gespannt darauf, was
Sie zu sagen haben.
Eckhard David
Prof. Versteyl Rechtsanwälte, Hannover
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zunächst einmal möchte ich Sie um Geduld ersuchen. Denn ich arbeite grundsätzlich nicht mit irgendeiner Medienpräsentation oder einer PowerPoint-Präsentation. Vielleicht erleichtert mir das, etwas
flexibler auf die Anforderungen dieser Veranstaltung einzugehen.
Sie können meine Ausführungen, in
Schriftform ausgeweitet und mit einem
Zitatenschatz versehen, auch in der jetzt
angesprochenen Internetpräsentation lesen, sodass ich mich hier auf eine absolute Kurzfassung beschränke.
Es wird Sie auch aufgrund meiner Herkunft nicht überraschen - Herr von Meding
hat darauf hingewiesen -, dass ich zunächst einmal ein ganz abstraktes Prinzip
verfolge, das eigentlich mit der Gebührenpolitik, mit Müllgebühren oder mit der
Müllentsorgung überhaupt nichts zu tun
hat. Dabei geht es um die Frage, was Sie
als Kommunalpolitiker antreiben sollte, ein
System zu wählen, das Ihnen möglichst
viel Gestaltungsfreiheit bietet, das möglichst niedrige rechtliche Schranken hat,
das ein geringes Risiko des Scheiterns
hat - zweimal beim OVG Lüneburg zu
scheitern, sollte reichen - und das im
Rahmen der Flexibilität, die ich für Sie
proklamiere, möglichst auch die Chance
enthält, gegebenenfalls zu dem alten System zurückzukehren. Ob Sie das dann
machen wollen oder nicht, entscheiden
Sie politisch und nicht unter rechtlichen
Aspekten.
Ich schütte etwas Essig in den Wein des
Optimismus, der hier deutlich wurde, angefangen bei den einführenden Worten
des Regionspräsidenten. Dieser Optimismus lautet: Wir haben zweimal die Chance
gehabt, unser Gebührensystem durch das
OVG Lüneburg überprüfen zu lassen, und
wir sind im Besitz der Erkenntnis, dass es
jetzt rechtssicher ist. - Das ist juristisch
falsch.
Ich habe mir gerade von meinem Vorgänger beim Städtetag, von Herrn Krause, die
letzten Seiten der Entscheidungsgründe
der zweiten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg geben lassen. Er hat sein Laptop dabei. Lesen Sie
das nach!
Geprüft wurden einzelne Bestimmungen
der Gebührensatzung, die gerügt worden
sind. Der Senat sagte: Diese einzelnen
Bestimmungen führen allerdings zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, und deswegen ist die Satzung in sich nichtig.
Man kann also nicht sagen, die Satzung
sei von Anfang bis Ende einem rechtlichen
Check unterzogen worden.
Ich gebe jetzt noch eins drauf - das ist
vielleicht ein bisschen gemein; denn an
diesem Punkt bin ich eigentlich nicht zitier-
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fähig; aber ich sage es einfach -: Ich hatte
Gelegenheit, mit einem der Richter des
Verwaltungsgerichts Hannover über die
neue Satzung, über die Satzung 2015, zu
diskutieren. Als Ergebnis dieses Gesprächs habe ich nicht mehr die Sicherheit, dass auch diese Satzung vor rechtlichen Anfeindungen gefeit ist.
Es gibt einige Punkte, z. B. § 3 Abs. 2 der
aktuellen Satzung, worin Sie etwas zum
Entstehen der Gebührenschuld und der
Gebührenpflicht zum Beginn des Benutzungsverhältnisses sagen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Göttingen
ist das unzulässig, jedenfalls dann, wenn
Sie während des Benutzungsverhältnisses
Gebührenänderungen vornehmen wollen.
Zum Zwangssack: Was macht Sie eigentlich so sicher, dass man nicht genauso wie
bei der Grundgebühr - eine wohnungsbezogene Grundgebühr ist mit einer grundstücksbezogenen Grundgebühr nicht kompatibel; also des Scheiterns zweiter
Punkt - sagt: „Wenn Sack, dann aber keine Mindestbehältervolumen“? - Der Sack
und die damit verbundene Flexibilität sind
mit einer Mindestbehälterregelung nicht
kompatibel.
Derjenige, der mir Zweifel eingeflüstert
hat, hat ebenfalls gesagt: Wir haben auch
Probleme bei der Gebührenkalkulation.
Die Region Hannover geht dazu über, die
gesamten Kosten der verlorenen Rechtsstreitigkeiten in die Gebührenkalkulation
einzustellen. Das ist unzulässig.
Ich plädiere für einen totalen Paradigmenwechsel, und ich plädiere dafür, dass
Sie Ihr gesamtes Entgeltsystem auf ein
zivilrechtliches Entgelt umstellen.
Der rechtliche Ankerpunkt ist § 5 Abs. 1
Satz 2 NKHG. Dort steht das zivilrechtliche Entgelt neben der Gebühr. Das ist
sozusagen die Eröffnung, um das gesamte Bezahlverhältnis zivilrechtlich zu gestalten. Was hat das für Vorteile?
Erst einmal die Frage: Haben wir dazu
überhaupt praktische Erfahrungen? Wir
sind ja nicht dazu berufen, das Rad neu zu
erfinden, sondern wir müssen sehen, wer
dazu schon Erfahrungen gemacht hat.
Wir haben gemeinsam mit der Firma
ATUS zu diesem Thema ein Symposium
in Hamburg durchgeführt. Auch die Region
Hannover war selbstverständlich eingeladen, an diesem Symposium teilzunehmen.
Ich berichte als Ergebnis des Symposiums: In Niedersachsen wird das zivilrechtliche Entgelt vom Landkreis Diepholz erhoben. In Schleswig-Holstein erhebt etwa
die Hälfte der Landkreise nur noch zivilrechtliche Entgelte, und zwar nach einer
Odyssee der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein,
bei der aufgrund immer neuer Einfälle der
Verwaltungsrichter
Gebührensatzungen
reihenweise gekippt worden sind.
Es gab dort einen Kollegen, der vorher
Staatssekretär im Innenministerium war.
Er hatte sich darauf spezialisiert - und hatte ständig Erfolge beim Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, und zwar immer die ganz unangenehmen Erfolge -, ein
und dieselbe geprüfte Satzung immer wieder mit neuen Aspekten zur rechtlichen
Überprüfung zu geben, wobei das, was
vorher nicht moniert worden ist, später
moniert wurde.
Bei der Bewertung der Systeme gibt es
praktische Gesichtspunkte, die sich vielleicht nur demjenigen erschließen, der die
Dinge nicht von vornherein unter einem
stark theoretischen Aspekt bewertet, und
rechtliche Rahmenbedingungen, die eigentlich unstreitig sind.
Ich fange mit den praktischen Gesichtspunkten an.
Wo landet der Müllkritiker, der bei einem
zivilrechtlichen Entgelt zum Richter geht? Er landet beim Amtsrichter. Der Amtsrichter hat einen Pensenschlüssel von etwa
600 Fällen im Jahr. Der Verwaltungsrichter
hat einen Pensenschlüssel von etwa 140
Fällen im Jahr.
Beim Amtsrichter unterliegt der Müllkritiker
einer anderen Prozessmaxime als beim
Verwaltungsgericht. Im ersten Fall unterliegt er dem sogenannten Beibringungsgrundsatz, d. h. er muss dartun und beweisen, was Inhalt seiner Rechtsposition
ist, während er beim Verwaltungsgericht
sozusagen unter den Sonnenschein des
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Amtsermittlungsgrundsatzes kommt. Das
sind also völlig falsche Voraussetzungen.
Üblicherweise liegt der Gegenstandswert
beim Amtsgericht unter 500 Euro, mit der
Konsequenz, dass das Urteil des Amtsrichters nicht von vornherein berufungsfähig ist. - Erster Punkt. - Rein praktische
Gesichtspunkte.
Rechtliche Rahmenbedingungen: Selbstverständlich kann man nicht unter dem
Deckmantel eines zivilrechtlichen Entgelts
hingehen und sagen: Wir haben jetzt die
große Freiheit des Zivilrechtes, und wir
können alles machen, was wir wollen. Man unterliegt hier immer noch den Voraussetzungen des sogenannten Verwaltungsprivatrechts, und hier gibt es natürlich auch eine Grundrechtsbindung des
Staates. Genauer gesagt: Wir haben ein
sogenanntes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Das bedeutet, dass nach
§ 315 Abs. 3 BGB der Richter eine Prüfung nach Angemessenheitskriterien vornimmt.
Die Messlatte für das, was angemessen
ist, ist im Rahmen des zivilrechtlichen Beurteilungssystems wesentlich niedriger
angesetzt - je nach Blickwinkel niedriger,
also mehr Freiheit zugunsten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften -, als das
im öffentlich-rechtlichen System der Fall
wäre.
Wir haben also eine Angemessenheitskontrolle. Das bedeutet: Angemessen ist,
wenn das Äquivalenzprinzip beachtet worden ist. Das heißt, die Leistung und die
Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Es ist das Erdrosselungsverbot zu beachten.
Ferner ist das Verbot der Quersubventionierung zu beachten.
In beiden Entscheidungen des OVG Lüneburg wird § 12 des Niedersächsischen
Abfallgesetzes zitiert, z. B. bei der Frage,
wie hoch der Grundgebührenanteil sein
darf. Dazu sagt man: Er darf nicht höher
als 30 oder 50 % sein, weil das Abfallvermeidungsgebot aus § 12 des Niedersächsischen Abfallgesetzes beachtet werden
muss. - § 12 des Niedersächsischen Abfallgesetzes gilt bei zivilrechtlichen Entgelten nicht.
Schließlich ist noch das Kostendeckungsprinzip zu beachten. Das heißt, Sie dürfen
auch über das Zivilrecht die Abfallgebühren nicht verwenden, um beispielsweise
das Sommerfest der Regionsverwaltung
oder den Dienstwagen des Regionspräsidenten zu finanzieren. Das Geld muss
also innerhalb eines Deckungskreises
verbleiben.
Über praktische Erfahrungen können diejenigen berichten, die seit längerer Zeit - in
Schleswig-Holstein seit 2001 bzw. 2002 über das zivilrechtliche Entgeltsystem verfügen.
Ein Nachteil steht im Raum: Das zivilrechtliche Entgelt kann nicht über einen Verwaltungsakt beigetrieben werden. Der Verwaltungsakt hat, meine Damen und Herren,
eine sogenannte titelverschaffende Wirkung. Es besteht auch nicht die Möglichkeit, über § 80 VwGO beispielsweise zu
erreichen, dass Widerspruch und Klage
keine aufschiebende Wirkung entfalten,
weil es sich um öffentliche Abgaben und
Kosten handelt. Das sind rein theoretische
Nachteile.
In Diepholz hat es in der Zeit seit Einführung des zivilrechtlichen Entgeltes ein einziges Gerichtsverfahren gegeben. Der
Richter hat gefragt: Sind Sie, lieber Kläger,
der Auffassung, für die Inanspruchnahme
der Leistung kein Entgelt bezahlen zu
müssen? Darauf hat der Kläger nein gesagt. Dann hat der Richter die Körperschaft gefragt: Was zahlt der Kläger, und
was bedeutet das sozusagen im Vergleich? Darauf hat der Landkreis Diepholz
gesagt: Wir liegen sogar noch 5 % niedriger als der niedersächsische Durchschnitt.
Daraufhin wurde dem Kläger gesagt: Was
wollen Sie hier? Und die Klage wurde abgewiesen. - Peng!
Also: auf der einen Seite keine Beitreibung
durch Verwaltungsakt, aber auf der anderen Seite eine erheblich niedrigere rechtliche Kontrolldichte.
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Die Praxis zeigt: In Diepholz gab es seit
2002nur ein Verfahren. Die SchleswigHolsteiner berichteten über überhaupt keine Verfahren in dem Zusammenhang. Sie
haben eine Lastschriftquote von 85 %.
Üblicherweise findet bei Nichtzahlung ein
automatisiertes Mahnverfahren statt. Es
werden zwei Mahnrunden geschaltet,
dann wird ein Mahnbescheid beantragt,
der in der Regel durchgeht, weil es nicht
zu einem Einspruch kommt, und danach
geht die Sache an ein Inkassobüro. Das
Ganze ist mit einer Ausfallquote von weniger als 1 % verbunden.
Was bedeutet das für die hier interessierenden Fragestellungen? Wäre das eine
Möglichkeit, z. B. wieder zum Sacksystem
unter zumutbaren Bedingungen zurückzukehren? - Wir sind uns ja darüber klar: Ein
Sacksystem ist untrennbar mit einem sehr
hohen Grundgebührenanteil verbunden.
Sie müssen dafür sorgen, dass der Sack
im Laden nur Cents kostet. Sonst wird der
Müll in den Aldi-Sack geschmissen und
dann in die Beeke geworfen. Das heißt
automatisch: Sacksystem und hoher
Grundgebührenanteil.
In Niedersachsen fährt noch der Landkreis
Leer das Sacksystem beim Restmüll.
Auch dort gibt es einen sehr hohen Grundgebührenanteil. Diese beiden Dinge sind
meines Erachtens untrennbar miteinander
verbunden. Alles andere - beispielsweise
diese Zwangssäcke - ist eine Krücke, und
das führt zu Unmut bei den Bürgern, wie
auch die Umfragen gezeigt haben.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie die
rechtlichen Probleme bei dem alten Sacksystem mit dem hohen Grundgebührenanteil bei der Verwendung eines zivilrechtlichen Entgeltsystems nicht hätten.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Das ist der einzige Beitrag, den ich vorher
schriftlich gelesen habe. Mir hat, ehrlich
gesagt, davor gegraust. So wie es jetzt
vorgetragen wurde, war das alles eigentlich gut zu verstehen. Ganz herzlichen
Dank! Das ist tatsächlich sehr verständlich
gewesen. Es war ein Votum für ein kom-
plettes Umsteuern. Das war interessant
und ein ganz anderer Ansatz.
Wir hören noch zwei Experten, zunächst
Herrn Dr. Christoph Tiebel, benannt von
aha.
Herr Dr. Tiebel kommt von der ATUS
GmbH aus Hamburg. Er hat technischen
Umweltschutz an der TU in Berlin studiert,
promoviert in Darmstadt, ist seit 1986 als
Ingenieur im Abfallbereich tätig und ist
jetzt Gesellschafter und Geschäftsführer
der ATUS in Hamburg. Herzlich willkommen! Ring frei!
