Seite 1 von 57 Experten-Hearing „Abfallgebührensystem“ am 14. Juli 2015 im Haus der Region Hannover Begrüßung Conrad von Meding: Einen schönen guten Abend, meine Damen und Herren! Es ist schön, dass sich die Reihen so angenehm gefüllt haben. Wir hatten angesichts des Wetters heute ein wenig Sorge. Ich möchte keine lange Vorrede halten. Für die Begrüßungsworte bitte ich den Hausherrn, den Regionspräsidenten Hauke Jagau, an das Mikrofon. - Einen Applaus für Hauke Jagau! es zwar unterschiedliche Behältnisse, aber mit gleichem Inhalt gibt, wobei die Anforderungen des OVG im Auge zu behalten waren, damit das Ganze zukünftig rechtssicher ist. Dann gab es eine erste Veränderung, die wiederum vom OVG angeschaut wurde. Dabei waren insbesondere zwei Dinge streitig. Das eine war die Frage der Mindestmenge, und das andere war die Frage, ob eine Grundgebühr - einerseits mit Wohnungsbezug und andererseits mit Grundstücksbezug - für beide Bereiche gesplittet eingeführt werden kann. Das OVG hat zu der Mindestmenge gesagt, das sei so in Ordnung. Zu dem anderen Teil hat das OVG gesagt, das möchte es nicht, sodass es eine weitere Korrektur gab. (Beifall) Regionspräsident Hauke Jagau: Liebe Mitglieder der Regionsversammlung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seien Sie ganz herzlich zu unserem Expertenhearing zum Abfallgebührensystem willkommen. Ganz herzlich willkommen heiße ich insbesondere auch die Expertinnen und Experten, die eingeladen sind. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr intensiv und zum Teil auch sehr emotional und sehr engagiert über das Thema Abfall diskutiert - in mehreren Stufen -, ausgelöst durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes, die dazu geführt hat, dass das alte System so nicht mehr Bestand haben konnte. Es ging um die in der Bundesrepublik einmalige Problematik, dass zwei ganz unterschiedliche Systeme zusammengeführt werden mussten, und um eine zum Teil leidenschaftlich geführte Diskussion, wie das System der Zukunft aussehen soll. Es ging um das Thema „Sack oder Tonne?“ in verschiedenen Varianten. Diskutiert wurde zunächst die Idee der Umstellung auf die Tonne, dann die Frage, ob unter den Vorgaben des OVG das System einheitlich so gestaltet werden kann, dass Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir eigentlich keinen rechtlichen Anlass, heute etwas zu tun. Aber wir wissen, dass die Unzufriedenheit mit dem jetzigen Zustand immer noch ziemlich groß ist. Deshalb habe ich, noch bevor das OVG entschieden hat, gesagt: Ich möchte in jedem Fall, dass wir gemeinsam schauen, ob es unter Berücksichtigung der OVG-Rechtsprechung, also mit der Sicherheit zu wissen, dass es hinterher funktioniert, möglich ist, ein System zu entwickeln, das auf eine größere Akzeptanz stößt, also das, was es an unterschiedlichen Vorstellungen gibt, zu berücksichtigen. Die Veranstaltung heute stellt dafür den Auftakt dar. Herr Professor Priebs wird gleich noch etwas zu dem Thema der Bürgerbeteiligung sagen. Für heute haben die Fraktionen in der Regionsversammlung jeweils eine Expertin bzw. einen Experten benannt. Deshalb bin ich sicher, dass wir heute ganz unterschiedliche Startimpulse bekommen und Debattenbeiträge hören werden. Mein Ziel und mein Wunsch ist es, dass wir am Ende dieses Jahres Verlässlichkeit haben, dass wir in dem Bürgerbeteiligungsprozess, der sehr spannend ist, schauen, ob es Ideen gibt, die den Krite- Seite 2 von 57 rien gerecht werden, die bisher eine Rolle gespielt haben und, wie ich glaube, auch weiter eine Rolle spielen sollten, um eine zukunftssichere und verlässliche Abfallentsorgung zu haben, ein einheitliches System mit einer einheitlichen Gebühr zu haben, einen Anreiz zur Müllvermeidung zu setzen und im Rahmen des zulässigen Maßes - das ist im Gebührenrecht nur sehr eingeschränkt gegeben - Familienfreundlichkeit und Ähnliches zu berücksichtigen. Ich hoffe, wie gesagt, dass wir am Ende in einer Debatte, in einer Diskussion und dann in einem Bürgerbeteiligungsverfahren mit einem Bürgergutachten zu einer Situation kommen, die ein höheres Maß an Zufriedenheit herstellen kann. Ich habe im Vorfeld gesagt und will das gern öffentlich wiederholen, dass ich in jedem Fall das Bürgergutachten in die Versammlung einbringen will, damit auf dieser Basis dann entschieden wird, ob es zu Veränderungen kommt oder nicht. Der Vorteil ist, dass wir tatsächlich keinen Zeitdruck für eine Entscheidung haben, weil wir mit diesem System schon einmal bis zum OVG durchgelaufen sind. Vielleicht trägt das dazu bei, dass wir die Debatten, die jetzt kommen werden, mit etwas mehr Gelassenheit führen können. Denn eines will ich noch einmal sagen: aha hat immer eine sehr gute Arbeit gemacht. Wir haben nicht das Problem, das andere haben, dass der Müll nicht gut entsorgt wird. Wir haben eine hervorragende Müllentsorgung. Wir machen das zu Bedingungen, die für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ordnung sind, was ebenfalls nicht in allen Bereichen der Fall ist, sodass die Basis, von der aus wir starten, wirklich gut ist. Ich danke Ihnen schon jetzt, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute hier dabei zu sein. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, und gebe das Wort gleich an Herrn Professor Priebs weiter. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. (Beifall) Vorstellung prozesses des Bürgerbeteiligungs- Erster Regionsrat Prof. Dr. Priebs: Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich begrüße Sie und freue mich, dass Sie heute so zahlreich gekommen sind. Ich will mich inhaltlich kurzfassen, da heute der Schwerpunkt auf den Ausführungen der Expertinnen und Experten liegt. Deshalb möchte ich nur einige Worte zu unserem Beteiligungsprozess sagen. Eine ganze Reihe von Ihnen war schon bei unserer Auftaktveranstaltung am 27. Mai, als wir den Prozess vorgestellt haben. Ich nenne noch einmal die wichtigsten Bestandteile. Im Grunde geht es in diesem Beteiligungsprozess um drei Bausteine: Das Fundament, der erste Baustein, ist sozusagen ein breiter Befragungsprozess, eine Onlinebefragung, die ein Meinungsbild liefern soll. Sie alle haben noch bis zum 31. Juli die Möglichkeit, sich im Internet zu beteiligen, dort einen Bogen auszufüllen und Ihre Meinung zu den Fragen, die dort gestellt sind, oder auch zu anderen Punkten mitzuteilen. Natürlich ist das auch auf Papier möglich, aber die meisten nutzen den Onlineprozess. Der zweite Baustein ist der, den wir heute gemeinsam bearbeiten, das Expertenhearing. Dazu sind Fachleute benannt worden - jeweils eine Person von den Fraktionen in der Regionsversammlung, von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, vom Zweckverband Abfallwirtschaft und von der Regionsverwaltung. Das ist das Spektrum. Dieser Baustein wird, wie ich glaube, sehr viele Erkenntnisse bringen. Der dritte Baustein besteht aus einem sogenannten Bürgergutachten. Ein solches Verfahren hat es zu unterschiedlichen Themen in verschiedenen Städten und Regionen bereits gegeben. Bürgerinnen und Bürger können dabei unter sachkundiger Begleitung Vorschläge erarbeiten, in unserem Fall, wie das System der Abfallentsorgung verbessert werden kann oder wie die Kosten der Abfallbeseitigung Seite 3 von 57 besser unter den Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahlern aufgeteilt werden können. Dafür werden vom Büro INFA, das von uns beauftragt worden ist - es hat ähnliche Prozesse auch schon in anderen Städten und Regionen begleitet -, 50 Bürgerinnen und Bürger ausgewählt - ein größerer Teil ist schon bestimmt; andere haben sich noch nicht zurückgemeldet -, die voraussichtlich Anfang September ein Bürgergutachten erarbeiten, das Vorschläge enthalten wird, was besser gemacht werden kann. Dabei gibt es keine Tabus und keine Denkverbote. Die einzige Vorgabe, die wir gemacht haben, ist, dass die Vorschläge umsetzbar sind, dass sie rechtlich möglich sind. Wir sind sehr gespannt, was dabei herauskommt. Herr Jagau und ich haben immer gesagt: Es gibt das ganz klare Versprechen der Regionsverwaltung, dass dieses Bürgergutachten der Regionsversammlung zur Beratung vorgelegt wird. Die Regionsversammlung ist das Gremium, das letztendlich über die Abfallgebühren entscheidet. Dieses Gremium bekommt das Bürgergutachten vorgelegt. Dazu wird es eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse des Bürgergutachtens im Oktober/November geben. Da die Mitglieder der Regionsversammlung über die Abfallgebühren entscheiden, haben sie heute nach den Präsentationen durch die Expertinnen und Experten sozusagen auch das erste Wort. In einer ersten Fragerunde werden sie zu Wort kommen. Die meisten Mitglieder der Regionsversammlung sitzen, glaube ich, in der zweiten Reihe, einige sitzen aber auch in der ersten Reihe, in der wir Plätze reserviert haben. Die Mitglieder der Regionsversammlung werden entscheiden müssen, welche Vorschläge übernommen werden und wie das Bürgergutachten weiter verarbeitet werden soll. Die Themen, mit denen wir uns heute befassen - viele wissen das schon, andere werden es heute erfahren -, sind technisch und rechtlich sehr komplex. Deswegen kommen die Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen und werden das breite Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Wie schon gesagt: Alles, was hinterher in unsere Abfallsatzung oder in unsere Abfallgebührensatzung einfließen soll, muss letztendlich technisch und rechtlich machbar sein. Deswegen hören wir heute von Expertinnen und Experten, welche Vorschläge diese haben. Zunächst wird aber Herr Reuter, der Geschäftsführer des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region Hannover, den Status quo darstellen. Sie werden daran schon sehen, dass das Ganze doch sehr komplex ist. Dann werden wir die Expertenmeinungen hören. Danach werden wir erst die Mitglieder der Regionsversammlung hören. Anschließend werden wir in das Plenum gehen. Das alles wird Ihnen Herr von Meding, der Moderator des heutigen Abends, dessen Zeilen in der HAZ Sie sonst immer beim Frühstück lesen, nochmals erläutern. Er wird uns durch den heutigen Abend führen. Ich wünsche uns allen einen interessanten und ergiebigen Abend. Zwar stehen wir in Konkurrenz mit dem besser werdenden Wetter, aber ich glaube, die nächsten Stunden hier werden sich lohnen. Ich bin sehr gespannt und freue mich, dass Sie alle hier sind. (Beifall) Conrad von Meding: Ganz herzlichen Dank, Herr Jagau, und ganz herzlichen Dank, Herr Priebs. Es ist eben gerade angeklungen: Es wird heute Abend nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig für Sie alle. Das muss man, glaube ich, in aller Ehrlichkeit sagen. Herr Jagau sagte: Wir haben eine gute Müllentsorgung in der Region Hannover, aber es gibt eine Unzufriedenheit damit, wie am Ende abgerechnet wird, wie die Gebühren organisiert sind. Herr Priebs sagte: Das, worum es geht, ist technisch und rechtlich sehr komplex. - Seite 4 von 57 Das wird heute Abend Ihre Zeit ein wenig mitbestimmen. Umso schöner ist es, dass Sie alle hier sind. schaffen wir es auch, ganz knapp darunter zu bleiben, wenn ich jetzt nicht allzu lange rede. Ich würde gerne wissen, wer von Ihnen an der Auftaktveranstaltung teilgenommen hat, als das Prozedere vorgestellt worden ist. - Das ist knapp die Hälfte. Das war ein sehr unterhaltsamer Abend, wie ich fand. Wir haben gelernt, wie das vonstattengehen soll, wie Sie sich daran beteiligen können, wie das alles vorangehen kann, sodass am Ende vielleicht nicht alle total glücklich mit dem Gebührensystem sind, aber zumindest alle damit zufrieden sind, wie es zustande gekommen ist, und die Uneinigkeit, die in der Region herrscht, vielleicht beendet ist. Vier Stunden sind angesetzt. Wir haben vereinbart, dass wir ungefähr zur Hälfte ich werde versuchen, ziemlich genau die Mitte zu treffen - eine Pause machen, damit Sie zur Toilette gehen oder kurz die Beine ausschütteln können. Wir wissen, dass bei einer solchen Pause immer das Risiko besteht, dass ein Teil der jetzt Anwesenden danach draußen bleibt. Das wäre schade. Denn nach den Expertenanhörungen kommt die Diskussion. Der heutige Abend ist in der Tat ein Abend der Experten. Insgesamt sind acht Experten hier, die - Herr Priebs hat das bereits gesagt - von den einzelnen Fraktionen, von der Region, von aha benannt worden sind, um ein breites Meinungsbild zu der Frage, was man eigentlich mit Abfallgebühren machen kann, zu erhalten. Einerseits sind es Techniker, die uns etwas über Abfallentsorgung berichten werden, andererseits sind es Juristen, und es ist auch eine Expertin darunter, die uns aus der Praxis der Hauseigentümer und Hausverwalter berichten wird. Sie erhalten heute Abend also ein ganz breites Spektrum, aber möglicherweise wird es an einigen Stellen schwierig werden. Damit wir überhaupt durch den Abend kommen, haben wir vereinbart, soweit uns dies möglich erscheint, keine Zwischenfragen zuzulassen. Ich bin in dieser Frage ein wenig gespalten. Wenn es einen Punkt gibt, bei dem wir alle das Gefühl haben, dass etwas überhaupt nicht zu verstehen war oder noch eine Einordnung benötigt wird, würde ich mir, sozusagen in Ihrem Sinne herausnehmen nachzufragen. Aber ich glaube, wenn wir bei acht Experten Nachfragerunden zulassen, kommen wir heute Abend total ins Schleudern. Auf dem Flur hat gerade jemand gesagt: Ich hoffe, das dauert keine drei Stunden. Sonst gehe ich gleich wieder. - Angesetzt sind tatsächlich vier Stunden. Ich verspreche Ihnen: Wir schaffen das. - Vielleicht Erst einmal - Herr Priebs hat das bereits gesagt - dürfen die Regionsabgeordneten Fragen stellen. Denn die Mitglieder der Regionsversammlung müssen hinterher mit unser aller Mandat entscheiden. Am Ende dürfen Sie dann alle mitdiskutieren. Wir werden die Expertinnen und Experten hier oben auf dem Podium versammeln, und Sie alle können Fragen stellen und diese nach Herzenslust „löchern“. Ich kann Ihnen also nur empfehlen: Bleiben Sie möglichst da. Ein weiterer Hinweis: Die gesamte Veranstaltung wird aufgezeichnet, und zwar vom Stenografischen Dienst des Landtages, also hoch offiziell. Der Vorteil ist, dass Sie nachher alles im Wortlaut nachlesen können. Dazu bitten wir Sie, wenn Sie sich nachher zu Wort melden, Ihren Namen zu nennen und zu sagen, woher Sie kommen. Das macht die ganze Sache hinterher lesbar. Letzter Punkt: Spätestens nach der Veranstaltung wird draußen oder hier auf einem der Tische eine Liste liegen, in die Sie sich eintragen können. Das kennen jene, die schon letztes Mal hier waren, bereits. Wenn Sie sich eintragen, hat das den Vorteil, dass Sie zu den nächsten Veranstaltungen dieser Machart wieder eingeladen werden. Es ist ja vielleicht ganz schlau, dranzubleiben, wenn man sich für das Thema interessiert. Ich gebe jetzt an Herrn Reuter ab. Er ist Chef der Abfallwirtschaft und weiß ziemlich genau, wie das läuft. Er ist nicht nur Seite 5 von 57 dafür zuständig, dass die Mülltonnen oder Müllsäcke - je nachdem, wo Sie wohnen vor Ihrer Tür wegkommen, sondern auch dafür, dass das mit der Abrechnung und dem Gebührensystem vom Grundsatz her immer irgendwie funktioniert. Schon damals waren sich alle Beteiligten darüber einig, dass es sehr schwierig sein dürfte, die beiden unterschiedlichen Systeme, die sich in den beiden Gebietskörperschaften entwickelt hatten, zusammenzuführen. Im Plan ist ausgedruckt, dass Herr Reuter 40 Minuten Zeit hat, wir haben aber gesagt: Wahrscheinlich reichen 30 Minuten. Viel Spaß! Ring frei! Im Umland gab es die Sackabfuhr und die Behälterabfuhr, wobei die Sackabfuhr dort stattfand, wo es weniger verdichtete Bebauung, also Ein- und Zweifamilienhausbebauung, gab, und in den Bereichen mit verdichteter Wohnbebauung eine Behälterabfuhr erfolgte. Dabei ging es aber nur um Großbehälter, also nicht um mehr oder weniger große Mülltonnen. Großbehälter mit vier Rädern, wie Sie sie kennen, wurden also auch im Umland eingesetzt. Vorstellung des aktuellen Abfallgebührensystems - Sachstand Thomas Reuter (aha): Danke schön, Herr von Meding. Ich werde versuchen, etwas Zeit für die spätere Fragerunde herauszuholen. Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Name ist Thomas Reuter. Ich bin der Verbandsgeschäftsführer des Zweckverbandes und, wie gesagt, für die Abfuhr der Tonnen und Säcke - und was wir sonst noch haben - zuständig. Unser aktuelles Gebührensystem beinhaltet, wenn man es genauer betrachtet, einige Besonderheiten, die im bundesdeutschen Vergleich in anderen Abfallsatzungen nicht sehr häufig wiederzufinden sind. Das Ganze ist eigentlich das Produkt eines langen Entwicklungsprozesses. Ich möchte Sie ganz kurz zu einem Blick zurück einladen, und zwar in die Jahre von 2000 bis 2003. Der Zweckverband wurde 2003 gegründet, die wesentlichen Vorarbeiten sind aber schon in den Jahren seit 2000 erfolgt. Dabei ging es darum, dass die Abfallwirtschaft des Umlandes, also des ehemaligen Landkreises, und der Stadt Hannover zusammengelegt werden sollte. Das waren zwei völlig unterschiedliche Systeme. Im Umland gab es eine GmbH, die als 100-prozentige Tochter des Landkreises die Abfuhr übernommen hatte, während in der Stadt ein Betrieb der Landeshauptstadt - das war der Abfallwirtschaftsbetrieb - für die Abfallentsorgung zuständig war. Dagegen gab es in der Stadt Hannover schon seit jeher die Abfuhr mit Mülltonnen von klein bis groß. Damit waren auch zwei unterschiedliche Abrechnungs- und Gebührensysteme verbunden. Die Ansage war seinerzeit ganz klar: Wir wollen so wenig wie möglich Veränderungen. Das heißt, die bestehenden Abfuhrsysteme und auch die geltenden Gebührenveranlagungen sollten so weit wie möglich übernommen werden. Das Ganze wurde in die erste Abfallsatzung und die erste Abfallgebührensatzung für die Region Hannover so eingebaut. Dabei bestand die Ausgangssituation, dass - Umland und Stadt zusammengezählt - ungefähr 750 000 Einwohner an die Behälterabfuhr und rund 400 000 Einwohner an die Sackabfuhr angeschlossen waren. Für die Behälterabfuhr gab es keine Grundgebühr, und die Leerungen wurden nach Bedarf, also im Regelfall wöchentlich oder 14-tägig, durchgeführt. Bei Extremsituationen fahren wir sogar täglich vorbei. Das ist überall dort der Fall, wo wenig Platz ist, wo viele Menschen leben, aber nur ein kleiner Müllbehälter stehen kann. In der Behälterabfuhr gibt es den sogenannten Hol- und Bringservice. Dieser ist in der Stadt Hannover eigentlich nicht mehr wegzudenken. Jeder Einwohner und jeder Grundstücksbesitzer in der Stadt Hannover ist es gewohnt, dass die Müll- Seite 6 von 57 tonne an einem Verwahrort - sei es ein Behälterschrank oder irgendetwas anderes - steht und die Müllabfuhr am Abfuhrtag kommt, die Mülltonne abholt, sie leert und wieder an den Platz zurückstellt. Das ist sehr wichtig, um während des Abfuhrbetriebes nicht den kompletten Straßenraum mit bereitgestellten Mülltonnen zuzustellen. Dieses System gibt es in der Landeshauptstadt Hannover schon seit Urzeiten. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass das irgendwann einmal anders gewesen wäre. Das ist hier wirklich in Fleisch und Blut übergegangen. Ein anderes System gab es im Umland mit der Sackabfuhr. Wie gesagt, ca. 400 000 Einwohner waren daran angeschlossen. Bei der Sackabfuhr hat es schon immer eine Grundgebühr gegeben. Das waren 12,40 Euro, die pro Wohnung anfielen. Dabei wurde nicht danach differenziert, ob in der Wohnung eine Person oder fünf oder noch mehr Personen gewohnt haben. Wenn in der privaten Wohnung eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt worden ist, wurde für diese Wohnung eine zweite Grundgebühren fällig. Die Grundgebühr von 12,40 Euro war relativ hoch und spiegelte 81 % der Gesamtkosten wider. Die Restmüllsäcke haben 19 % der Gesamtkosten gedeckt. Die Gebühr betrug 0,85 Euro für einen 50-LiterSack. Die extreme Differenz zwischen der Grundgebühr und der variablen Gebühr für die Restabfallsäcke beruhte auf der Überlegung, dass der Restabfallsack im Kaufmannsladen gekauft wurde. Er wurde nicht zugestellt, wie das heute der Fall ist. Jeder hat nach seinem eigenen Bedarf beim Einkaufen Restabfallsäcke gekauft. Das waren damals Rollen, auf denen sich jeweils zwölf Stück befanden. Wer sich eine solche Rolle in seinen Einkaufswagen gelegt hat, hat sich immerhin zehn Euro in seinen Einkaufswagen gelegt, ein Betrag, der nicht ganz ohne ist. Da kommt man schon ins Grübeln. Aber wir haben über die relativ hohe Grundgebühr den Preis für den Restabfallsack in einem Rahmen ge- halten, der - das darf ich wohl sagen - weitestgehend akzeptiert wurde, wobei man allerdings auch sagen muss: Unser stetiger Kampf, den wir bei dieser relativ geringen Gebühr über sehr viele Jahre geführt haben, galt gefälschten Säcken. Diese gefälschten Säcke waren zuerst relativ leicht zu erkennen, aber die „Produzenten“ wurden immer pfiffiger, und es wurde immer schwieriger, die gefälschten Säcke an bestimmten Merkmalen zu erkennen. Dieses Verfahren hat damals also zu dem Versuch geführt, den Kauf der Restmüllsäcke zu umgehen. Die Säcke wurden an die Straße gestellt. Das war einfach. Mit der Abfuhr verschwanden die Säcke von der Straße; das Straßenbild war wieder aufgeräumt, nachdem das Müllauto die Straße passiert hatte. Die Sackabfuhr erfolgte generell wöchentlich. Schon in der Anfangsphase wurde immer wieder in Zweifel gezogen, dass es möglich ist, dass zwei unterschiedliche Gebührensysteme im Zweckverband bestehen können. Das wurde aber in der Anfangsphase immer wieder, auch verwaltungsgerichtlich, bestätigt. Es wurde gesagt: Das sind zwei unterschiedliche Leistungen hier die Behälter-, dort die Sackabfuhr. Dafür können durchaus unterschiedliche Gebühren erhoben werden. Diese unterschiedlichen Gebühren haben wir sehr sauber kalkuliert. Im Bereich der Sackabfuhr wurde tatsächlich eine Gebühr erhoben, die die Kosten der Sackabfuhr gedeckt hat. Im Bereich der Behälterabfuhr wurden die Kosten der Behälterabfuhr gedeckt. Durch den Zukauf der Säcke bzw. durch die bereitgestellten Behälter mussten völlig unterschiedliche Volumina bewegt werden. In der Behälterabfuhr ergab sich ein jährliches Abfuhrvolumen aufgrund der bestellten Behälter. Die Behälter wurden bestellt, wie man sie für notwendig erachtete. So, wie sie angefordert wurden, wurden sie von uns ausgeliefert. Mit diesen Behältern war ein Volumen von ca. 1,6 Milliarden Litern verbunden, das für insgesamt Seite 7 von 57 750 000 Einwohner anfiel. In der Sackabfuhr hatten wir durch den Zukauf der Säcke für 400 000 Einwohner einen Bedarf von 300 Millionen Litern, also einen sehr viel geringeren Bedarf. Dadurch war der Liter in der Sackabfuhr wesentlich teurer als der Liter in der Behälterabfuhr, da hier der Teiler größer ist. Schon im Jahr 2010 hat man gesehen, dass das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seiner Rechtsprechung zu öffentlichen Einrichtungen mit differenzierten Gebühren sehr hohe Anforderungen stellt. Daher haben wir darauf hingewiesen, dass das System, das 2003 so gewollt war, wahrscheinlich nicht mehr lange Bestand haben kann. Deshalb hat sich schon im Dezember 2010 die Regionsversammlung mit diesem Thema beschäftigt und uns den Auftrag gegeben, die Satzung so zu überarbeiten, dass die Gebührenstrukturen in Stadt und Umland angeglichen werden. Weiterhin sollte ein hoher Dienstleistungsstandard beibehalten werden. Es sollte eine familienfreundliche Regelung sein, die aber gleichzeitig auch Abfallvermeidung und Recycling unterstützt. Auch sollte die finanzielle Machbarkeit überprüft werden. Diesem Auftrag sind wir nachgekommen, wobei zur gleichen Zeit ein Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gegen unsere Satzung anhängig war. In diesem Normenkontrollverfahren hat das Gericht im Jahr 2012 im Prinzip so, wie wir es befürchtet hatten, entschieden, indem es gesagt hat: Zunächst einmal dürfen nur Fixkosten in die Grundgebühr einfließen. - Das bezog sich auf unsere Grundgebühr für die Sackabfuhr. Wir hatten Fixkosten eingerechnet, allerdings waren bei den umgelegten Kostenbestandteilen, also beispielsweise bei der Sperrmüllabfuhr, Fix- und variable Kosten enthalten. Das war nach Ansicht des Gerichts nicht zulässig. Insofern