Dr. Christoph Tiebel
ATUS GmbH, Hamburg
Herzlichen Dank. - Wir haben schon sehr
viele Vorträge gehört. Ich habe etwa 20
Folien vorbereitet, von denen ich aber nur
fünf zeigen werde. Einige Themen sind
wichtiger oder - sagen wir es so - kontroverser.
Eines der Themen ist die Frage: Wie soll
es im Umland weitergehen? Soll, wie Frau
Stümpfel vorhin vorgeschlagen hat, zur
Sackabfuhr zurückgegangen werden Herr David hat versucht, den rechtlichen
Weg dafür zu öffnen -, oder soll man das
einfach sein lassen?
Ich behaupte: Das System Sackabfuhr hat
zahlreiche Nachteile technischer Art, logistischer Art, wirtschaftlicher Art, und es hat
eigentlich nur einen Vorteil, nämlich den,
dass die Bürger - das heißt konkret: die
Bürger im Umlandgebiet - dieses System
gewöhnt sind. Sie wollen den Umstellungsaufwand nicht. Sie haben keinen
Platz für die Tonne. Sie finden es überhaupt doof, dass man jetzt ein neues System einführen will. Dafür habe ich grundsätzlich volles Verständnis. Aber ebenso
grundsätzlich bin ich nicht bereit, zu akzeptieren, dass das Bessere nicht gemacht wird, nur weil jemand etwas gewöhnt ist.
(Beifall)
Herr Klippel hat eben gesagt, dass es besonders unwirtschaftlich ist, wenn man
beides macht, wenn man also sowohl die
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Behälter also auch die Säcke draußen
hinstellen kann. Denn dann kann man sein
logistisches System nicht optimieren. Das
sehe ich genauso.
Aus fachlicher Sicht gebe ich deswegen
eine ganz klare Empfehlung. - Ich bin zwar
als Experte für aha hier, habe aber an
manchen Stellen meine eigene Meinung. aha hat es bisher ganz bürgerfreundlich freundlich insbesondere für die bisherigen
Nutzer der Sackabfuhr, die sich jetzt an
ein neues System gewöhnen müssen und zurückhaltend gemacht, indem gesagt
wurde: Ihr könnt eure Säcke behalten, ihr
könnt sie open end behalten. - Ich als
Techniker und als jemand, der sich schon
lange mit Müllabfuhr beschäftigt, würde
sagen: Beschränkt diesen Übergangszeitraum! Okay, man kann nicht von heute auf
morgen eine Waschbetonbox aufstellen,
um dort Mülltonnen unterzubringen; dafür
braucht man einen Vorlauf. Aber man
braucht keinen Vorlauf von 20 Jahren,
sondern vielleicht von fünf Jahren. Anschließend kann man die Behälterabfuhr
im gesamten Gebiet, also im Umland und
in der Stadt, optimieren. Denn ein gemischtes System ist immer unwirtschaftlich.
Ich will jetzt auf ein paar einzelne Punkte
eingehen.
Was ist eigentlich das Dumme an der
Sackabfuhr? - Ganz einfach: Die Behälter
ermöglichen einen längeren Leerungsturnus. Man muss nicht mehr jede Woche
durch jede Straße juckeln, um die Säcke
abzufahren, und das auch noch mit drei
Fahrzeugen, sondern man kann mit längeren Leerungsturni arbeiten, weil es niemanden stört, wenn der Restmüll oder das
Altpapier draußen in der Tonne liegen und
zwei oder vier Wochen lang darauf warten,
abgefahren zu werden. Das ist bei Behältern kein Problem, sondern das ist nur bei
Säcken ein Problem.
Wenn man bei Behältern in einem angepassten Turnus fahren kann, dann ist die
Abfuhr günstiger. Es trifft nämlich nicht zu,
dass die Sackabfuhr per se günstiger ist;
denn bei der Sackabfuhr muss man jede
Woche einmal fahren.
Eine Behälterabfuhr im angepassten Turnus ist günstiger - wenn man mit Seitenladern fahren kann, ohnehin.
Eine Sammlung von Restabfall, Bioabfall
und Papier mit Säcken ist unter Gesundheitsschutzgesichtspunkten wirklich etwas
Blödes.
(Beifall)
Das Thema Lastenhandhabung haben Sie
ein bisschen dadurch entschärft, dass Sie
diese Minisäcke zur Verfügung stellen.
Aber es ist auch keine richtig gute Lösung,
den Müll zwanzigliterweise abzufahren,
wenn man auch Behälter hat, in die 120
Liter hineinpassen.
Die Sackbeschaffung ist ein relevanter
Kostenfaktor, insbesondere wenn es eine
Zweckentfremdung von gebührenfreien
Säcken gibt. Von den Papiersäcken
kommt wahrscheinlich nur jeder zweite
irgendwann einmal in der Sammlung an.
Das liegt daran, dass sie beispielsweise
so wunderbar zum Abdecken von Dächern - unter den Ziegeln - eingesetzt
werden können. Sie sind auf die Dauer
nicht billig. Das kostet richtig Geld.
Beim nächsten Spiegelstrich sehen Sie:
Auch der Materialaufwand ist durchaus
beträchtlich.
Ein 120-Liter-MGB wiegt 12 kg. Das sind
500 Säcke á 20 Liter, also der Verbrauch
von drei Personen in drei Jahren. Nach
drei Jahren hat man den Behälter ökologisch sozusagen abgeschrieben, und für
die weitere Zeit gibt es keinen zusätzlichen Kunststoffverbrauch mehr.
Schließlich die beiden letzten Punkte:
Sacknutzung ist nicht komfortabel. Es
kann niemand behaupten, dass es Spaß
macht, Kartons oder Grünabfälle in einen
Plastiksack hineinzustopfen. Das geht
einfach nicht gut.
Die Verwehungen der Säcke und die Beschädigungen durch Vögel usw. sind auch
Argumente, die einfach dagegen sprechen.
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Aus gutem Grund haben also 99 % der
Bundesbürger eine Behälterabfuhr und
keine Sackabfuhr mehr.
(Beifall)
Jetzt habe ich meine zehn Minuten wahrscheinlich fast schon verbraucht.
Optimierungsmöglichkeiten: Wie gesagt,
zeitlich limitierte Übergangsphase. Danach
besteht die Möglichkeit, Einsparpotenziale
zu prüfen.
Ich empfehle Ihnen auch: Schauen Sie
einmal, ob es wirklich nötig ist, im gesamten Gebiet immer mit Vollservice, also mit
dem Hol- und Bringservice bei den Behältern, zu fahren, oder ob man nicht durchaus auf freiwilliger Basis oder wie auch
immer auf Benutzertransport umstellen
kann, was dann zu entsprechend niedrigeren Gebühren führen würde.
Zum Mindestbehältervolumen eigentlich
nur zwei Thesen.
In der Satzung steht ein Standardvolumen
von 20 Litern. Das entspricht dem IstVolumen im Umland und ist gegenüber
dem, was für die Stadt gilt, nur die Hälfte.
In der Stadt wird normalerweise ein Volumen von 40 Litern verwendet.
Ein Mindestbehältervolumen von 10 Litern
pro Einwohner und Woche liegt ausreichend weit unter der realen mittleren Benutzung im Umland und erst recht unter
der Benutzung in der Stadt.
Ich zeige Ihnen ein Beispiel. Das ist jetzt
eine richtig schöne ingenieurmäßige Darstellung, eine Kurve, die in Prozenten
zeigt, wie viel Liter pro Einwohner und
Woche verwendet werden. Sie sehen, bei
50 % der Nutzer liegen die Kurven bei
ungefähr 10 Litern. Dort, in diesem Gebiet,
haben etwa 50 % 10 Liter pro Einwohner
und Woche verwendet. Aber das heißt
auch, 50 % haben weniger als 10 Liter pro
Einwohner und Woche verwendet. Da ist
es sinnvoll, über ein niedrigeres Mindestvolumen nachzudenken.
Im Umland sind es 20 Liter und im Stadtgebiet 40 Liter. Dann seien Sie doch mit
dem Mindestvolumen von 10 Litern erst
einmal ganz froh und glücklich! Wenn Sie
zukünftig alle so viel gespart haben, dass
Sie sich im Mittel an 15 Liter herangearbeitet haben, kann man immer noch darüber nachdenken, ob man das Mindestbehältervolumen mit einem gewissen Abstand weiter heruntersetzt.
Bioabfall: Ich habe vorhin gehört, dass im
Umland so wunderbar getrennt wird. In der
Region gibt es überhaupt ganz wenig Bioabfall. In der Stadt sind es ungefähr 5 Liter
Bioabfall pro Einwohner und Woche.
In Osnabrück und Oldenburg sind es 9 bis
10 Liter pro Einwohner und Woche, in
Braunschweig 6 Liter - um andere Großstädte aus Niedersachsen zu nennen.
Richtig viel ist das also nicht. Im Umland
ist es tatsächlich wenig. 2012 waren es
dort noch 2,2 Liter Bioabfall pro Einwohner
und Woche; jetzt sind es nur noch 1,8 Liter
pro Einwohner und Woche.
Ich verfüge über die Daten des bundesweit einzigen anderen Landkreises, der
auch mit Sackabfuhr arbeitet, nämlich des
Landkreises Leer. Dort sind es immerhin
3 Liter pro Einwohner und Woche, also
fast das Doppelte von dem, was hier im
Umland zu verzeichnen ist. Bei einer Behälterabfuhr sind es in Landkreisen normalerweise 9 bis 13 Liter pro Einwohner
und Woche.
Ich gehe also davon aus, dass die Menge
erheblich steigen kann, wenn Sie eines
Tages im Umland auf die Biotonne umsteigen; aber erst dann, nicht mit den Säcken.
Über das nächste Bild gehe ich hinweg;
denn das ist völlig unstreitig.
Nun will ich noch auf das Ident-System
eingehen.
An mehreren Stellen haben wir heute
Abend gehört, was der Vorteil des IdentSystems ist. Ich rede erst einmal nur von
einer Zählung der Leerungen, keiner Verwiegung. Nur sehr wenige arbeiten mit
einer Verwiegung. Das liegt daran, dass
sie sehr teuer ist. Allein die Fahrzeugausstattung für die Verwiegung kostet
35 000 Euro.
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Das Ident-System funktioniert so, dass der
Abfallbesitzer durch Bereitstellung über
das Ausmaß der Benutzung entscheidet.
Stellt er seine Tonne am Vorabend des
Abfuhrtages hinaus, dann wird sie geleert,
und das kostet ihn dann 2, 3, 4 oder
5 Euro, je nachdem, was der Gebührensatz hergibt.
Stelle ich die Tonne nur sehr selten hinaus, weil ich ganz toll gespart und immer
Wertstoffsammelsysteme verwendet habe,
dann profitiere ich als Eigenheim- oder
Grundstücksbesitzer davon. Wenn aber
sehr viele Leute auf einem Grundstück
wohnen - Herr Klippel hatte es auf einer
Folie dargestellt -, dann funktioniert das
nicht mehr. Denn es gibt keinen, der darüber entscheidet, ob die Tonne hinausgestellt wird oder nicht, und es gibt einen
geteilten Nutzen, was heißt, dass sich derjenige, der nur sehr wenig Müll bereitstellt,
immer ärgert, weil der, der dieselbe Tonne
mitbenutzt, es selber jedoch ganz anders
handhabt, von der Sparsamkeit anderer
profitiert.
Im Stadtgebiet gibt es zu 75 % Vierradbehälter, also diese großen Container mit
mindestens 770 Litern, wenn nicht 1,1 m3
Volumen, an denen eine ganze Reihe von
Haushaltungen hängt. Im Umland sind es
nur 60 % Volumen aus Vierradbehältern.
Das heißt, es sind einfach nicht die Voraussetzungen gegeben, um ein IdentSystem zu fahren.
Der Vollservice kommt hinzu. In der
Stadt - Herr Reuter hat es vorhin dargestellt - wird der Behälter vom Grundstück
geholt. Wie wollen Sie denn signalisieren,
ob Sie den Behälter bereitstellen wollen
oder nicht? - Da muss man sich etwas
ausdenken, vielleicht etwas anhängen,
was aber abfallen kann. Das ist, meine
ich, praktisch nicht gut möglich.
Mir ist bewusst, dass die Stadt Dresden
ein Ident-System hat. Wie sie es hinkriegt,
weiß ich leider nicht im Detail. Aber ansonsten kenne ich eigentlich nur Landkreise mit der typischen Einfamilienhausstruktur, in denen ein Ident-System gut läuft.
Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Ganz herzlichen Dank. Das war ein deutliches Plädoyer.
Wir kommen jetzt zur Anhörung der letzten
Expertin. - Heute sind wir deutlich unterqoutiert, wie ich sagen muss: zwei Expertinnen bei insgesamt acht Personen,
die zu Wort kommen. - Schön, dass Sie
bei uns sind!
Frau Katrin Jänicke ist jetzt an der Reihe.
Sie ist von der Regionsverwaltung benannt. Sie arbeitet in Berlin in einer Kanzlei mit einem ganz schrecklichen Namen:
Gaßner, Groth, Siederer & Collegen. Wahrscheinlich deswegen kürzt sie sich
immer mit GGSC ab, wie ich gelernt habe.
- Jurastudium, Referendariat in Berlin und
andere Sachen. Sie ist innerhalb dieser
Kanzlei Expertin für Abfallrecht und Abfallwirtschaft, und wir hören ihr jetzt zu.
Herzlich willkommen!
Katrin Jänicke
Gaßner, Groth, Siederer & Collegen,
Berlin
Vielen Dank. - Guten Abend, meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr,
Ihnen meine Thesen zum Abfallgebührensystem in Hannover vorstellen zu können.
Dabei werde ich auch auf vieles eingehen,
was schon gesagt wurde. Ausgehend von
den Aussagen des OVG Lüneburg, werde
ich die wesentlichen Thesen darstellen.
Die Sackabfuhr ist aus meiner Sicht eine
Weichenstellung in Ihrem gesamten Abfallgebührensystem. Es ist sehr wichtig, zu
verstehen, dass durch die Sackabfuhr die
Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Gebührensystems schlicht beschränkt sind.
Ferner möchte ich auf einige andere Dinge
eingehen, die heute schon angesprochen
worden sind - das Mindestbehältervolumen, die Mindestgebühr, die Grundgebühr, die Sperrmüllentsorgung -, um dann
zum Fazit zu kommen.
Zunächst zu den wesentlichen Aussagen
des OVG. Dazu haben wir heute schon
eine Menge gehört. Der oberste Grund-
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satz lautet: Die Ausgestaltung des Abfallgebührensystems ist eine echte politische
Entscheidung. Dies folgt aus Artikel 28
des Grundgesetzes.
Es ist also eine politische Entscheidung,
wie Ihr Gebührensystem aussehen soll.
Allerdings folgen aus den Urteilen des
OVG einige wesentliche Beschränkungen.
Innerhalb der einheitlichen Einrichtung
Abfallentsorgung müssen einheitliche Abfallgebühren erhoben werden. Das bedeutet: keine Differenzierung zwischen Sack
und Tonne. Die vorhin gestellte Frage gestellt, warum wir es nicht wieder wie vorher machen können, beantwortet sich damit: Es geht nicht.
Das OVG hat entschieden: einheitliche
Gebühren. Es hat dies aus dem Gleichheitsgrundsatz hergeleitet. Deshalb ginge
es übrigens auch nicht bei den privatrechtlichen Entgelten. Denn bei der Erhebung
privatrechtlicher Entgelte wird der Gleichheitsgrundsatz über das BGB in die Erhebung hineingespiegelt. Deswegen ist es
schlicht auch beim privatrechtlichen Entgelt nicht möglich, wieder zwischen Sack
und Tonne zu differenzieren, jedenfalls
nicht, solange das Landesrecht so ist, wie
es ist. Das OVG ist die letzte Instanz. Das
heißt, Sie kommen mit dieser Frage, weil
es um eine Ableitung aus dem Landesrecht und nicht um eine Ableitung aus dem
Bundesrecht geht, nicht zum Bundesverwaltungsgericht gehen, sodass auch nicht
noch jemand anderes entscheiden könnte.
Ein anderer Grundsatz lautet, dass die
grundstücks- oder wohnungsbezogene
Grundgebühr nicht mehr als 30 % betragen darf. Auch das ist ein wesentlicher
Grundsatz in der Ausgestaltung des Gebührensystems, weil die Grundgebühr auf
eine niedrige Höhe begrenzt wird, weshalb
es notwendig wird, dass, wenn Sie am
Sacksystem festhalten, die Abfallsäcke
einen bestimmten Betrag kosten müssen.
Ob Sie das Sacksystem beibehalten, liegt
hingegen in Ihrem Ermessen.
Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem die 10 Liter bestätigt.
Die Sacksammlung gibt eine wesentliche
Weichenstellung für die Ausgestaltung des
Gebührensystems vor. Für die Sacksammlung im Umland und die Behältersammlung müssen einheitliche Gebühren
erhoben werden, weil es sich nach der
Rechtsprechung eben nicht um Teilleistungsbereiche handelt, wie ich eben ausgeführt habe. Zudem müssen für die Behältersammlung und die Sacksammlung
einheitliche Bedingungen für die Inanspruchnahme geschaffen werden. Das
heißt, es müssen nicht nur gleiche Gebühren gelten, sondern auch alles andere
muss im Wesentlichen einheitlich geregelt
sein.
Eine Abschaffung der Säcke wäre sicherlich unproblematisch möglich, zumindest
rechtlich gesehen. Der Vorteil wäre die
vereinfachte Ausgabe des Behältervolumens. Sie bräuchten keine Gutscheine zu
versenden. Wie gesagt: Es liegt in Ihrem
politischen Ermessen, ob Sie dies beibehalten wollen oder nicht. Aber wenn Sie es
beibehalten, sind Sie an die dargestellten
Grundsätze gebunden.
Wofür sind diese Grundsätze weiter wesentlich? Zum einen für das Mindestbehältervolumen. Sie geben ein Mindestbehältervolumen vor, derzeit von 10 Litern pro
Person und Woche. Das ist rechtlich anerkannt. Das OVG hat das „abgenickt“. Das
ist in Ordnung. Es gibt Landkreise, die
kein Behältervolumen vorgeben. Das ist
aber meistens in - ich sage einmal - sehr
friedlichen, sehr ländlich strukturierten
Landkreisen der Fall. In Großstädten ist es
eher Usus, dass Mindestbehältervolumen
vorgegeben werden. Sie haben vorhin von
den anderen Sachverständigen dazu Ausführungen gehört.
Ein weiterer Bestandteil aufgrund der
OVG-Rechtsprechung ist: Das Mindestbehältervolumen muss in der gesamten Region einheitlich vorgegeben werden. Sie
können dabei nicht zwischen Sack- und
Behälterabfuhr differenzieren. Das stellt
also eine weitere Prämisse dar.
Im Fall der Behälterabfuhr wird das Mindestbehältervolumen zugewiesen, indem
schlicht ein Behälter aufgestellt wird.
Wenn Sie aber auch bei der Sackabfuhr
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ein Mindestbehältervolumen vorgeben
wollen, dann müssen Sie auch dafür Behältervolumen zuweisen. Damit sind wir
bei den Gutscheinen. Die kamen heute
noch gar nicht zur Sprache. Wie ich es
mitbekommen habe, ist das ein Thema,
das nicht besonders beliebt ist. Niemand
hängt an diesen Gutscheinen. Wenn es
aber ein Mindestbehältervolumen gibt und
wenn laut OVG einheitlich ausgestaltet
werden muss, dann müssen Sie auch
Gutscheine versenden.
Gibt es Alternativen zu Gutscheinen? Dazu kann man flapsig sagen: Ja, klar. Wenn
umgestellt ist, kann der, der keine Gutscheine will, einen Behälter bestellen. Das ist die eine Lösung.
Natürlich gibt es auch viele andere Systeme, die denkbar wären, elektronisch gestützte Systeme, mit denen man im Laden
erfasst, wer welche Abfallsäcke gekauft
hat. Aber ich glaube keine Minute, dass
das weniger aufwendig würde als das jetzige Gutscheinsystem.
Gibt es einen weiteren Weg, wie man um
die relativ aufwendige Versendung der
Gutscheine herumkommen könnte? Ja,
man könnte auf ein Mindestbehältervolumen vollständig verzichten. Das wäre
möglich. Es gibt auch Landkreise - Herr
Mäurer hat es ausgeführt - wie Celle, in
denen kein Mindestbehältervolumen vorgegeben wird. Das ist aber nicht die Regel, wie man auch sagen muss. Bundesweit ist es absolut nicht die Regel, kein
Mindestbehältervolumen vorzugeben.
Man muss außerdem sagen: Auch hier
setzt das Sacksystem wieder eine Prämisse. Bei dem Behältersystem haben Sie
nämlich die Möglichkeit, einen Behälter
zuzuweisen, wenn auf einem Grundstück
noch keiner vorhanden ist. Bei der Sacksammlung können Sie das nicht. Denn
wenn die Abfallsäcke nur im Einzelhandel
erworben werden, können Sie nicht nachprüfen, ob jemand überhaupt einen Abfallsack gekauft hat, ob also eine Mindestinanspruchnahmemöglichkeit auch für Mieter - es gibt ja nicht nur Eigentümer - gegeben ist oder nicht. Auch hier setzt die
Sacksammlung also eine Prämisse.
Wenn Sie kein Mindestbehältervolumen
vorgeben, haben Sie das Problem wilder
Ablagerungen. Vorhin wurde gesagt, das
entspreche der Lebenswirklichkeit. Ich
kann nur bestätigen: Ja, es entspricht der
Lebenswirklichkeit, dass wilde Ablagerungen steigen, wenn auf Mindestbehältervolumen verzichtet wird.
Ich habe einen Mandanten, der zunächst
auf die Vorgabe von Mindestentleerungen
im Ident-System verzichtet hatte. Er hat
dann drei Mindestentleerungen pro Jahr
eingeführt und seitdem bei 270 000 Einwohnern 1 000 t Abfall weniger im Wald,
und zwar jedes Jahr. Ein gewisses Mindestbehältervolumen ist also durchaus
sinnvoll.
Mindestgebühr und Ident-System: Dazu
wurde schon viel gesagt. Zumindest bei
der Kombination von Sack- und Behältersammlung bringt Ihnen das nicht viel. Ein
Ident-System ist sicherlich ein gutes System. Es wird bundesweit häufig genutzt.
Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen.
Aber einen Chip an Säcken gibt es nicht.
Von daher nutzt es für das Übereinbringen
von Sack- und Behältersammlung nicht
viel.
Jetzt komme ich zur Grundgebühr. Mit der
Grundgebühr werden die sogenannten
Fixkosten und Vorhaltekosten abgegolten.
Das darf dort hinein. Im § 12 Abs. 6 des
Niedersächsischen Abfallgesetzes steht,
dass diese Kosten auf 50 % begrenzt sind.
Das OVG hat diesen Wortlaut eingeschränkt und gesagt, dass die Grundgebühr, wenn sie grundstücks- oder wohnungsbezogen erhoben wird, auf 30 %
begrenzt ist.
Die Kombination von Grundstücks- und
Wohnungsgebühr hat das OVG verworfen.
Sie dürfen aber alle anderen Gebührenmaßstäbe verwenden. Der Wohnungsmaßstab - so nehme ich das wahr - ist bei
Ihnen mittlerweile relativ anerkannt. Sie
dürften laut OVG auch einen reinen
Grundstücksmaßstab verwenden. Der Behältermaßstab würde Ihnen hier nichts
nützen, und zwar auch wieder wegen der
Sacksammlung. Denn woran sollten Sie
anknüpften, vor allem dann, wenn Säcke
im Laden erworben würden? Bei dem Sys-
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tem scheidet also ein Behältermaßstab
schlicht aus.
Über den Einwohnermaßstab könnte man
natürlich nachdenken, auch wenn bei der
Abrechnung, wie es vorhin dargestellt wurde, ein sehr großer Mehraufwand entstünde. Sie könnten dann in die Grundgebühr
einen höheren Betrag einstellen, aber ich
bezweifele sehr, dass Sie auch dann in die
Nähe einer Gebühr kämen, bei der die
Leute die Abfallsäcke im Laden kaufen
würden.
Schließlich hat der Einwohnermaßstab für
Familien eher Nachteile.
Wie gesagt, habe ich der bisherigen Diskussion auch entnommen, dass mit dem
Wohnungsmaßstab eine große Zufriedenheit besteht.
Nur ganz kurz: Gebühren für Sperrmüllentsorgung, Wertstoffhöfe können Sie erheben. Das ist Ihre politische Entscheidung. Dies treibt die Kosten sicherlich etwas in die Höhe, ist aber verursachergerecht, ist gar kein Problem.
Schließlich komme ich zu einem Fazit:
Das derzeitige Gebührensystem ist
rechtssicher. Mein Vorredner, Herr David,
hat zwar sicherlich recht, dass das Gericht
nicht sämtliche Halbsätze in der Satzung
unter die Lupe genommen hat; aber die
wesentlichen Streitfragen sind ausgeurteilt, und damit ist das ein Rahmen, innerhalb dessen sich aha rechtssicher bewegen kann.
Die Sacksammlung stellt, wie gesagt, in
rechtlicher Hinsicht wesentliche Weichen
für die Ausgestaltung des Gebührensystems.
Erfassung des den Grundstücken zugeordneten Behältervolumens. Das wird derzeit durch die Ausgabe von Gutscheinen
gewährleistet. Wenn die Sacksammlung
beibehalten wird und wenn es bei einem
Mindestbehältervolumen bleiben soll, dann
sind dazu nicht viele Alternativen erkennbar.
Schließlich: Der Wohnungsmaßstab zur
Berechnung der Grundgebühr begegnet
keinen Bedenken.
Ich möchte zum Schluss noch etwas zu
den privatrechtlicher Entgelten sagen.
Von der Erhebung privatrechtlicher Entgelte halte ich nichts. Das machen zwar
Kommunen. Den Landkreis Diepholz kenne ich recht gut. - Ja, es ist ein Flächenlandkreis. Er ist sehr friedlich ausgestaltet.
Der macht das. Auch die Berliner machen
das. Dort heißt es: Tarife sind im Landesrecht geregelt, sie sind aber rechtlich als
privatrechtliche Entgelte einzuordnen. Es
ist jedoch so - auch das hat der Kollege
ausgeführt -, dass die wesentlichen
Grundsätze auch bei der Erhebung privatrechtlicher Entgelte Anwendung finden
und dann in das Privatrecht sozusagen
hineingespiegelt werden, d. h. man kann
sich von den Bindungen des Kommunalabgabenrechts nicht einfach befreien. Das
sind zwar nur die allgemeinen Grundsätze,
aber es ist eben der Gleichheitsgrundsatz,
der auch vom OVG angeführt wurde.
Es gibt ferner den Grundsatz: „Keine
Flucht in das Privatrecht!“ Das wäre hier,
bei mehr als 7 000 Klagen, auch der erste
Vorwurf: Umgestellt wird ja nur, um die
verwaltungsgerichtliche Kontrolle loszuwerden. - Ich kann mir, ehrlich gesagt,
nicht vorstellen, dass das auf große Zustimmung stoßen würde.
Das Mindestbehältervolumen von 10 Litern pro Person und Woche wurde vom
OVG Lüneburg anerkannt.
Vielen Dank.
Die Vorgabe eines Mindestbehältervolumens ist insbesondere zur Verhinderung
illegaler Abfallentsorgung zu empfehlen.
Conrad von Meding:
Ganz herzlichen Dank, Frau Jänicke. Damit befinden wir uns auch schon voll in
der Diskussion. Ganz herzlichen Dank
dafür, dass Sie sie gleich eröffnet haben.
Bei der Sacksammlung erfordert die Vorgabe eines Mindestbehältervolumens die
(Beifall)
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Ich möchte alle acht Experten, die eben zu
uns gesprochen haben, sowie Herrn Professor Dr. Priebs, den Ersten Regionsrat,
und Herrn Reuter als den Leiter der Abfallwirtschaft auf das Podium bitten. - Damit haben wir geballtes Know-how auf
dem Podium.
Fragen aus dem Abfallausschuss
der Region Hannover
Jetzt ist es etwa 19 Uhr. Das heißt, uns
stehen noch rund 50 Minuten für die Diskussion zur Verfügung. Ich möchte versuchen, die Diskussion zu teilen. Die Fragesteller sollten ihre Fragen kurz halten und
keine politischen Statements in langer
Form abgeben. Dafür sind später die Regionsversammlung und die Ausschüsse
da. Das meine ich nicht abwertend, sondern es geht darum, das Know-how zu
nutzen, das hier auf dem Podium vertreten
ist, und kurze Fragen zu stellen, um in die
Diskussion einzusteigen.
Ring frei! Wer möchte als Erster? - Herr
Böning hat sich als Erster gemeldet, danach Herr Fleischmann.
Jens Böning:
Vielen Dank. - Ich möchte mich vorstellen.
Mein Name ist Jens Böning von der Fraktion DIE HANNOVERANER, der sechsten
Fraktion in der Regionsversammlung übrigens. Es gibt sechs und nicht fünf Fraktionen.