wurden strengere Maßstäbe für die Grundgebühr aufgestellt. Ganz wichtig war bei dieser Entscheidung, dass gesagt wurde, der Verband sei eine einheitliche Einrichtung, und bei einheitlichen Einrichtungen müsse es auch eine einheitliche Gebühr geben. Das heißt, wenn eine Grundgebühr erhoben wird, muss sie für alle Bereiche gleich sein, und auch der Preis für einen Liter muss für alle Abfuhrarten gleich sein. Das OVG hat durchaus gesehen, dass wir zwei unterschiedliche Abfuhrsysteme haben. Deswegen gab es die freundlich gemeinten Hinweise, dass zwei getrennte Einrichtungen möglich sein sollten und dass wir ab Oktober 2012 ungefähr ein Jahr Zeit hätten, um eine neue Satzung zu erarbeiten und in Kraft treten zu lassen. Für die Kalkulation hat das Oberverwaltungsgericht vier Leitsätze aufgestellt. Diese vier Leitsätze spiegeln sich noch heute in unserer Satzung wider. Sie sind eigentlich die Grundlage unseres Gebührensystems. Dabei geht es zum einen um die einheitliche Grundgebühr und zum anderen darum, dass die Grundgebühr keine variablen Kosten enthalten darf, sondern nur fixe Kosten. Das Gericht hat verschiedene Stufen definiert, wie eine Grundgebühr erhoben wird, und, was für uns ganz wichtig ist, gesagt, bis zu einer Höhe 30 % könnten wir eine pauschale Grundgebühr, also eine Grundgebühr ohne weitere Differenzierung, erheben. Bei einer Höhe von 50 % müsste schon eine Differenzierung erfolgen, und die Grundgebühr müsste beispielsweise an der Anzahl der Personen in einem Haushalt ausrichtet werden. Angesprochen wurden außerdem, dass es mit einer besonderen Begründung noch die Möglichkeit gebe, über diese 50 % hinauszugehen. Aber das wäre aus unserer Sicht ein ganz erhebliches rechtliches Abenteuer gewesen, auf das wir uns nicht einlassen wollten. Insoweit haben wir uns dazu entschlossen, die Grundgebühr auf 30 % zu begrenzen. Diese Berechnung ist noch heute Gegenstand der Abfallgebührensatzung. Der vierte Leitsatz betraf insbesondere das Abfuhrsystem und dabei die unterschiedliche Erhebung der Gebühren, die bis dahin stattfand: Artikel 3 des Grundgesetzes, der Gleichheitsgrundsatz, sollte unbedingt eingehalten werden. Das heißt, alle Nutzer des Abfuhrbetriebes müssen Seite 8 von 57 gleich behandelt werden, wobei allerdings eine Ausnahme gemacht wurde, indem gesagt wurde, dass die Erzeuger kleinerer Abfallmengen, bei denen wirklich nur Minimengen anfallen, angemessen an dem entstehenden Aufwand beteiligt werden sollten. Daraus ist zum 1. Januar 2014 die neue Abfallsatzung entstanden, mit einer einheitlichen Grundgebühr, die wir im Jahr 2014 in einer aufgeteilten Variante ins Gespräch gebracht haben. Ein Teil war grundstücks-, der andere Teil war wohnungsbezogen. Wir haben gedacht, dass dieser Gedanke dem Aspekt der Gerechtigkeit entgegenkommt. Als Regelform haben wir die 14-tägige Behälterabfuhr eingeführt. Im Zusammenhang mit dem Mindestvolumen, auf das ich noch zu sprechen kommen werde, ist an einen Haushalt zu denken, in dem nur eine Person wohnt. Wenn diese Person nur das Mindestvolumen in Anspruch nehmen möchte, sind wir bei 40 Litern im Monat. Das heißt, wir mussten einen 40-LiterBehälter einführen. Ihn gab es bislang nicht. Für Abfallbehälter, wie wir sie als Mülltonne kennen, gibt es genormte Behältergrößen. Solche Behälter sind am Markt verfügbar und auch relativ günstig zu erwerben. Richtig teuer wird es, wenn man beispielsweise einen 62,5-Liter-Behälter haben möchte, der völlig außerhalb der Norm liegt. Das würde bedeuten, dass völlig neue Presswerkzeuge gebaut werden müssten. Das wäre ein Auftrag, bei dem die Kosten für die Produktion ganz schnell in die Hunderttausende gehen würden. Deswegen waren wir froh, dass wir auf dem Markt einen 40-Liter-Behälter gefunden haben, den wir Einpersonenhaushalten zur Verfügung stellen können. Als Besonderheit haben wir die Sackabfuhr beibehalten, die wir nun in Anlehnung an die Behälterabfuhr organisiert haben. Der Sack ist im Prinzip nichts anderes als ein Behälter, der zur Verfügung gestellt wird - er wird genauso behandelt -, aber ein relativ weicher Behälter. Mit diesem System konnten wir die entgeltfreie Nutzung unserer bisherigen Wertstoffsysteme beibehalten. Es war immer die Anforderung, alle Systeme ohne gesonderte Gebührenerhebung die Wertstoffhöfe, die landwirtschaftlichen Grüngutannahmestellen, die Sperrmüllabfuhr, das Umweltmobil mit seiner Schadstoffsammlung - unbedingt beizubehalten. - Ich sage extra: „ohne gesonderte Gebührenerhebung“. Das sind keine kostenlosen Systeme, denn das wird doch in irgendeiner Form, nämlich über die Grund- und volumenabhängigen Gebühren, bezahlt. Das haben wir mit den genannten Regelungen erreicht. Wir haben die Bioabfallverwertung gefördert, indem wir für die Bioabfälle eine Gebühr ermittelt haben, die ungefähr halb so hoch ist wie die Gebühr für den Restmüll. Das heißt, über den Restmüll wird die Bioabfallverwertung unterstützt. Zwischen dem Restmüll und den Bioabfällen findet eine Quersubventionierung statt, um die Bioabfallverwertung zu stützen und mehr Mengen zu generieren. Im Umland gab es die besondere Grundgebühr für gewerbliche Tätigkeiten in der privat genutzten Wohnung; etwas, was wir in der Stadt Hannover bei der Zusammenführung nicht gekannt haben. Wir hätten das dort auch nicht ermitteln können. Im Umland war das über eine langjährige Veranlagungspraxis möglich. Über die Kommunen, die ihre Gewerbedatei mit einbeziehen konnten, gab es eine Gebührenveranlagung. In der Landeshauptstadt Hannover hingegen hatten wir überhaupt keinen Anhaltspunkt. Es wäre sehr schwierig gewesen - das war schon im Umland nicht ganz einfach -, überall dort, wo es Mehrfamilienhäuser gibt, diejenigen Mieter herauszufinden, die in der Wohnung ein hauptberufliches Gewerbe ausüben und dafür eine Extragebühr bezahlen müssen. Wohnungsbaugesellschaften haben damit beispielsweise große Probleme. Allein dieser eine Gebührentatbestand hat sich im Umland auf ca. 2 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Das heißt, bei der Ermittlung der neuen Gebühr mussten plötzlich 2 Millionen Euro umverteilt werden. Seite 9 von 57 Außerdem haben wir, ganz im Sinne der Gerechtigkeit, eine reduzierte Grundgebühr für Gewerbebetriebe eingeführt. Denn Gewerbebetriebe dürfen aus praktischen Gründen weder die Wertstoffhöfe noch die landwirtschaftlichen Grüngutannahmestellen nutzen. Insofern ist die Gebühr für Gewerbebetriebe um diesen Gebührenanteil, der in der Grundgebühr enthalten ist, reduziert worden. kosten. Unsere Fixkosten liegen bei über 60 %. Herr Jagau hat es bereits angesprochen: Die zweite Runde vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg war auf unsere geteilte Grundgebühr zurückzuführen. Das Oberverwaltungsgericht war nicht damit einverstanden und hat uns auch vorgerechnet, dass die geteilte Grundgebühr zu unterschiedlich hohen Grundgebühren bei Ein- und Mehrfamilienhäusern führen kann. Unsere Abfallgebührensatzung wurde für unwirksam erklärt, weil die darin enthaltene Regelung zur Grundgebühr nicht rechtskonform war. Ein weiterer Punkt betrifft das Mindestvolumen, das in der Vergangenheit sehr häufig kritisiert worden ist. Dieses Mindestvolumen hatten wir seinerzeit auf der Basis der Abfallbehälter, die auf freiwilliger Basis bestellt wurden, und der Säcke, die in der Vergangenheit je nach dem persönlichen Bedarf im Einzelhandel erworben wurden, ermittelt. Wir sind auf ein durchschnittliches Abfallvolumen von ungefähr 22 Litern gekommen und haben uns auf ein Mindestvolumen auf 10 Litern geeinigt. Dieses wurde vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg nachgerechnet. Die amtlichen Abfallbilanzen wurden als Bemessungsgrundlage genommen, aufgrund dieser Abfallbilanzen wurde eine Rückrechnung vorgenommen, und dabei wurde festgestellt, dass dieses Mindestvolumen von 10 Litern zumindest aus Sicht des Gerichts nicht zu bemängeln ist. Diskutieren kann man natürlich weiterhin darüber. Gleichzeitig wurde von dem Gericht in der Verhandlung ausdrücklich bestätigt - man hat uns fast dahin geprügelt -, eine wohnungsbezogene Grundgebühr vorzusehen, und gesagt, dass das eine rechtssichere Konstruktion ist. Das haben wir auch übernommen. Alle anderen Regelungen unserer Abfallgebührensatzung und insbesondere auch unsere Abfallsatzung wurden vom Oberverwaltungsgericht in diesem Termin am 10. November 2014 nicht beanstandet. Nach diesem Urteil vom Herbst 2014 haben wir zum 1. Januar 2015 unsere Gebührensatzung in diesem einen Punkt der Grundgebühr angepasst und hatten damit das aktuelle Gebührensystem, mit dem wir uns seitdem beschäftigen. Das bedeutet, jetzt gibt es nur noch einen wohnungsbezogenen Gebührenmaßstab von 4,98 Euro je Wohnung, die Grundgebühr. Das sind sehr genau 29 % der Gebühren. Das heißt, wir haben sklavisch darauf geachtet, ja nicht die 30-Prozent-Hürde, die vom Oberverwaltungsgericht genannt wurde, durch irgendwelche Rundungsdifferenzen oder Ähnliches zu überschreiten. Diese Grundgebühr deckt einen Anteil der Fix- Die Grundgebühr ist natürlich auch wichtig, um den Anstieg der volumenspezifischen Gebühren, also der Gebühren je Liter Abfallvolumen, in Grenzen zu halten, wenn wir Schwankungen der zur Abfuhr bereitgestellten Restabfallmengen zu verzeichnen haben. Das Mindestvolumen ist in der Rechtsprechung seit jeher immer wieder bestätigt worden. Man braucht nicht darum herumzureden: Das Mindestvolumen ist so etwas wie eine zweite Grundgebühr. - Es soll aber auch dazu dienen, dass man bei der Trennung von Restabfall und Wertstoff genügend Behälterkapazität für den Restmüll hat, um möglichst saubere Wertstofffraktionen bereitzustellen. Gleichzeitig wollen wir, indem wir jedem Haushalt ein Mindestvolumen zur Verfügung stellen, auch der sogenannten wilden Entsorgung vorbeugen. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass das Volumen so bemessen ist, dass nicht ständig und an jedem Abfuhrtag irgendwelche Tüten, Taschen oder Pappkartons neben den Abfallbehältern stehen und das Stadtbild beeinträchtigen. Seite 10 von 57 Die gesamte Umstellungsaktion dauert vier Jahre. Wir müssen im Umland, bei 400 000 Einwohnern oder - anders gesagt - bei ca. 135 000 Grundstücken, Restmülltonnen aufstellen. Und wir müssen nicht nur herumfahren und dort Mülltonnen aufstellen, sondern wir müssen auch unseren Fuhrpark teilweise umrüsten. Die Fahrzeuge brauchen andere Schüttungen, um Behälter leeren zu können. Weil wir gleichzeitig auch noch die Sackabfuhr anbieten, haben wir Fahrzeuge, die beides können, die also zum einen Säcke und zum anderen auch Restabfallbehälter aufnehmen können. Das ist technisch gar nicht so einfach. Man könnte denken, man könne den Sack einfach dort, wo auch die Mülltonne eingehängt wird, oben in das Auto werfen, aber weit gefehlt! Wir müssen dabei die Verordnung zum Heben und Tragen von Lasten beachten. Das ist eine EU-Vorschrift, die besagt, dass ein Restabfallsack nur bis zu einer bestimmten Höhe gehoben werden darf. Das bedeutet, die Schüttung an dem Auto muss immer dann hydraulisch abgesenkt werden, wenn ein Sack hineingeworfen wird. Wenn ein Behälter angehängt wird, wird sie wieder hydraulisch hochgefahren. Das ist mit relativ viel Aufwand verbunden, den man nicht einfach innerhalb weniger Monate bewerkstelligen kann. Deshalb haben wir das Umland in vier Gebiete aufgeteilt, in denen ab 2014 umgestellt wird. Das erste Gebiet umfasst den Bereich unserer Betriebsstätte in Garbsen, wo wir die Stadt Garbsen und die Stadt Neustadt umgestellt haben. In diesem Jahr haben wir den gesamten Bereich, der von unserer Betriebsstätte Burgdorf betreut wird, umgestellt. - Das ist der blaue Bereich. - Im nächsten Jahr werden wir den Bereich der Betriebsstätte Laatzen - das ist der grüne Bereich - umstellen, und im Jahr 2017 werden wir dann als letzten Bereich alles das, was von unserer Betriebsstätte Kolenfeld versorgt wird, auf die Behälterabfuhr umstellen. Diese Systemumstellung dauert, wie gesagt, vier Jahre, um die Logistik, wie ich gerade erklärt habe, zu ändern und die Betriebsstätten auf diesen Einsatz vorzubereiten. Anhand eines Bildes zeige ich Ihnen kurz, was wir jetzt alles als Restabfalltonne zur Verfügung stellen können. Daneben gibt es, wie gesagt, weiterhin den Sack. Das Sacksystem ist sehr aufwendig, weil wir es so gestalten müssen wie ein Behältersystem. Das heißt, die Säcke können nicht mehr frei im Handel erworben werden, sondern alle Haushalte, nicht nur jene, die eine Abfalltonne haben wollen, sondern auch diejenigen, die die Sackabfuhr nutzen, müssen sich für eine Behältergröße entscheiden. Entsprechend dieser Behältergröße bekommt der jeweilige Haushalt dann seine Säcke. Das geschieht in der Form, dass wir Gutscheine versenden, die dann im Laufe des Jahres gegen Rollen mit Restabfallsäcken eingetauscht werden können. Die beiden Maße, die wir dort haben, der 20-Liter- und der 32,5-Liter-Sack, sind jeweils auf einer Rolle, die insgesamt 520 Liter Volumen ergibt. 520 Liter sind das Mindestvolumen für eine Person. Entsprechend dieser Ausgangslage kann man je nach persönlichem Wunsch variieren. Der persönliche Wunsch wurde von uns bei jedem Haushalt, bei jedem Grundstück abgefragt, das an die Sackabfuhr angeschlossen war. Wir haben dazu Fragebögen mit Erläuterungen, in denen wir die Einzelheiten dargestellt haben, zugestellt. Jeder Grundstückseigentümer konnte für sein Grundstück das Gewünschte bestellen. Dieses System ist sehr umständlich. Wie ich vorhin ausgeführt habe, hatte das Verwaltungsgericht in seiner ursprünglichen Entscheidung 2012 gesagt, man könnte auch zwei Einrichtungen vorhalten. Auch das war eine Idee, die wir sehr eingehend diskutiert haben. Man hätte auch zwei Einrichtungen vorsehen können, nämlich eine für die Behälterabfuhr - dann wäre die Behälterabfuhr ungefähr so geblieben, wie sie war - und eine andere für die Sackabfuhr. Auch die Sackabfuhr hätten wir dann theoretisch so lassen können; sogar mit der Möglichkeit, die Säcke im Seite 11 von 57 Einzelhandel zu erwerben. Das Problem dabei wäre aber gewesen, dass wir bezüglich der Grundgebühr nicht an der 30Prozent-Hürde vorbeigekommen wären; vielleicht hätten wir auch die 50-ProzentHürde nicht einhalten können. Bei einer Grundgebühr, die 30 % ausmacht, hätte aber der Preis für einen Restabfallsack dann - wir haben das ausgerechnet - um die vier Euro betragen. Viele sagen: Vier Euro sind kein Geld. Auch das bezahle ich; kein Thema; ich würde das kaufen. Aber dann würden drei Säcke so viel kosten, wie früher zwölf Säcke gekostet haben. Das große Problem bei dieser separaten Einrichtung besteht darin, dass wir, wenn wider Erwarten doch nicht so viele Säcke zu diesem Preis verkauft würden, nach einem Jahr eine Gebührenunterdeckung hätten. Diese Gebührenunterdeckung müssten wir dann durch eine Gebührenerhebung ausgleichen, da wir leider woanders kein Geld herbekommen. Eine solche Gebührenerhöhung würde dazu führen, dass der Sack wieder teurer wird. Wenn der Sack noch teurer wird, wird er wahrscheinlich noch weniger gekauft. Von daher hat die große Befürchtung bestanden, dass wir bei getrennten Einrichtungen relativ schnell die eine der getrennten Einrichtungen, die man ansonsten organisatorisch und buchhalterisch ohne Probleme hätte einrichten können, in die Insolvenz treiben. Da der Verband nicht insolvenzfähig ist, wäre auch die gesonderte Einrichtung nicht insolvenzfähig. Das heißt, wir müssten beim Steuerzahler vorstellig werden. Das wollte niemand. Deshalb hat man sich für dieses vielleicht etwas umständlichere System - das kann man ruhig so sagen - der einheitlichen Einrichtung mit dieser komplizierten Zurverfügungstellung der Restabfallsäcke entschieden. Wir bereiten uns jetzt gerade auf die Ausgabe der Säcke für 2016, vor. Jetzt, nach zwei Jahren, kann man durchaus sagen, dass das in die Routine hineinläuft. Anhand einer grafischen Darstellung werde ich Ihnen nun noch einmal verdeutlichen, wie unsere Gebühr angelegt ist. Im Mittel beträgt die Gebühr rund 115 Euro pro Jahr und Einwohner. Von diesen 115 Euro entfallen ca. 35 Euro auf die Abfall- und Wertstoffsammlung. Ein sehr großer Teil von 26 % oder 30 Euro entfällt auf die Leistungen, die wir ohne eine gesonderte Gebührenerhebung zur Verfügung stellen. Der Anteil für die Abfallbehandlung beläuft sich auf 48 Euro. Wir sind auch für die Nachsorge der Deponien zuständig, die von uns aktuell betrieben werden und in der Vergangenheit betrieben wurden. Dafür ist ein Betrag von 1,15 Euro in der Gebühr enthalten. Nun zu den positiven Veränderungen für die Bürger. Seit 2014 gibt es ein einheitliches Gebührensystem. Wir haben den Hol- und Bringservice, den wir in der Stadt schon früher hatten, jetzt in der gesamten Region. Die Tonnen sollen künftig überall von dem jeweiligen Aufstellort abgeholt und auch wieder zurückgebracht werden. Das kommt in der Region jetzt allmählich ins Laufen. Diesbezüglich besteht noch ein völliger Unterschied zwischen der Landeshauptstadt und dem Umland. In der Landeshauptstadt ist ganz klar: Die Müllabfuhr kommt, macht das Tor zum Vorgarten oder zum Garten auf, holt den Abfallbehälter heraus und stellt ihn auch wieder zurück. Wenn man im Umland das Tor zu einem Vorgarten aufmacht, steht schon jemand mit einer Schrotflinte hinter dem Busch. (Heiterkeit) Da muss man sehr vorsichtig sein. Insoweit bestehen ganz große Unterschiede. Ich denke, es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis dieser Service einheitlich genutzt wird. Wir haben dort, wo es im Umland gewünscht wird, die Sackabfuhr beibehalten. Weil es die Sackabfuhr schon seit 1975 im Umland gibt, gibt es viele Fälle, in denen man sich beim Neubau darauf eingestellt hat. Dort gibt es Probleme, Behälter aufzustellen. Gerade in diesen Fällen ist es, finde ich, sehr hilfreich, wenn wir dort wei- Seite 12 von 57 terhin den Sack zur Verfügung stellen können. Auf der anderen Seite gibt es seit ewigen Zeiten Probleme mit den Restabfallsäcken, wenn diese, wenn sie bereitgestellt werden, etwas enthalten, was einen unwiderstehlichen Anreiz auf Tiere - vom Igel bis zur Krähe - ausübt. Die Säcke werden dann von Tieren aufgerissen, und wenn der Inhalt auf der Straße liegt, ist das kein schöner Anblick. So etwas kann natürlich mit einer Tonne nicht passieren. Auch für die Bioabfallgebühren haben wir jetzt einen einheitlichen und günstigen Satz gefunden, sodass wir auch in diesem Bereich anwachsende Mengen zu verzeichnen haben, die wir in unserem Abfuhrgeschäft einsammeln. „Nachhaltig durch getrennte Sammlung“. Auf dem Schaubild sehen Sie die Materialien, deren getrennte Entsorgung wir anbieten. Das hat noch für dieses Jahr im Umland Gültigkeit. Wie Sie sicherlich in der Zeitung gelesen haben, wird vom kommenden Jahr an der Verpackungsabfall nicht mehr durch uns, sondern durch eine andere Firma im Umland eingesammelt. Wir haben - das war uns sehr wichtig Bewährtes beibehalten. Sperrmüll etwa ist ein großes Thema, auch für alle Hauptverwaltungsbeamten im Umland. Sie sagen: Es ist ganz wichtig, dass der Sperrmüll weiterhin ohne gesonderte Gebührenerhebung abgeholt wird. Wir haben das Angebot der Wertstoffhöfe. Die Zahl der Besucher hat sich hier innerhalb der letzten drei bis vier Jahre von 2 Millionen auf jetzt etwa 4,3 Millionen erhöht. Gleichzeitig haben wir immer noch unsere 54 landwirtschaftlichen Grüngutannahmestellen. In unserem Auftrag nehmen dort Landwirte Grünabfälle an. Dort sammeln wir eine Menge von ungefähr 64 000 t im Jahr ein. Außerdem haben wir auch noch unser Umweltmobil am Start, das Sonderabfälle einsammelt, wobei dieses Umweltmobil zu einem ganz großen Teil durch unsere Wertstoffhöfe - davon gibt es mittlerweile immerhin 21 im gesamten Regionsgebiet verdrängt wird, weil wir über die Wertstoffhöfe eine Annahmemöglichkeit für Problemabfälle bieten, von der sehr rege Gebrauch gemacht wird. Damit bin ich jetzt am Ende meiner Vorstellung des Gebührensystems angelangt. Sie ist nun doch etwas länger geworden. Conrad von Meding: Der Moderator steht hier schon drängelnd. - Nein, Herr Reuter, Sie haben das sehr gut gemacht. Einen Applaus bitte für den Chef der Abfallwirtschaft! (Beifall) Sie merken anhand der Nuancen, dass er gar nicht so sehr unzufrieden damit ist, wie das im Moment mit dem Kompromiss, der gefunden worden ist, läuft. Wir hören uns gleich einmal an, was die anderen dazu sagen. Der eine oder andere von Ihnen wird sich vielleicht gefragt haben, ob Herr Reuter nicht auf das eine oder andere Detail hätte verzichten können. Nein, das konnte er nicht. Das war schon die stark reduzierte Version. Alle acht Experten, die Sie gleich hören werden, haben von der Regionsverwaltung eine CD bekommen, die - hier vorne wird schon leidvoll genickt - die Langversion des Vortrages, die Originalfassung der Urteile, die es gegeben hat, und die Satzungen, die es in der Vergangenheit gegeben hat, enthält. Dagegen war der Vortrag von Herrn Reuter die stark gestraffte Kurzfassung. - Ganz herzlichen Dank, Herr Reuter. Was passiert jetzt? - Wir werden jetzt acht Experten in einer festgelegten Reihenfolge hören. Die fünf in der Regionsversammlung, also in dem gewählten Parlament, vertretenen Fraktionen - der Stärke nach die SPD, die CDU, die Grünen, die FDP und die LINKE -, durften jeweils einen Experten oder eine Expertin benennen. Die Hauptverwal- Seite 13 von 57 tungsbeamten - eben fiel schon der Begriff; wir normalen Menschen sagen dazu „Bürgermeister“ - durften ebenfalls jemanden bestimmen, der hier vorn vortragen kann. aha hat selber noch jemanden bestimmt, und auch die Regionsverwaltung hat jemanden bestimmt, der hier vorne vortragen kann. Insgesamt kommen wir damit auf acht Expertinnen und Experten. Was die Reihenfolge angeht, gibt es eine ganz kleine Änderung, da der Vertreter, der von der LINKEN benannt worden ist, noch einen Termin hat und ein bisschen später kommt. Deswegen haben wir seinen Vortrag hinter dem von Herrn David, der von den Hauptverwaltungsbeamten benannt worden ist, einsortiert. Das ist eine ganz kleine Abweichung, die aber abgestimmt ist. Meine Damen und Herren! Mit der CD war in der Tat die Versorgung mit Lesestoff für den Urlaub gesichert. Sie ist allerdings nicht schuld an meiner Erkältung. Ich hoffe, Sie können mir dennoch folgen. Ich denke - Herr Reuter hat es bereits angesprochen -, Ausgangspunkt der Diskussion sollten in der Tat die Entscheidungen des OVG aus den Jahren 2012 und 2014 sein. Damit haben wir eine sehr gute und solide Basis für die Diskussion. Ich werde Ihnen jeweils kurz sagen, wer vortragen wird. Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass das Gericht sehr pingelig war, sehr ins Detail gegangen ist und sich dabei sehr viel Mühe gegeben hat. Aber man kann das auch als Ressource nutzen und sagen: Wenn man sich in diesem Rahmen bewegt, bewegt man sich in der Tat auf gesichertem rechtlichen Grund. - Das sollte man als Chance nutzen. Als Erster, benannt von der SPD, trägt Herr Dr. Holger Thärichen vor. Er kommt vom Verband kommunaler Unternehmen in Berlin, der hier im Haus immer mit „VKU“ abgekürzt wird. Herr Reuter hat diese Entscheidungen im Einzelnen dargestellt. Insofern kann ich es mir sparen, in die Tiefe zu gehen. Die eine oder andere Anmerkung will ich aber gleichwohl machen. Ich schildere Ihnen nicht die gesamte Vita. Er ist Jurist - wir haben heute Abend hier Juristen, Techniker und Leute aus der Praxis -, hat in Berlin Rechtswissenschaften studiert, beide juristische Staatsprüfungen abgelegt und dort auch promoviert. Er war u. a. drei Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter im Umweltbundesamt und bringt von daher Erfahrung mit. Er war auch Rechtsanwalt, war dann Jurist bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben, und schließlich saß er als Mitglied im Abgeordnetenhaus in Berlin. Jetzt ist er aber für den Verband kommunaler Unternehmen hier. Wichtig ist, so denke ich, dass durch das OVG die Klarstellung erfolgt ist, dass die Sackabfuhr einerseits und die Behälterabfuhr andererseits keine unterschiedlichen Leistungen im Rechtssinne sind und damit auch nicht Anknüpfungspunkt für eine weitergehende Differenzierung sein können, wie sie in der Vergangenheit bei den Gebühren vorgenommen worden ist. Schön, dass Sie da sind! Ring frei! Sie haben 10 Minuten. Wenn Sie diese Zeit unterbieten, bekommen Sie einen größeren Applaus. Dr. Holger Thärichen, Verband kommunaler e.V., Berlin: Unternehmen Ich werde es versuchen. - Vielen Dank. Das OVG spricht in diesem Zusammenhang von einer technischen Modifikation der Abfuhrleistungen. Darum geht es. Die Abfuhrleistung wird in unterschiedlichen technischen Ausführungen erbracht. Dies sind aber keine unterschiedlichen Leistungen im rechtlichen Sinne. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man sich für die weitere Diskussion vergegenwärtigen sollte. Andere Punkte - wie die Grundgebühr kalkuliert wird, was in die Grundgebühr eingestellt werden darf; natürlich keine variablen Kosten - sind vom OVG deutlich gemacht worden; auch die unterschiedlichen Prozentsätze, die zu beachten sind. Seite 14 von 57 Auch interessant ist - darauf werde ich am Ende meines kurzen Beitrages noch einmal zurückkommen -, wann hinsichtlich der Grundgebühr für Gewerbebetriebe differenziert werden muss. Wenn man unter 30 % bleibt, muss man das nicht machen, könnte das aber gegebenenfalls tun. Hier befindet man sich auf rechtlich relativ abgestecktem und gesichertem Terrain. Die Entscheidung aus dem Jahr 2014 hat sich im Wesentlichen mit der Frage beschäftigt, inwieweit hinsichtlich der Grundgebühr nach Grundstücken und Wohnungen differenziert werden kann. Dies ist vom OVG mit der insoweit hinzunehmenden und vielleicht auch nachvollziehbaren Erwägung abgelehnt worden, dass die Vorhalteleistung nur einheitlich erbracht werden könne. Sie könne nicht in unterschiedlicher Ausprägung zum einen gegenüber dem Grundstückseigentümer und dann zum anderen gegenüber dem Wohnungsnutzer erbracht werden. Das müsse einheitlich betrachtet werden. Würde hier differenziert, wäre das unzulässig und auch mit einem Realitätsverlust im Vergleich zum reinen Wohnungsmaßstab verbunden. Im Übrigen wäre das auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil dann unterschiedliche Grundgebührensätze entstünden, je nachdem, ob man in einem Einfamilienhaus oder in einem Mehrfamilienhaus wohnt. Man käme dann zu einem degressiven Verlauf der Grundgebühr. Das ist vom OVG nicht akzeptiert worden. Das ist, wie wir gesehen haben, in der aktuellen Gebührensatzung durch das Umschwenken auf die reine Grundgebühr, anknüpfend an die Wohnung, bereinigt worden. Wichtig ist auch die Erkenntnis zum Mindestbehältervolumen: dass 10 Liter pro Einwohner und Woche als zulässiges Mindestbehältervolumen durch die Satzung vorgegeben worden sind. Mindestvolumen und Anreizgebot - das Problem ist, dass sich das Mindestvolumen mit dem Anreizgebot, dem Gebot, Anreize zur Getrennthaltung und zum Recycling zu machen, beißen kann. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der durchschnittliche Abfallerzeuger einen Anreiz erhält, weniger Müll zu produzieren. Das hat das OVG auf mehreren Seiten ausführlich begründet. Das Durchschnittsaufkommen beträgt 15 bis 22 Liter. Derjenige, der sich im Vergleich zum Durchschnitt anstrengt und weniger Müll produziert, kann auf das Mindestvolumen gehen und erhält dadurch auch einen Vorteil. Das reicht aus, um dem gebührenrechtlichen Anreizgebot Rechnung zu tragen. Man muss aber nicht demjenigen, der ohnehin schon sehr gut trennt, sehr gut verwertet und wenig Müll produziert, zusätzlich die Möglichkeit einräumen, auf das geringstmögliche Volumen zu gehen, was regelmäßig mit fünf bis sieben Liter angesetzt wird. Das ist nicht zu verlangen. Es reicht aus, dem Durchschnittsnutzer einen Anreiz zu geben. Das ist mit dem Mindestvolumen von 10 Litern allemal erfüllt. Das Problem taucht häufig auf; deswegen finden wir es auch häufig in der Rechtsprechung. Das VG Köln hat vor Kurzem gesagt, selbst 20 Liter pro Person und Woche seien okay. Ich komme aus Berlin. Dort sind wir bei 30 Liter pro Person und Woche. Mit 10 Litern sind Sie also sehr moderat unterwegs. Insofern würde ich auch nicht empfehlen, daran etwas zu ändern. Ähnliches gilt - ich kann es kurz machen für die Gewerbebetriebe, bei denen wir Einwohnergleichwerte festlegen können. Das wurde vom Bundesverwaltungsgericht schon 2007 bestätigt. Auf diese Entscheidung rekurriert auch das OVG an verschiedenen Stellen. Für die Volumenbemessung können also Einwohnergleichwerte festgelegt werden. Das ist in der Satzung von aha entsprechend geschehen. Wichtig ist, dass das Bundesverwaltungsgericht in dieser Entscheidung einige Grundsätze zur Gebührenkalkulation festgelegt hat. Wenn Sie Einwohnergleichwerte für die gewerbliche Nutzung festlegen, haben Sie einen weiten Spielraum. Sie können Wirklichkeitsmaßstäbe nutzen. Sie können Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe nutzen. Sie können haushaltsbezogen, per- Seite 15 von 57 sonenbezogen oder grundstücksbezogen Gebührenmaßstäbe aufstellen. Insoweit hat der jeweilige Satzungsgeber ein weites Ermessen. Einer Differenzierung, die der eine oder andere gern zu seinen Gunsten hätte, sind notwendigerweise Grenzen gesetzt. Sie müssen typisieren. Deswegen sprechen wir im Gebührenrecht auch nicht von Einzelgerechtigkeit, sondern wir sprechen von Typengerechtigkeit. Sie können nicht für jeden Einzelfall die absolut beste und gerechteste Lösung finden. Das verlangt das Gebührenrecht auch nicht. Deswegen ist das Modell der Einwohnergleichwerte, wie Sie es in Ihrer Satzung festgelegt haben, vom Bundesverwaltungsgericht gebilligt worden. Eine der zentralen Aussagen des Gerichts lautet, dass Sie nicht den exakten Bedarf im Einzelfall festlegen müssen. Wichtig ist übrigens auch, dass Sie Reserven für erhöhten Mengenanfall brauchen. Sie haben ja nicht das ganze Jahr über einen linearen Abfallanfall. Sie haben im Sommer weniger und im Winter, nach Weihnachten und Silvester, mehr Abfall. Das Volumen muss immer reichen, damit es den Abfall aufnehmen kann. Was würde ich Ihnen zu Ihrem Modell empfehlen oder raten? Ich denke, die beiden Entscheidungen sind eine sehr gute und solide Grundlage. Sie haben mit Ihrem jetzigen Modell, mit den jetzigen Satzungen, eine rechtssichere Basis. Das ist, wie wir in der Vergangenheit gesehen haben, zunächst einmal keine Selbstverständlichkeit. Insofern würde ich sagen, jetzt ist eine Phase der Konsolidierung und nicht revolutionärer Umwälzungen angesagt. Wenn man sich mühsam über die vergangenen Jahre eine rechtssichere Satzung und eine rechtssichere Gebührenveranlagung erarbeitet hat, würde ich das nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, sondern schauen, wo man bei einzelnen Elementen vielleicht behutsam nachsteuern und Veränderungen bzw. Optimierungen vornehmen kann. An den grundlegenden Entscheidungen, die diesen Satzungen zugrunde liegen, würde ich nichts ändern. Wo könnte man noch etwas tun? Sicherlich nicht beim Mindestvolumen. Das sollten Sie so lassen. Insoweit sind Sie auf der sicheren Seite und befinden sich auch eher am unteren Ende der Fahnenstange. Schon gar nicht können Sie nach Behälter oder Sack differenzieren. Das muss einheitlich festgelegt werden. Insofern können Sie, wie Herr Reuter zu Recht ausgeführt hat, nicht anders agieren. Sie müssen auch bei der Sackentsorgung durchsetzen und sicherstellen, dass das Mindestvolumen genutzt wird. Daran führt kein Weg vorbei. Sie können bei der Veranlagung nicht zwischen Behälter und Sack unterscheiden. Das geht nicht. Das OVG sagt dazu: Das ist eine technische Modifizierung der Abfuhrleistung, aber kein rechtlich zulässiger Anknüpfungspunkt für unterschiedliche Leistungen im Rechtssinne. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Die Abfallsäcke sind bei Ihnen - ich weiß das - ein wesentlicher Streit- und Diskussionsgegenstand. Wenn man sich die Satzung hierzu anschaut, merkt man: Da wird es ein bisschen unrund, ein bisschen inkonsistent. Einerseits wird von einer Übergangsregelung andererseits von einer Ausnahmeregelung gesprochen. Herr Reuter hat ganz anschaulich deutlich gemacht, wie aufwendig das System ist. Sie brauchen eigene Fahrzeuge, Sie haben einen sehr starken bürokratischen Aufwand, um das Ganze zu bewältigen. Insofern ist - von außen betrachtet - meine Empfehlung, darüber nachzudenken, ob man den § 10 a im Sinne einer Übergangsregelung ernst meint, auch sagt, dass dies eine Übergangsregelung ist, und z. B. Auslauffristen nennt und bestimmt, wann der Übergang vom Sack- auf das Behältersystem definitiv abgeschlossen ist. Das fände ich sinnvoll. Wenn man sich die Situation bundesweit betrachtet, stellt man fest, dass es sich bei dem Sacksystem wirklich um ein singuläres System, um einen absoluten Ausnahmefall, handelt. Viele Argumente sprechen dagegen. Es ist sehr aufwendig; sowohl in bürokratischer als auch in logistischer Hin- Seite 16 von 57 sicht. Auch die Mitarbeiterbelastung muss man sehen. An das System haben sich sicherlich viele gewöhnt; man sollte gleichwohl darüber nachdenken, ob man nicht irgendwann einmal konsequent einen Schnitt macht. Es wird gern über Verwiegesysteme, kombiniert mit Ident-Systemen - das ist ja die Voraussetzung -, diskutiert. Natürlich klingt das erst einmal verlockend. Man hat vermeintlich mehr Gerechtigkeit und kann die Müllgebühr vielleicht auf das Gramm genau berechnen. Aber da geht es schon los. Wo kann man das machen, wem gegenüber kann man das machen? Das kann man im Falle eines Einfamilienhauses machen, aber nicht im Geschosswohnungsbau. Da kommt das System an seine Grenzen. Das ist zulässig, weil Sie bei der Umlage den Anteil von 30 % nicht überschreiten, aber nicht unbedingt etwas, was die Einzelfallgerechtigkeit oder zumindest eine grobe Typengerechtigkeit fördert. Hier könnte man auf einen anderen Maßstab umschwenken. Es ist zulässig, nach Anzahl der Beschäftigten oder aber auch nach Grundfläche zu differenzieren, um eine stärkere Leistungsgerechtigkeit für die Vorhalteleistungen herzustellen. Das ist auch schon durchgeklagt. Das ist möglich - andere Kommunen machen das -, und es hätte auch Entlastungspotenzial für die Haushalte, würden Sie einen solchen Weg gehen. Es geht ja immer um die Verteilung der Kosten. - Das kann man machen, man muss es nicht. Das sei Ihnen insoweit noch mit auf den Weg gegeben. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben. Im Übrigen muss ich immer eines abwägen - insoweit bitte ich Sie um eine sorgfältige Diskussion -: Wir müssen immer auch dafür sorgen, dass die Wertstoffe sauber bleiben, dass die Wertstoffe getrennt erfasst werden und dass es keine Fehllenkung von Restabfällen in die Wertstoffe gibt. Ich rede viel mit der Papierindustrie. Wir diskutieren viel mit den Kompostwerken. Wir diskutieren auch viel mit der Kunststoffindustrie. Es wird immer wichtiger, wirklich gute, hoch qualitative Wertstoffe zur Verfügung zu stellen. Jeder Anreiz, der dazu führt, dass Restabfälle in die Wertstoffe oder Bioabfälle in den gelben Sack zukünftig Wertstofftonne - umgelenkt werden, schadet. Diesen Aspekt müssen Sie immer mit berücksichtigen. Insofern habe ich eine gewisse Skepsis, was das Verwiegesystem angeht. Ein letzter Punkt, über den man nachdenken kann, aber nicht nachdenken muss rechtlich ist das okay was Sie haben; aber man könnte darüber nachdenken -, ist, bei der Grundgebühr für die Gewerbebetriebe etwas genauer zu differenzieren. Sie sagen jetzt: Eine Nutzungseinheit, eine Grundgebühr. - Das gilt für den Kiosk genauso wie für den großen Industriebetrieb mit 1 000 Mitarbeitern. (Beifall) Conrad von Meding Herzlichen Dank, Herr Dr. Thärichen. Das haben Sie sehr lebensnah und sehr gut verständlich erklärt. Bei Juristen haben wir alle immer ein bisschen Sorge. Aber dem war gut zu folgen. Im Grundsatz sind Sie ganz zufrieden. Wenn ein Jurist sagt, dass das endlich rechtssicher ist, ist damit schon viel gewonnen. Technisch haben Sie einige Anmerkungen gemacht, was man vielleicht verbessern könnte. Zu Verwiegesystemen und ähnlichen Dingen kommen wir noch in anderem Zusammenhang. Ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie sich weitgehend an den vorgegebenen Zeitrahmen gehalten haben. Zum Podium begibt sich nun Frau Carola Stümpfel. Frau Stümpfel ist von der CDU benannt worden. Sie kommt aus Hannover und ist Geschäftsführerin der Haus- und Grundstücksbetreuungsgesellschaft mbH in Hannover. Ich habe als Begrüßung zu ihr gesagt: Ach so, Sie kommen von Haus & Grund. - Darauf hat sie mich gleich böse angeschaut und gesagt: Nein, natürlich komme ich Seite 17 von 57 nicht von Haus & Grund, sondern von der Haus- und Grundstücksbetreuungsgesellschaft. - Das ist das Unternehmen, in dem sie Geschäftsführerin ist und das u. a. WEG-Abrechnungen, Hausverwaltungen und ähnliche Sachen macht. Insofern ist sie eine Frau aus der Praxis, die uns aus der Sicht der Haus- und Grundeigentümer und als Expertin, die von der CDU benannt worden ist, erzählen wird, was sie von dem System hält und was sie vorschlägt. Viel Spaß! Carola Stümpfel, Haus- und Grundstücksbeteuungsgesellschaft mbH, Hannover Schönen guten Tag! Ich bin aus der Praxis und bin es auch nicht gewohnt, vor einem solch großen Gremium einen langen Vortrag zu halten. Gewohnt bin ich meine abendlichen Eigentümerversammlungen. Aus diesen Eigentümerversammlungen sind mir natürlich die Vorstellungen und die Ansichten der einzelnen Eigentümer und Bürger bestens bekannt. Sie müssen sich das vorstellen - die Hannoveraner wissen das sicherlich -: Auf den Eigentümerversammlungen im Jahr 2014 und jetzt im Jahr 2015 hatten wir jedes Mal mindestens eine Viertelstunde bis eine halbe Stunde zu tun, um uns mit den Änderungen bei der Müllentsorgung und mit den Änderungen bezüglich der Kosten zu beschäftigen. Wir verwalten kleine Eigentümergemeinschaften, bei denen es um die Sackabfuhr geht, und wir haben auch große Eigentümergemeinschaften, die die Containerabfuhr haben. Durch die Bank haben die Bürger kein Verständnis, zumal auch die Medien nicht so gut verbreitet haben, was Hintergrund und Sinn der Umstellungen ist, die dort passiert sind. Die große Kritik an den Satzungen hat, soweit ich mich erinnern kann, zu 8 000 Gerichtsverfahren hier in Hannover geführt und ist wohl auch die Ursache für diese Veranstaltung und für den Weg, der jetzt gewählt worden ist. Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, was in der Praxis in Zukunft vielleicht besser sein kann. Wir haben schon viel dazu gehört, wie sich die Situation zurzeit darstellt. Sicherlich ist man auf einem guten Weg. Wir haben von Herrn Reuter einige Dinge gehört, die ich voll unterstützen kann. Aber es gibt auch Punkte, in denen ich überhaupt nicht seiner Ansicht bin. Daher möchte ich jetzt einmal meine Meinung zu der noch zu erarbeitenden bzw. vorläufigen Gebührensatzung sagen. Die Auswertungen der Kostenaufstellungen, die mir bekannt geworden sind, zeigen, dass das alte System in der Landeshauptstadt mindestens doppelt so teuer war wie das System im Umland. Das ist etwas, was der Laie überhaupt nicht versteht. Ich habe gelernt, dass das viel mit dem Trennen in den ländlichen Bereichen zusammenhängt, also damit, dass die Bürger im ländlichen Bereich mit dem altvertrauten Sacksystem besser trennen, als dies im Stadtgebiet geschieht. Das soll aber auch damit zusammenhängen, dass das von Ihnen angesprochene Holsystem erheblich teurer ist als das Sackystem, bei dem die Säcke an die Straße gestellt werden müssen. Das gibt mir doch zu denken. Wie soll der Bürger, wenn jetzt alles zusammen veranlagt und eine einheitliche Gebühr erhoben werden muss, verstehen, dass derjenige, der viel weniger Müll produziert, andere mitfinanzieren soll? Meiner Ansicht nach müsste eine getrennte Kalkulation der Gebühren für die Landeshauptstadt und für das Umland erfolgen. Außerdem müsste eine entsprechende Information an die Bürger erfolgen, damit sie anhand grober Kalkulationen, wie sie sonst jeder machen muss, feststellen können, dass die Gebühren wirklich den Kosten geschuldet sind. Zur Grundgebühr haben wir bereits etwas gehört. Ich meine, dass die Grundgebühr 50 % der Gesamtkosten betragen und einen Wohnungsbezug haben sollte. Denn im Landkreis ist der Anteil in der Vergangenheit noch viel höher gewesen, was dazu geführt hat, dass die Müllmenge dort erheblich kleiner ist. Seite 18 von 57 Sie werden sicherlich verstehen, dass ich als Praktikerin auf keinen Fall eine personenbezogene Abrechnung für richtig halte. Ich habe das Theater miterleben dürfen, als aha die Umstellung von den Abrechnungen in den Landkreisgemeinden zu dem zentralen Abrechnungssystem bewältigen musste. Das hat den Praktikern sehr viel Arbeit gemacht. Wenn ich mir vorstelle, aha sollte in Zukunft die Zahl der Personen ermitteln, die in einem von mir verwalteten Haus oder in einer Liegenschaft mit 80 Wohnungen leben, dann raufe ich mir jetzt schon die Haare. Deshalb spreche ich mich für einen Wohnungsbezug aus. Der Wohnungsbezug ist meiner Meinung nach wirklich gerechtfertigt. Die Zahl der Wohnungen ist auch am sichersten zu erfassen. Ich komme nun zu dem, was schon in der alten Gebührenordnung berücksichtigt wurde, dass nämlich keine Sondergebühren an den Wertstoffhöfen für Wertstoffe und für die Annahme von Grüngut erhoben werden sollten. Die Bürger bringen die Wertstoffe oder das Grüngut selbst zu den Annahmestellen, müssen also selbst einen erheblichen Aufwand betreiben, um die Dinge dort abzugeben. Deshalb ist meiner Meinung nach hierfür keine Sondergebühr zu erheben. Das Gleiche gilt für die Abfuhr des Sperrmülls, der allerdings von den Müllmännern abgeholt werden muss. Das sollte aber nicht unendlich sein. Ich kenne Fälle, in denen Blumentöpfe einzelnen vor die Tür gestellt wurden, bei aha angerufen wurde und die Blumentöpfe dann von aha abgeholt werden mussten. Hier wäre eine Begrenzung pro Haushalt sinnvoll: Einmal oder meinetwegen auch zweimal pro Jahr kann man die Sperrmüllabfuhr bestellen, aber auf keinen Fall unendlich häufig. Ein kleines Nebenthema ist für mich die Asbestentsorgung. Auch hier sollte eine Begrenzung erfolgen. Es sollte erfasst werden, ob es sich um Privathaushalte handelt. Für die kostenlose Entsorgung wäre eine Begrenzung auf 10 kg angemessen. Kommen wir zum nächsten Thema, zur Abfallsatzung. Wir haben von den Herren gehört, dass die Säcke abgeschafft werden sollten. Ich bin eine Verfechterin der Sackabfuhr. Seit vielen Jahren lebe ich im ehemaligen Landkreis und kenne seit 40 Jahren die Entsorgung per Sack. Ich weiß, dass das gut funktioniert hat. (Beifall) Die Praxis hat gezeigt, dass sie sogar kostengünstiger ist. Die eingesetzten Fahrzeuge können, wie wir gehört haben, sowohl Container als auch Säcke entsorgen. Es gibt also eigentlich keinen Mehraufwand. Den Vorträgen meiner Vorredner habe ich entnommen, dass die Abholung der neuen Müllcontainer von den Grundstücken teuer ist und viel Aufwand verursacht, während der Sack an der Straße steht und nur in den Müllwagen geworfen werden muss. Deswegen kann ich nicht sehen, welcher Mehraufwand dort entsteht. Die Sackabfuhr fördert in meinen Augen die Mülltrennung. Allerdings müsste man wirklich noch einmal über die Mindestmenge nachdenken. Die Sackabfuhr ist erheblich kostengünstiger - das habe ich schon vorgetragen -, weil die Bürger ihre Müllmengen so entsorgen können, wie sie es brauchen. Es wurde vorhin schon gesagt, dass es auf der einen Seite Spitzenzeiten gibt, auf der anderen Seite aber auch Zeiten - etwa wenn ich im Urlaub bin -, in denen bei mir überhaupt kein Müll anfällt. Bei der Sackabfuhr kann das wunderbar berücksichtigt werden. Die Sackabfuhr ist viel flexibler. Bei Abwesenheit - etwa im Fall von Krankheit oder Urlaub - werden keine Säcke befüllt. Bei größerem Müllaufkommen, z. B. wegen Feierlichkeiten, werden einfach weitere Säcke verwendet. Dies ist bei einer Tonne überhaupt nicht möglich. Die Tonne ist im Zweifelsfall leer, oder sie ist so voll, dass man - etwa zu Weihnachten - nichts mehr hineinbekommt. Ich kann Ihnen Bilder zeigen, die Sie lieber nicht sehen möchten. Eigentümergemeinschaften sind in der Seite 19 von 57 Frage, wohin überall Müll man stellen kann, sehr kreativ. Außerdem sind die Tonnen oftmals auch sehr schmutzig. Eine Reinigung durch aha kann man zwar kostenpflichtig beauftragen, das ist für aha aber sicherlich sehr aufwendig. Der Sack wird gekauft. Er ist neu, sauber und stinkt auch nicht. Für viele Privatpersonen wird es schwer werden, die Tonnen aufzustellen. Gerade kleine Grundstücke, wie Grundstücke von Reihenhäusern oder von kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften, haben einfach nicht genug Fläche. Hier ist der Sack meiner Meinung nach weiterhin die optimale und praktizierbare Lösung. Dadurch, dass die Sackgrößen verringert wurden, sind die Säcke leicht zu tragen. Ich muss mir nur einmal die tollen Müllmänner ansehen, die zum Bodybuilding gehen. Sie werden, genauso wie eine Oma den Sack an die Straße trägt, den Sack sicherlich in den Wagen mit der abgesenkten Schüttung werfen können. Das Sacksystem - das habe ich schon gesagt - hat sich im Umland bewährt. 40 Jahre haben wir den Sack dort im Einsatz gehabt. Die Sackabfuhr wurde eingeführt, weil wir die Mülltrennung lernen mussten. Nun können wir Müll trennen und werden dadurch bestraft, dass wir eine höhere Müllmindestmenge aufgedrückt bekommen. gehört, dass die Gutscheinabgabe sehr aufwendig und teuer ist. Warum konnte man nicht das alte System beibehalten? (Beifall) Ich meine, es wäre sehr wichtig, darüber nachzudenken - das wäre kundenfreundlich; von Privatunternehmen wird immer gefordert, auf das zu hören, was der Kunde möchte -, dass man von der Tonne, die man vielleicht schon aufgedrückt bekommen hat, wieder zur Sackabfuhr zurück wechseln kann. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Kunden, die gerne zur Tonne wechseln möchten. Auch das müsste freigestellt werden. Da wir schon bei der Frage der Wahlfreiheit sind: Ich meine, dass auch für die Landeshauptstadt die Möglichkeit der Sackabfuhr überlegt und vielleicht auch geplant werden sollte. Ich denke an die Objekte, die ich betreue. Ich habe große Objekte in Laatzen zu verwalten, wo es selbstverständlich ist, dass wir einen ganzen Müllraum haben, der vom Hausmeister betreut wird und in dem Container stehen. Aber auch in der Landeshauptstadt gibt es Gebiete, die ländlichen Charakter haben und in denen viele Einfamilienhäuser stehen, deren Bewohner sicherlich zumindest einmal über die Sackabfuhr nachdenken möchten und, nachdem die Diskussion geführt worden ist, vielleicht auch umschwenken würden. (Beifall) Also sollte in den weiteren Gesprächen unbedingt über die Rückkehr zur Sackabfuhr diskutiert werden. Die Befragung, die durchgeführt worden ist, ist von vielen Mitbürgern nicht verstanden worden. Die Bögen sind nicht richtig abgegeben worden. Alle die, die nicht richtig abgegeben haben, sind automatisch auf die Tonne umgestellt worden und haben auch noch 20 Liter aufgedrückt bekommen. Das Gutscheinsystem, das für die Sackabfuhr eingeführt worden ist, muss sicherlich noch einmal diskutiert werden. Wir haben Damit bin ich bei meinem Lieblingsthema, dem Mindestrestmüllvolumen. Über die Aufregung haben wir schon gesprochen. Im Umland wurde besser getrennt. Das haben alle Fachleute bestätigt. Das wird nun dadurch bestraft, dass man - so habe ich es erneut gehört - die Gesamtmenge, die in der Landeshauptstadt produziert wurde, mit der Gesamtmenge, die im Landkreis produziert wurde, addiert und dann durch die Zahl der Einwohner geteilt hat. Dadurch ergab sich eine höhere durchschnittliche Menge, und wir sind bei 22 Litern gelandet. Das ist auf 10 Liter reduziert worden. Seite 20 von 57 In der großen Diskussion, die auch in den Medien geführt wurde, hat sich gezeigt, dass die Leute die vielen Säcke, die sie 2014 bezahlen mussten, nicht verbraucht haben. Sonst hätten sie sie ja nicht im Januar noch hinausgestellt. Ich habe meine Säcke an den Kindergarten verschenkt. Es waren 20 Säcke, die ich übrig hatte. Das zeigt, dass die 10 Liter nicht der Weisheit letzter Schluss sein können. Conrad von Meding Frau Stümpfel, ich muss Sie drängen. Sie sind schon deutlich über der Zeit. Carola Stümpfel: Ich bin fast am Ende meines Beitrages angelangt. Zum Mindestrestmüllvolumen möchte ich noch sagen, dass Sie bitte auch an die Familien mit Kindern denken. Es wird immer argumentiert, Kinder bräuchten so viele Windeln. Es gibt aber auch Kinder, die bei der Mindestrestmüllmenge mitzählen, aber keine Windel mehr brauchen. Ein Ehepaar mit drei kleinen Kindern müsste somit 50 Liter Müll produzieren. Das schafft es aber nicht. Ich habe mir Gedanken zu einer besseren Nutzung der Gutscheine gemacht. - Das geht ganz schnell. - Damit man nicht jeden Biomüll in den Restmüllsack stopft, nur damit man die Restmüllsäcke voll bekommt, könnte es vielleicht ja auch sein der Biosack kostet, wie wir gehört haben, die Hälfte des Restmüllsacks - , dass man für einen Gutschein zwei Biosäcke bekommt. Dann kann man das getrennt an die Straße stellen. Damit bin ich jetzt ganz schnell zum Ende gekommen. Ich bin nicht auf die rechtlichen Aspekte eingegangen, sondern mehr auf das, was mir auf den Nägeln brannte. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall) Conrad von Meding Ganz herzlichen Dank, Frau Stümpfel. Das haben Sie sehr schön vorgetragen. Ich muss die nächsten Vortragenden dringend darum bitten, auf die Zeit zu achten. Wir sind bereits zehn Minuten über der Zeit. Ein Experte ist sozusagen von der Zeit her bereits „verschluckt“ worden. Umso besser ist es, dass Herr Löhle schon zum Mikrofon läuft. Herr Löhle kommt von der cyclos GmbH in Osnabrück. Er hat in Köln - ich habe auf Xing gesehen: mit einem Auslandssemester in Chile - Ver- und Entsorgungstechnik studiert. Er hat Bauingenieurswesen in Köln studiert und danach in Abfalltechnik promoviert. Er ist also sicherlich ein Experte, der hier sprechen darf. Er war danach wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kassel und ist jetzt seit drei Jahren Prokurist bei cyclos in Osnabrück, Fachmann für die Erstellung von Abfallwirtschafts- und Behandlungskonzepten, insbesondere für Sortieranalysen und Siedlungsabfälle und da besonders - da habe ich ein neues Wort gelernt - für die Verwertung und Reuse von Elektronikgeräten. Er ist benannt von den Grünen. Herr Löhle, wir sind gespannt, was Sie zu erzählen haben. Ring frei! Dr. Stephan Löhle, cyclos GmbH, Osnabrück Vielen Dank für die Einführung. Mein Name ist Stephan Löhle. Sie haben es gehört. Ich fange direkt an. Das Gebührensystem - Herr Thärichen hat es schon angesprochen - setzt sich aus zwei Elementen zusammen. Wir haben zum einen ein solidarisches Element, die Grundgebühr je Wohneinheit, und zum anderen ein Element, das verursachergerecht ist, nämlich die Volumengebühr, bei der jeder Einzelne eine gewisse Wahlfreiheit hat, sie entsprechend seinem täglichen Bedarf anzupassen. Darüber hinaus - das hat Herr Reuter schon angesprochen - gibt es eine Vielzahl von kostenfreien Leistungen, die hier in der Region angeboten werden. Dazu zählen beispielsweise die Sperrmüllabfuhr, die Wertstoffhöfe und die Grüngutannahme, von denen die Bürger der Region Seite 21 von 57 ganz unterschiedlich profitieren, indem sie sie auch ganz unterschiedlich wahrnehmen. Jeder Einzelne hat aber auch die angesprochenen Wahlmöglichkeiten, das Mindestvolumen wahrzunehmen, eine günstigere Biotonne oder einen Biosack zu wählen. Es gibt die Möglichkeit einer Nachbarschaftstonne und auch Zustellsäcke bei Übermengen. Die Frage ist, wie aktiv man daran partizipiert, um solche Möglichkeiten wahrzunehmen. Ich stimme mit der Einschätzung von Herrn Thärichen überein, dass die bestehende Gebührensatzung gut und vor allem rechtlich sicher ist und man jetzt schauen könnte, welche Optionen sich bieten, um vielleicht etwas mehr Verursachergerechtigkeit ins System zu bringen. Dazu haben wir verschiedene Regler betrachtet, die ich gleich vorstellen möchte. Diese Regler haben wir analysiert. Wir haben verschiedene Varianten aufgestellt, um die Auswirkungen auf die Gebühr für den einzelnen Bürger, auch bezüglich der Frage, was das für seinen Komfort bedeutet, und hinsichtlich ökologischer Effekte abzuschätzen, um daraus eine Empfehlung zu den einzelnen Punkten abzuleiten. Eine grundsätzliche Empfehlung besteht darin, die Verwertungs- und Entsorgungswege der Abfälle möglichst transparent darzustellen, sodass jedem Bürger bewusst ist, was mit seinem Abfall passiert, und er in seinem Entsorgungsverhalten entsprechend sensibilisiert wird. Das ist gerade hinsichtlich der Abfallvermeidung und der möglichst sortenrein getrennten Erfassung von Wertstoffen wichtig. Wir empfehlen die Beibehaltung der kostenfreien Abholung von Sperrabfällen, da die von uns analysierten Alternativen entweder kostentechnisch oder hinsichtlich des Komforts deutlich zulasten des Bürgers gehen. Ähnlich verhält es sich mit der Beibehaltung der kostenfreien Abgabe von Wertstoffen an den Wertstoffhöfen, die wir auch empfehlen, da es die Einführung einer Gebühr an dieser Stelle erfordern würde, eine Abrechnungssystematik zu implementieren, die die zu erwartenden Erlöse an dieser Stelle wieder auffräße. Des Weiteren empfehlen wir die Beibehaltung der kostenfreien Abgabe von Grüngut aus dem gleichen Grund wie im Falle der Wertstoffhöfe, da auch hier nicht von einem wirklich gebührensenkenden Effekt ausgegangen werden kann und darüber hinaus die Gefahr sehr groß ist, dass Grüngutmengen in relevantem Umfang nicht sachgemäß, sondern in der Umgebung entsorgt werden und nicht zu den Annahmestellen gelangen. Ferner empfehlen wir die Beibehaltung des bisherigen Mindestvolumens von 10 Litern pro Einwohner und Woche, welches man eigentlich nur bei intensiver Abfalltrennung und Abfallvermeidung erreichen kann. Wenn man gleichzeitig zu Hause eine OTonne und eine Biotonne aufgestellt hat, ist anzudenken, möglicherweise einen zusätzlichen Rabatt auf die Restabfallgebühr zu gewähren. Ein Ident-System - das wurde schon von Herrn Thärichen angesprochen; dem schließe ich mich voll und ganz an - ist als sehr verursachungsgerechtes System, bei dem die Abfälle bei der Abholung verwogen und entsprechend abgerechnet werden, derzeit nicht zu empfehlen. Zu dem Thema Restabfallsack und -behälter haben wir schon viel gehört. Für den Sack spricht, dass man keine Extratonne gestellen muss und dass es sich im Umland um ein etabliertes System handelt. Gegen die Sackabfuhr spricht, dass es sich nicht um einen Vollservice handelt. Man muss den Sack eigenständig herausstellen. Die Sauberkeit ist problematisch. Die Weiterentwicklung der Abfuhrlogistik wird dadurch behindert, dass teilautomatisierte Leerungen nicht einfach möglich sind. Die Arbeitssicherheit wurde bereits angesprochen. Zudem ist das in Deutschland eigentlich ein Auslaufmodell. Daher empfehlen wir, die Säcke möglichst schnell abzuschaffen, da auf diese logistisch gesondert und zunehmend kostenverursachend eingegangen werden muss. Seite 22 von 57 (Beifall) Ein weiteres Thema hier in Hannover ist die O-Tonne. Dazu haben wir eine Empfehlung hinsichtlich des Zuweisungskataloges. Das betrifft Alttextilien im Sack und Elektrokleingeräte. Wir empfehlen dringend, diese aus dem Zuweisungskatalog zu streichen, da einerseits das Potenzial einer wertschöpfenden Wiederverwendung oder hochwertigen Verwertung durch diese Abfuhr und anschließende Sortierung deutlich gesenkt wird. Außerdem sprechen bei Elektroaltgeräten Sicherheitsaspekte gegen die Miterfassung in einer O-Tonne. Es gibt bestehende Alternativen an den Wertstoffinseln für Altkleider, und es gibt auch die kostenfreie Annahme an den Wertstoffhöfen für Elektrokleingeräte; zukünftig auch über den Elektrohandel. Als Weiterentwicklung der O-Tonne empfehlen wir, eine gemeinsame flächendeckende Wertstofftonne einzuführen, in der die Materialien aus der O-Tonne, also stoffgleiche Nichtverpackungen und Leichtverpackungen, in einem Behältnis erfasst werden. Das hätte den Vorteil, dass wir einen eindeutigen Zuweisungskatalog hätten, keine getrennte und doppelte Abfuhr dieser beiden Systematiken, transparente Entsorgungswege. Das bedeutet gleichzeitig aber auch einen Aufwand für den Abstimmungsprozess mit dem Dualen System, das den Anteil der Verpackungen verantwortet. Zu den Mengen und Kosten möchte ich kurz eine Darstellung zeigen, aus der ersichtlich ist, wie eine solche Zuweisung aussehen würde. Die Leichtverpackungen und die stoffgleichen Nichtverpackungen in Form von Folien, Kunststoffen und Metallen sollten in einem Behältnis erfasst werden, wobei dies hier lediglich ein Beispielbild ist, und möglichst sollten Behälter, die bereits gestellt sind, verwendet werden. Alttextilien und Elektronikgeräte sollten, wie schon angesprochen, aus dem Katalog gestrichen werden. Hier sehen Sie eine Mengengegenüberstellung aus einer Hochrechnung, die wir gemacht haben. 2013 wurden nach Anga- ben von aha 2 612 t Material aus der OTonne erfasst. In einer gemeinsamen flächendeckenden Erfassung unter Berücksichtigung eines gewissen Mengenzuwachses liegt die Menge etwa bei 10 000 t. Zu den Kosten. Jetzt haben wir die OTonne als freiwilliges System, das einige nutzen, für das aber alle zahlen müssen. Bei einer gemeinschaftlichen Wertstofftonne würden alle diese Systematik nutzen und auch bezahlen. Die spezifischen Kosten liegen für die OTonne nach unseren Berechnungen bei etwa 1,50 Euro. Bei einer Ausweitung in Form einer Wertstofftonne würden die Kosten etwa 2,07 Euro betragen. Eine wichtige Frage lautet, wie mit der Menge umzugehen ist, die in der gemeinsamen Wertstofftonne erfasst wird und dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuzuschreiben ist. Dafür, wie man damit umgehen kann, gibt es verschiedene Systematiken. Das ist alles eine Frage der Abstimmung zwischen Kommune und Dualem System. Es besteht die Möglichkeit, sich diese Menge nach der Erfassung als Haufwerk bereitstellen zu lassen und entsprechend selber zu verwerten. Es gibt auch die Möglichkeit, sich nach der Sortierung dieser Sammelmenge entsprechende Produkte bereitstellen zu lassen bzw. Reste zu übernehmen, um sie beispielsweise in eigenen Verwertungsanlagen weiterzuverwerten. Natürlich ist es auch möglich, nur rein rechnerisch an diesem System zu partizipieren und die weitere praktische Aufgabe den beteiligten Akteuren zu überlassen. Hier sehen Sie noch einmal kurz zusammengefasst die Vor- und Nachteile einer gemeinsamen Wertstofftonne: mehr Wertstofferfassung gleichbedeutend mit mehr stofflicher Verwertung. Es ist gerechter, da flächendeckend, keine zwei parallelen, separaten Touren. Es würde aber Mehrkosten von ungefähr 0,55 Euro pro Einwohner verursachen. Vielen Dank. Seite 23 von 57 (Beifall) Conrad von Meding: Danke schön. - Ich muss zwischendurch einmal das Publikum loben. Sie sind unglaublich konzentriert, und Sie sind, was den Applaus betrifft, sehr ausgewogen. Ganz herzlichen Dank dafür. Es wäre ja frustrierend, wenn nur für eine Person applaudiert würde. Sie machen das klasse! Sie scheinen tatsächlich interessiert zuzuhören. Ich würde gern wissen, wer von Ihnen aus dem Umland kommt. - Wer kommt aus der Stadt? - Das Umland ist leicht in der Mehrheit. Das ist interessant zu sehen. Wer von Ihnen ist mit dem derzeitigen Müll- und Abrechnungssystem zufrieden? - Wer von Ihnen ist unzufrieden? - Das ist eine erstaunlich gute Mischung. Es macht Spaß mit Ihnen. - Sehr schön! Als Nächster spricht Herr Björn Klippel zu uns. Er ist von der FDP als Experte benannt. Er ist Inhaber und Geschäftsführer des Unternehmens TIM CONSULT aus Mannheim, und zwar seit 1995, also seit genau 20 Jahren. Man darf Sie, wie ich im Internet gefunden habe, beglückwünschen. Denn Sie haben seit diesem Jahr eine Niederlassung in New York. Richtig? - Nicht schlecht! Wir sind gespannt auf das, was Sie uns zu sagen haben. Björn Klippel TIM CONSULT GmbH, Mannheim Heute Abend ist aber Hannover die wichtigste Stadt der Welt. Vielen Dank für die Gelegenheit, zu Ihnen zu sprechen. Kurz hergeleitet: Was ist die Aufgabe? Es geht um ein richtiges, um ein akzeptables Abfallwirtschafts- und Gebührensystem. Insofern interpretiere ich die Aufgabenstellung etwas anders. Das Hearing heißt zwar „Abfallgebührensystem“, aber eigentlich reden wir über das Abfallwirtschaftssystem und über die richtigen Gebühren. Wie will ich, ausgehend von unserem Verständnis, wie wir Politik beraten - wir machen das in der Tat seit 20 Jahren - an die Frage herangehen? Die Ziele muss die Politik setzen. Das gilt insbesondere für die Frage ob in Richtung Sackabfuhr oder Behälterabfuhr gegangen werden soll. Wir als Berater sind aufgerufen, auf der Basis empirischer Fakten Sachaussagen zu treffen; die Entscheidungen müssen andere treffen. Wie will ich vorgehen? Ich will Ihnen kurz meinen Erfahrungshintergrund darlegen. Das wird kein PowerPoint-Karaoke, wie mein Sitznachbar befürchtet hat. - Dann werde ich ganz konkret auf die Fragen eingehen, die die FDP-Fraktion gestellt hat. Ich denke, das, was Ihre Kollegen aus dieser Fraktion an Fragen bewegt, ist in dieser Form vielleicht auch in Ihrem Kopf. Es geht also nicht so sehr darum, thesenartig unsere Erfahrungen in anderen Kommunen zu referieren. Diese Erfahrungen fließen natürlich ein, und Sie werden dazu nachher in der Diskussion sicherlich auch Fragen haben. Kurz zum Hintergrund. Die Firma ist vor 20 Jahren im Abfallwirtschaftsbereich mit einem logistischen Hintergrund, d. h. mit einer technisch-kaufmännischen, nicht so sehr mit einer rechtlichen oder politischen Perspektive, gestartet. Lassen Sie uns auf einen Ausschnitt unserer Kunden schauen. Die Kunden sind vor allem öffentlicher Natur; von Süddeutschland bis Norddeutschland. Wenn wir über Abfallwirtschaft, über Planungen, Optimierungen und Umsetzungen von oder mit kommunalen Betrieben oder über Ausschreibungen reden, dann haben wir, wenn wir das addieren, in der Hinsicht etwa 12 Millionen Deutsche unterstützen können. Insofern verfügen wir über einiges an Erfahrung, sowohl was den Schmerz bei Veränderungsprozessen angeht, als auch was die Möglichkeiten betrifft, das zu bewältigen und daraus einen Vorteil zu schöpfen. Eine Auswahl unserer Referenzen sehen Sie in einer diesbezüglichen Darstellung. Seite 24 von 57 Auf den folgenden Folien sehen Sie jeweils im blauen Balken oben die Frage Ihrer Kollegen von der FDP und unten einige Punkte, mit denen wir darauf antworten möchten. Mit Blick auf die Zeit - ich nehme die 10Minuten-Vorgabe ernst - möchte ich nicht auf alle neun Fragen einschließlich der Unterfragen eingehen. Zur ersten Frage: Wie könnte ein modernes, effizientes Abfallgebührensystem sprich: Abfallwirtschaftssystem - für die sehr heterogen strukturierte Region ausschauen? gewesen sein. Wenn man heute zweiwöchentlich fährt, ist trotzdem die Frage erlaubt, ob man das gegebenenfalls ausdünnen kann. Wenn wir über die Leistungserstellung nachdenken - jetzt kommt vielleicht Applaus von der anderen Seite des Saals; es geht um die Idee, die Leistung nicht nur komfortabel, sondern auch kostengünstig zu erbringen -, müssen wir über Mechanisierbarkeit und damit Automatisierbarkeit nachdenken. Das bringt uns, wenn wir das als Grundsatz nehmen, ein Stück vom Sack weg und ein Stück in Richtung Behältersysteme, die sich mithilfe von Maschinen leichter handhaben lassen. Eine solche Aufgabenstellung besteht in sehr vielen Gebieten Deutschlands, in denen Planungsregionen oder Zweckverbände geschaffen wurden, die in hohem Maße heterogen sind. Im Grunde währt der Streit ewig; denn wir schaffen damit keine gleichen Siedlungsstrukturen und daher auch keine gleichen Bedarfsstrukturen. Wir empfehlen smarte, variable Abrufsysteme unter Nutzung der modernen Technik, keine starren Frequenzen wie früher, als einmal im Monat ein Sperrmüllauto durch die Gegend fuhr und Kilometer um Kilometer zurückgelegt hat, ohne etwas zu finden. Die Richtung, in die Sie unserer Empfehlung zufolge denken sollten - das ist als Antwort auf die erste Frage vielleicht noch ein wenig abstrakt, wird aber noch deutlicher werden; ich werde auf die Prinzipien öfter eingehen -, ist, Wahlfreiheit vorzusehen, z. B. was die Abfuhrfrequenz angeht. Mit Blick auf die Müllwerker - ob in einem privaten oder in einem öffentlichen Betrieb - ist die Ergonomie ein ganz wichtiger Punkt, und zwar nicht nur aus sozialer Verantwortung, sondern auch aus wirtschaftlichen Erwägungen. Ein Mann, der vergleichsweise ausgeruht arbeiten kann, ist effizienter als jemand, der mittags müde ist. Erlauben Sie durchaus, wenn das dem politischen Gestaltungswillen entspricht, verschiedene Formen. Herr Thärichen hat das „technische Variationen“ genannt. Ob Sack oder Behälter - da muss man als Berater schmerzfrei sein. Sehen Sie sowohl Bring- als auch Holsystemoptionen vor. Letztlich haben Sie einen Kunden zu bedienen. (Beifall) Heutzutage sind das ja keine Anschlussverpflichteten mehr. Vielmehr wollen wir ein attraktives Leistungsangebot unterbreiten. Im Übrigen sind das, richtig gestaltet, sehr kostengünstige Varianten. Insbesondere geht es um die wählbare Abholfrequenz. Wöchentlich zu fahren, wie das früher der Fall war, muss sehr teuer Ich komme zur nächsten Frage: Wie können wir die Wirtschaftlichkeit bei zwei Sammelsystemen darstellen? Dazu muss man ganz klar sagen: Die sackgestützte Abfuhr erfordert aus Hygienegründen vergleichsweise kurze Abfuhrintervalle und einen hohen Arbeitsansatz. Unter sonst gleichen Bedingungen man kann nicht die Durchschnittskosten in der Stadt den früheren Durchschnittskosten im Landkreis gegenüberstellen, weil die Voraussetzungen auch strukturell ganz unterschiedlich sind - würde man sehen, dass das Sacksystem hohe systemimmanente Kosten hat. Das kann man, wie gesagt, in Kauf nehmen, wenn der politische Wille in diese Seite 25 von 57 Richtung zielt, aber wir sind aufgerufen, ehrlich Auskunft zu geben. Ich habe aus der Frage auch herausgelesen: Wäre es nicht schön, wenn wir mit einem Mischsystem weiterfahren könnten? - Möglich ist alles. aha hat auch mit technischem Einfallsreichtum bewiesen, dass es möglich ist. Aber das hat eben seinen Preis. Das muss man sehen. Wenn man das politisch so will, kann der Betrieb, können die Berater das umsetzen. Aber ein Mischbetrieb ist teurer als eine effiziente Systematik. Das muss man ganz klar sehen. Die Unterfrage lautete: Wie würde sich das Beibehalten zweier unterschiedlicher Systeme auswirken? Dazu muss man ganz klar sagen: Langfristig zwei Systeme vorzuhalten, würde die Region als hohen Service empfinden. Man kann es sich aussuchen. Das ist immer gut. Es müssen keine lieb gewordenen Verhaltensweisen geändert werden. Alles, was Abfall berührt, ist in höchstem Maße emotional. Das ist einfach ein Faktum. Darüber muss man gar keine Scherze machen. Das ist einfach so; das berührt uns jeden Tag. Auf der anderen Seite sind die Kosten höher das muss man ganz klar sagen - als bei einem effizienten System, das einheitlich ist. Eine spannende Frage sind die kostenfreien Leistungen. Darauf antworte ich als Ökonom: Preise haben eine Lenkungswirkung. An anderer Stelle würde man sagen: Kasse macht sinnlich. - Es ist ganz klar: Wenn ich eine Gebühr erhebe, reagieren die Menschen mit Verhaltensänderung. Das heißt, Gebühren verursachen ein Vermeidungsverhalten, unzulässiges Verhalten eingeschlossen. Wenn es zu teuer wird, liegt vielleicht Müll im Wald. Das ist einfach die Lebenswirklichkeit. Ihre Kollegen von der FDP haben uns gefragt, was wir als Berater davon halten und was andere machen. Das ist eigentlich die spannende Frage, zu deren Beantwortung ich mich aufgerufen fühle. Die kostenfreien Leistungen sind Teil des Serviceangebots, finanziert durch die Abfallgebühren. Es ist eine politische Ent- scheidung, wie weit Sie gehen wollen. Wenn wir das von der Wirkung her betrachten, müssen wir sagen: Eine Mengenbegrenzung muss sein; das verhindert Missbrauch. Beispielsweise: Sperrmüllabfuhr bis x Kubikmeter zweimal im Jahr nach Voranmeldung, damit nicht alle anderen alles Mögliche dazu werfen, Anlieferung von Grünschnitt an Wertstoffhöfen oder Sammelplätzen in haushaltsüblichen Mengen. Wenn Sie in diese Richtung gehen, sind Sie absolut im Bereich dessen, was man als „gute geübte Praxis“ bezeichnen würde. Würden Sie mich privat fragen, würde ich sagen: Ich habe kein Problem damit! Hinzu kommt, dass das in meiner Heimatkommune ähnlich gemacht wird. Teilweise führt das, wenn man genau hinschaut, sogar zu einer Kostenentlastung. Wenn die Sperrmüllabfuhr Geld kostet, gibt es Leute, die den Sperrmüll mit Liebe zerkleinern und in die Restabfalltonne stopfen, wobei es sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich unter Umständen viel sinnvoller wäre, die Sperrmüllabfuhr bereitzustellen, eine ordentliche Sortierung zu betreiben und einen qualitativ hochwertigen Entsorgungsweg einzuschlagen. Vergleichbares gilt für den Grünschnitt, wenn es Schwierigkeiten gibt, ihn loszuwerden. In der Region Hannover haben Sie ein extrem dichtes Sammelsystemen mit 55 Annahmestellen. Das ist Luxus pur. In anderen Gebietskörperschaften müssen die Menschen weiter fahren. Aber auch hier gilt: Das ist eine politische Entscheidung. Sie halten damit den Grünschnitt aus der Biotonne und aus dem Biosack heraus. Der Kompostierungsweg ist allemal teurer als eine ordentliche Grünschnittentsorgung. Diese vordergründig kostenfreie Komfortstufe muss noch nicht einmal wirklich teurer Luxus sein, sondern kann sogar zu einer Kostenentlastung beitragen. Für den Fall, dass Sie eine persönliche Einschätzung hören wollten: Ich halte das für ein sehr gutes System. Wie ist der bürokratische Mehraufwand im Falle einer Kostenpflicht? Als Deutsche nehmen wir das ja genau. Um 5 Euro zu Seite 26 von 57 erheben, kann man durchaus 4,80 Euro oder sogar 6 Euro an Verwaltungskosten aufwenden. Wenn man über eine effiziente Abwicklung redet, hat man auch da ein Argument, um auf eine kleinteilige Gebührenerhebung zu verzichten. Stellen Sie sich einen Wertstoffhof vor, auf dem ein Mitarbeiter fünf-Euro-weise Gebühren erheben muss. Sie haben dort Bargeldbestände, die vielleicht irgendwann einmal gestohlen werden. Sie haben alle möglichen Abläufe. Häufig ist das die Sache nicht wert. Wenn Sie ein moderates System, wie auf der Folie zuvor beschrieben, wählen, sind Sie gut unterwegs. Die Sorge Ihrer Kollegen von der FDP, dass wir, wenn wir Geld nehmen, besonders hohe Standards bieten müssen, teile ich nicht. So, wie ich die Region und den Entsorgungsbetrieb kenne, ist der Standard hoch. Wenn es 5 Euro oder 10 Euro kostet, dann kostet es das halt. Die Gefahr übertriebener Leistungsanforderungen der Kunden sehe ich hier nicht Conrad von Meding Herr Klippel, ich muss ein wenig drängen. Die Zeit ist eigentlich um. Sie sind aber erst bei Frage 3 b gewesen. Björn Klippel: Ich springe ganz an den Schluss. Das Mindestlitervolumen wurde mehrfach diskutiert. Eines ist klar: Über die Bereitstellung des bezahlten Volumens beeinflussen Sie massiv das Abfallvermeidungsverhalten. Sie haben eine sehr üppige Ausstattung mit Kapazitäten und dementsprechend auch ein sehr hohes spezifisches Aufkommen. Wie viel Kilo pro Einwohner und Jahr entstehen? Sie diskutieren über 10 Liter, über 5 Liter. Die Frage der FDP-Kollegen war: Können wir eigentlich auf 5 Liter gehen, ohne Substandards zu erzeugen? 