Ich habe eine Frage an Herrn Mäurer.
Herr Tiebel, Sie haben vorhin kurz gesagt,
dass das Ident-System in der Region nicht
möglich ist, weil dann, wenn es mehrere
Wohneinheiten gibt, der Entscheider fehlt,
und gemeint, dass das eigentlich ein System ist, das eher im ländlichen Bereich
möglich ist.
Jetzt die Frage an Herrn Mäurer: Ich meine, solche „Probleme“ gibt es doch in Celle genauso. Auch dort hat man es doch
mit mehreren Wohneinheiten zu tun, und
Celle ist kein ländlicher Bereich. Vielleicht
könnten Sie einmal kurz sagen, wie das in
Celle funktioniert, ob Sie nicht auch dort
ähnliche Probleme haben und wie Sie diese Probleme lösen. - Das war es. Danke.
Conrad von Meding:
Danke schön. - Ich mache gleich weiter.
Wir sammeln ein paar Fragen und kommen dann zur Beantwortung. - Herr
Fleischmann!
Michael Fleischmann:
Michael Fleischmann, Gruppe LINKE &
PIRATEN. Wir haben Herrn Mäurer als
Sachverständigen für die heutige Veranstaltung nominiert.
Ich habe zwei Fragen.
Meine erste Frage richtet sich an Herrn
Tiebel und knüpft an die meines Vorredners an. - Herr Tiebel, Sie haben gesagt,
das Ident-System, also das Tonnen-ChipSystem, sei quasi nur auf dem Lande einsetzbar; in den Städten gebe es damit
massive Probleme. Darum frage ich Sie:
Wie kann es sein, dass das Chip-System
nicht nur in Celle und Dresden, sondern
auch in Bremen und Gießen eingesetzt
wird, und überall zur vollsten Zufriedenheit
der Kundinnen und Kunden? Ich erwarte
von Ihnen eine Antwort darauf.
Die zweite Frage geht an den Sachverständigen, den die Grünen benannt haben, Herrn Löhle. - Herr Löhle, Sie sagten,
dass man auf 10 Liter Restmüll pro Person
und Woche - das ist die Zwangsabnahmemenge, die momentan aha und die
Regionsversammlung mit den Mehrheiten
festgelegt haben - nur bei strikter Wertmülltrennung komme. Ich beispielsweise
komme auf 10 Liter Restmüll in ungefähr
drei Monaten, und ich kenne viele andere
Menschen, die sehr sauber trennen und
ebenfalls viel weniger Restmüll produzieren, als Sie hier vorgegeben haben.
(Beifall)
Deshalb die Frage an Sie: Wie kommen
Sie zu einer solchen Äußerung, zumal es
gerade auch im Sinne der Grünen sein
müsste, dass die Zwangsabnahmemenge
möglichst niedrig ist oder sogar wegfällt,
damit ein Anreiz zur Müllvermeidung besteht? - Ich selber war früher einmal Mitglied bei den Grünen. Damals war dort
Müllvermeidung ein ganz großes Thema.
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Conrad von Meding:
Ganz herzlichen Dank. - Wir machen das
jetzt so: Wir lassen maximal zwei Fragen
pro Person zu, damit alle drankommen. Bitte!
Wolfgang Toboldt:
Mein Name ist Wolfgang Toboldt. Ich bin
Mitglied der SPD-Fraktion in der Regionsversammlung. Eigentlich habe ich drei
Fragen, aber ich halte sie ganz kurz. Sie
richten sich an Herrn Mäurer.
Erstens. Herr Mäurer, welche Leistungen
haben Sie uns jetzt nicht mitgeteilt, die im
Landkreis Celle kostenpflichtig sind, z. B.
Sperrmüll, Grünabfall und Bauschutt?
Wenn man auf den Recyclinghof fährt,
bezahlt man mindestens 3 Euro, beim
Sperrmüll beträgt die Mindestgebühr
6 Euro, beim Bauschutt 2,70 Euro, und
das geht hin bis zu 100 Euro pro Tonne.
Auch das hat letzten Endes Einfluss auf
die Restmüllgebühr.
Meine zweite Frage hat eigentlich Frau
Jänicke schon gestellt. Wie wollen Sie den
Datenträger beim Ident-System am Sack
anbringen? - Das heißt, ein Ident-System
wäre der Tod des Sackes, den ja viele im
Umland behalten möchten.
Meine dritte Frage bezieht sich auf die
Gebühren. Bei 40 Litern betragen diese
Gebühren 2,88 Euro, sechs Leerungen
sind bei 40 Litern kostenfrei in der Grundgebühr enthalten. Damit zahlt jemand, der
40 Liter entsorgt, im Jahr 17,28 Euro an
volumenabhängiger Gebühr. Der Grundgebührenanteil beträgt aber 76 Euro und
ein paar Zerquetschte. Das sind etwa
78 %, während die volumenabhängige
Gebühr nur 22 % ausmacht. Das OVG hat
aber andere Werte vorgegeben. Von daher: Wie halten Sie diese Werte ein?
Conrad von Meding:
Prima, wir starten durch. - Herr Mäurer,
Sie stehen im Fokus. Aber auch die anderen kommen gleich auch noch dran.
Henry Mäurer:
Ich will versuchen, die Fragen abzuarbeiten.
Zunächst zur Frage der Siedlungsstruktur:
Auch wir im Bereich des Zweckverbandes
Celle haben natürlich ländliche Regionen
und verdichtete Wohnbebauung. In der
Stadt Celle gibt es auch Blockbebauung;
sie gibt es in der Stadt Bergen.
Conrad von Meding:
Ganz kurz dazwischen: Wir haben gesehen: in der Stadt Hannover sind es 75 %
mit vier Rollen, im Umland 60 %. - Ich
glaube, die Zahlen sind ungefähr richtig. Haben Sie ungefähre Zahlen auch für Celle, damit man ein Verhältnis bekommt?
Vielleicht 10 % mit vier Rollen?
Henry Mäurer:
Wenn ich es richtig gesehen habe, waren
das volumenbezogene Zahlen und nicht
anzahlbezogene Zahlen.
Conrad von Meding:
Volumenbezogen, ja klar.
Henry Mäurer:
Volumenbezogen.
Dr. Christoph Tiebel:
75 % des Volumens in der Stadt.
Henry Mäurer:
Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Die
volumenaufkommensstärksten
Behälter
sind die vierrädrigen Behälter. Sie sind
zwar von der Anzahl deutlich weniger als
die kleineren, aber wenn es volumenbezogen ist, liegen wir dort auch nicht unter
50 %.
Ich will es erklären: Wenn der Grundstückseigentümer entscheidet - das ist bei
uns der Grundsatz -, bindet er die Bewohner eines Hauses ein. Für alle theoretisch
denkbaren Möglichkeiten - von einem großen Behälter pro Haus bis hin zu dem anderen Extrem, einem eigenen Behälter für
jede Wohneinheit - gibt es etwas. Jede
denkbar Kombination - eine Wohnung hat
einen Behälter für sich alleine, zwei Wohnungen teilen sich einen Behälter, drei
Wohnungen teilen sich einen Behälter sind bei uns möglich. Der Vorteil ist: Die
Zufriedenheit ist dort groß, wo es genau
den Wünschen der Bewohner entsprechend funktioniert.
Seite 42 von 57
Ich will nicht verhehlen, dass es auch
Wohnungsbaugesellschaften gibt, die sagen: Wir möchten diese Vielzahl von Behältern nicht haben; wir stellen die Großbehälter auf und verteilen die Kosten. Aber das ist dann eine Frage, die letztendlich auf dem Grundstück, in der Hausgemeinschaft, zwischen Mietern und Vermietern, geregelt wird.
Ich kann nur sagen: Das funktioniert. Wir
machen es ja seit 1993. Konflikte treten
zwar ab und zu einmal auf, aber wir reagieren darauf mit Beratung. Damit haben
wir bis jetzt eigentlich alle Konflikte lösen
können.
Weitere Gebühren. Selbstverständlich gibt
es in unserem Gebührensystem weitere
Gebühren. Die Abholung von Sperrmüll
kann aus meiner Sicht nicht unentgeltlich
sein. Wir nehmen dafür in einem Abrufsystem 15 Euro pro Abholung. Das ist aber
ein
reiner
Steuerungsgebührensatz.
15 Euro sind niemals kostendeckend. Sie
reichen nicht einmal bis zum Einstecken
des Zündschlüssels in das Fahrzeug. Darüber muss man sich klar sein. Das ist ein
reiner Steuerungsgebührensatz, der dazu
dient, den Umgang mit der Sperrmüllabfuhr etwas bewusster zu machen. Und das
funktioniert. Das machen wir auch schon
seit 20 Jahren so.
Datenträger am Abfallsack. Na ja, das war
wahrscheinlich eine etwas ironische Bemerkung von Frau Jänicke. Natürlich kann
man an einem Abfallsack keinen Datenträger in dem Sinne befestigen, wie wir es
von der Tonne her kennen. Aber auch wir
haben einzelne Grundstücke, bei denen
die Leute über einen Sack angeschlossen
sind. Sie zahlen genau dieselbe Grundgebühr. Für die 240 Liter bekommen sie vier
Säcke á 60 Liter, und dann haben sie ihr
Mindestvolumen, ihre Mindestbenutzung,
und damit ist das Thema für uns durch.
Jeder weitere Sack, der benötigt wird,
muss zu dem vorgestellten Gebührensatz
erworben werden. Dieser Gebührensatz
liegt ziemlich exakt bei dem Preis für die
Leerung einer gleich großen Tonne.
Conrad von Meding:
Der letzte Punkt war das Verhältnis von
Grundgebühr zu Leerungskosten.
Henry Mäurer:
So, wie Sie es rechnen, hat das OVG es
nicht gesagt; darauf muss man ganz klar
hinweisen. Vielmehr ist Bezug genommen
worden auf das Gesamtvolumen des Gebührenhaushalts. Wenn Sie das auf eine
einzelne Tonne herunterbrechen, passt
das nicht mit den 30 %. Aber wenn Sie so
bemessen, wie es das OVG vorgegeben
hat, dass nämlich das, was über die
Grundgebühren eingebracht wird, maximal
30 % des Gesamtgebührenaufkommens
betragen darf, dann passt das bei uns.
Das sind nämlich nach der Kalkulation
exakt 29,8 %. Wir liegen mit unserer Gebühr sogar inklusive der Mindestnutzungsgebühr für 240 Liter, also bei dem
Gesamtaufkommen aus den 76,65 Euro,
bei 29,8 %.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Sie dürfen jederzeit klatschen. - Geben
Sie das Mikrofon bitte nach rechts weiter! Die Fragestellung: Hamburg, Dresden,
Gießen.
Dr. Christoph Tiebel:
Gießen kenne ich, ehrlich gesagt, nicht.
Bremen hat ein Ident-System nur für die
Zweiradgefäße, also nur für 60 bis
240 Liter. Die 1,1er laufen nicht über das
Ident-System.
Ich habe vorhin nicht gesagt, dass Sie
massive Probleme bekommen, sondern
ich habe gesagt: Es ist nicht sinnvoll.
Die Praxis sieht normalerweise so aus:
Der Vierradbehälter wird weiterhin turnusmäßig hinausausgestellt, jede Woche,
alle 14 Tage, je nachdem, was dort der
Fall ist. Das heißt, die Benutzer, die an
dieser Abfuhr hängen, haben normalerweise nichts vom Ident-System. Die Einzigen, die etwas vom Ident-System haben,
sind die Bewohner von Einfamilienhäusern.
Ich kenne viele Landkreise, in denen der
Anteil der Vierradbehälter um oder bei
10 % liegt. Sprich: Ein Anteil von 90 %
läuft über die zweirädrigen Behälter, an
denen ein oder maximal zwei Haushalte
hängen. Dort ist das sinnvoll, dort kann
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man die 10 % sozusagen verschmerzen.
Aber hier ist es anders herum: Die Mehrzahl - nicht nur in der Stadt, sondern auch
im Umland - läuft über die großen Gefäße,
und die werden in der Praxis vom IdentSystem nichts haben. - Klammer auf: Die
müssen es aber mitbezahlen; denn die
Leute, die selber darüber entscheiden
können, ob sie Zweiradbehälter hinausstellen oder nicht, werden das natürlich in
Anspruch nehmen und damit ihre persönliche Müllgebühr reduzieren, wohingegen
die Leute, die in der Stadt oder im Mehrfamilienhausbereich wohnen, weiterhin
ihre Standardgebühr bezahlen müssen. Das halte ich angesichts der regionalen
Verhältnisse in der Region Hannover für
kein gutes Modell.
Conrad von Meding:
Das ist eine politische Setzung. Das sollen
die entscheiden, die wir dafür gewählt haben. Aber klare Frage, klare Antwort!
Sie dürfen das Mikrofon weitergeben. Herr
Löhle hat aber auch ein eigenes Mikrofon.
- Wieso haben Sie als von den Grünen
Benannter so viel mehr Restmüll als ein
Ex-Grüner?
Dr. Stephan Löhle:
Das ist sehr provokant gefragt.
Herr Tiebel hat Ihnen die Zahlen der
durchschnittlichen Volumen in der Region,
im Umland und in der Stadt, vorgestellt.
Die 10 Liter - vielleicht habe ich mich
missverständlich ausgedrückt - können
Sie erreichen, wenn Sie intensiv vermeiden und trennen. Wenn Sie persönlich
noch deutlich darunterliegen, finde ich das
sehr gut, und das finden auch die Grünen
sicherlich sehr gut. Denn das heißt, dass
Sie ein aufgeklärter Bürger sind und bewusst mit Ihren Sachen umgehen.
Aber wir brauchen ein Mindestvolumen,
um keine falschen Anreize zu setzen. Ein
Absenken des Mindestvolumens führt vielleicht dazu, dass es missbräuchlich verwendet wird. Wenn man sich überlegt,
dass parallel an einige Haushaltungen
kostenfreie Tonnen zur Wertstofferfassung
gegeben werden, ist die Versuchung vielleicht groß, dort Restmüll zu entsorgen
oder eben anderweitige Wege zu gehen.
Deswegen muss einfach ein gewisses
Maß an Mindestvolumen beibehalten werden.
Ich hatte angesprochen, dass man durchaus darüber nachdenken kann, einen Rabatt auf die Restmüllgebühr zu geben,
wenn ein Haushalt alle Trennmöglichkeiten wahrnimmt, also die O-Tonne nutzt,
den Bio-Abfallsack nutzt etc.
Conrad von Meding:
Sie sehen: Wenn Sie Fragen stellen, bekommen Sie Antworten. Das ist auch das
Mindeste, was man bei einer solchen Veranstaltung erwarten kann. - Bitte schön!
Elke Thielmann-Dittert:
Elke Thielmann-Dittert von den Grünen.
Ich habe eine Frage an Herrn David und
Frau Jänicke. Sie haben unterschiedliche
Antworten zum gleichen Themenbereich
gegeben. Es geht um Gebühren und zivilrechtliche Entgelte. Vielleicht können Sie
kurz den Unterschied erläutern. Er ist mir
nicht klar und, wie ich glaube, auch nicht
den anderen Menschen hier im Raum.
Warum gibt es dabei überhaupt eine
Wahlmöglichkeit? - Frau Jänicke, Sie haben fast in Abrede gestellt, dass es diese
Wahlmöglichkeit gibt. Ich bitte darum, das
zu erläutern.
Herr Mäurer, haben Sie Erkenntnisse darüber, wie häufig Ihre Kunden die gewählten Komponenten ändern? Werden, wenn
sich Haushaltsgrößen oder andere Rahmenbedingungen verändern, die in Anspruch genommenen Komponenten tatsächlich gewechselt?
Manfred Wenzel:
Manfred Wenzel von der CDU-Fraktion.
Ich habe eine Frage an die Sackgegner
allgemein - das sage ich einmal so -, aber
insbesondere an Herrn Dr. Tiebel, der
doch ein vehementer Sackgegner ist.
Sie haben die Zahl erläutert und gesagt, in
der Bundesrepublik werde 1 % des Restmülls über Säcke gesammelt. So ungefähr
war die Zahl. Wie erklären Sie sich dann,
dass in der Bundesrepublik die Wertstoffe
nicht nur zu 1 %, sondern überwiegend in
Säcken gesammelt werden, und zwar
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auch in der Landeshauptstadt Hannover
und in der Region Hannover? Vom System her ist das doch gleich. Die Gebühren,
die man für den Restmüll bezahlt, sind
sicherlich eine andere Sache. Die Bevölkerung wehrt sich auch gar nicht so sehr
gegen das Gutscheinsystem, sondern gegen das Mindestvolumen. Das liegt in anderen Landkreisen, z. B. im Nachbarlandkreis Schaumburg, bei 7 Litern pro Person
und Woche, weil es eben ein ländlicher
Bereich ist.
Meine Frage lautet: Wie erklären Sie sich,
dass die Wertstoffe in Säcken eingesammelt werden, und das in der Bundesrepublik nicht nur zu 1 %?
Danke.
Conrad von Meding:
Ich glaube, die 1 % am Ende waren sehr
flapsig. Sie haben gesagt, 99 % sammeln
nicht mehr mit Säcken. Leer und Umland
Hannover - das haben wir heute Abend
gelernt - sind bundesweit offenbar die
Letzten, die so abfahren; so hat es geheißen.
Ich würde noch eine dritte Frage mit aufnehmen. - Ansonsten geht es auf dem
Podium weiter. Wer von Ihnen möchte? Vielleicht erst einmal ein kurzes Streitgespräch zwischen Herrn David und Frau
Jänicke? Sie sitzen ohnehin nebeneinander.
Katrin Jänicke:
Ich wurde gefragt, ob ich abgestritten hätte, dass es privatrechtliche Entgelte gibt.
Nein, ich habe das nicht abgestritten. Es
ist völlig richtig: Sie können politisch entscheiden, ob Sie privatrechtliche Entgelte
oder Kommunalabgaben als Abfallgebühren erheben. Der Unterschied ist, dass die
Kommunalabgaben durch Bescheid festgesetzt werden, und dann würde man damit zum Verwaltungsgericht gehen.
Das Ganze macht man auf der Grundlage
des kommunalen Abgabenrechts. Dabei
geht es einerseits um das NKHG; das ist
das eine Gesetz. Ferner gibt es im § 12
des Niedersächsischen Abfallgesetzes
weitere, sehr ausdifferenzierte Vorgaben,
was bei der Berechnung der Abfallgebüh-
ren zu beachten ist. Das Wesentliche ist:
Sie gehen dann zum OVG.
Wenn Sie privatrechtliche Entgelte erheben, dann sind Sie im Prinzip aus diesen
Vorgaben heraus, aber über § 315 BGB
gelten, wie es der Kollege dargestellt hat,
die wesentlichen Grundsätze des Kommunalabgabenrechts oder des Grundgesetzes wie der Gleichheitsgrundsatz
fort. Sie sind dann jedoch nicht beim OVG
und nicht beim Verwaltungsgericht, sondern beim Amtsrichter, der sehr viel mehr
zu tun hat, weshalb manchmal spekuliert
wird, er habe so viel zu tun, dass er nicht
so genau hinschaue.
Im Gegensatz zu dem Kollegen glaube ich
nicht, dass das in einer Region wie hier, in
der die Abfallgebühren so ausgeurteilt sind
und so streitig sind, zur Befriedung beitragen könnte. Das ist der eigentliche Unterschied.
Privatrechtliche Entgelte gibt es, wie gesagt, selbst in Berlin. Das ist also nichts,
was völlig aus der Welt wäre.
Conrad von Meding:
Ich glaube, die Frage war im Prinzip noch
einfacher gemeint.
Es handelt sich - erst einmal ganz
schlicht - um eine andere Rechtsform. Das
heißt, es wird keine Gebühr mehr erhoben, sondern ein Entgelt, wie es auch jeder privatwirtschaftliche Betrieb erheben
könnte. Dabei muss man sich aber an bestimmte Grundsätze halten, weil es doch
irgendwie eine hoheitliche Aufgabe ist.
Das Ziel dabei ist, wenn ich Herrn David
richtig verstanden habe, dass Sie alle
nicht mehr so gut klagen können - oder
schon klagen können, sich damit aber,
jetzt einmal auf Hochdeutsch gesagt,
letztendlich niemand wirklich beschäftigt. Das ist sozusagen die Empfehlung. Sie
sind ja um eine Empfehlung gebeten worden. Insofern finde ich das erst einmal
nicht illegitim.
Eckhard David:
Es ist für Sie sehr schwierig, aus dem Podium heraus den Streit zwischen zwei Juristen zu bewerten. Meist ist die Situation:
zwei Juristen, drei Meinungen.
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Erstens. Ich trete, politisch gesehen, für
möglichst viel Wahlfreiheit ein.
Zweitens. Ich trete für ein System ein, das
nicht die rechtliche und die politische Ebene miteinander vermischt. Meine Ausführungen sind deswegen nicht nur freundlich
zur Kenntnis genommen worden, weil ich
gesagt habe: Ihr entzieht euch hier dem
etwas verrückten Regime des 9. Senates
des OVG Lüneburg. Die rechtlichen
Zwänge in der politischen Diskussion in
der Region Hannover werden auch genutzt, um ein bestimmtes gewolltes sachliches System zu fördern oder nicht zu fördern. Es wird gesagt: Wir würden ja gern
an der Sackabfuhr festhalten, aber die
rechtlichen Hürden sind so hoch, und
deswegen können wir es nicht.
Wenn Sie meiner These folgen und sagen,
dass es ein System gibt, mit dem Sie sich
dieser rechtlichen Zwänge entledigen,
dann haben Sie sozusagen voll die politische Verantwortung, wohin das auch immer laufen mag.
Mein Abfall wird im Landkreis Schaumburg
entsorgt, und ich muss offen sagen, dass
ich persönlich die Diskussion über Sack
und Tonne in der Region Hannover nicht
so ganz nachvollziehen kann.
(Beifall)
Was die Sauberkeit im Stadtgebiet, bedingt durch die Tonne, anbelangt, die Herr
Reuter angesprochen hat, muss ich sagen: Als Schaumburger habe auch ich
meine Zweifel. Mich ärgert am meisten
das durchweichte Papier, das in irgendwelchen Pappkartons gelagert wird und
das Stadtbild prägt.
Ich gebe Ihnen Folgendes zu bedenken,
wenn Sie schon dabei sind, juristische
Meinungen zu bewerten: Frau Kollegin
Jänicke beschäftigt sich schon lange mit
dem Abfallgebührenrecht. Auch ich beschäftige mich schon lange mit dem Abfallgebührenrecht. Ich habe in dem ersten
Verfahren den Kläger Wicke, vertreten. Ich
habe in dem zweiten Verfahren keinen
mehr vertreten, aber immer wieder gesagt,
dass nach meiner Prognose die Kombination von grundstücksbezogener Grundge-
bühr und haushaltsbezogener Grundgebühr rechtswidrig ist. Das ist bestätigt
worden, und das ist auch schriftlich niedergelegt worden, bevor ich mich dazu
noch einmal äußern konnte. Auch war ich
vor meiner Zeit als Stadtdirektor in der
Stadt Wunstorf beim Niedersächsischen
Städtetag als Vorgänger von Herrn Krause
für das Abfallgebührenrecht zuständig.
Ich will Ihnen jetzt nicht meine Bewertung
darstellen. Sie sind nicht meine Professoren oder die Professoren von Frau Jänicke, die sagen, ob etwas richtig oder
falsch ist. Vielmehr sage ich Ihnen nur
etwas zur Methodik.
Mehrere Juristen sagen Ihnen hier, dass
das Abfallgebührensystem in der Region
Hannover zweimal gerichtlich überprüft
worden sei. Das ist nachweisbar falsch.
Überprüft worden sind lediglich einzelne
Bestimmungen der jeweiligen Satzung.
Sie haben von denjenigen, die das hier
behauptet haben, bisher noch keine Entschuldigung gehört.
Frau Jänicke sagt, Artikel 3 des Grundgesetzes sei ja doch Maßstab aller Dinge,
und es würde - so habe ich Sie verstanden - durch das OVG Lüneburg in Niedersachsen abschließend definiert, was Inhalt
der Regelungsmechanismen von Artikel 3
des Grundgesetzes, was also der Gleichheitsgrundsatz ist. - So habe ich Sie verstanden.
Der BGH ist der Maßstab aller Dinge,
wenn wir beim zivilrechtlichen Entgelt sind.
Wenn Berufung und Revision trotz des
geringen Betrages zugelassen worden
sind, geht die Sache an den Bundesgerichtshof. Der BGH kümmert sich einen
feuchten Kehricht darum, was das OVG
Lüneburg zu seiner Interpretation des Artikels 3 sagt. Der BGH hat in einer Entscheidung vom 14. Mai - wohl nicht hinsichtlich des Abfallrechts, sondern hinsichtlich des Wasserversorgungsrechts eine Grundgebühr in Höhe von 60 %, bezogen auf eine einzelne Wohneinheit, akzeptiert und hat diese Grundgebührenerhebung sogar dann akzeptiert, wenn diese
Wohneinheit gar nicht benutzt oder bewohnt war.
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Das ist ein Maßstab, den Sie beim OVG
Lüneburg niemals durchkriegen würden.
Es sind andere Richter, und Sie müssen
bedenken, dass Sie es auch bei bestimmten allgemeingültigen Obersätzen immer
mit Menschen zu tun haben, die Dinge
völlig anders bewerten. Sie müssen sich
die Leute auch einmal anschauen. So
„strange“, wie der 9. Senat des OVG Lüneburg quasi auf Fehlersuche geht, finden
Sie das in der Zivilgerichtsbarkeit nicht.
(Beifall)
Conrad von Meding:
Es sind noch Journalisten anwesend, und
Sie müssen denen irgendwann noch einmal gegenübertreten.
Wir haben noch zwei Fragen offen. Wir
fangen mit Herrn Dr. Tiebel und der EinProzent-Frage an.
Dr. Christoph Tiebel:
Jetzt kommt wieder der
Sackhasser.
bekennende
Der schon erwähnte Landkreis Leer ist
übrigens ein guter Kunde von mir, und
natürlich unterstütze ich ihn bei der optimalen Nutzung seines Sacksystems.
Leer hat knapp 200 000 Einwohner, und
im Landkreis Hannover gibt es ungefähr
600 000 Einwohner. Einige davon haben
noch Behälter. Es sind vielleicht 800 000
Einwohner insgesamt. Deswegen habe ich
vorhin gesagt, dass ungefähr 1 % der
Bundesbürger die Sackabfuhr in Anspruch
nehmen - beim Restmüll zugegebenermaßen. 99 % tun es eben nicht.
Ich habe Anfang der 80er-Jahre studiert.
Damals war das System „Sack plus Sack“
als kombiniertes System der Wertstoffsammlung durchaus etwas, worüber man
bei der Neuausstattung von Wertstoffsammelsystemen nachgedacht hat. Aber
es hat sich in vielen anderen Landkreisen
nicht bewährt, und es gibt nur sehr wenige, die dieses „Sack-plus-Sack“-System
als Restmüll- und Wertstoffsammelsystem
beibehalten haben. Das sind die beiden
eben genannten.
Bei LVP ist es ganz anders. Zum einen
sammeln Sie bei LVP 20 oder 25 kg pro
Kopf. Das bekommen Sie locker in Säcke
hinein. Wenn Sie das auf Behälter verteilen wollten, wäre es schon sehr viel
schwieriger. Das Sackgewicht - also das
Thema der Lastenhandhabung - ist natürlich bei LVP, den Leichtverpackungen,
ganz anders. Die Säcke sind sehr viel
leichter. Außerdem sind die Strukturen
ganz anders. Es werden Dreijahresverträge ausgeschrieben, und der Entsorger
muss die Behälter gegebenenfalls mitbringen. Da fasst sich der Entsorger in fast
allen Gebieten, in denen nicht die Kommune massiv Wert darauf legt, an den
Kopf und sagt: Ich soll für meinen Dreijahresvertrag Behälter kaufen und ausliefern
und bei Hans und Franz und im hintersten
Winkel aufstellen und nach drei Jahren
wieder einsammeln? Ich bin doch nicht
blöd! Solange ich Säcke abfahren kann,
tue ich das auch.
Auch in diesem Bereich gibt es den einen
oder anderen Landkreis, der sagt: Wir
möchten diese blöden Säcke nicht mehr
haben; wir stellen auf Behälter um. Im
Ruhrgebiet sind es überwiegend Städte
gewesen, in denen das passiert ist. Auch
in Hamburg wird fast nur noch aus Behältern abgefahren. Aber auch der eine oder
andere Landkreis in Niedersachsen, beispielsweise Aurich, hat inzwischen auf
LVP-Behälter umgestellt, trotz dieser widrigen Voraussetzungen.
Wenn Sie jetzt die Diskussion um die
Wertstofftonne mitbekommen: Auch da
ziehen sich die Regelungen dahin gehend
durch, dass die Kommunen die Behälter
stellen können, damit die festen Behälter
neuerdings auch dafür genutzt werden
können.