5 Liter sind bei den sehr kostenbewusst und mit guten Systemen ausgestatteten Gebietskörperschaften - in Städten weniger - durchaus gebräuchlich. Wir haben erste Landkreise - z. B. der Landkreis Darmstadt-Dieburg; ein langjähriger Kunde -, die bei 3 Liter angekommen sind; allerdings mit einem sehr aufwendigen und nicht ganz billigen, sehr komfortträchtigen Entsorgungssystem für alle an- deren Abfälle. Es geht nicht nur darum, Druck auf die Restabfallgebühr zu machen, sondern es geht auch darum, einen Weg zu eröffnen, mit sehr hohem Komfort und sehr leicht für die Bürger die getrennten Abfälle einer ordentlichen Entsorgung zuzuführen. Zu guter Letzt die Zusammenfassung: Um modern, effizient und kostensparend zu arbeiten, braucht es nach unserer Erfahrung drei Elemente. Das Erste ist ein Impuls, damit sich die Menschen in Bewegung setzen, ihr Verhalten zu ändern. In der Hinsicht sind wir alle mit sehr großem Beharrungsvermögen ausgestattet. Gefährliche Bemerkung: Die Motivation für ein unverändertes Verhalten liegt zum Teil auch in einer erhöhten Gebühr. Wir haben gesehen, dass wir mit dem gegebenen Topf die Leistungen finanzieren müssen. Das bedeutet im Gegenzug - wie man das auslegt, ist wieder eine politische Entscheidung - gesenkte oder gar wegfallende Gebühren für umweltpolitisch präferierte Abfallarten. Wie meine Vorredner sagten: Das, was wir uns wünschen, nämlich Wertstoff, müsste kostengünstig oder sogar umsonst angenommen werden. Ganz klar: Dann muss der Restabfall die restlichen Kosten tragen. Das wird von jemandem, der sein Verhalten nicht ändert, so empfunden werden, als ob er mehr als zuvor zahlt. Eine solche Diskussion muss ausgehalten werden. Zweitens. Nur Druck zu machen, hilft nicht. Vielmehr muss man auch ein Ventil auf den Kessel packen, damit er nicht auseinander fliegt. Das Leistungsangebot - nennen wir es einmal „Komfort“, nämlich bedarfsgerechte und komfortable Entsorgungslösungen - muss vorhanden sein, genauso wie Beratung und Information, um die Umstellung der Menschen auf das neue Verhalten zu unterstützen. Zu guter Letzt hat sich „Klappern gehört zum Handwerk“ überall bewährt. Nennen Sie es „Marketing“, nennen Sie es „Öffentlichkeitsarbeit“. Es geht darum, dass alle die Chancen, die in dem neuen System liegen, verstehen. Das gehört genauso dazu, um die gewünschten Effekte schnell zu erzielen. Seite 27 von 57 Danke. (Beifall) Conrad von Meding: Es tut mir leid. Drängeln ist immer ein bisschen unhöflich. Sie haben sich alle vorbereitet und haben auch alle etwas zu sagen. Dennoch müssen wir ein bisschen auf die Zeit achten. Wir sind jetzt in einer komfortablen Situation. Es ist jetzt wenige Minuten vor 18 Uhr. Ich hatte ja gesagt, dass wir gegen 18 Uhr eine Pause machen werden. Nun ist aber Herr Mäurer schon da, sodass wir Herrn Mäurer vorziehen und damit zu der ursprünglich geplanten Abfolge zurückkommen können. Wir können uns also die Statements der von den politischen Fraktionen benannten Experten im Block anhören. Herr Mäurer kommt aus Celle zu uns. Er ist Geschäftsführer und leitender Verbandsdirektor des Zweckverbandes Abfallwirtschaft in Celle. Das ist insofern interessant, als Celle ein Ident-Wiege-System hat. - Sie schütteln den Kopf. Der Zweckverband Abfallwirtschaft Celle hat aber ein System, von dem viele, insbesondere die Linken, schwärmen. Deswegen ist Herr Mäurer hier. Wir hören uns an, was er zu sagen hat. Henry Mäurer Zweckverband Abfallwirtschaft Celle Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrer Veranstaltung. Ich werde mich bemühen, Ihnen keine Empfehlungen zu geben, sondern Ihnen einfach vorzustellen, wie es in der Praxis - gar nicht so weit weg, sondern an der nördlichen Grenze der Region Hannover - geht, und dies nicht erst seit gestern. Wir haben seit 1993 ein konstantes Gebührensystem und standen noch nie vor der Notwendigkeit, es aufgrund der Rechtsprechung ändern zu müssen. Mein Vortrag gliedert sich in zwei Teile: Behälter- und Gebührensystem sowie Ident-System. Wir haben ein differenziertes Behältersystem mit Restmülltonne, Biotonne, Papiertonne und Gelber Tonne. Die Gelbe Tonne wird durch den Gelben Sack ergänzt. Ungefähr zwei Drittel der Nutzer nutzen den Gelben Sack, ein Drittel der Nutzer nutzt die Gelbe Tonne. Zu jeder dieser Tonnen gibt es auch noch jeweils einen Sack für den Fall, dass einmal mehr Mengen anfallen, der separat erworben werden kann. Wir bieten unseren Bürgern alle am Markt erhältlichen und vernünftig einsetzbaren Behältergrößen an: zehn verschiedene Behältergrößen im Bereich Restmüll und Altpapier, sechs im Bereich Bioabfall. Das geht von 40 Liter bis 1 100 Liter, mit Zwischengrößen - 180 Liter, 400 Liter -, die relativ selten im Einsatz sind, sodass wir eine vernünftige Palette an Behältern zur Verfügung stellen können. Beim Bioabfall bieten wir nur Behältergrößen von 40 Liter bis 240 Liter an. Das hat schlicht den Grund, dass Bioabfallbehälter größeren Volumens zu schwer werden und nicht mehr zu leeren sind. Dazu haben wir ein Gebührensystem, differenziert nach Leerungen. Sie zahlen die in Anspruch genommenen Leerungen. Es gibt eine Grundgebühr pro Jahr und Behälter. Ich betone das. Sie bezieht sich nicht auf Wohnungen, Personen oder Grundstücke, sondern ist schlicht an den Behälter gekoppelt. Sie beträgt im Moment 76,65 Euro. Das ist ein schräger Betrag er ist durch 365 teilbar; das sind 0,21 Euro pro Tag -, weil wir im Falle eines Wechsels tagesscharf abrechnen. Der Leerungsgebührenmaßstab für die Restmülltonne ist linear. Pro Liter beträgt die Gebühr 7,2 Cent. Dieser Maßstab gilt für alle Behälter. Der Gedanke, der dahinter steht: Sie sollen, egal, in welchem Behälter Ihr Abfall entsorgt wird, den gleichen spezifischen Preis haben. Seite 28 von 57 Daneben gibt es eine Biotonne. Für sie gilt ein reduzierter Leerungsgebührensatz, keine Grundgebühr. Das ist ein Anreiz, die Bioabfälle zu trennen. Deshalb der Gebührenabstand. Für die Papiertonne gibt es keine Grundgebühr und keine Leerungsgebühr. In der Grundgebühr für die Restmülltonne ist jeweils ein Leervolumen von 240 Litern enthalten. Das heißt, eine Leerung der 240-Liter-Tonne bzw. sechs Leerungen der 40-Liter-Tonne sind quasi mit der Grundgebühr bezahlt. Darüber hinaus bieten wir eine abschließbare Tonne, bei der kleineren Version für einen Gebührensatz von 7,30 Euro, bei der größeren für 14,60 Euro pro Jahr, an. Auf Wunsch bieten wir einen Vollservice: für die kleine Tonne bis 240 Liter für 58,40 Euro im Jahr und für die größeren Behälter für 120,45 Euro im Jahr. Daneben gibt es einen Restabfallsack für 4,53 Euro, einen Bioabfallsack für 3,08 Euro und einen Altpapiersack für 10 Cent. Unsere Kunden können also auswählen. Zur Größe des Abfallbehälters: Wir geben keine Größen vor. In unserer Satzung haben wir keinerlei Bestimmungen darüber, welche Behältergröße Sie wählen müssen. Sie können frei wählen, wie viele Abfallbehälter Sie haben möchten. Wir machen auch keine Vorgaben hinsichtlich Mindestvolumen und Anzahl. Sie können die Häufigkeit der Leerungen wählen. Maximal sind es 26. Wir fahren also 14-täglich durch die Abfuhrbezirke. Sie können zusätzliche Leistungen wählen: abschließbare Tonne, Vollservice. Damit haben Sie natürlich direkten Einfluss auf die Höhe Ihrer individuellen Gebühr. Der Grundsatz, der uns bewegt, ist: Wir bieten Lösungen. Der Kunde wählt die für ihn am besten passende Lösung. Welcher Grundgedanke steckt dahinter? Die Lebensumstände der Menschen sind heutzutage so vielfältig und so unterschiedlich, dass man immer dann, wenn man Eckpunkte setzt, Zwangspunkte setzt und man in Diskussionen kommt, bei denen man nur verlieren kann. Denn Ihr Gegenüber kann Ihnen mit Leichtigkeit beweisen, dass jeder einzelne Zwangspunkt, den Sie gesetzt haben, in seinem speziellen Fall vollkommen unsinnig ist. (Beifall) Deshalb sind wir diesen Weg noch nie gegangen, sondern haben uns immer gefragt, was zur Funktionsfähigkeit des Systems unbedingt notwendig ist, und haben alles andere in die Wahlfreiheit der Bürger gestellt. Ich denke, wir fahren damit gut. Unsere Bürger sind zufrieden. Unser Credo ist: Nur so viele Zwangspunkte wie nötig bei größtmöglicher Wahlfreiheit. Denn wenn sich der Bürger die Lösung selber aussuchen kann, die ihm am besten gefällt, dann ist er logischerweise auch zufrieden. Fehler in der Wahl muss er sich ja selber zurechnen, und er kann nicht sagen: Die haben mir das aber aufs Auge gedrückt! - Das ist der Hintergedanke dabei. Ich komme zum Ident-System. - Alles ein bisschen im Schweinsgalopp, der Zeit geschuldet. Sie sehen: Es gibt einen Datenträger an der Tonne. An jeder Tonne gibt es einen Schreib-Lese-Chip. Das ist ein Sonderfall. So etwas gibt es in ganz Deutschland wohl nicht noch einmal. Früher war es verbreiteter. Wir legen auf dem Chip die Anzahl der bisher erfolgten Leerungen und das Datum der letzten Leerung ab. Das ist eine zusätzliche Datensicherheit und leistet gute Dienste im Falle von Reklamationen. An dem Pfeil oben auf dem Bild sehen Sie, wo der Chip sitzt. - Das ist eine Szene mit einer Programmierung des Chips. Wir fahren also zu Ihnen und geben dem Chip erst bei Ihnen vor Ort die Informationen, die er braucht - so ist klar, dass er zu Seite 29 von 57 Ihnen gehört -, damit kein Missbrauch möglich ist. Das hier ist die Fahrzeugtechnik. Hier sehen Sie die Antenne am Fahrzeug - das sage ich nur der Vollständigkeit halber -, durch die der Chip abgelesen wird. Auf diesem Bild sehen Sie das Bedienteil im Fahrerhaus, über das der Fahrer den Betriebszustand während des Leerungsprozesses überwachen kann. Es gibt ein weiteres Bedienteil am Heck. Dort kann der Müllwerker, der die Tonne leert, weitere Zusatzinformationen zur Leerung eingeben: Tonne überfüllt, Falschmüll enthalten, aber auch solche Dinge wie: Deckel defekt, Korpus defekt, Rad defekt. Welches Ziel verfolgen wir damit? Diese Informationen werden zusammen mit der Leerungsdatei, die während des Tages erzeugt wird, in den Kundenservice geliefert. Ist der Behälter defekt, erfolgt automatisiert ein Auftrag an den Behälterservice, der dann den Behälter entweder austauscht oder vor Ort instand setzt. Ist Falschmüll enthalten, bekommt der Kundenservice eine entsprechende Information, und der Kunde bekommt ein Mahnschreiben und wird darauf hingewiesen. Das alles geschieht unter dem Aspekt der Vereinfachung der Abläufe. Das, was Sie auf diesem Bild sehen, ist der Ausschnitt einer Tour. Die Fahrzeugtechnik verfügt über einen GPS-Empfänger, und wir zeichnen die Touren mit den einzelnen Leerungsvorgängen auf. Jeder rote Punkt, den Sie dort sehen, ist ein Leerungsvorgang. Das hat zwei positive Effekte: Erstens können dem Kunden gegenüber belegen, dass wir in seiner Straße waren, um seine Tonne zu leeren, wenn er sie einmal nicht hinausgestellt hat, aber das Gegenteil behauptet. Zweitens. Der Kunde ruft an: Ich habe vergessen, meine Tonne hinauszustellen. Ich wohne in der Straße Schwarzer Weg. Sind die Kollegen schon dort gewesen, oder kommen sie noch? - Der Kundenservice hat jederzeit Zugriff auf die Informationen. Der Kollege, der am Telefon sitzt, kann mit einer Verzögerung von ungefähr fünf bis sieben Minuten auf dem Bildschirm sehen, wo sich das Fahrzeug gerade aufhält. Dann kann er dem Kunden sagen: „Sind schon durch!“ oder: „Kommen noch!“ Das ist also ein zusätzlicher Servicegesichtspunkt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall) Conrad von Meding: Herr Mäurer, Sie haben die Zeit gut eingehalten. Prima! Herzlichen Dank nach Celle! Manchmal braucht man gar nicht weit zu gehen. Auch in Celle gibt es ein interessantes System. Wir wollen das alles aber jetzt nicht bewerten, sondern eine ganz kurze Pause, sagen wir, von zehn Minuten, machen. Ich trommele Sie also kurz vor 18.20 Uhr wieder zusammen. Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele von Ihnen Lust haben, weiter zuzuhören. Es kommen noch drei Experten zu Wort, dann folgt eine Fragerunde der Politikerinnen und Politiker, und danach sind alle anderen an der Reihe und können die auf dem Podium versammelten Experten „löchern“. Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bis gleich! (Unterbrechung von 18.10 Uhr bis 18.22 Uhr) Conrad von Meding: Meine Damen und Herren! Während die Letzten die Plätze suchen: Gerade eben kam die Frage, ob man die PowerPointPräsentationen und alles das, was vorhin gezeigt wurde, irgendwo im Internet nachlesen kann. - Ja, das können Sie im Anschluss. Alle Materialien sind gesammelt worden. Jetzt wird die Zustimmung eingeholt, ob es in Ordnung ist, wenn sie veröffentlicht werden. Dann werden alle Materialien im Internet zu sehen sein. Herr Priebs klärt - - (Prof. Dr. Axel Priebs: Über hannover.de!) - Über hannover.de, über diesen Zugang werden Sie auf jeden Fall weitergeleitet. Seite 30 von 57 Sie wissen: Dort finden Sie auch den Zugang zu der Bürgerbeteiligung, über den Sie Ihre Meinung äußern können, und Ähnliches. Wir machen jetzt rigoros weiter; denn ich habe Ihnen versprochen, dass wir um 20 Uhr pünktlich hier herauskommen. Aber derzeit sind wir, ehrlich gesagt, ein bisschen über die Zeit. Wir wollen noch drei Experten hören. Bis jetzt haben wir die Experten gehört, die von den Fraktionen benannt worden sind. Jetzt möchte ich als Ersten Herrn Eckhard David an das Mikrofon bitten. Er war viele Jahre Stadtdirektor von Stadthagen und ist insofern gut bekannt. (Zuruf: Wunstorf!) - Ich ordne ihn immer Schaumburg zu. Er wohnt in Stadthagen. Entschuldigung. Er war viele Jahre Stadtdirektor von Wunstorf und ist insofern mit verwaltungsrechtlichen Fragen gut vertraut. Er ist eigentlich Jurist und arbeitet seit 2014 in der Kanzlei von Professor Versteyl in Hannover. Er ist von den Hauptverwaltungsbeamten, also von den Bürgermeistern, als Experte benannt worden. Herr David, wir sind gespannt darauf, was Sie zu sagen haben. Eckhard David Prof. Versteyl Rechtsanwälte, Hannover Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich Sie um Geduld ersuchen. Denn ich arbeite grundsätzlich nicht mit irgendeiner Medienpräsentation oder einer PowerPoint-Präsentation. Vielleicht erleichtert mir das, etwas flexibler auf die Anforderungen dieser Veranstaltung einzugehen. Sie können meine Ausführungen, in Schriftform ausgeweitet und mit einem Zitatenschatz versehen, auch in der jetzt angesprochenen Internetpräsentation lesen, sodass ich mich hier auf eine absolute Kurzfassung beschränke. Es wird Sie auch aufgrund meiner Herkunft nicht überraschen - Herr von Meding hat darauf hingewiesen -, dass ich zunächst einmal ein ganz abstraktes Prinzip verfolge, das eigentlich mit der Gebührenpolitik, mit Müllgebühren oder mit der Müllentsorgung überhaupt nichts zu tun hat. Dabei geht es um die Frage, was Sie als Kommunalpolitiker antreiben sollte, ein System zu wählen, das Ihnen möglichst viel Gestaltungsfreiheit bietet, das möglichst niedrige rechtliche Schranken hat, das ein geringes Risiko des Scheiterns hat - zweimal beim OVG Lüneburg zu scheitern, sollte reichen - und das im Rahmen der Flexibilität, die ich für Sie proklamiere, möglichst auch die Chance enthält, gegebenenfalls zu dem alten System zurückzukehren. Ob Sie das dann machen wollen oder nicht, entscheiden Sie politisch und nicht unter rechtlichen Aspekten. Ich schütte etwas Essig in den Wein des Optimismus, der hier deutlich wurde, angefangen bei den einführenden Worten des Regionspräsidenten. Dieser Optimismus lautet: Wir haben zweimal die Chance gehabt, unser Gebührensystem durch das OVG Lüneburg überprüfen zu lassen, und wir sind im Besitz der Erkenntnis, dass es jetzt rechtssicher ist. - Das ist juristisch falsch. Ich habe mir gerade von meinem Vorgänger beim Städtetag, von Herrn Krause, die letzten Seiten der Entscheidungsgründe der zweiten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg geben lassen. Er hat sein Laptop dabei. Lesen Sie das nach! Geprüft wurden einzelne Bestimmungen der Gebührensatzung, die gerügt worden sind. Der Senat sagte: Diese einzelnen Bestimmungen führen allerdings zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, und deswegen ist die Satzung in sich nichtig. Man kann also nicht sagen, die Satzung sei von Anfang bis Ende einem rechtlichen Check unterzogen worden. Ich gebe jetzt noch eins drauf - das ist vielleicht ein bisschen gemein; denn an diesem Punkt bin ich eigentlich nicht zitier- Seite 31 von 57 fähig; aber ich sage es einfach -: Ich hatte Gelegenheit, mit einem der Richter des Verwaltungsgerichts Hannover über die neue Satzung, über die Satzung 2015, zu diskutieren. Als Ergebnis dieses Gesprächs habe ich nicht mehr die Sicherheit, dass auch diese Satzung vor rechtlichen Anfeindungen gefeit ist. Es gibt einige Punkte, z. B. § 3 Abs. 2 der aktuellen Satzung, worin Sie etwas zum Entstehen der Gebührenschuld und der Gebührenpflicht zum Beginn des Benutzungsverhältnisses sagen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Göttingen ist das unzulässig, jedenfalls dann, wenn Sie während des Benutzungsverhältnisses Gebührenänderungen vornehmen wollen. Zum Zwangssack: Was macht Sie eigentlich so sicher, dass man nicht genauso wie bei der Grundgebühr - eine wohnungsbezogene Grundgebühr ist mit einer grundstücksbezogenen Grundgebühr nicht kompatibel; also des Scheiterns zweiter Punkt - sagt: „Wenn Sack, dann aber keine Mindestbehältervolumen“? - Der Sack und die damit verbundene Flexibilität sind mit einer Mindestbehälterregelung nicht kompatibel. Derjenige, der mir Zweifel eingeflüstert hat, hat ebenfalls gesagt: Wir haben auch Probleme bei der Gebührenkalkulation. Die Region Hannover geht dazu über, die gesamten Kosten der verlorenen Rechtsstreitigkeiten in die Gebührenkalkulation einzustellen. Das ist unzulässig. Ich plädiere für einen totalen Paradigmenwechsel, und ich plädiere dafür, dass Sie Ihr gesamtes Entgeltsystem auf ein zivilrechtliches Entgelt umstellen. Der rechtliche Ankerpunkt ist § 5 Abs. 1 Satz 2 NKHG. Dort steht das zivilrechtliche Entgelt neben der Gebühr. Das ist sozusagen die Eröffnung, um das gesamte Bezahlverhältnis zivilrechtlich zu gestalten. Was hat das für Vorteile? Erst einmal die Frage: Haben wir dazu überhaupt praktische Erfahrungen? Wir sind ja nicht dazu berufen, das Rad neu zu erfinden, sondern wir müssen sehen, wer dazu schon Erfahrungen gemacht hat. Wir haben gemeinsam mit der Firma ATUS zu diesem Thema ein Symposium in Hamburg durchgeführt. Auch die Region Hannover war selbstverständlich eingeladen, an diesem Symposium teilzunehmen. Ich berichte als Ergebnis des Symposiums: In Niedersachsen wird das zivilrechtliche Entgelt vom Landkreis Diepholz erhoben. In Schleswig-Holstein erhebt etwa die Hälfte der Landkreise nur noch zivilrechtliche Entgelte, und zwar nach einer Odyssee der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein, bei der aufgrund immer neuer Einfälle der Verwaltungsrichter Gebührensatzungen reihenweise gekippt worden sind. Es gab dort einen Kollegen, der vorher Staatssekretär im Innenministerium war. Er hatte sich darauf spezialisiert - und hatte ständig Erfolge beim Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, und zwar immer die ganz unangenehmen Erfolge -, ein und dieselbe geprüfte Satzung immer wieder mit neuen Aspekten zur rechtlichen Überprüfung zu geben, wobei das, was vorher nicht moniert worden ist, später moniert wurde. Bei der Bewertung der Systeme gibt es praktische Gesichtspunkte, die sich vielleicht nur demjenigen erschließen, der die Dinge nicht von vornherein unter einem stark theoretischen Aspekt bewertet, und rechtliche Rahmenbedingungen, die eigentlich unstreitig sind. Ich fange mit den praktischen Gesichtspunkten an. Wo landet der Müllkritiker, der bei einem zivilrechtlichen Entgelt zum Richter geht? Er landet beim Amtsrichter. Der Amtsrichter hat einen Pensenschlüssel von etwa 600 Fällen im Jahr. Der Verwaltungsrichter hat einen Pensenschlüssel von etwa 140 Fällen im Jahr. Beim Amtsrichter unterliegt der Müllkritiker einer anderen Prozessmaxime als beim Verwaltungsgericht. Im ersten Fall unterliegt er dem sogenannten Beibringungsgrundsatz, d. h. er muss dartun und beweisen, was Inhalt seiner Rechtsposition ist, während er beim Verwaltungsgericht sozusagen unter den Sonnenschein des Seite 32 von 57 Amtsermittlungsgrundsatzes kommt. Das sind also völlig falsche Voraussetzungen. Üblicherweise liegt der Gegenstandswert beim Amtsgericht unter 500 Euro, mit der Konsequenz, dass das Urteil des Amtsrichters nicht von vornherein berufungsfähig ist. - Erster Punkt. - Rein praktische Gesichtspunkte. Rechtliche Rahmenbedingungen: Selbstverständlich kann man nicht unter dem Deckmantel eines zivilrechtlichen Entgelts hingehen und sagen: Wir haben jetzt die große Freiheit des Zivilrechtes, und wir können alles machen, was wir wollen. Man unterliegt hier immer noch den Voraussetzungen des sogenannten Verwaltungsprivatrechts, und hier gibt es natürlich auch eine Grundrechtsbindung des Staates. Genauer gesagt: Wir haben ein sogenanntes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Das bedeutet, dass nach § 315 Abs. 3 BGB der Richter eine Prüfung nach Angemessenheitskriterien vornimmt. Die Messlatte für das, was angemessen ist, ist im Rahmen des zivilrechtlichen Beurteilungssystems wesentlich niedriger angesetzt - je nach Blickwinkel niedriger, also mehr Freiheit zugunsten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften -, als das im öffentlich-rechtlichen System der Fall wäre. Wir haben also eine Angemessenheitskontrolle. Das bedeutet: Angemessen ist, wenn das Äquivalenzprinzip beachtet worden ist. Das heißt, die Leistung und die Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Es ist das Erdrosselungsverbot zu beachten. Ferner ist das Verbot der Quersubventionierung zu beachten. In beiden Entscheidungen des OVG Lüneburg wird § 12 des Niedersächsischen Abfallgesetzes zitiert, z. B. bei der Frage, wie hoch der Grundgebührenanteil sein darf. Dazu sagt man: Er darf nicht höher als 30 oder 50 % sein, weil das Abfallvermeidungsgebot aus § 12 des Niedersächsischen Abfallgesetzes beachtet werden muss. - § 12 des Niedersächsischen Abfallgesetzes gilt bei zivilrechtlichen Entgelten nicht. Schließlich ist noch das Kostendeckungsprinzip zu beachten. Das heißt, Sie dürfen auch über das Zivilrecht die Abfallgebühren nicht verwenden, um beispielsweise das Sommerfest der Regionsverwaltung oder den Dienstwagen des Regionspräsidenten zu finanzieren. Das Geld muss also innerhalb eines Deckungskreises verbleiben. Über praktische Erfahrungen können diejenigen berichten, die seit längerer Zeit - in Schleswig-Holstein seit 2001 bzw. 2002 über das zivilrechtliche Entgeltsystem verfügen. Ein Nachteil steht im Raum: Das zivilrechtliche Entgelt kann nicht über einen Verwaltungsakt beigetrieben werden. Der Verwaltungsakt hat, meine Damen und Herren, eine sogenannte titelverschaffende Wirkung. Es besteht auch nicht die Möglichkeit, über § 80 VwGO beispielsweise zu erreichen, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung entfalten, weil es sich um öffentliche Abgaben und Kosten handelt. Das sind rein theoretische Nachteile. In Diepholz hat es in der Zeit seit Einführung des zivilrechtlichen Entgeltes ein einziges Gerichtsverfahren gegeben. Der Richter hat gefragt: Sind Sie, lieber Kläger, der Auffassung, für die Inanspruchnahme der Leistung kein Entgelt bezahlen zu müssen? Darauf hat der Kläger nein gesagt. Dann hat der Richter die Körperschaft gefragt: Was zahlt der Kläger, und was bedeutet das sozusagen im Vergleich? Darauf hat der Landkreis Diepholz gesagt: Wir liegen sogar noch 5 % niedriger als der niedersächsische Durchschnitt. Daraufhin wurde dem Kläger gesagt: Was wollen Sie hier? Und die Klage wurde abgewiesen. - Peng! Also: auf der einen Seite keine Beitreibung durch Verwaltungsakt, aber auf der anderen Seite eine erheblich niedrigere rechtliche Kontrolldichte. Seite 33 von 57 Die Praxis zeigt: In Diepholz gab es seit 2002nur ein Verfahren. Die SchleswigHolsteiner berichteten über überhaupt keine Verfahren in dem Zusammenhang. Sie haben eine Lastschriftquote von 85 %. Üblicherweise findet bei Nichtzahlung ein automatisiertes Mahnverfahren statt. Es werden zwei Mahnrunden geschaltet, dann wird ein Mahnbescheid beantragt, der in der Regel durchgeht, weil es nicht zu einem Einspruch kommt, und danach geht die Sache an ein Inkassobüro. Das Ganze ist mit einer Ausfallquote von weniger als 1 % verbunden. Was bedeutet das für die hier interessierenden Fragestellungen? Wäre das eine Möglichkeit, z. B. wieder zum Sacksystem unter zumutbaren Bedingungen zurückzukehren? - Wir sind uns ja darüber klar: Ein Sacksystem ist untrennbar mit einem sehr hohen Grundgebührenanteil verbunden. Sie müssen dafür sorgen, dass der Sack im Laden nur Cents kostet. Sonst wird der Müll in den Aldi-Sack geschmissen und dann in die Beeke geworfen. Das heißt automatisch: Sacksystem und hoher Grundgebührenanteil. In Niedersachsen fährt noch der Landkreis Leer das Sacksystem beim Restmüll. Auch dort gibt es einen sehr hohen Grundgebührenanteil. Diese beiden Dinge sind meines Erachtens