Conrad von Meding:
Die Wertstoffe, die in Säcken abgefahren
werden, sind aber nicht nur die Leichtverpackungen, sondern in der Region Hannover ist es vielfach auch Altpapier.
Dr. Christoph Tiebel:
Was ich davon halte, habe ich schon gesagt. Es ist sicherlich kein Modell, das
irgendjemand sonst verwendet.
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Wie gesagt: Wenn Sie selbst eine Weile
versuchen, einen Karton in eine Tüte hineinzuquetschen, und daneben einen
240-Liter-Behälter haben, in den Sie den
Karton bequem hineintun können, werden
Sie sehen, welches das bessere System
ist.
Conrad von Meding:
Herr Mäurer, wie oft wechselt bei Ihnen
die Kundschaft das Abfallbehältnis?
Henry Mäurer:
Das ist kein wirkliches Problem in unserem System. Ich will Ihnen auch erklären,
warum.
Sie haben bei Änderungen Ihrer Verhältnisse zunächst einmal die Möglichkeit, den
Rhythmus des Hinausstellens zu variieren.
Nehmen wir eine 40-Liter-Tonne: Sie können von den 4 Leerungen, die mit dem
Mindestbetrag abgegolten sind, bis hin zu
26 Leerungen variieren.
Das ist auch das, was wir beobachten. In
erster Linie wird der Leerungsrhythmus
variiert. Erst dann, wenn man dort an
Grenzen stößt, wird getauscht.
Wir haben nicht den Run, dass Leute laufend Behälter tauschen. Ein Tausch pro
Jahr - das will ich auch zugeben - ist unentgeltlich. Der nächste ist dann mit einer
geringen Gebühr belegt, aber im Grunde
genommen ist das nur ein Sicherheitsmechanismus, damit das nicht ausufert. Wir
haben nicht wirklich ein Problem damit.
Conrad von Meding:
Sie alle haben es schon bemerkt: Die halbe Stunde ist um. Ich möchte jetzt die
Fragerunde für das Plenum öffnen.
Öffnung des Plenums
Wir haben jetzt noch 27 Minuten zur Verfügung. Deshalb bitte keine langen Statements! Wir wollen so viel wie möglich unterbringen. - Bitte schön!
Fragesteller:
Meine erste Frage: Herr Reuter, Sie haben
dargestellt, wie viel Müll insgesamt anfällt,
einschließlich des gewerblichen Mülls.
Woher wissen Sie, wie viel davon auf die
Haushalte entfällt, wenn Sie den Müll des
Kleingewerbes nicht getrennt erfassen?
Bei VW ist das sicherlich kein Problem.
Kioske wurden als Beispiel für Kleinbetriebe genannt. Ich könnte andere nennen.
Sie wissen ja nicht, wie viel dort anfällt und
wie viel davon auf die Haushalte entfällt.
Damit können Sie eigentlich nur eine
Oberzahl dazu nennen, wie viel Müll pro
Person anfällt.
Die zweite Frage: Woher wissen Sie, dass
die Mindestmüllmenge, die in Hannover
seit Langem gilt, in der Landeshauptstadt
Hannover tatsächlich auch eingehalten
wird, wenn Sie es nicht erfassen? - Sie
haben Sie mir einmal gesagt, dass das in
der Stadt Hannover gar nicht geprüft wird.
Dann können Sie das auch gar nicht kontrollieren.
Dritte Frage - - Conrad von Meding:
Ich unterbreche Sie kurz. Es sollen alle
drankommen können. Wir verfahren bitte
so: Merken auch Sie sich bitte die Fragen!
Ich versuche, mir Stichworte zu machen.
Aber ich denke, dass es gleich viel wird.
Bitte!
Hans-Jürgen Braatz:
Ich heiße Hans-Jürgen Braatz, und ich
wohne hier um die Ecke in Hannover.
Ich habe eine Frage an alle, die die politische Sache vertreten: Warum bezahlen
wir eigentlich Müllgebühren?
Wir sind inzwischen bei 19 % Mehrwertsteuer angelangt. Sie alle wollen, dass wir
viel konsumieren. Sie könnten das doch
von all diesem Geld bezahlen, ohne diesen ganzen Aufwand „große Tonne, kleine
Tonne“. Sie könnten das sachlich danach
regeln, wo wer was verbraucht, und es
müsste nicht über Sack oder Tonne diskutiert werden.
Ich finde diese ganze Müllgebühr völlig
überflüssig.
Conrad von Meding:
Ich habe es nicht ganz verstanden. Was
ist Ihr Vorschlag?
Seite 48 von 57
Hans-Jürgen Braatz:
Die Frage ist, warum wir überhaupt Müllgebühren zahlen.
Conrad von Meding:
Ach so! Warum nicht alles aus einem großen Topf bezahlt wird, und der Müll wird
einfach abgefahren - Entschuldigung,
manchmal bin ich ein bisschen langsam.
Hans-Jürgen Braatz:
Ich verstehe einfach nicht, warum wir hier
über Restmüll sprechen. Wir sprechen
doch über etwas, was es gar nicht gibt.
Wenn ich von aha und Restmüll lese,
dann steht da z. B.: Asche. - Asche ist
kein Restmüll, Asche ist seit jeher ein
Düngemittel. Das können Sie an die Bäume kippen, auf dem Rasen verteilen.
Dann steht da: Knochen. - Aus Knochen
kann man Seife herstellen, oder sie können, klein gemahlen, als Kalk zum Kompostieren in die Erde eingebracht werden.
Auch sie sind kein Restmüll.
Oder eine Windel: Wenn man den Kot
entfernt, kann man eine Windel in Kunststoff und Zellulose zerlegen. Zellulose ist
ein Wertstoff, der wieder verarbeitet werden kann.
Warum wird hier von Restmüll gesprochen? Das verstehe ich nicht! Es gibt gar
keinen Restmüll. Das ist ein erfundenes
Wort.
Conrad von Meding:
Also Ihr Plädoyer ist, die Sachen in irgendeiner Form komplett weiterzuverwenden. Das geben wir gleich an das Podium
weiter.
Ich gehe jetzt einmal auf die andere Seite
des Saals und sammele dort noch drei
Wortmeldungen ein.
Hartmut Stoehr:
Mein Name ist Hartmut Stoehr, und ich
spreche für eine Bürgerinitiative in Barsinghausen, die die unzufriedenen Bürger,
von denen hier auch gesprochen wurde,
repräsentiert.
Ich habe eine Frage an Herrn Dr. Löhle.
Die Zahlen, die wir vorhin zum Müllaufkommen in Hannover und zu der Einwohnerzahl gehört haben, zeigen ein Verhältnis von 2,1. - Ich spreche jetzt nur vom
Restmüll, also dem Restabfall. - Die entsprechende Zahl für das Umland von
Hannover liegt bei 0,85.
Die einen haben Tonnen, die anderen nutzen Säcke zur Entsorgung. Wo bleibt denn
Ihrer Meinung nach das Müllvermeidungsgebot, wenn man im Landkreis auch die
Tonnen einführt, sodass man dort möglicherweise auf 2,1 hochrutscht? - Erste
Frage.
Zweite Frage. Diese Frage ist heute überhaupt noch nicht angesprochen worden,
aber in der Auftaktveranstaltung. Vielleicht
erinnern Sie sich. Es ging darum, dass der
Landkreis rechtswidrig - das wurde vom
OVG bestätigt - von den vielen Bürgern
Gebühren eingezogen hat. Es wurde formaljuristisch gesagt: Die, die nicht geklagt
haben, haben Pech gehabt. Die Bescheide sind rechtskräftig geworden. - Auch das
schürt natürlich die Unzufriedenheit. Meine
Frage an Herrn Dr. Priebs: Denkt man
weiterhin in diese Richtung, oder will man
den Bürgern irgendwie entgegenkommen?
Stefan Hinze:
Guten Tag, mein Name ist Stefan Hinze,
und ich komme aus Lehrte. Ich bin einer
der Kläger gewesen.
Ich habe eine andere, ganz kurze Frage.
Es geht um die Gewerbetreibenden, die
jetzt plötzlich nur den einfachen Gebührensatz bezahlen müssen, wobei eine Unterdeckung von 2 Millionen Euro im Raum
steht - ich gehe davon aus, dass das jährlich ist; wenn es monatlich wäre, wäre es
ein bisschen viel -, die einfach auf die
Bürger umgelegt worden ist. Hatte es
rechtlich keinen Bestand, sodass diese
Sachen herausgenommen werden, oder
war das eine politische Entscheidung?
Wie ist es dazu gekommen, dass dies auf
die Bürger umgelegt wird?
Vielen Dank.
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Dr. Michael Braedt:
Michael Braedt aus Langenhagen, trotzdem ein Sackhasser, und nicht nur aus
dem Grund, dass ich mich schneide, wenn
mir ein Glas kaputt geht, sondern auch
deshalb, weil die Müllwerker fast 1 000
Säcke am Tag heben müssen, um sie in
den Wagen hineinzuwerfen. Deswegen
plädiere ich als im Umland Wohnender
unbedingt dafür, das einzustellen.
(Beifall)
Dienstlich muss ich hier eingreifen. Als
Beschäftigter des Umweltministeriums und
zuständig für die Chemikaliensicherheit
möchte ich Frau Stümpfel, da sie ihren
Vortrag auch im Internet veröffentlichen
wird, ausdrücklich bitten, den Hinweis auf
die asbesthaltigen Abfälle dort herauszunehmen. Das ist Aufruf zu einer Straftat.
Diesen Tipp möchte ich Ihnen geben.
An Herrn Mäurer habe ich eine Frage:
Kann man das Ident-System nicht erweitern? Ich habe aus Würzburg gehört, dass
stationäre Müllcontainer vor großen
Wohnhäusern aufgestellt wurden, die einen bestimmten Rahmen haben, durch
den normierte Mülltüten hineingeworfen
werden können. Der Chip zählt, wie viele
Tüten es sind. Damit wäre auch bei großen Hochhäusern das Problem des IdentSystems geregelt.
Danke.
Conrad von Meding:
Hier haben noch sehr viele Leute viele
Fragen. Ich gebe jetzt zunächst einmal an
das Podium ab.
Wenn es strafrechtlich wird, bin ich immer
ganz vorsichtig. Auf der Folie stand, wenn
ich das richtig verstanden habe, der Vorschlag, dass man Asbest bis zu 10 Litern
für 5 Euro oder kostenlos abgibt.
(Zuruf: Das dürfen Private nicht! Das
ist Aufruf zur Straftat! - Gegenruf: Das
ist Quatsch, was du erzählst!)
- Nach Altwarmbüchen auf die Sondermülldeponie kann ich gesondert gekennzeichneten Asbest bringen.
Okay, Sachaufklärung zum Thema Asbest, damit wir die Frage abgearbeitet haben!
Ich glaube, ein Vorschlag im Rahmen einer Expertenanhörung ist nicht strafbewehrt. Ich meine, das sollten wir aus dem
Protokoll streichen.
Aber Sachaufklärung bitte!
Carola Stümpfel:
Es muss als Asbest gekennzeichnet sein.
Meine Blumenkästen, die asbesthaltig
sind, kann ich auf der Mülldeponie abgeben.
(Zuruf: Nur ein zugelassener Entsorger darf das abgeben!)
Nach Lahe können die Eigentümer fahren
und das abgeben. Es ist gemeint, dass
das so bleiben soll, damit die Dinge nicht
irgendwo in die Landschaft gestellt werden. Damit diese Möglichkeit nicht überbenutzt wird, bin ich der Meinung, dass es
eine Gewichtsbegrenzung geben sollte.
Conrad von Meding:
Das Umweltministerium hätte nicht das
Recht, das zu ändern.
Carola Stümpfel:
Ich glaube, das ist keine Straftat.
Conrad von Meding:
Okay, der Vorschlag ohnehin nicht. Dann
haben wir den Punkt geklärt bzw. den
Vorwurf ausgeräumt.
Wie gehen wir jetzt vor? - Wir versuchen
es chronologisch. Gefragt wurde: Wie viel
entfällt in Hannover auf Kleingewerbe, und
woher können Sie das wissen, Herr Reuter, wenn Sie das bisher nicht messen?
Können wir das direkt mit der später gestellten Frage bezüglich der 2 Millionen
Euro kombinieren? Hat es Rechtsbestand,
dass alles auf die Bürgerinnen und Bürger
umgelegt wird? - Kurze Antwort!
Thomas Reuter:
Natürlich können wir das kombinieren.
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Erst einmal möchte ich etwas zu der Frage
bezüglich des Kleingewerbes sagen. Bei
gemischten Tonnen können wir das nicht
wissen. Wir müssten sonst einen Mitarbeiter haben, der neben der Tonne steht und
kontrolliert, wer was hineinwirft. Das geht
nicht. Das ist klar. Auch im Bereich der
Sackabfuhr kann man nicht sehen, ob der
Sack vom Gewerbe oder vom privaten
Haushalt kommt.
Conrad von Meding:
Deswegen wissen Sie in der Stadt nicht,
wie viel Müll von dem Kleingewerbe
kommt. Aber der Herr hatte ja gesagt,
dass es Zahlen gibt, die kommuniziert
werden. Sind das Schätzungen oder Erfahrungswerte?
Thomas Reuter:
Was ich weiß, ist, dass es dabei um die
getrennt aufgestellten Behälter geht, also
um die, die beim Gewerbe stehen. Daraus
kann man einen Rückschluss ziehen und
erkennen, wie viel es ist.
Conrad von Meding:
Ist die Frage beantwortet? - Okay.
Thomas Reuter:
Die andere Frage bezog sich auf die Gewerbebetriebe. Gewerbebetriebe sind sehr
vielfältig. Ich sage einmal, ganz bekannt
sind beispielsweise Auslieferungsfahrer.
Das sind Selbstständige oder - auch so
werden sie genannt - Scheinselbstständige. Selbstständige wurden früher zu einer
gesonderten Abfallgebühr veranlagt, weil
sie ihr Gewerbe in ihrer privaten Wohnung
ausgeübt haben.
Im Umland haben wir das aufgrund von 60
Jahren Gebührenerhebung durch die
Städte und Gemeinden erfasst. In der
Stadt ist das nie erfasst worden. Insofern
kommen wir wieder zu dem, was hier häufiger an die Wand geworfen worden ist,
nämlich zu Artikel 3 des Grundgesetzes.
In dem Moment, in dem ich in der Stadt
noch nicht einmal die Chance habe, so
etwas zu identifizieren und mit einer Gebühr, die in der Satzung steht, tatsächlich
zu veranlagen, würde ich gegen das
Grundgesetz verstoßen, wenn ich auf der
anderen Seite die Leute, die uns aus der
Vergangenheit bekannt sind, weiterhin mit
einer Gebühr belastete.
Conrad von Meding:
Bei dem Herrn aus Lehrte schwang ja Kritik mit, dass diese 2 Millionen Euro jetzt
auf alle Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler umgelegt werden.
Thomas Reuter:
Das war mit ein Grund bei der Umlage.
Das ist in die normale Gebühr hineingekommen. Da haben Sie völlig recht.
Conrad von Meding:
Ich glaube, dass sich Herr Priebs zu diesem Thema gemeldet hat. Habe ich das
richtig gesehen? - Direkt an Sie ging die
Frage nach den Müllgebühren, die aufgrund der alten Rechtslage erhoben wurden.
Professor Dr. Axel Priebs:
Deswegen hatte ich mich in der Tat gemeldet. - Das dürfen wir gar nicht. Wenn
der Bescheid rechtskräftig geworden ist,
dann können wir hinterher nicht sagen,
dass wir das Geld quasi freiwillig zurückgeben. Das wäre unzulässig. Deswegen
stellt sich die Frage gar nicht.
Conrad von Meding:
Hier vorne war noch die Frage: Wird die
Mindestmüllmenge in der Stadt eingehalten? Wie kontrollieren Sie das eigentlich? Ich denke, dass die Frage einfach zu beantworten ist. - Herr Reuter, Mindestmüllmenge in der Stadt!
Thomas Reuter:
Das Einhalten der Mindestmüllmenge wird
dadurch kontrolliert, dass wir nach dem
Befüllungsgrad der Container schauen.
Wir haben in der Stadt keine Einzelerhebung gemacht, wie wir es bei der Sackabfuhr durchgeführt haben, wobei wir jeden
Grundstückseigentümer gefragt haben,
wie viele Personen bei ihm leben und wie
viel Liter an Volumen sie haben möchten.
Andererseits ist es in der Stadt aber auch
so: Wenn wir dort Reduzierungsanträge
bekommen, wird kontrolliert, wie viele Personen auf dem Grundstück sind. Eine Reduzierung ist bis zum Mindestvolumen
möglich.
Seite 51 von 57
Conrad von Meding:
Es steht nämlich im Müllgebührenbescheid der Stadt, wer dort wohnt und gemeldet ist, und es wird sofort nachgefragt,
wenn man die Müllmenge reduzieren will.
len, in denen das anders gemacht wird.
Aber bei uns ist es so, dass derjenige, der
öffentliche Einrichtungen nutzt, mit einem
Entgelt oder mit Gebühren - das ist unterschiedlich - dazu beiträgt.
Dann wurde ganz allgemein gefragt: Warum zahlen wir überhaupt Müllgebühren?
Wieso können wir nicht einfach sagen, wir
erheben eine höhere Steuer, anstatt uns
- die Juristen freuen sich natürlich darüber - ständig vor Gerichten darüber zu
streiten? Das ist eher eine politische Frage. - Herr Priebs?
Conrad von Meding:
Nun brauche ich einen richtigen Praktiker
zur Beantwortung der ganz grundsätzlichen Frage, warum von Restmüll geredet
wird, wo es doch Wertstoffe sind, wenn
man sie beispielsweise zerlegt oder fraktioniert wie auch immer. - Vorne liegt ein
Mikrofon. Wer auch immer möchte: Bitte
eine kurze und knackige Antwort! Ich weiß
es nämlich auch nicht.
Professor Dr. Axel Priebs:
Zuerst zu der Frage, warum etwas bezahlt
werden muss. Abfallentsorgung kostet
etwas. Da müssen Fahrzeuge beschafft
werden, das Personal muss gut bezahlt
werden, und es gibt weitere Kosten - die
gesamte Behandlung -, die bezahlt werden müssen. Die Frage ist nur, woraus
das bezahlt wird. Bezahlen tun wir das
alle.
Es gibt theoretisch die Möglichkeit, dass
man das allgemein über Steuern abdeckt.
Dann bezahlen wir alle mit. Das ist aber
nicht wirklich gerecht. Ein bisschen gerechter ist es eben, dass man es auf diejenigen verteilt, die diese Leistung nutzen.
Das gilt für viele öffentliche Einrichtungen,
wie z. B. für Schwimmbäder. Man kann
auch sagen, dass das über Steuern bezahlt wird, sodass es kostenlos wäre.
Beim ÖPNV wird das auch diskutiert. Dort
ist es aber eine andere Lage.
Bezahlt werden muss es immer. Es ist nur
die Frage, nach welchem Maßstab und
wer es bezahlt. Man kann sagen, dass alle
ein bisschen bezahlen müssen. Das ist
aber meines Erachtens nach nicht differenziert genug. Die rechtlichen Vorgaben
sind so, dass es auf denjenigen, der diese
öffentliche Einrichtung nutzt, umgelegt
werden muss.
Wir alle sind uns einig, dass es nie eine
100-prozentige Gerechtigkeit gibt. Aber
ein angenäherter Maßstab - es wurde vorhin richtig gesagt: Mischung aus Solidarprinzip und Aufkommen - ist gerechter
als das andere. Man kann sich andere
Gesellschafts- und Rechtssysteme vorstel-
Dr. Christoph Tiebel:
Früher gab es ja nur Hausmüll. Dann fing
man an, bestimmte Dinge herauszunehmen, z. B. Papier, und die separat einzusammeln und separat zu verwerten.
Bei Papier lohnt es sich. Pro Kopf sind es
80 kg Papier. Da ist es sinnvoll, eine separate Sammlung vorzunehmen.
Ich habe mir eben eine separate Sammlung vorgestellt, um Knochen der Seifenindustrie zuzuführen. Die Vorstellung war
geruchlich nicht gut und logistisch bzw.
praktisch auch nicht. Ich weiß nicht, wie
die Sammelgefäße für Knochen beschaffen sein müssten, damit sie eine effiziente
separate Einsammlung zuließen.
Will sagen: Alles das, was im Restmüll ist,
ist natürlich irgendwie verwertbar. Aber in
einem großen Gemeinwesen macht es nur
Sinn, die Sachen separat zu sammeln und
einer Verwertung zuzuführen, die man in
vernünftigen Mengen separat erfassen
kann.
Conrad von Meding:
Ist die Frage beantwortet?
(Hans-Jürgen Braatz: Die Knochen
können Sie z. B. in den Biomüll werfen!)
- Sie, Herr Braatz, sagen, die Frage ist
nicht beantwortet, weil man es eigentlich
doch trennen kann. Und Sie, Herr Dr. Tiebel, sagen, dass es am Ende irgendwie
wirtschaftlich sein muss, also im Sinne
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aller Gebührenzahler; irgendwo gebe es
Grenzen bei dem, was getrennt erfasst
und weiterverarbeitet werden soll.
Auch das ist eine politische Frage. Tatsächlich kann man sich ja auch entscheiden, noch viel mehr zu machen.
Es sind noch zwei Problemkreise offen.
Zum einen hatte Herr Stoehr aus Barsinghausen eine Frage und dabei die Verhältnisse genau benannt: 2,1 in der Stadt und
0,85 im Umland. Vereinfacht gesagt: Im
Umland wird viel besser getrennt, und dort
fällt viel weniger Müll an als in der Stadt.
Wollen wir jetzt auch im Umland ein
schlechteres Verhältnis haben? - Wer
antwortet darauf? - Vielleicht könnte auch
gleich die Frage beantwortet werden, die
hier wieder aufkam - wir hatten schon letztes Mal versucht, sie zu klären -: Stimmt
es, dass das Umland die Stadt mitfinanziert hat? - Es wurde vorhin in einem der
Vorträge erwähnt.
Thomas Reuter:
Zunächst einmal zu der Frage der besseren Mülltrennung: Man muss das differenziert betrachten. Es geht nicht nur um eine
bessere Trennung, sondern das Thema
hat auch mit einer höheren Verdichtung zu
tun.
In den Müllgefäßen, also in den Behältern,
gibt es ein durchschnittliches Gewicht. Der
Müll im kleinen Behälter wiegt um die 120,
121 Gramm je Liter, während der Müll in
den etwas größeren Behältern ungefähr
90 Gramm je Liter wiegt.
Der Müll im Sack ist mit Abstand am
schwersten. Dort gibt es ein Gewicht von
ca. 190 bis 200 Gramm pro Liter. Im Sack
kommt es also zu einer sehr hohen Verdichtung. Würde man den Sack aufmachen und der Müll könnte herausquellen,
dann wären Sack- und Behältermüll vom
Volumen her gar nicht weit voneinander
entfernt.
Conrad von Meding:
Sie sagen also, dass es sich ungefähr
entspricht. Es ist nicht so, dass die Stadt
schlechter trennt oder mehr Restmüll produziert.
Thomas Reuter:
Der Entsorgungsaufwand errechnet sich
nach dem Gewicht. Von daher ist der Sack
bei der Entsorgung teurer. Zwar ist der
Müll im Sack zusammengepresst und das
Volumen ist kleiner, aber das Gewicht ist
im Sack vorhanden.
Conrad von Meding:
Okay. - Herr Priebs!
Professor Dr. Axel Priebs:
Ich möchte noch etwas zu der StadtUmland-Thematik sagen, weil das eine
beliebte Geschichte ist, die immer wieder
erzählt wird.
Dass das völliger Unsinn ist, kann man
daran sehen, dass wir bis 2003 zwei absolut getrennte Systeme hatten, einen Abfallwirtschaftsbetrieb in der Stadt und eine
Abfallentsorgungsgesellschaft im Landkreis. Sie hatten ihre spezifischen Gebühren, die jeweils kalkuliert waren.
In der Stadt war der Müll, weil man kürzere Wege und damit eine größere Effizienz
auf der gleichen Strecke hat, durchaus
günstiger zu entsorgen als im Umland mit
den langen Strecken.
Sie können es selber überprüfen: 2003
sind die Systeme zusammengeführt worden. Aus politischen Gründen war damals
der Wunsch, möglichst wenig zu ändern.
Die Gebühren sind nicht verändert worden. Im Wesentlichen haben wir alle das
weiterbezahlt, was wir vorher bezahlt haben. Es gab eine gemeinsame Erhöhung,
weil beide Systeme vorher nicht erhöht
hatten. Aber das Verhältnis zwischen beiden Entsorgungssystemen ist unverändert
geblieben. Deswegen hat niemand den
anderen quersubventioniert, sondern es ist
erst einmal so geblieben.
Nachdem wir uns für die gemeinsame Einrichtung entschieden haben, hat sich das
Verhältnis geändert, sodass die Stadt das
Umland mitfinanziert. Das ist das Kuriose
an der Entwicklung. Deswegen kann ich
überhaupt nicht nachvollziehen, dass immer das Gegenteil erzählt wird.
(Beifall)
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Conrad von Meding:
Es gab noch den Vorschlag - das vielleicht
als Letztes, bevor ich zur nächsten schnellen Fragerunde komme -, das Müll-IdentSystem aus Celle um ein Sackabfuhrsystem zu erweitern, indem man einfach einen Rahmen auf die Wagen schweißt,
normierte Säcke hat, die hindurchgeworfen werden, und so weiß man, wie viel
hineingeworfen wurde. - Denkbar oder
nicht denkbar? - Es hieß ja, Müll-Ident sei
mit Säcken nicht machbar.
Henry Mäurer:
Ich glaube, der Fragesteller hat an etwas
anderes gedacht, nämlich an Müllschleusensysteme, die mit Wertmarken, Chipkarten oder etwas Ähnlichem geöffnet werden
können und ein bestimmtes definiertes
Volumen freigeben, wobei dann über ein
solches System abgerechnet wird.
Wir haben ein solches System - ich kann
mich nicht genau erinnern, wann das war vor etwa zehn Jahren in drei verschiedenen Siedlungs- und Sozialstrukturen erprobt. Die Erfahrung von der technischen
Seite war, dass das System von der Unterhaltung her sehr aufwendig war. Wir
haben uns damals dagegen entschieden,
diese Technik einzuführen, weil das Verhältnis von Aufwand und Wirkung im Vergleich zum sonstigen Ident-System sehr
ungünstig war.
Conrad von Meding:
Frage beantwortet!
Auf dieser Seite kommen jetzt zwei Fragsteller an die Reihe, und dann gehe ich
auf die andere Seite hinüber.
Herr Lüttge:
Mein Name ist Lüttge. Ich wohne in einer
verdichteten Bebauung in der Stadt und
bezahle nach der Gebührenänderung ungefähr 30 % mehr. Ich bemerke also das,
was Herr Priebs eben sagte.
Meine erste Frage bezieht sich darauf, die
Subventionierung möglichst gering zu halten: Wie viel Mehraufwand erzeugt der
Sack bei der gemeinsamen Abfuhr mit
dem Behälter? - Das bezieht sich auch auf
den Aufwand für die Abrechnung.
Die zweite Frage: Falls das Wiege- oder
Behälter-Ident-System eingeführt wird, in
welcher Höhe werden Systemkosten an
den Fahrzeugen, bei der Verwaltung usw.
im Verhältnis zu dem derzeitigen Abrechnungssystem in der Stadt verursacht?
Conrad von Meding:
Die Antworten kommen gleich.
Karen Beckers:
Karen Beckers, ich gehöre zu diesen
Journalisten, wohne aber im Umland.
Ich habe eine Frage, die ich an Herrn
Mäurer erst nicht mehr stellen konnte, die
mir aber wichtig ist. Mich interessiert das
Thema der illegalen Müllentsorgung. Das
ist in Hannover ein Thema, und es ist in
der Region ein Thema. Wir haben dieses
Mindestvolumen, und das Problem existiert trotzdem. Gibt es das Problem auch in
Celle?
Conrad von Meding:
Jetzt komme ich hier hinüber. Sie sind
dran, dann Sie. Danach gehen wir auf das
Podium.
Michael Ludwig:
Mein Name ist Michael Ludwig. Ich komme aus dem schönen Neustadt am Rübenberge. Ich liebe die Müllabfuhr, und ich
liebe auch alle Menschen, die den Sack
und die Tonne lieben.
Ich habe aufmerksam zugehört und habe
von den Experten recht unterschiedliche
Darstellungen der Abfallwirtschaft auch in
der Region Hannover gehört. Sie alle - das
hat Herr von Meding deutlich gemacht haben ein umfangreiches Paket an Material bekommen. Aufgefallen ist mir, dass
die Sackabfuhr in den Vorträgen aller Experten Inhalt war.