untrennbar miteinander verbunden. Alles andere - beispielsweise diese Zwangssäcke - ist eine Krücke, und das führt zu Unmut bei den Bürgern, wie auch die Umfragen gezeigt haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie die rechtlichen Probleme bei dem alten Sacksystem mit dem hohen Grundgebührenanteil bei der Verwendung eines zivilrechtlichen Entgeltsystems nicht hätten. (Beifall) Conrad von Meding: Das ist der einzige Beitrag, den ich vorher schriftlich gelesen habe. Mir hat, ehrlich gesagt, davor gegraust. So wie es jetzt vorgetragen wurde, war das alles eigentlich gut zu verstehen. Ganz herzlichen Dank! Das ist tatsächlich sehr verständlich gewesen. Es war ein Votum für ein kom- plettes Umsteuern. Das war interessant und ein ganz anderer Ansatz. Wir hören noch zwei Experten, zunächst Herrn Dr. Christoph Tiebel, benannt von aha. Herr Dr. Tiebel kommt von der ATUS GmbH aus Hamburg. Er hat technischen Umweltschutz an der TU in Berlin studiert, promoviert in Darmstadt, ist seit 1986 als Ingenieur im Abfallbereich tätig und ist jetzt Gesellschafter und Geschäftsführer der ATUS in Hamburg. Herzlich willkommen! Ring frei! Dr. Christoph Tiebel ATUS GmbH, Hamburg Herzlichen Dank. - Wir haben schon sehr viele Vorträge gehört. Ich habe etwa 20 Folien vorbereitet, von denen ich aber nur fünf zeigen werde. Einige Themen sind wichtiger oder - sagen wir es so - kontroverser. Eines der Themen ist die Frage: Wie soll es im Umland weitergehen? Soll, wie Frau Stümpfel vorhin vorgeschlagen hat, zur Sackabfuhr zurückgegangen werden Herr David hat versucht, den rechtlichen Weg dafür zu öffnen -, oder soll man das einfach sein lassen? Ich behaupte: Das System Sackabfuhr hat zahlreiche Nachteile technischer Art, logistischer Art, wirtschaftlicher Art, und es hat eigentlich nur einen Vorteil, nämlich den, dass die Bürger - das heißt konkret: die Bürger im Umlandgebiet - dieses System gewöhnt sind. Sie wollen den Umstellungsaufwand nicht. Sie haben keinen Platz für die Tonne. Sie finden es überhaupt doof, dass man jetzt ein neues System einführen will. Dafür habe ich grundsätzlich volles Verständnis. Aber ebenso grundsätzlich bin ich nicht bereit, zu akzeptieren, dass das Bessere nicht gemacht wird, nur weil jemand etwas gewöhnt ist. (Beifall) Herr Klippel hat eben gesagt, dass es besonders unwirtschaftlich ist, wenn man beides macht, wenn man also sowohl die Seite 34 von 57 Behälter also auch die Säcke draußen hinstellen kann. Denn dann kann man sein logistisches System nicht optimieren. Das sehe ich genauso. Aus fachlicher Sicht gebe ich deswegen eine ganz klare Empfehlung. - Ich bin zwar als Experte für aha hier, habe aber an manchen Stellen meine eigene Meinung. aha hat es bisher ganz bürgerfreundlich freundlich insbesondere für die bisherigen Nutzer der Sackabfuhr, die sich jetzt an ein neues System gewöhnen müssen und zurückhaltend gemacht, indem gesagt wurde: Ihr könnt eure Säcke behalten, ihr könnt sie open end behalten. - Ich als Techniker und als jemand, der sich schon lange mit Müllabfuhr beschäftigt, würde sagen: Beschränkt diesen Übergangszeitraum! Okay, man kann nicht von heute auf morgen eine Waschbetonbox aufstellen, um dort Mülltonnen unterzubringen; dafür braucht man einen Vorlauf. Aber man braucht keinen Vorlauf von 20 Jahren, sondern vielleicht von fünf Jahren. Anschließend kann man die Behälterabfuhr im gesamten Gebiet, also im Umland und in der Stadt, optimieren. Denn ein gemischtes System ist immer unwirtschaftlich. Ich will jetzt auf ein paar einzelne Punkte eingehen. Was ist eigentlich das Dumme an der Sackabfuhr? - Ganz einfach: Die Behälter ermöglichen einen längeren Leerungsturnus. Man muss nicht mehr jede Woche durch jede Straße juckeln, um die Säcke abzufahren, und das auch noch mit drei Fahrzeugen, sondern man kann mit längeren Leerungsturni arbeiten, weil es niemanden stört, wenn der Restmüll oder das Altpapier draußen in der Tonne liegen und zwei oder vier Wochen lang darauf warten, abgefahren zu werden. Das ist bei Behältern kein Problem, sondern das ist nur bei Säcken ein Problem. Wenn man bei Behältern in einem angepassten Turnus fahren kann, dann ist die Abfuhr günstiger. Es trifft nämlich nicht zu, dass die Sackabfuhr per se günstiger ist; denn bei der Sackabfuhr muss man jede Woche einmal fahren. Eine Behälterabfuhr im angepassten Turnus ist günstiger - wenn man mit Seitenladern fahren kann, ohnehin. Eine Sammlung von Restabfall, Bioabfall und Papier mit Säcken ist unter Gesundheitsschutzgesichtspunkten wirklich etwas Blödes. (Beifall) Das Thema Lastenhandhabung haben Sie ein bisschen dadurch entschärft, dass Sie diese Minisäcke zur Verfügung stellen. Aber es ist auch keine richtig gute Lösung, den Müll zwanzigliterweise abzufahren, wenn man auch Behälter hat, in die 120 Liter hineinpassen. Die Sackbeschaffung ist ein relevanter Kostenfaktor, insbesondere wenn es eine Zweckentfremdung von gebührenfreien Säcken gibt. Von den Papiersäcken kommt wahrscheinlich nur jeder zweite irgendwann einmal in der Sammlung an. Das liegt daran, dass sie beispielsweise so wunderbar zum Abdecken von Dächern - unter den Ziegeln - eingesetzt werden können. Sie sind auf die Dauer nicht billig. Das kostet richtig Geld. Beim nächsten Spiegelstrich sehen Sie: Auch der Materialaufwand ist durchaus beträchtlich. Ein 120-Liter-MGB wiegt 12 kg. Das sind 500 Säcke á 20 Liter, also der Verbrauch von drei Personen in drei Jahren. Nach drei Jahren hat man den Behälter ökologisch sozusagen abgeschrieben, und für die weitere Zeit gibt es keinen zusätzlichen Kunststoffverbrauch mehr. Schließlich die beiden letzten Punkte: Sacknutzung ist nicht komfortabel. Es kann niemand behaupten, dass es Spaß macht, Kartons oder Grünabfälle in einen Plastiksack hineinzustopfen. Das geht einfach nicht gut. Die Verwehungen der Säcke und die Beschädigungen durch Vögel usw. sind auch Argumente, die einfach dagegen sprechen. Seite 35 von 57 Aus gutem Grund haben also 99 % der Bundesbürger eine Behälterabfuhr und keine Sackabfuhr mehr. (Beifall) Jetzt habe ich meine zehn Minuten wahrscheinlich fast schon verbraucht. Optimierungsmöglichkeiten: Wie gesagt, zeitlich limitierte Übergangsphase. Danach besteht die Möglichkeit, Einsparpotenziale zu prüfen. Ich empfehle Ihnen auch: Schauen Sie einmal, ob es wirklich nötig ist, im gesamten Gebiet immer mit Vollservice, also mit dem Hol- und Bringservice bei den Behältern, zu fahren, oder ob man nicht durchaus auf freiwilliger Basis oder wie auch immer auf Benutzertransport umstellen kann, was dann zu entsprechend niedrigeren Gebühren führen würde. Zum Mindestbehältervolumen eigentlich nur zwei Thesen. In der Satzung steht ein Standardvolumen von 20 Litern. Das entspricht dem IstVolumen im Umland und ist gegenüber dem, was für die Stadt gilt, nur die Hälfte. In der Stadt wird normalerweise ein Volumen von 40 Litern verwendet. Ein Mindestbehältervolumen von 10 Litern pro Einwohner und Woche liegt ausreichend weit unter der realen mittleren Benutzung im Umland und erst recht unter der Benutzung in der Stadt. Ich zeige Ihnen ein Beispiel. Das ist jetzt eine richtig schöne ingenieurmäßige Darstellung, eine Kurve, die in Prozenten zeigt, wie viel Liter pro Einwohner und Woche verwendet werden. Sie sehen, bei 50 % der Nutzer liegen die Kurven bei ungefähr 10 Litern. Dort, in diesem Gebiet, haben etwa 50 % 10 Liter pro Einwohner und Woche verwendet. Aber das heißt auch, 50 % haben weniger als 10 Liter pro Einwohner und Woche verwendet. Da ist es sinnvoll, über ein niedrigeres Mindestvolumen nachzudenken. Im Umland sind es 20 Liter und im Stadtgebiet 40 Liter. Dann seien Sie doch mit dem Mindestvolumen von 10 Litern erst einmal ganz froh und glücklich! Wenn Sie zukünftig alle so viel gespart haben, dass Sie sich im Mittel an 15 Liter herangearbeitet haben, kann man immer noch darüber nachdenken, ob man das Mindestbehältervolumen mit einem gewissen Abstand weiter heruntersetzt. Bioabfall: Ich habe vorhin gehört, dass im Umland so wunderbar getrennt wird. In der Region gibt es überhaupt ganz wenig Bioabfall. In der Stadt sind es ungefähr 5 Liter Bioabfall pro Einwohner und Woche. In Osnabrück und Oldenburg sind es 9 bis 10 Liter pro Einwohner und Woche, in Braunschweig 6 Liter - um andere Großstädte aus Niedersachsen zu nennen. Richtig viel ist das also nicht. Im Umland ist es tatsächlich wenig. 2012 waren es dort noch 2,2 Liter Bioabfall pro Einwohner und Woche; jetzt sind es nur noch 1,8 Liter pro Einwohner und Woche. Ich verfüge über die Daten des bundesweit einzigen anderen Landkreises, der auch mit Sackabfuhr arbeitet, nämlich des Landkreises Leer. Dort sind es immerhin 3 Liter pro Einwohner und Woche, also fast das Doppelte von dem, was hier im Umland zu verzeichnen ist. Bei einer Behälterabfuhr sind es in Landkreisen normalerweise 9 bis 13 Liter pro Einwohner und Woche. Ich gehe also davon aus, dass die Menge erheblich steigen kann, wenn Sie eines Tages im Umland auf die Biotonne umsteigen; aber erst dann, nicht mit den Säcken. Über das nächste Bild gehe ich hinweg; denn das ist völlig unstreitig. Nun will ich noch auf das Ident-System eingehen. An mehreren Stellen haben wir heute Abend gehört, was der Vorteil des IdentSystems ist. Ich rede erst einmal nur von einer Zählung der Leerungen, keiner Verwiegung. Nur sehr wenige arbeiten mit einer Verwiegung. Das liegt daran, dass sie sehr teuer ist. Allein die Fahrzeugausstattung für die Verwiegung kostet 35 000 Euro. Seite 36 von 57 Das Ident-System funktioniert so, dass der Abfallbesitzer durch Bereitstellung über das Ausmaß der Benutzung entscheidet. Stellt er seine Tonne am Vorabend des Abfuhrtages hinaus, dann wird sie geleert, und das kostet ihn dann 2, 3, 4 oder 5 Euro, je nachdem, was der Gebührensatz hergibt. Stelle ich die Tonne nur sehr selten hinaus, weil ich ganz toll gespart und immer Wertstoffsammelsysteme verwendet habe, dann profitiere ich als Eigenheim- oder Grundstücksbesitzer davon. Wenn aber sehr viele Leute auf einem Grundstück wohnen - Herr Klippel hatte es auf einer Folie dargestellt -, dann funktioniert das nicht mehr. Denn es gibt keinen, der darüber entscheidet, ob die Tonne hinausgestellt wird oder nicht, und es gibt einen geteilten Nutzen, was heißt, dass sich derjenige, der nur sehr wenig Müll bereitstellt, immer ärgert, weil der, der dieselbe Tonne mitbenutzt, es selber jedoch ganz anders handhabt, von der Sparsamkeit anderer profitiert. Im Stadtgebiet gibt es zu 75 % Vierradbehälter, also diese großen Container mit mindestens 770 Litern, wenn nicht 1,1 m3 Volumen, an denen eine ganze Reihe von Haushaltungen hängt. Im Umland sind es nur 60 % Volumen aus Vierradbehältern. Das heißt, es sind einfach nicht die Voraussetzungen gegeben, um ein IdentSystem zu fahren. Der Vollservice kommt hinzu. In der Stadt - Herr Reuter hat es vorhin dargestellt - wird der Behälter vom Grundstück geholt. Wie wollen Sie denn signalisieren, ob Sie den Behälter bereitstellen wollen oder nicht? - Da muss man sich etwas ausdenken, vielleicht etwas anhängen, was aber abfallen kann. Das ist, meine ich, praktisch nicht gut möglich. Mir ist bewusst, dass die Stadt Dresden ein Ident-System hat. Wie sie es hinkriegt, weiß ich leider nicht im Detail. Aber ansonsten kenne ich eigentlich nur Landkreise mit der typischen Einfamilienhausstruktur, in denen ein Ident-System gut läuft. Ich danke herzlich für die Aufmerksamkeit. (Beifall) Conrad von Meding: Ganz herzlichen Dank. Das war ein deutliches Plädoyer. Wir kommen jetzt zur Anhörung der letzten Expertin. - Heute sind wir deutlich unterqoutiert, wie ich sagen muss: zwei Expertinnen bei insgesamt acht Personen, die zu Wort kommen. - Schön, dass Sie bei uns sind! Frau Katrin Jänicke ist jetzt an der Reihe. Sie ist von der Regionsverwaltung benannt. Sie arbeitet in Berlin in einer Kanzlei mit einem ganz schrecklichen Namen: Gaßner, Groth, Siederer & Collegen. Wahrscheinlich deswegen kürzt sie sich immer mit GGSC ab, wie ich gelernt habe. - Jurastudium, Referendariat in Berlin und andere Sachen. Sie ist innerhalb dieser Kanzlei Expertin für Abfallrecht und Abfallwirtschaft, und wir hören ihr jetzt zu. Herzlich willkommen! Katrin Jänicke Gaßner, Groth, Siederer & Collegen, Berlin Vielen Dank. - Guten Abend, meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, Ihnen meine Thesen zum Abfallgebührensystem in Hannover vorstellen zu können. Dabei werde ich auch auf vieles eingehen, was schon gesagt wurde. Ausgehend von den Aussagen des OVG Lüneburg, werde ich die wesentlichen Thesen darstellen. Die Sackabfuhr ist aus meiner Sicht eine Weichenstellung in Ihrem gesamten Abfallgebührensystem. Es ist sehr wichtig, zu verstehen, dass durch die Sackabfuhr die Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Gebührensystems schlicht beschränkt sind. Ferner möchte ich auf einige andere Dinge eingehen, die heute schon angesprochen worden sind - das Mindestbehältervolumen, die Mindestgebühr, die Grundgebühr, die Sperrmüllentsorgung -, um dann zum Fazit zu kommen. Zunächst zu den wesentlichen Aussagen des OVG. Dazu haben wir heute schon eine Menge gehört. Der oberste Grund- Seite 37 von 57 satz lautet: Die Ausgestaltung des Abfallgebührensystems ist eine echte politische Entscheidung. Dies folgt aus Artikel 28 des Grundgesetzes. Es ist also eine politische Entscheidung, wie Ihr Gebührensystem aussehen soll. Allerdings folgen aus den Urteilen des OVG einige wesentliche Beschränkungen. Innerhalb der einheitlichen Einrichtung Abfallentsorgung müssen einheitliche Abfallgebühren erhoben werden. Das bedeutet: keine Differenzierung zwischen Sack und Tonne. Die vorhin gestellte Frage gestellt, warum wir es nicht wieder wie vorher machen können, beantwortet sich damit: Es geht nicht. Das OVG hat entschieden: einheitliche Gebühren. Es hat dies aus dem Gleichheitsgrundsatz hergeleitet. Deshalb ginge es übrigens auch nicht bei den privatrechtlichen Entgelten. Denn bei der Erhebung privatrechtlicher Entgelte wird der Gleichheitsgrundsatz über das BGB in die Erhebung hineingespiegelt. Deswegen ist es schlicht auch beim privatrechtlichen Entgelt nicht möglich, wieder zwischen Sack und Tonne zu differenzieren, jedenfalls nicht, solange das Landesrecht so ist, wie es ist. Das OVG ist die letzte Instanz. Das heißt, Sie kommen mit dieser Frage, weil es um eine Ableitung aus dem Landesrecht und nicht um eine Ableitung aus dem Bundesrecht geht, nicht zum Bundesverwaltungsgericht gehen, sodass auch nicht noch jemand anderes entscheiden könnte. Ein anderer Grundsatz lautet, dass die grundstücks- oder wohnungsbezogene Grundgebühr nicht mehr als 30 % betragen darf. Auch das ist ein wesentlicher Grundsatz in der Ausgestaltung des Gebührensystems, weil die Grundgebühr auf eine niedrige Höhe begrenzt wird, weshalb es notwendig wird, dass, wenn Sie am Sacksystem festhalten, die Abfallsäcke einen bestimmten Betrag kosten müssen. Ob Sie das Sacksystem beibehalten, liegt hingegen in Ihrem Ermessen. Das Oberverwaltungsgericht hat außerdem die 10 Liter bestätigt. Die Sacksammlung gibt eine wesentliche Weichenstellung für die Ausgestaltung des Gebührensystems vor. Für die Sacksammlung im Umland und die Behältersammlung müssen einheitliche Gebühren erhoben werden, weil es sich nach der Rechtsprechung eben nicht um Teilleistungsbereiche handelt, wie ich eben ausgeführt habe. Zudem müssen für die Behältersammlung und die Sacksammlung einheitliche Bedingungen für die Inanspruchnahme geschaffen werden. Das heißt, es müssen nicht nur gleiche Gebühren gelten, sondern auch alles andere muss im Wesentlichen einheitlich geregelt sein. Eine Abschaffung der Säcke wäre sicherlich unproblematisch möglich, zumindest rechtlich gesehen. Der Vorteil wäre die vereinfachte Ausgabe des Behältervolumens. Sie bräuchten keine Gutscheine zu versenden. Wie gesagt: Es liegt in Ihrem politischen Ermessen, ob Sie dies beibehalten wollen oder nicht. Aber wenn Sie es beibehalten, sind Sie an die dargestellten Grundsätze gebunden. Wofür sind diese Grundsätze weiter wesentlich? Zum einen für das Mindestbehältervolumen. Sie geben ein Mindestbehältervolumen vor, derzeit von 10 Litern pro Person und Woche. Das ist rechtlich anerkannt. Das OVG hat das „abgenickt“. Das ist in Ordnung. Es gibt Landkreise, die kein Behältervolumen vorgeben. Das ist aber meistens in - ich sage einmal - sehr friedlichen, sehr ländlich strukturierten Landkreisen der Fall. In Großstädten ist es eher Usus, dass Mindestbehältervolumen vorgegeben werden. Sie haben vorhin von den anderen Sachverständigen dazu Ausführungen gehört. Ein weiterer Bestandteil aufgrund der OVG-Rechtsprechung ist: Das Mindestbehältervolumen muss in der gesamten Region einheitlich vorgegeben werden. Sie können dabei nicht zwischen Sack- und Behälterabfuhr differenzieren. Das stellt also eine weitere Prämisse dar. Im Fall der Behälterabfuhr wird das Mindestbehältervolumen zugewiesen, indem schlicht ein Behälter aufgestellt wird. Wenn Sie aber auch bei der Sackabfuhr Seite 38 von 57 ein Mindestbehältervolumen vorgeben wollen, dann müssen Sie auch dafür Behältervolumen zuweisen. Damit sind wir bei den Gutscheinen. Die kamen heute noch gar nicht zur Sprache. Wie ich es mitbekommen habe, ist das ein Thema, das nicht besonders beliebt ist. Niemand hängt an diesen Gutscheinen. Wenn es aber ein Mindestbehältervolumen gibt und wenn laut OVG einheitlich ausgestaltet werden muss, dann müssen Sie auch Gutscheine versenden. Gibt es Alternativen zu Gutscheinen? Dazu kann man flapsig sagen: Ja, klar. Wenn umgestellt ist, kann der, der keine Gutscheine will, einen Behälter bestellen. Das ist die eine Lösung. Natürlich gibt es auch viele andere Systeme, die denkbar wären, elektronisch gestützte Systeme, mit denen man im Laden erfasst, wer welche Abfallsäcke gekauft hat. Aber ich glaube keine Minute, dass das weniger aufwendig würde als das jetzige Gutscheinsystem. Gibt es einen weiteren Weg, wie man um die relativ aufwendige Versendung der Gutscheine herumkommen könnte? Ja, man könnte auf ein Mindestbehältervolumen vollständig verzichten. Das wäre möglich. Es gibt auch Landkreise - Herr Mäurer hat es ausgeführt - wie Celle, in denen kein Mindestbehältervolumen vorgegeben wird. Das ist aber nicht die Regel, wie man auch sagen muss. Bundesweit ist es absolut nicht die Regel, kein Mindestbehältervolumen vorzugeben. Man muss außerdem sagen: Auch hier setzt das Sacksystem wieder eine Prämisse. Bei dem Behältersystem haben Sie nämlich die Möglichkeit, einen Behälter zuzuweisen, wenn auf einem Grundstück noch keiner vorhanden ist. Bei der Sacksammlung können Sie das nicht. Denn wenn die Abfallsäcke nur im Einzelhandel erworben werden, können Sie nicht nachprüfen, ob jemand überhaupt einen Abfallsack gekauft hat, ob also eine Mindestinanspruchnahmemöglichkeit auch für Mieter - es gibt ja nicht nur Eigentümer - gegeben ist oder nicht. Auch hier setzt die Sacksammlung also eine Prämisse. Wenn Sie kein Mindestbehältervolumen vorgeben, haben Sie das Problem wilder Ablagerungen. Vorhin wurde gesagt, das entspreche der Lebenswirklichkeit. Ich kann nur bestätigen: Ja, es entspricht der Lebenswirklichkeit, dass wilde Ablagerungen steigen, wenn auf Mindestbehältervolumen verzichtet wird. Ich habe einen Mandanten, der zunächst auf die Vorgabe von Mindestentleerungen im Ident-System verzichtet hatte. Er hat dann drei Mindestentleerungen pro Jahr eingeführt und seitdem bei 270 000 Einwohnern 1 000 t Abfall weniger im Wald, und zwar jedes Jahr. Ein gewisses Mindestbehältervolumen ist also durchaus sinnvoll. Mindestgebühr und Ident-System: Dazu wurde schon viel gesagt. Zumindest bei der Kombination von Sack- und Behältersammlung bringt Ihnen das nicht viel. Ein Ident-System ist sicherlich ein gutes System. Es wird bundesweit häufig genutzt. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Aber einen Chip an Säcken gibt es nicht. Von daher nutzt es für das Übereinbringen von Sack- und Behältersammlung nicht viel. Jetzt komme ich zur Grundgebühr. Mit der Grundgebühr werden die sogenannten Fixkosten und Vorhaltekosten abgegolten. Das darf dort hinein. Im § 12 Abs. 6 des Niedersächsischen Abfallgesetzes steht, dass diese Kosten auf 50 % begrenzt sind. Das OVG hat diesen Wortlaut eingeschränkt und gesagt, dass die Grundgebühr, wenn sie grundstücks- oder wohnungsbezogen erhoben wird, auf 30 % begrenzt ist. Die Kombination von Grundstücks- und Wohnungsgebühr hat das OVG verworfen. Sie dürfen aber alle anderen Gebührenmaßstäbe verwenden. Der Wohnungsmaßstab - so nehme ich das wahr - ist bei Ihnen mittlerweile relativ anerkannt. Sie dürften laut OVG auch einen reinen Grundstücksmaßstab verwenden. Der Behältermaßstab würde Ihnen hier nichts nützen, und zwar auch wieder wegen der Sacksammlung. Denn woran sollten Sie anknüpften, vor allem dann, wenn Säcke im Laden erworben würden? Bei dem Sys- Seite 39 von 57 tem scheidet also ein Behältermaßstab schlicht aus. Über den Einwohnermaßstab könnte man natürlich nachdenken, auch wenn bei der Abrechnung, wie es vorhin dargestellt wurde, ein sehr großer Mehraufwand entstünde. Sie könnten dann in die Grundgebühr einen höheren Betrag einstellen, aber ich bezweifele sehr, dass Sie auch dann in die Nähe einer Gebühr kämen, bei der die Leute die Abfallsäcke im Laden kaufen würden. Schließlich hat der Einwohnermaßstab für Familien eher Nachteile. Wie gesagt, habe ich der bisherigen Diskussion auch entnommen, dass mit dem Wohnungsmaßstab eine große Zufriedenheit besteht. Nur ganz kurz: Gebühren für Sperrmüllentsorgung, Wertstoffhöfe können Sie erheben. Das ist Ihre politische Entscheidung. Dies treibt die Kosten sicherlich etwas in die Höhe, ist aber verursachergerecht, ist gar kein Problem. Schließlich komme ich zu einem Fazit: Das derzeitige Gebührensystem ist rechtssicher. Mein Vorredner, Herr David, hat zwar sicherlich recht, dass das Gericht nicht sämtliche Halbsätze in der Satzung unter die Lupe genommen hat; aber die wesentlichen Streitfragen sind ausgeurteilt, und damit ist das ein Rahmen, innerhalb dessen sich aha rechtssicher bewegen kann. Die Sacksammlung stellt, wie gesagt, in rechtlicher Hinsicht wesentliche Weichen für die Ausgestaltung des Gebührensystems. Erfassung des den Grundstücken zugeordneten Behältervolumens. Das wird derzeit durch die Ausgabe von Gutscheinen gewährleistet. Wenn die Sacksammlung beibehalten wird und wenn es bei einem Mindestbehältervolumen bleiben soll, dann sind dazu nicht viele Alternativen erkennbar. Schließlich: Der Wohnungsmaßstab zur Berechnung der Grundgebühr begegnet keinen Bedenken. Ich möchte zum Schluss noch etwas zu den privatrechtlicher Entgelten sagen. Von der Erhebung privatrechtlicher Entgelte halte ich nichts. Das machen zwar Kommunen. Den Landkreis Diepholz kenne ich recht gut. - Ja, es ist ein Flächenlandkreis. Er ist sehr friedlich ausgestaltet. Der macht das. Auch die Berliner machen das. Dort heißt es: Tarife sind im Landesrecht geregelt, sie sind aber rechtlich als privatrechtliche Entgelte einzuordnen. Es ist jedoch so - auch das hat der Kollege ausgeführt -, dass die wesentlichen Grundsätze auch bei der Erhebung privatrechtlicher Entgelte Anwendung finden und dann in das Privatrecht sozusagen hineingespiegelt werden, d. h. man kann sich von den Bindungen des Kommunalabgabenrechts nicht einfach befreien. Das sind zwar nur die allgemeinen Grundsätze, aber es ist eben der Gleichheitsgrundsatz, der auch vom OVG angeführt wurde. Es gibt ferner den Grundsatz: „Keine Flucht in das Privatrecht!“ Das wäre hier, bei mehr als 7 000 Klagen, auch der erste Vorwurf: Umgestellt wird ja nur, um die verwaltungsgerichtliche Kontrolle loszuwerden. - Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass das auf große Zustimmung stoßen würde. Das Mindestbehältervolumen von 10 Litern pro Person und Woche wurde vom OVG Lüneburg anerkannt. Vielen Dank. Die Vorgabe eines Mindestbehältervolumens ist insbesondere zur Verhinderung illegaler Abfallentsorgung zu empfehlen. Conrad von Meding: Ganz herzlichen Dank, Frau Jänicke. Damit befinden wir uns auch schon voll in der Diskussion. Ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie sie gleich eröffnet haben. Bei der Sacksammlung erfordert die Vorgabe eines Mindestbehältervolumens die (Beifall) Seite 40 von 57 Ich möchte alle acht Experten, die eben zu uns gesprochen haben, sowie Herrn Professor Dr. Priebs, den Ersten Regionsrat, und Herrn Reuter als den Leiter der Abfallwirtschaft auf das Podium bitten. - Damit haben wir geballtes Know-how auf dem Podium. Fragen aus dem Abfallausschuss der Region Hannover Jetzt ist es etwa 19 Uhr. Das heißt, uns stehen noch rund 50 Minuten für die Diskussion zur Verfügung. Ich möchte versuchen, die Diskussion zu teilen. Die Fragesteller sollten ihre Fragen kurz halten und keine politischen Statements in langer Form abgeben. Dafür sind später die Regionsversammlung und die Ausschüsse da. Das meine ich nicht abwertend, sondern es geht darum, das Know-how zu nutzen, das hier auf dem Podium vertreten ist, und kurze Fragen zu stellen, um in die Diskussion einzusteigen. Ring frei! Wer möchte als Erster? - Herr Böning hat sich als Erster gemeldet, danach Herr Fleischmann. Jens Böning: Vielen Dank. - Ich möchte mich vorstellen. Mein Name ist Jens Böning von der Fraktion DIE HANNOVERANER, der sechsten Fraktion in der Regionsversammlung übrigens. Es gibt sechs und nicht fünf Fraktionen. Ich habe eine Frage an Herrn Mäurer. Herr Tiebel, Sie haben vorhin kurz gesagt, dass das Ident-System in der Region nicht möglich ist, weil dann, wenn es mehrere Wohneinheiten gibt, der Entscheider fehlt, und gemeint, dass das eigentlich ein System ist, das eher im ländlichen Bereich möglich ist. Jetzt die Frage an Herrn Mäurer: Ich meine, solche „Probleme“ gibt es doch in Celle genauso. Auch dort hat man es doch mit mehreren Wohneinheiten zu tun, und Celle ist kein ländlicher Bereich. Vielleicht könnten Sie einmal kurz sagen, wie das in Celle funktioniert, ob Sie nicht auch dort ähnliche Probleme haben und wie Sie diese Probleme lösen. - Das war es. Danke. Conrad von Meding: Danke schön. - Ich mache gleich weiter. Wir sammeln ein paar Fragen und kommen dann zur Beantwortung. - Herr Fleischmann! Michael Fleischmann: Michael Fleischmann, Gruppe LINKE & PIRATEN. Wir haben Herrn Mäurer als Sachverständigen für die heutige Veranstaltung nominiert. Ich habe zwei Fragen. Meine erste Frage richtet sich an Herrn Tiebel und knüpft an die meines Vorredners an. - Herr Tiebel, Sie haben gesagt, das Ident-System, also das Tonnen-ChipSystem, sei quasi nur auf dem Lande einsetzbar; in den Städten gebe es damit massive Probleme. Darum frage ich Sie: Wie kann es sein, dass das Chip-System nicht nur in Celle und Dresden, sondern auch in Bremen und Gießen eingesetzt wird, und überall zur vollsten Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden? Ich erwarte von Ihnen eine Antwort darauf. Die zweite Frage geht an den Sachverständigen, den die Grünen benannt haben, Herrn Löhle. - Herr Löhle, Sie sagten, dass man auf 10 Liter Restmüll pro Person und Woche - das ist die Zwangsabnahmemenge, die momentan aha und die Regionsversammlung mit den Mehrheiten festgelegt haben - nur bei strikter Wertmülltrennung komme. Ich beispielsweise komme auf 10 Liter Restmüll in ungefähr drei Monaten, und ich kenne viele andere Menschen, die sehr sauber trennen und ebenfalls viel weniger Restmüll produzieren, als Sie hier vorgegeben haben. (Beifall) Deshalb die Frage an Sie: Wie kommen Sie zu einer solchen Äußerung, zumal es gerade auch im Sinne der Grünen sein müsste, dass die Zwangsabnahmemenge möglichst niedrig ist oder sogar wegfällt, damit ein Anreiz zur Müllvermeidung besteht? - Ich selber war früher einmal Mitglied bei den Grünen. Damals war dort Müllvermeidung ein ganz großes Thema. Seite 41 von 57 Conrad von Meding: Ganz herzlichen Dank. - Wir machen das jetzt so: Wir lassen maximal zwei Fragen pro Person zu, damit alle drankommen. Bitte! Wolfgang Toboldt: Mein Name ist Wolfgang Toboldt. Ich bin Mitglied der SPD-Fraktion in der Regionsversammlung. Eigentlich habe ich drei Fragen, aber ich halte sie ganz kurz. Sie richten sich an Herrn Mäurer. Erstens. Herr Mäurer, welche Leistungen haben Sie uns jetzt nicht mitgeteilt, die im Landkreis Celle kostenpflichtig sind, z. B. Sperrmüll, Grünabfall und Bauschutt? Wenn man auf den Recyclinghof fährt, bezahlt man mindestens 3 Euro, beim Sperrmüll beträgt die Mindestgebühr 6 Euro, beim Bauschutt 2,70 Euro, und das geht hin bis zu 100 Euro pro Tonne. Auch das hat letzten Endes Einfluss auf die Restmüllgebühr. Meine zweite Frage hat eigentlich Frau Jänicke schon gestellt. Wie wollen Sie den Datenträger beim Ident-System am Sack anbringen? - Das heißt, ein Ident-System wäre der Tod des Sackes, den ja viele im Umland behalten möchten. Meine dritte Frage bezieht sich auf die Gebühren. Bei 40 Litern betragen diese Gebühren 2,88 Euro, sechs Leerungen sind bei 40 Litern kostenfrei in der Grundgebühr enthalten. Damit zahlt jemand, der 40 Liter entsorgt, im Jahr 17,28 Euro an volumenabhängiger Gebühr. Der Grundgebührenanteil beträgt aber 76 Euro und ein paar Zerquetschte. Das sind etwa 78 %, während die volumenabhängige Gebühr nur 22 % ausmacht. Das OVG hat aber andere Werte vorgegeben. Von daher: Wie halten Sie diese Werte ein? Conrad von Meding: Prima, wir starten durch. - Herr Mäurer, Sie stehen im Fokus. Aber auch die anderen kommen gleich auch noch dran. Henry Mäurer: Ich will versuchen, die Fragen abzuarbeiten. Zunächst zur Frage der Siedlungsstruktur: Auch wir im Bereich des Zweckverbandes Celle haben natürlich ländliche Regionen und verdichtete Wohnbebauung. In der Stadt Celle gibt es auch Blockbebauung; sie gibt es in der Stadt Bergen. Conrad von Meding: Ganz kurz dazwischen: Wir haben gesehen: in der Stadt Hannover sind es 75 % mit vier Rollen, im Umland 60 %. - Ich glaube, die Zahlen sind ungefähr richtig. Haben Sie ungefähre Zahlen auch für Celle, damit man ein Verhältnis bekommt? Vielleicht 10 % mit vier Rollen? Henry Mäurer: Wenn ich es richtig gesehen habe, waren das volumenbezogene Zahlen und nicht anzahlbezogene Zahlen. Conrad von Meding: Volumenbezogen, ja klar. Henry Mäurer: Volumenbezogen. Dr. Christoph Tiebel: 75 % des Volumens in der Stadt. Henry Mäurer: Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Die volumenaufkommensstärksten Behälter sind die vierrädrigen Behälter. Sie sind zwar von der Anzahl deutlich weniger als die kleineren, aber wenn es volumenbezogen ist, liegen wir dort auch nicht unter 50 %. Ich will es erklären: Wenn der Grundstückseigentümer entscheidet - das ist bei uns der Grundsatz -, bindet er die Bewohner eines Hauses ein. Für alle theoretisch denkbaren Möglichkeiten - von einem großen Behälter pro Haus bis hin zu dem anderen Extrem, einem eigenen Behälter für jede Wohneinheit - gibt es etwas. Jede denkbar Kombination - eine Wohnung hat einen Behälter für sich alleine, zwei Wohnungen teilen sich einen Behälter, drei Wohnungen teilen sich einen Behälter sind bei uns möglich. Der Vorteil ist: Die Zufriedenheit ist dort groß, wo es genau den Wünschen der Bewohner entsprechend funktioniert. Seite 42 von 57 Ich will nicht verhehlen, dass es auch Wohnungsbaugesellschaften gibt, die sagen: Wir möchten diese Vielzahl von Behältern nicht haben; wir stellen die Großbehälter auf und verteilen die Kosten. Aber das ist dann eine Frage, die letztendlich auf dem Grundstück, in der Hausgemeinschaft, zwischen Mietern und Vermietern, geregelt wird. Ich kann nur sagen: Das funktioniert. Wir machen es ja seit 1993. Konflikte treten zwar ab und zu einmal auf, aber wir reagieren darauf mit Beratung. Damit haben wir bis jetzt eigentlich alle Konflikte lösen können. Weitere Gebühren. Selbstverständlich gibt es in unserem Gebührensystem weitere Gebühren. Die Abholung von Sperrmüll kann aus meiner Sicht nicht unentgeltlich sein. Wir nehmen dafür in einem Abrufsystem 15 Euro pro Abholung. Das ist aber ein reiner Steuerungsgebührensatz. 15 Euro sind niemals kostendeckend. Sie reichen nicht einmal bis zum Einstecken des Zündschlüssels in das Fahrzeug. Darüber muss man sich klar sein. Das ist ein reiner Steuerungsgebührensatz, der dazu dient, den Umgang mit der Sperrmüllabfuhr etwas bewusster zu machen. Und das funktioniert. Das machen wir auch schon seit 20 Jahren so. Datenträger am Abfallsack. Na ja, das war wahrscheinlich eine etwas ironische Bemerkung von Frau Jänicke. Natürlich kann man an einem Abfallsack keinen Datenträger in dem Sinne befestigen, wie wir es von der Tonne her kennen. Aber auch wir haben einzelne Grundstücke, bei denen die Leute über einen Sack angeschlossen sind. Sie zahlen genau dieselbe Grundgebühr. Für die 240 Liter bekommen sie vier Säcke á 60 Liter, und dann haben sie ihr Mindestvolumen, ihre Mindestbenutzung, und damit ist das Thema für uns durch. Jeder weitere Sack, der benötigt wird, muss zu dem vorgestellten Gebührensatz erworben werden. Dieser Gebührensatz liegt ziemlich exakt bei dem Preis für die Leerung einer gleich großen Tonne. Conrad von Meding: Der letzte Punkt war das Verhältnis von Grundgebühr zu Leerungskosten. Henry Mäurer: So, wie Sie es rechnen, hat das OVG es nicht gesagt; darauf muss man ganz klar hinweisen. Vielmehr ist Bezug genommen worden auf das Gesamtvolumen des Gebührenhaushalts. Wenn Sie das auf eine einzelne Tonne herunterbrechen, passt das nicht mit den 30 %. Aber wenn Sie so bemessen, wie es das OVG vorgegeben hat, dass nämlich das, was über die Grundgebühren eingebracht wird, maximal 30 % des Gesamtgebührenaufkommens betragen darf, dann passt das bei uns. Das sind nämlich nach der Kalkulation exakt 29,8 %. Wir liegen mit unserer Gebühr sogar inklusive der Mindestnutzungsgebühr für 240 Liter, also bei dem Gesamtaufkommen aus den 76,65 Euro, bei 29,8 %. (Beifall) Conrad von Meding: Sie dürfen jederzeit klatschen. - Geben Sie das Mikrofon bitte nach rechts weiter! Die Fragestellung: Hamburg, Dresden, Gießen. Dr. Christoph Tiebel: Gießen kenne ich, ehrlich gesagt, nicht. Bremen hat ein Ident-System nur für die Zweiradgefäße, also nur für 60 bis 240 Liter. Die 1,1er laufen nicht über das Ident-System. Ich habe vorhin nicht gesagt, dass Sie massive Probleme bekommen, sondern ich habe gesagt: Es ist nicht sinnvoll. Die Praxis sieht normalerweise so aus: Der Vierradbehälter wird weiterhin turnusmäßig hinausausgestellt, jede Woche, alle 14 Tage, je nachdem, was dort der Fall ist. Das heißt, die Benutzer, die an dieser Abfuhr hängen, haben normalerweise nichts vom Ident-System. Die Einzigen, die etwas vom Ident-System haben, sind die Bewohner von Einfamilienhäusern. Ich kenne viele Landkreise, in denen der Anteil der Vierradbehälter um oder bei 10 % liegt. Sprich: Ein Anteil von 90 % läuft über die zweirädrigen Behälter, an denen ein oder maximal zwei Haushalte hängen. Dort ist das sinnvoll, dort kann Seite 43 von 57 man die 10 % sozusagen verschmerzen. Aber hier ist es anders herum: Die Mehrzahl - nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland - läuft über die großen Gefäße, und die werden in der Praxis vom IdentSystem nichts haben. - Klammer auf: Die müssen es aber mitbezahlen; denn die Leute, die selber darüber entscheiden können, ob sie Zweiradbehälter hinausstellen oder nicht, werden das natürlich in Anspruch nehmen und damit ihre persönliche Müllgebühr reduzieren, wohingegen die Leute, die in der Stadt oder im Mehrfamilienhausbereich wohnen, weiterhin ihre Standardgebühr bezahlen müssen. Das halte ich angesichts der regionalen Verhältnisse in der Region Hannover für kein gutes Modell. Conrad von Meding: Das ist eine politische Setzung. Das sollen die entscheiden, die wir dafür gewählt haben. Aber klare Frage, klare Antwort! Sie dürfen das Mikrofon weitergeben. Herr Löhle hat aber auch ein eigenes Mikrofon. - Wieso haben Sie als von den Grünen Benannter so viel mehr Restmüll als ein Ex-Grüner? Dr. Stephan Löhle: Das ist sehr provokant gefragt. Herr Tiebel hat Ihnen die Zahlen der durchschnittlichen Volumen in der Region, im Umland und in der Stadt, vorgestellt. Die 10 Liter - vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt - können Sie erreichen, wenn Sie intensiv vermeiden und trennen. Wenn Sie persönlich noch deutlich darunterliegen, finde ich das sehr gut, und das finden auch die Grünen sicherlich sehr gut. Denn das heißt, dass Sie ein aufgeklärter Bürger sind und bewusst mit Ihren Sachen umgehen. Aber wir brauchen ein Mindestvolumen, um keine falschen Anreize zu setzen. Ein Absenken des Mindestvolumens führt vielleicht dazu, dass es missbräuchlich verwendet wird. Wenn man sich überlegt, dass parallel an einige Haushaltungen kostenfreie Tonnen zur Wertstofferfassung gegeben werden, ist die Versuchung vielleicht groß, dort Restmüll zu entsorgen oder eben anderweitige Wege zu gehen. Deswegen muss einfach ein gewisses Maß an Mindestvolumen beibehalten werden. Ich hatte angesprochen, dass man durchaus darüber nachdenken kann, einen Rabatt auf die Restmüllgebühr zu geben, wenn ein Haushalt alle Trennmöglichkeiten wahrnimmt, also die O-Tonne nutzt, den Bio-Abfallsack nutzt etc. Conrad von Meding: Sie sehen: Wenn Sie Fragen stellen, bekommen Sie Antworten. Das ist auch das Mindeste, was man bei einer solchen Veranstaltung erwarten kann. - Bitte schön! Elke Thielmann-Dittert: Elke Thielmann-Dittert von den Grünen. Ich habe eine Frage an Herrn David und Frau Jänicke. Sie haben unterschiedliche Antworten zum gleichen Themenbereich gegeben. Es geht um Gebühren und zivilrechtliche Entgelte. Vielleicht können Sie kurz den Unterschied erläutern. Er ist mir nicht klar und, wie ich glaube, auch nicht den anderen Menschen hier im Raum. Warum gibt es dabei überhaupt eine Wahlmöglichkeit? - Frau Jänicke, Sie haben fast in Abrede gestellt, dass es diese Wahlmöglichkeit gibt. Ich bitte darum, das zu erläutern. Herr Mäurer, haben Sie Erkenntnisse darüber, wie häufig Ihre Kunden die gewählten Komponenten ändern? Werden, wenn sich Haushaltsgrößen oder andere Rahmenbedingungen verändern, die in Anspruch genommenen Komponenten tatsächlich gewechselt? Manfred Wenzel: Manfred Wenzel von der CDU-Fraktion. Ich habe eine Frage an die Sackgegner allgemein - das sage ich einmal so -, aber insbesondere an Herrn Dr. Tiebel, der doch ein vehementer Sackgegner ist. Sie haben die Zahl erläutert und gesagt, in der Bundesrepublik werde 1 % des Restmülls über Säcke gesammelt. So ungefähr war die Zahl. Wie erklären Sie sich dann, dass in der Bundesrepublik die Wertstoffe nicht nur zu 1 %, sondern überwiegend in Säcken gesammelt werden, und zwar Seite 44 von 57 auch in der Landeshauptstadt Hannover und in der Region Hannover? Vom System her ist das doch gleich. Die Gebühren, die man für den Restmüll bezahlt, sind sicherlich eine andere Sache. Die Bevölkerung wehrt sich auch gar nicht so sehr gegen das Gutscheinsystem, sondern gegen das Mindestvolumen. Das liegt in anderen Landkreisen, z. B. im Nachbarlandkreis Schaumburg, bei 7 Litern pro Person und Woche, weil es eben ein ländlicher Bereich ist. Meine Frage lautet: Wie erklären Sie sich, dass die Wertstoffe in Säcken eingesammelt werden, und das in der Bundesrepublik nicht nur zu 1 %? Danke. Conrad von Meding: Ich glaube, die 1 % am Ende waren sehr flapsig. Sie haben gesagt, 99 % sammeln nicht mehr mit Säcken. Leer und Umland Hannover - das haben wir heute Abend gelernt - sind bundesweit offenbar die Letzten, die so abfahren; so hat es geheißen. Ich würde noch eine dritte Frage mit aufnehmen. - Ansonsten geht es auf dem Podium weiter. Wer von Ihnen möchte? Vielleicht erst einmal ein kurzes Streitgespräch zwischen Herrn David und Frau Jänicke? Sie sitzen ohnehin nebeneinander. Katrin Jänicke: Ich wurde gefragt, ob ich abgestritten hätte, dass es privatrechtliche Entgelte gibt. Nein, ich habe das nicht abgestritten. Es ist völlig richtig: Sie können politisch entscheiden, ob Sie privatrechtliche Entgelte oder Kommunalabgaben als Abfallgebühren erheben. Der Unterschied ist, dass die Kommunalabgaben durch Bescheid festgesetzt werden, und dann würde man damit zum Verwaltungsgericht gehen. Das Ganze macht man auf der Grundlage des kommunalen Abgabenrechts. Dabei geht es einerseits um das NKHG; das ist das eine Gesetz. Ferner gibt es im § 12 des Niedersächsischen Abfallgesetzes weitere, sehr ausdifferenzierte Vorgaben, was bei der Berechnung der Abfallgebüh- ren zu beachten ist. Das Wesentliche ist: Sie gehen dann zum OVG. Wenn Sie privatrechtliche Entgelte erheben, dann sind Sie im Prinzip aus diesen Vorgaben heraus, aber über § 315 BGB gelten, wie es der Kollege dargestellt hat, die wesentlichen Grundsätze des Kommunalabgabenrechts oder des Grundgesetzes wie der Gleichheitsgrundsatz fort. Sie sind dann jedoch nicht beim OVG und nicht beim Verwaltungsgericht, sondern beim Amtsrichter, der sehr viel mehr zu tun hat, weshalb manchmal spekuliert wird, er habe so viel zu tun, dass er nicht so genau hinschaue. Im Gegensatz zu dem Kollegen glaube ich nicht, dass das in einer Region wie hier, in der die Abfallgebühren so ausgeurteilt sind und so streitig sind, zur Befriedung beitragen könnte. Das ist der eigentliche Unterschied. Privatrechtliche Entgelte gibt es, wie gesagt, selbst in Berlin. Das ist also nichts, was völlig aus der Welt wäre. Conrad von Meding: Ich glaube, die Frage war im Prinzip noch einfacher gemeint. Es handelt sich - erst einmal ganz schlicht - um eine andere Rechtsform. Das heißt, es wird keine Gebühr mehr erhoben, sondern ein Entgelt, wie es auch jeder privatwirtschaftliche Betrieb erheben könnte. Dabei muss man sich aber an bestimmte Grundsätze halten, weil es doch irgendwie eine hoheitliche Aufgabe ist. Das Ziel dabei ist, wenn ich Herrn David richtig verstanden habe, dass Sie alle nicht mehr so gut klagen können - oder schon klagen können, sich damit aber, jetzt einmal auf Hochdeutsch gesagt, letztendlich niemand wirklich beschäftigt. Das ist sozusagen die Empfehlung. Sie sind ja um eine Empfehlung gebeten worden. Insofern finde ich das erst einmal nicht illegitim. Eckhard David: Es ist für Sie sehr schwierig, aus dem Podium heraus den Streit zwischen zwei Juristen zu bewerten. Meist ist die Situation: zwei Juristen, drei Meinungen. Seite 45 von 57 Erstens. Ich trete, politisch gesehen, für möglichst viel Wahlfreiheit ein. Zweitens. Ich trete für ein System ein, das nicht die rechtliche und die politische Ebene miteinander vermischt. Meine Ausführungen sind deswegen nicht nur freundlich zur Kenntnis genommen worden, weil ich gesagt habe: Ihr entzieht euch hier dem etwas verrückten Regime des 9. Senates des OVG Lüneburg. Die rechtlichen Zwänge in der politischen Diskussion in der Region Hannover werden auch genutzt, um ein bestimmtes gewolltes sachliches System zu fördern oder nicht zu fördern. Es wird gesagt: Wir würden ja gern an der Sackabfuhr festhalten, aber die rechtlichen Hürden sind so hoch, und deswegen können wir es nicht. Wenn Sie meiner These folgen und sagen, dass es ein System gibt, mit dem Sie sich dieser rechtlichen Zwänge entledigen, dann haben Sie sozusagen voll die politische Verantwortung, wohin das auch immer laufen mag. Mein Abfall wird im Landkreis Schaumburg entsorgt, und ich muss offen sagen, dass ich persönlich die Diskussion über Sack und Tonne in der Region Hannover nicht so ganz nachvollziehen kann. (Beifall) Was die Sauberkeit im Stadtgebiet, bedingt durch die Tonne, anbelangt, die Herr Reuter angesprochen hat, muss ich sagen: Als Schaumburger habe auch ich meine Zweifel. Mich ärgert am meisten das durchweichte Papier, das in irgendwelchen Pappkartons gelagert wird und das Stadtbild prägt. Ich gebe Ihnen Folgendes zu bedenken, wenn Sie schon dabei sind, juristische Meinungen zu bewerten: Frau Kollegin Jänicke beschäftigt sich schon lange mit dem Abfallgebührenrecht. Auch ich beschäftige mich schon lange mit dem Abfallgebührenrecht. Ich habe in dem ersten Verfahren den Kläger Wicke, vertreten. Ich habe in dem zweiten Verfahren keinen mehr vertreten, aber immer wieder gesagt, dass nach meiner Prognose die Kombination von grundstücksbezogener Grundge- bühr und haushaltsbezogener Grundgebühr rechtswidrig ist. Das ist bestätigt worden, und das ist auch schriftlich niedergelegt worden, bevor ich mich dazu noch einmal äußern konnte. Auch war ich vor meiner Zeit als Stadtdirektor in der Stadt Wunstorf beim Niedersächsischen Städtetag als Vorgänger von Herrn Krause für das Abfallgebührenrecht zuständig. Ich will Ihnen jetzt nicht meine Bewertung darstellen. Sie sind nicht meine Professoren oder die Professoren von Frau Jänicke, die sagen, ob etwas richtig oder falsch ist. Vielmehr sage ich Ihnen nur etwas zur Methodik. Mehrere Juristen sagen Ihnen hier, dass das Abfallgebührensystem in der Region Hannover zweimal gerichtlich überprüft worden sei. Das ist nachweisbar falsch. Überprüft worden sind lediglich einzelne Bestimmungen der jeweiligen Satzung. Sie haben von denjenigen, die das hier behauptet haben, bisher noch keine Entschuldigung gehört. Frau Jänicke sagt, Artikel 3 des Grundgesetzes sei ja doch Maßstab aller Dinge, und es würde - so habe ich Sie verstanden - durch das OVG Lüneburg in Niedersachsen abschließend definiert, was Inhalt der Regelungsmechanismen von Artikel 3 des Grundgesetzes, was also der Gleichheitsgrundsatz ist. - So habe ich Sie verstanden. Der BGH ist der Maßstab aller Dinge, wenn wir beim zivilrechtlichen Entgelt sind. Wenn Berufung und Revision trotz des geringen Betrages zugelassen worden sind, geht die Sache an den Bundesgerichtshof. Der BGH kümmert sich einen feuchten Kehricht darum, was das OVG Lüneburg zu seiner Interpretation des Artikels 3 sagt. Der BGH hat in einer Entscheidung vom 14. Mai - wohl nicht hinsichtlich des Abfallrechts, sondern hinsichtlich des Wasserversorgungsrechts eine Grundgebühr in Höhe von 60 %, bezogen auf eine einzelne Wohneinheit, akzeptiert und hat diese Grundgebührenerhebung sogar dann akzeptiert, wenn diese Wohneinheit gar nicht benutzt oder bewohnt war. Seite 46 von 57 Das ist ein Maßstab, den Sie beim OVG Lüneburg niemals durchkriegen würden. Es sind andere Richter, und Sie müssen bedenken, dass Sie es auch bei bestimmten allgemeingültigen Obersätzen immer mit Menschen zu tun haben, die Dinge völlig anders bewerten. Sie müssen sich die Leute auch einmal anschauen. So „strange“, wie der 9. Senat des OVG Lüneburg quasi auf Fehlersuche geht, finden Sie das in der Zivilgerichtsbarkeit nicht. (Beifall) Conrad von Meding: Es sind noch Journalisten anwesend, und Sie müssen denen irgendwann noch einmal gegenübertreten. Wir haben noch zwei Fragen offen. Wir fangen mit Herrn Dr. Tiebel und der EinProzent-Frage an. Dr. Christoph Tiebel: Jetzt kommt wieder der Sackhasser. bekennende Der schon erwähnte Landkreis Leer ist übrigens ein guter Kunde von mir, und natürlich unterstütze ich ihn bei der optimalen Nutzung seines Sacksystems. Leer hat knapp 200 000 Einwohner, und im Landkreis Hannover gibt es ungefähr 600 000 Einwohner. Einige davon haben noch Behälter. Es sind vielleicht 800 000 Einwohner insgesamt. Deswegen habe ich vorhin gesagt, dass ungefähr 1 % der Bundesbürger die Sackabfuhr in Anspruch nehmen - beim Restmüll zugegebenermaßen. 