Herr Dr. Thärichen schlug vor, Auslauffristen für den Sack zu vereinbaren. Herr Löhle sagte, die Sackabfuhr sei ganz abzuschaffen. Frau Stümpfel forderte die Wahlfreiheit für Säcke auch in der Stadt. Das ist
ganz kurios. Auch Herr Dr. Tiebel geht in
Richtung Auslauffristen. Wenn ich Frau
Jänicke ordentlich zugehört habe, dann ist
die Sackabfuhr - ich übersetze das in mei-
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nen Jargon - das Übel des gesamten Systems.
Ich würde es gerne dabei bewenden lassen.
Könnten die Experten ein kurzes Statement zu folgender Frage abgeben: Ist die
Sackabfuhr einer der Störfaktoren auf dem
Weg in eine neue Zukunft der Abfallwirtschaft in der Region Hannover?
Genauso würde ich Ihren Hinweis auf
Stadt und Umland sowie auf Ein- und
Mehrfamilienhäuser als Plädoyer im Raum
stehen lassen, auch als ein sehr willkommenes Plädoyer, weil es bei allen deutlich
wurde.
Conrad von Meding:
Jetzt kommt die letzte Frage!
Julia Recke:
Schönen guten Tag! Mein Name ist Julia
Recke.
Es wird immer über Stadt und Umland
diskutiert. Ich denke, wir sollten zwischen
Mehrfamilienhäusern und Einfamilienhäusern differenzieren. Wie es Frau Stümpfel
aus der Praxis schon gesagt hat, gibt es
sowohl in der Stadt als auch im Umland
Mehrfamilienhäuser und auch Einfamilienund Reihenhäuser. Kirchrode oder Bothfeld beispielsweise haben bestimmt Interesse an der Sackabfuhr.
Ich habe eine Frage an Herrn David. Herr
David, Sie haben vorhin gesagt, dass die
Kosten des Rechtsstreits nicht auf die Gebühren umgelegt werden dürfen. Wie werden diese bei aha verbucht? Wird das
durch die regionale Umlage verrechnet?
Sprich: Wird es über die Einkommensteuer dann doch wieder auf die Bürger umgelegt?
Conrad von Meding:
Kann das noch beantwortet werden? - Wir
haben noch zwei Minuten; das wird knapp.
Deswegen mache ich jetzt keinen Umlauf
mehr, in dem alle noch einmal sagen dürfen, ob sie den Sack für das Grundübel
halten. Ich glaube, dies ist in den Vorträgen sehr differenziert erläutert worden,
und Sie haben es richtig wiedergegeben.
Es hat unterschiedliche Antworten gegeben. Als Grundübel hat das keiner verteufelt, aber es wurde von einigen sehr deutlich gesagt, dass darin Probleme sowohl
technischer als auch juristischer Art - vor
allem technischer Art - gesehen werden.
Andere haben gesagt, das wäre auszuweiten.
Wir sind manchmal sehr schlicht im Denken und sind der Meinung, dass es in der
Stadt nur Mehrfamilienhäuser gibt. - Es
sind noch viel mehr Stadtteile als Kirchrode oder Bothfeld. Da sind auch Vinnhorst,
Ahlem und andere.
Jetzt haben wir aber noch ganz konkrete
Fragen zu beantworten.
Nach der Gebührenerhöhung seien 30 %
mehr zu zahlen. - Das hat jemand aus der
Stadt gesagt. Wie viel Mehraufwand erzeugt der Sack bei einer gemeinsamen
Abfuhr? Kann man in irgendeiner Form
beziffern, wie viel Geld zusammenkommt?
Und dann die schnelle Frage an Herrn
Mäurer: Wie viel kosten die Investitionen
für Ident-Systeme ungefähr?
Thomas Reuter:
Vielleicht beginne ich mit der Beantwortung der Frage zum Aufwand, dass wir
jetzt die Säcke mitnehmen.
Der Aufwand beträgt pro Auto ungefähr
35 000 Euro für die besondere Schüttung,
die ich erwähnt habe.
Im Augenblick muss man natürlich sagen:
Dass wir noch Säcke und Behälter haben,
ist unsere - in Anführungsstrichen „Schuld“. Wenn wir theoretisch in der Lage
gewesen wären, sofort zum 1. Januar
2014 vor jedes Grundstück einen Behälter
zu stellen, wäre dieser Aufwand nicht angefallen. Aber es ist im Umstellungsaufwand enthalten. Erst dann, wenn tatsächlich alles umgestellt worden ist und es die
Sacknutzung nur noch dort gibt, wo sie
gewünscht ist, kann man eine Rechnung
aufmachen und sagen, was dieser zusätzliche Aufwand - Versand der Gutscheine,
Ausgabestellen, Sackrollen ausgeben kostet.
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Conrad von Meding:
Offenbar ist es jetzt nicht möglich, eine
Millionensumme in den Raum zu stellen,
wie wir Journalisten es gern mögen, oder?
Thomas Reuter:
Nein, das traue ich mich jetzt nicht!
Conrad von Meding:
Schade, aber verständlich begründet.
Herr Mäurer, was kostet es, das umzustellen?
Henry Mäurer:
Die Installation eines Ident-Systems setzt
sich natürlich aus mehreren Kostenfaktoren zusammen. Das sind der Datenträger
an der Tonne, seine Montage und die
Fahrzeugausstattung für die Identifizierung
der Tonnen. Die genauen Werte kann ich
jetzt nicht aus dem Handgelenk schütteln.
Aber ein Chip kostet maximal 2 bis 3 Euro.
Sie sind relativ günstig geworden und halten auch recht lange.
(Dr. Christoph Tiebel: 70 Cent!)
- Ach so, noch günstiger!
Conrad von Meding:
70 Cent bei einer halben Million Haushalte
in der Region.
Henry Mäurer:
Sie müssen das auf die Behälter beziehen.
Es ist einfacher zu sagen: Die Kosten bei
der Installation eines Ident-Systems sind
nicht wirklich das Problem. Das, was Sie
an Effekten mit dem System erzielen, ist
deutlich höher als die Kosten der Installation.
Es gibt inzwischen die Fachmeinung, dass
sich ein solches System allein schon selbst wenn man es nicht zur Gebührenabrechnung nimmt - über die Optimierung
der Logistik finanziert. Allein schon aus
den Möglichkeiten, die man sich dort erschließt, kann man ein solches System
finanzieren.
Wir hatten das einmal ausgerechnet. Es
lag bei insgesamt etwa 2 bis 3 Euro pro
Einwohner und Jahr lag. Das sind relativ
kleine Beträge.
Es war noch nach der illegalen Entsorgung in Celle gefragt worden. Wir haben
uns damit beschäftigt und die Mengen, die
bei uns bei Wildmüllsammlungen anfallen,
sowohl in Fallzahl als auch in Menge mit
den Zahlen aus den Kreisen um uns herum verglichen. Dabei wurde festgestellt,
dass wir ziemlich genau in der Mitte liegen. Es ist nicht nachweisbar, dass unser
Gebührensystem einen anderen Effekt hat
als andere Gebührensysteme.
Wir beobachten das sehr genau. Es ist
eine relativ konstante Menge an Wildmüll,
die wir jedes Jahr einsammeln, mit unwesentlichen Veränderungen.
Conrad von Meding:
Dann war noch die Frage nach den Kosten des Rechtsstreits offen. Herr David,
wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie nicht gesagt, dass es nicht umgelegt werden darf, sondern dass Sie Zweifel
haben, ob es umgelegt werden darf.
Vielleicht können Sie das in einem kurzen
klarstellen.
Die Frage ging aber eigentlich an Herrn
Reuter.
Eckhard David:
Hätten wir ein zivilrechtliches Entgeltsystem, wäre die Frage eindeutig zu beantworten. Dann würden Kosten des Rechtsstreits selbstverständlich in die Kalkulation
eingestellt.
Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom
25. Januar 2006 entschieden:
„Grundsätzlich nicht zu prüfen ist daher, ob es sich um wirtschaftliche
oder unwirtschaftliche Kosten handelt.“
Hauptsache, betriebswirtschaftlich zuzuordnen.
Im Verwaltungsrecht wird die Sache
schwieriger. Dort geht es plötzlich um die
Frage nach der Erforderlichkeit und der
Angemessenheit. Das ist eben das Ver-
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waltungsrecht. Es gibt viel Rechtsprechung z. B. dazu, ob Kosten, die nicht auf
der Grundlage einer Ausschreibung entstanden sind, eingestellt werden dürfen,
und es gibt viele Anwälte, die genau danach schauen und dann versuchen, ein
Gebührensystem zu kippen.
Der nächste Punkt: Wäre ich im Zivilrecht,
dann gäbe es eine Angemessenheitsprüfung. Käme der Zivilrichter beim Amtsgericht Hannover zu dem Ergebnis, dass
3 Cent innerhalb der Entgeltkalkulation zu
viel eingestellt worden sind, weil bestimmte Kosten nicht hätten eingestellt werden
dürfen, dann würde der Zivilrichter das
Entgelt um die 3 Cent reduzieren.
Die Rechtsfolge beim Verwaltungsrichter
ist eine andere. Der Verwaltungsrichter
kippt die gesamte Satzung.
Conrad von Meding:
Das Plädoyer haben wir verstanden.
(Professor Dr. Priebs: Aber wer soll
den Rechtsstreit Ihrer Meinung nach
bezahlen?)
Eckhard David:
Das müssen Sie den Verwaltungsrichter
fragen. - Herr Professor Priebs, ich kann
Ihnen das sagen. Natürlich wird es bezahlt, und zwar aus Steuergeldern.
Conrad von Meding:
Wir fragen Herrn Reuter: Wer bezahlt es
jetzt aktuell? Wer zahlt im Moment die
Kosten des Rechtsstreits?
Thomas Reuter:
Genau deshalb, weil das Problem, das
Herr David genannt hat, besteht, prüfen
wir das bei uns. Wir wissen natürlich, dass
es irgendwo einen spitzfindigen Juristen
gibt, der darauf kommen wird.
Wir prüfen zurzeit, wobei wir immer noch
die Möglichkeit haben, die Kosten dieses
Rechtsstreits aus einer Gewinnrücklage also kein Gebührenvortrag - zu bezahlen,
wenn es notwendig ist. Aber wir werden es
auf alle Fälle in unserer Kalkulation so
machen, dass wir nicht über diesen Stein
stolpern werden.
Conrad von Meding:
Sie werden mutmaßlich irgendwann im
Abfallwirtschaftsausschuss des Regionsparlaments darüber berichten.
Thomas Reuter:
Ja, mit unserem Wirtschaftsplan und der
Kalkulation. Im Herbst.
Conrad von Meding:
Dann haben wir es ja öffentlich.
Ich habe jetzt doch sieben Minuten überzogen und bitte um Entschuldigung.
Bevor ich für das Schlusswort abgebe,
möchte ich Ihnen für Ihre unglaubliche
Konzentration danken. Das ist Wahnsinn!
Man hätte zwischendurch eine Stecknadel
fallen hören können. Sie waren sehr aufmerksam und ein sehr angenehmes Publikum. Aus meiner Sicht sage ich auch den
Experten für diese Vielfalt, die vorgetragen
wurde, ganz herzlichen Dank.
(Beifall)
Ich gebe jetzt an Herrn Professor Priebs
für einen kurzen Ausblick dazu ab, wie es
im Diskussionsprozess weitergeht.
Professor Dr. Axel Priebs:
Auch ich finde, dass es ein sehr spannender Abend war. Ich bedanke mich bei
Ihnen allen, dass Sie gekommen sind, es
hier auch so lange ausgehalten haben und
uns mit Fragen an den Kern der Geschichte gebracht haben. Herzlichen Dank!
Ich bedanke mich auch bei allen Expertinnen und Experten, die gekommen sind,
sich sehr intensiv vorbereitet haben und
nach meiner Beobachtung keine Antwort
schuldig geblieben sind. Herzlichen Dank!
Last, but not least bedanke ich mich bei
allen, die die Veranstaltung vorbereitet
haben, also bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sowohl von aha als auch von
der Region Hannover, und unserem Moderator, Herrn von Meding, der uns sicher
und gut durch den Abend geführt hat.
(Beifall)
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Sie haben gesagt, dass ich einen kleinen
Ausblick geben das soll, und das tue ich
gerne.
Wie gesagt, war das heute der zweite
Baustein in unserer vorgesehenen Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. Der große
Schritt, das Bürgergutachten, folgt nach
der Sommerpause. Ich hatte schon erwähnt, dass es der Öffentlichkeit voraussichtlich im Oktober vorgestellt werden
wird. Ich bin selbst sehr gespannt darauf,
was erarbeitet wird.
Wie gesagt, wir sind offen für Anregungen,
die uns weiterhelfen.
Die heutige Veranstaltung war ein wichtiger Baustein. Ich nehme jedenfalls sehr
viel mit und hoffe, dass es auch Ihnen genauso geht.
Herzlichen Dank und einen schönen Weg
nach Hause!
(Beifall)
Schluss: 20.11 Uhr.
Das wird auch wieder ein wichtiger Termin
sein, sowohl für Sie als Bürgerinnen und
Bürger, die Sie die Ergebnisse, sofern Sie
nicht mitarbeiten, gern hören wollen, als
auch für die Medien, die darüber berichten
werden, und natürlich auch für uns. „Für
uns“ heißt: für die Regionsversammlung,
die daraus ihre Schlüsse ziehen muss,
und auch für uns als Verwaltung von aha
und Region. Es bleibt also spannend.
Bis zum 31. Juli können Sie noch an den
Befragungen im Internet teilnehmen. Wir
hatten bereits angekündigt, dass wir die
heutigen Präsentationen und die Beiträge
so schnell wie möglich ins Netz stellen.
Das dann wird über www.hannover.de
abrufbar sein.
Am Schluss des ganzen Prozesses steht
die Entscheidung der Regionsversammlung. Es kann sein, dass gute Änderungsvorschläge gemacht werden, die die Regionsversammlung in die Satzung einbauen
möchte.
Man kann sich vorstellen, dass kleinere
Dinge schon für 2016 in der Satzung geändert werden. Größere Dinge würden
etwas länger dauern, also im dann folgenden Jahr vorgenommen werden. Das
muss man sehen. Es liegt in der Hand der
Regionsversammlung, zu sagen, welche
Vorschläge so gut sind, dass sie in der
Satzung ihren Niederschlag finden.
Wir alle sind gespannt und werden das
Weitere im Herbst hören, wenn die Vorschläge auf dem Tisch liegen.
Es würde mich freuen, wenn Sie uns weiterhin konstruktiv und kritisch begleiteten.