99 % tun es eben nicht. Ich habe Anfang der 80er-Jahre studiert. Damals war das System „Sack plus Sack“ als kombiniertes System der Wertstoffsammlung durchaus etwas, worüber man bei der Neuausstattung von Wertstoffsammelsystemen nachgedacht hat. Aber es hat sich in vielen anderen Landkreisen nicht bewährt, und es gibt nur sehr wenige, die dieses „Sack-plus-Sack“-System als Restmüll- und Wertstoffsammelsystem beibehalten haben. Das sind die beiden eben genannten. Bei LVP ist es ganz anders. Zum einen sammeln Sie bei LVP 20 oder 25 kg pro Kopf. Das bekommen Sie locker in Säcke hinein. Wenn Sie das auf Behälter verteilen wollten, wäre es schon sehr viel schwieriger. Das Sackgewicht - also das Thema der Lastenhandhabung - ist natürlich bei LVP, den Leichtverpackungen, ganz anders. Die Säcke sind sehr viel leichter. Außerdem sind die Strukturen ganz anders. Es werden Dreijahresverträge ausgeschrieben, und der Entsorger muss die Behälter gegebenenfalls mitbringen. Da fasst sich der Entsorger in fast allen Gebieten, in denen nicht die Kommune massiv Wert darauf legt, an den Kopf und sagt: Ich soll für meinen Dreijahresvertrag Behälter kaufen und ausliefern und bei Hans und Franz und im hintersten Winkel aufstellen und nach drei Jahren wieder einsammeln? Ich bin doch nicht blöd! Solange ich Säcke abfahren kann, tue ich das auch. Auch in diesem Bereich gibt es den einen oder anderen Landkreis, der sagt: Wir möchten diese blöden Säcke nicht mehr haben; wir stellen auf Behälter um. Im Ruhrgebiet sind es überwiegend Städte gewesen, in denen das passiert ist. Auch in Hamburg wird fast nur noch aus Behältern abgefahren. Aber auch der eine oder andere Landkreis in Niedersachsen, beispielsweise Aurich, hat inzwischen auf LVP-Behälter umgestellt, trotz dieser widrigen Voraussetzungen. Wenn Sie jetzt die Diskussion um die Wertstofftonne mitbekommen: Auch da ziehen sich die Regelungen dahin gehend durch, dass die Kommunen die Behälter stellen können, damit die festen Behälter neuerdings auch dafür genutzt werden können. Conrad von Meding: Die Wertstoffe, die in Säcken abgefahren werden, sind aber nicht nur die Leichtverpackungen, sondern in der Region Hannover ist es vielfach auch Altpapier. Dr. Christoph Tiebel: Was ich davon halte, habe ich schon gesagt. Es ist sicherlich kein Modell, das irgendjemand sonst verwendet. Seite 47 von 57 Wie gesagt: Wenn Sie selbst eine Weile versuchen, einen Karton in eine Tüte hineinzuquetschen, und daneben einen 240-Liter-Behälter haben, in den Sie den Karton bequem hineintun können, werden Sie sehen, welches das bessere System ist. Conrad von Meding: Herr Mäurer, wie oft wechselt bei Ihnen die Kundschaft das Abfallbehältnis? Henry Mäurer: Das ist kein wirkliches Problem in unserem System. Ich will Ihnen auch erklären, warum. Sie haben bei Änderungen Ihrer Verhältnisse zunächst einmal die Möglichkeit, den Rhythmus des Hinausstellens zu variieren. Nehmen wir eine 40-Liter-Tonne: Sie können von den 4 Leerungen, die mit dem Mindestbetrag abgegolten sind, bis hin zu 26 Leerungen variieren. Das ist auch das, was wir beobachten. In erster Linie wird der Leerungsrhythmus variiert. Erst dann, wenn man dort an Grenzen stößt, wird getauscht. Wir haben nicht den Run, dass Leute laufend Behälter tauschen. Ein Tausch pro Jahr - das will ich auch zugeben - ist unentgeltlich. Der nächste ist dann mit einer geringen Gebühr belegt, aber im Grunde genommen ist das nur ein Sicherheitsmechanismus, damit das nicht ausufert. Wir haben nicht wirklich ein Problem damit. Conrad von Meding: Sie alle haben es schon bemerkt: Die halbe Stunde ist um. Ich möchte jetzt die Fragerunde für das Plenum öffnen. Öffnung des Plenums Wir haben jetzt noch 27 Minuten zur Verfügung. Deshalb bitte keine langen Statements! Wir wollen so viel wie möglich unterbringen. - Bitte schön! Fragesteller: Meine erste Frage: Herr Reuter, Sie haben dargestellt, wie viel Müll insgesamt anfällt, einschließlich des gewerblichen Mülls. Woher wissen Sie, wie viel davon auf die Haushalte entfällt, wenn Sie den Müll des Kleingewerbes nicht getrennt erfassen? Bei VW ist das sicherlich kein Problem. Kioske wurden als Beispiel für Kleinbetriebe genannt. Ich könnte andere nennen. Sie wissen ja nicht, wie viel dort anfällt und wie viel davon auf die Haushalte entfällt. Damit können Sie eigentlich nur eine Oberzahl dazu nennen, wie viel Müll pro Person anfällt. Die zweite Frage: Woher wissen Sie, dass die Mindestmüllmenge, die in Hannover seit Langem gilt, in der Landeshauptstadt Hannover tatsächlich auch eingehalten wird, wenn Sie es nicht erfassen? - Sie haben Sie mir einmal gesagt, dass das in der Stadt Hannover gar nicht geprüft wird. Dann können Sie das auch gar nicht kontrollieren. Dritte Frage - - Conrad von Meding: Ich unterbreche Sie kurz. Es sollen alle drankommen können. Wir verfahren bitte so: Merken auch Sie sich bitte die Fragen! Ich versuche, mir Stichworte zu machen. Aber ich denke, dass es gleich viel wird. Bitte! Hans-Jürgen Braatz: Ich heiße Hans-Jürgen Braatz, und ich wohne hier um die Ecke in Hannover. Ich habe eine Frage an alle, die die politische Sache vertreten: Warum bezahlen wir eigentlich Müllgebühren? Wir sind inzwischen bei 19 % Mehrwertsteuer angelangt. Sie alle wollen, dass wir viel konsumieren. Sie könnten das doch von all diesem Geld bezahlen, ohne diesen ganzen Aufwand „große Tonne, kleine Tonne“. Sie könnten das sachlich danach regeln, wo wer was verbraucht, und es müsste nicht über Sack oder Tonne diskutiert werden. Ich finde diese ganze Müllgebühr völlig überflüssig. Conrad von Meding: Ich habe es nicht ganz verstanden. Was ist Ihr Vorschlag? Seite 48 von 57 Hans-Jürgen Braatz: Die Frage ist, warum wir überhaupt Müllgebühren zahlen. Conrad von Meding: Ach so! Warum nicht alles aus einem großen Topf bezahlt wird, und der Müll wird einfach abgefahren - Entschuldigung, manchmal bin ich ein bisschen langsam. Hans-Jürgen Braatz: Ich verstehe einfach nicht, warum wir hier über Restmüll sprechen. Wir sprechen doch über etwas, was es gar nicht gibt. Wenn ich von aha und Restmüll lese, dann steht da z. B.: Asche. - Asche ist kein Restmüll, Asche ist seit jeher ein Düngemittel. Das können Sie an die Bäume kippen, auf dem Rasen verteilen. Dann steht da: Knochen. - Aus Knochen kann man Seife herstellen, oder sie können, klein gemahlen, als Kalk zum Kompostieren in die Erde eingebracht werden. Auch sie sind kein Restmüll. Oder eine Windel: Wenn man den Kot entfernt, kann man eine Windel in Kunststoff und Zellulose zerlegen. Zellulose ist ein Wertstoff, der wieder verarbeitet werden kann. Warum wird hier von Restmüll gesprochen? Das verstehe ich nicht! Es gibt gar keinen Restmüll. Das ist ein erfundenes Wort. Conrad von Meding: Also Ihr Plädoyer ist, die Sachen in irgendeiner Form komplett weiterzuverwenden. Das geben wir gleich an das Podium weiter. Ich gehe jetzt einmal auf die andere Seite des Saals und sammele dort noch drei Wortmeldungen ein. Hartmut Stoehr: Mein Name ist Hartmut Stoehr, und ich spreche für eine Bürgerinitiative in Barsinghausen, die die unzufriedenen Bürger, von denen hier auch gesprochen wurde, repräsentiert. Ich habe eine Frage an Herrn Dr. Löhle. Die Zahlen, die wir vorhin zum Müllaufkommen in Hannover und zu der Einwohnerzahl gehört haben, zeigen ein Verhältnis von 2,1. - Ich spreche jetzt nur vom Restmüll, also dem Restabfall. - Die entsprechende Zahl für das Umland von Hannover liegt bei 0,85. Die einen haben Tonnen, die anderen nutzen Säcke zur Entsorgung. Wo bleibt denn Ihrer Meinung nach das Müllvermeidungsgebot, wenn man im Landkreis auch die Tonnen einführt, sodass man dort möglicherweise auf 2,1 hochrutscht? - Erste Frage. Zweite Frage. Diese Frage ist heute überhaupt noch nicht angesprochen worden, aber in der Auftaktveranstaltung. Vielleicht erinnern Sie sich. Es ging darum, dass der Landkreis rechtswidrig - das wurde vom OVG bestätigt - von den vielen Bürgern Gebühren eingezogen hat. Es wurde formaljuristisch gesagt: Die, die nicht geklagt haben, haben Pech gehabt. Die Bescheide sind rechtskräftig geworden. - Auch das schürt natürlich die Unzufriedenheit. Meine Frage an Herrn Dr. Priebs: Denkt man weiterhin in diese Richtung, oder will man den Bürgern irgendwie entgegenkommen? Stefan Hinze: Guten Tag, mein Name ist Stefan Hinze, und ich komme aus Lehrte. Ich bin einer der Kläger gewesen. Ich habe eine andere, ganz kurze Frage. Es geht um die Gewerbetreibenden, die jetzt plötzlich nur den einfachen Gebührensatz bezahlen müssen, wobei eine Unterdeckung von 2 Millionen Euro im Raum steht - ich gehe davon aus, dass das jährlich ist; wenn es monatlich wäre, wäre es ein bisschen viel -, die einfach auf die Bürger umgelegt worden ist. Hatte es rechtlich keinen Bestand, sodass diese Sachen herausgenommen werden, oder war das eine politische Entscheidung? Wie ist es dazu gekommen, dass dies auf die Bürger umgelegt wird? Vielen Dank. Seite 49 von 57 Dr. Michael Braedt: Michael Braedt aus Langenhagen, trotzdem ein Sackhasser, und nicht nur aus dem Grund, dass ich mich schneide, wenn mir ein Glas kaputt geht, sondern auch deshalb, weil die Müllwerker fast 1 000 Säcke am Tag heben müssen, um sie in den Wagen hineinzuwerfen. Deswegen plädiere ich als im Umland Wohnender unbedingt dafür, das einzustellen. (Beifall) Dienstlich muss ich hier eingreifen. Als Beschäftigter des Umweltministeriums und zuständig für die Chemikaliensicherheit möchte ich Frau Stümpfel, da sie ihren Vortrag auch im Internet veröffentlichen wird, ausdrücklich bitten, den Hinweis auf die asbesthaltigen Abfälle dort herauszunehmen. Das ist Aufruf zu einer Straftat. Diesen Tipp möchte ich Ihnen geben. An Herrn Mäurer habe ich eine Frage: Kann man das Ident-System nicht erweitern? Ich habe aus Würzburg gehört, dass stationäre Müllcontainer vor großen Wohnhäusern aufgestellt wurden, die einen bestimmten Rahmen haben, durch den normierte Mülltüten hineingeworfen werden können. Der Chip zählt, wie viele Tüten es sind. Damit wäre auch bei großen Hochhäusern das Problem des IdentSystems geregelt. Danke. Conrad von Meding: Hier haben noch sehr viele Leute viele Fragen. Ich gebe jetzt zunächst einmal an das Podium ab. Wenn es strafrechtlich wird, bin ich immer ganz vorsichtig. Auf der Folie stand, wenn ich das richtig verstanden habe, der Vorschlag, dass man Asbest bis zu 10 Litern für 5 Euro oder kostenlos abgibt. (Zuruf: Das dürfen Private nicht! Das ist Aufruf zur Straftat! - Gegenruf: Das ist Quatsch, was du erzählst!) - Nach Altwarmbüchen auf die Sondermülldeponie kann ich gesondert gekennzeichneten Asbest bringen. Okay, Sachaufklärung zum Thema Asbest, damit wir die Frage abgearbeitet haben! Ich glaube, ein Vorschlag im Rahmen einer Expertenanhörung ist nicht strafbewehrt. Ich meine, das sollten wir aus dem Protokoll streichen. Aber Sachaufklärung bitte! Carola Stümpfel: Es muss als Asbest gekennzeichnet sein. Meine Blumenkästen, die asbesthaltig sind, kann ich auf der Mülldeponie abgeben. (Zuruf: Nur ein zugelassener Entsorger darf das abgeben!) Nach Lahe können die Eigentümer fahren und das abgeben. Es ist gemeint, dass das so bleiben soll, damit die Dinge nicht irgendwo in die Landschaft gestellt werden. Damit diese Möglichkeit nicht überbenutzt wird, bin ich der Meinung, dass es eine Gewichtsbegrenzung geben sollte. Conrad von Meding: Das Umweltministerium hätte nicht das Recht, das zu ändern. Carola Stümpfel: Ich glaube, das ist keine Straftat. Conrad von Meding: Okay, der Vorschlag ohnehin nicht. Dann haben wir den Punkt geklärt bzw. den Vorwurf ausgeräumt. Wie gehen wir jetzt vor? - Wir versuchen es chronologisch. Gefragt wurde: Wie viel entfällt in Hannover auf Kleingewerbe, und woher können Sie das wissen, Herr Reuter, wenn Sie das bisher nicht messen? Können wir das direkt mit der später gestellten Frage bezüglich der 2 Millionen Euro kombinieren? Hat es Rechtsbestand, dass alles auf die Bürgerinnen und Bürger umgelegt wird? - Kurze Antwort! Thomas Reuter: Natürlich können wir das kombinieren. Seite 50 von 57 Erst einmal möchte ich etwas zu der Frage bezüglich des Kleingewerbes sagen. Bei gemischten Tonnen können wir das nicht wissen. Wir müssten sonst einen Mitarbeiter haben, der neben der Tonne steht und kontrolliert, wer was hineinwirft. Das geht nicht. Das ist klar. Auch im Bereich der Sackabfuhr kann man nicht sehen, ob der Sack vom Gewerbe oder vom privaten Haushalt kommt. Conrad von Meding: Deswegen wissen Sie in der Stadt nicht, wie viel Müll von dem Kleingewerbe kommt. Aber der Herr hatte ja gesagt, dass es Zahlen gibt, die kommuniziert werden. Sind das Schätzungen oder Erfahrungswerte? Thomas Reuter: Was ich weiß, ist, dass es dabei um die getrennt aufgestellten Behälter geht, also um die, die beim Gewerbe stehen. Daraus kann man einen Rückschluss ziehen und erkennen, wie viel es ist. Conrad von Meding: Ist die Frage beantwortet? - Okay. Thomas Reuter: Die andere Frage bezog sich auf die Gewerbebetriebe. Gewerbebetriebe sind sehr vielfältig. Ich sage einmal, ganz bekannt sind beispielsweise Auslieferungsfahrer. Das sind Selbstständige oder - auch so werden sie genannt - Scheinselbstständige. Selbstständige wurden früher zu einer gesonderten Abfallgebühr veranlagt, weil sie ihr Gewerbe in ihrer privaten Wohnung ausgeübt haben. Im Umland haben wir das aufgrund von 60 Jahren Gebührenerhebung durch die Städte und Gemeinden erfasst. In der Stadt ist das nie erfasst worden. Insofern kommen wir wieder zu dem, was hier häufiger an die Wand geworfen worden ist, nämlich zu Artikel 3 des Grundgesetzes. In dem Moment, in dem ich in der Stadt noch nicht einmal die Chance habe, so etwas zu identifizieren und mit einer Gebühr, die in der Satzung steht, tatsächlich zu veranlagen, würde ich gegen das Grundgesetz verstoßen, wenn ich auf der anderen Seite die Leute, die uns aus der Vergangenheit bekannt sind, weiterhin mit einer Gebühr belastete. Conrad von Meding: Bei dem Herrn aus Lehrte schwang ja Kritik mit, dass diese 2 Millionen Euro jetzt auf alle Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler umgelegt werden. Thomas Reuter: Das war mit ein Grund bei der Umlage. Das ist in die normale Gebühr hineingekommen. Da haben Sie völlig recht. Conrad von Meding: Ich glaube, dass sich Herr Priebs zu diesem Thema gemeldet hat. Habe ich das richtig gesehen? - Direkt an Sie ging die Frage nach den Müllgebühren, die aufgrund der alten Rechtslage erhoben wurden. Professor Dr. Axel Priebs: Deswegen hatte ich mich in der Tat gemeldet. - Das dürfen wir gar nicht. Wenn der Bescheid rechtskräftig geworden ist, dann können wir hinterher nicht sagen, dass wir das Geld quasi freiwillig zurückgeben. Das wäre unzulässig. Deswegen stellt sich die Frage gar nicht. Conrad von Meding: Hier vorne war noch die Frage: Wird die Mindestmüllmenge in der Stadt eingehalten? Wie kontrollieren Sie das eigentlich? Ich denke, dass die Frage einfach zu beantworten ist. - Herr Reuter, Mindestmüllmenge in der Stadt! Thomas Reuter: Das Einhalten der Mindestmüllmenge wird dadurch kontrolliert, dass wir nach dem Befüllungsgrad der Container schauen. Wir haben in der Stadt keine Einzelerhebung gemacht, wie wir es bei der Sackabfuhr durchgeführt haben, wobei wir jeden Grundstückseigentümer gefragt haben, wie viele Personen bei ihm leben und wie viel Liter an Volumen sie haben möchten. Andererseits ist es in der Stadt aber auch so: Wenn wir dort Reduzierungsanträge bekommen, wird kontrolliert, wie viele Personen auf dem Grundstück sind. Eine Reduzierung ist bis zum Mindestvolumen möglich. Seite 51 von 57 Conrad von Meding: Es steht nämlich im Müllgebührenbescheid der Stadt, wer dort wohnt und gemeldet ist, und es wird sofort nachgefragt, wenn man die Müllmenge reduzieren will. len, in denen das anders gemacht wird. Aber bei uns ist es so, dass derjenige, der öffentliche Einrichtungen nutzt, mit einem Entgelt oder mit Gebühren - das ist unterschiedlich - dazu beiträgt. Dann wurde ganz allgemein gefragt: Warum zahlen wir überhaupt Müllgebühren? Wieso können wir nicht einfach sagen, wir erheben eine höhere Steuer, anstatt uns - die Juristen freuen sich natürlich darüber - ständig vor Gerichten darüber zu streiten? Das ist eher eine politische Frage. - Herr Priebs? Conrad von Meding: Nun brauche ich einen richtigen Praktiker zur Beantwortung der ganz grundsätzlichen Frage, warum von Restmüll geredet wird, wo es doch Wertstoffe sind, wenn man sie beispielsweise zerlegt oder fraktioniert wie auch immer. - Vorne liegt ein Mikrofon. Wer auch immer möchte: Bitte eine kurze und knackige Antwort! Ich weiß es nämlich auch nicht. Professor Dr. Axel Priebs: Zuerst zu der Frage, warum etwas bezahlt werden muss. Abfallentsorgung kostet etwas. Da müssen Fahrzeuge beschafft werden, das Personal muss gut bezahlt werden, und es gibt weitere Kosten - die gesamte Behandlung -, die bezahlt werden müssen. Die Frage ist nur, woraus das bezahlt wird. Bezahlen tun wir das alle. Es gibt theoretisch die Möglichkeit, dass man das allgemein über Steuern abdeckt. Dann bezahlen wir alle mit. Das ist aber nicht wirklich gerecht. Ein bisschen gerechter ist es eben, dass man es auf diejenigen verteilt, die diese Leistung nutzen. Das gilt für viele öffentliche Einrichtungen, wie z. B. für Schwimmbäder. Man kann auch sagen, dass das über Steuern bezahlt wird, sodass es kostenlos wäre. Beim ÖPNV wird das auch diskutiert. Dort ist es aber eine andere Lage. Bezahlt werden muss es immer. Es ist nur die Frage, nach welchem Maßstab und wer es bezahlt. Man kann sagen, dass alle ein bisschen bezahlen müssen. Das ist aber meines Erachtens nach nicht differenziert genug. Die rechtlichen Vorgaben sind so, dass es auf denjenigen, der diese öffentliche Einrichtung nutzt, umgelegt werden muss. Wir alle sind uns einig, dass es nie eine 100-prozentige Gerechtigkeit gibt. Aber ein angenäherter Maßstab - es wurde vorhin richtig gesagt: Mischung aus Solidarprinzip und Aufkommen - ist gerechter als das andere. Man kann sich andere Gesellschafts- und Rechtssysteme vorstel- Dr. Christoph Tiebel: Früher gab es ja nur Hausmüll. Dann fing man an, bestimmte Dinge herauszunehmen, z. B. Papier, und die separat einzusammeln und separat zu verwerten. Bei Papier lohnt es sich. Pro Kopf sind es 80 kg Papier. Da ist es sinnvoll, eine separate Sammlung vorzunehmen. Ich habe mir eben eine separate Sammlung vorgestellt, um Knochen der Seifenindustrie zuzuführen. Die Vorstellung war geruchlich nicht gut und logistisch bzw. praktisch auch nicht. Ich weiß nicht, wie die Sammelgefäße für Knochen beschaffen sein müssten, damit sie eine effiziente separate Einsammlung zuließen. Will sagen: Alles das, was im Restmüll ist, ist natürlich irgendwie verwertbar. Aber in einem großen Gemeinwesen macht es nur Sinn, die Sachen separat zu sammeln und einer Verwertung zuzuführen, die man in vernünftigen Mengen separat erfassen kann. Conrad von Meding: Ist die Frage beantwortet? (Hans-Jürgen Braatz: Die Knochen können Sie z. B. in den Biomüll werfen!) - Sie, Herr Braatz, sagen, die Frage ist nicht beantwortet, weil man es eigentlich doch trennen kann. Und Sie, Herr Dr. Tiebel, sagen, dass es am Ende irgendwie wirtschaftlich sein muss, also im Sinne Seite 52 von 57 aller Gebührenzahler; irgendwo gebe es Grenzen bei dem, was getrennt erfasst und weiterverarbeitet werden soll. Auch das ist eine politische Frage. Tatsächlich kann man sich ja auch entscheiden, noch viel mehr zu machen. Es sind noch zwei Problemkreise offen. Zum einen hatte Herr Stoehr aus Barsinghausen eine Frage und dabei die Verhältnisse genau benannt: 2,1 in der Stadt und 0,85 im Umland. Vereinfacht gesagt: Im Umland wird viel besser getrennt, und dort fällt viel weniger Müll an als in der Stadt. Wollen wir jetzt auch im Umland ein schlechteres Verhältnis haben? - Wer antwortet darauf? - Vielleicht könnte auch gleich die Frage beantwortet werden, die hier wieder aufkam - wir hatten schon letztes Mal versucht, sie zu klären -: Stimmt es, dass das Umland die Stadt mitfinanziert hat? - Es wurde vorhin in einem der Vorträge erwähnt. Thomas Reuter: Zunächst einmal zu der Frage der besseren Mülltrennung: Man muss das differenziert betrachten. Es geht nicht nur um eine bessere Trennung, sondern das Thema hat auch mit einer höheren Verdichtung zu tun. In den Müllgefäßen, also in den Behältern, gibt es ein durchschnittliches Gewicht. Der Müll im kleinen Behälter wiegt um die 120, 121 Gramm je Liter, während der Müll in den etwas größeren Behältern ungefähr 90 Gramm je Liter wiegt. Der Müll im Sack ist mit Abstand am schwersten. Dort gibt es ein Gewicht von ca. 190 bis 200 Gramm pro Liter. Im Sack kommt es also zu einer sehr hohen Verdichtung. Würde man den Sack aufmachen und der Müll könnte herausquellen, dann wären Sack- und Behältermüll vom Volumen her gar nicht weit voneinander entfernt. Conrad von Meding: Sie sagen also, dass es sich ungefähr entspricht. Es ist nicht so, dass die Stadt schlechter trennt oder mehr Restmüll produziert. Thomas Reuter: Der Entsorgungsaufwand errechnet sich nach dem Gewicht. Von daher ist der Sack bei der Entsorgung teurer. Zwar ist der Müll im Sack zusammengepresst und das Volumen ist kleiner, aber das Gewicht ist im Sack vorhanden. Conrad von Meding: Okay. - Herr Priebs! Professor Dr. Axel Priebs: Ich möchte noch etwas zu der StadtUmland-Thematik sagen, weil das eine beliebte Geschichte ist, die immer wieder erzählt wird. Dass das völliger Unsinn ist, kann man daran sehen, dass wir bis 2003 zwei absolut getrennte Systeme hatten, einen Abfallwirtschaftsbetrieb in der Stadt und eine Abfallentsorgungsgesellschaft im Landkreis. Sie hatten ihre spezifischen Gebühren, die jeweils kalkuliert waren. In der Stadt war der Müll, weil man kürzere Wege und damit eine größere Effizienz auf der gleichen Strecke hat, durchaus günstiger zu entsorgen als im Umland mit den langen Strecken. Sie können es selber überprüfen: 2003 sind die Systeme zusammengeführt worden. Aus politischen Gründen war damals der Wunsch, möglichst wenig zu ändern. Die Gebühren sind nicht verändert worden. Im Wesentlichen haben wir alle das weiterbezahlt, was wir vorher bezahlt haben. Es gab eine gemeinsame Erhöhung, weil beide Systeme vorher nicht erhöht hatten. Aber das Verhältnis zwischen beiden Entsorgungssystemen ist unverändert geblieben. Deswegen hat niemand den anderen quersubventioniert, sondern es ist erst einmal so geblieben. Nachdem wir uns für die gemeinsame Einrichtung entschieden haben, hat sich das Verhältnis geändert, sodass die Stadt das Umland mitfinanziert. Das ist das Kuriose an der Entwicklung. Deswegen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, dass immer das Gegenteil erzählt wird. (Beifall) Seite 53 von 57 Conrad von Meding: Es gab noch den Vorschlag - das vielleicht als Letztes, bevor ich zur nächsten schnellen Fragerunde komme -, das Müll-IdentSystem aus Celle um ein Sackabfuhrsystem zu erweitern, indem man einfach einen Rahmen auf die Wagen schweißt, normierte Säcke hat, die hindurchgeworfen werden, und so weiß man, wie viel hineingeworfen wurde. - Denkbar oder nicht denkbar? - Es hieß ja, Müll-Ident sei mit Säcken nicht machbar. Henry Mäurer: Ich glaube, der Fragesteller hat an etwas anderes gedacht, nämlich an Müllschleusensysteme, die mit Wertmarken, Chipkarten oder etwas Ähnlichem geöffnet werden können und ein bestimmtes definiertes Volumen freigeben, wobei dann über ein solches System abgerechnet wird. Wir haben ein solches System - ich kann mich nicht genau erinnern, wann das war vor etwa zehn Jahren in drei verschiedenen Siedlungs- und Sozialstrukturen erprobt. Die Erfahrung von der technischen Seite war, dass das System von der Unterhaltung her sehr aufwendig war. Wir haben uns damals dagegen entschieden, diese Technik einzuführen, weil das Verhältnis von Aufwand und Wirkung im Vergleich zum sonstigen Ident-System sehr ungünstig war. Conrad von Meding: Frage beantwortet! Auf dieser Seite kommen jetzt zwei Fragsteller an die Reihe, und dann gehe ich auf die andere Seite hinüber. Herr Lüttge: Mein Name ist Lüttge. Ich wohne in einer verdichteten Bebauung in der Stadt und bezahle nach der Gebührenänderung ungefähr 30 % mehr. Ich bemerke also das, was Herr Priebs eben sagte. Meine erste Frage bezieht sich darauf, die Subventionierung möglichst gering zu halten: Wie viel Mehraufwand erzeugt der Sack bei der gemeinsamen Abfuhr mit dem Behälter? - Das bezieht sich auch auf den Aufwand für die Abrechnung. Die zweite Frage: Falls das Wiege- oder Behälter-Ident-System eingeführt wird, in welcher Höhe werden Systemkosten an den Fahrzeugen, bei der Verwaltung usw. im Verhältnis zu dem derzeitigen Abrechnungssystem in der Stadt verursacht? Conrad von Meding: Die Antworten kommen gleich. Karen Beckers: Karen Beckers, ich gehöre zu diesen Journalisten, wohne aber im Umland. Ich habe eine Frage, die ich an Herrn Mäurer erst nicht mehr stellen konnte, die mir aber wichtig ist. Mich interessiert das Thema der illegalen Müllentsorgung. Das ist in Hannover ein Thema, und es ist in der Region ein Thema. Wir haben dieses Mindestvolumen, und das Problem existiert trotzdem. Gibt es das Problem auch in Celle? Conrad von Meding: Jetzt komme ich hier hinüber. Sie sind dran, dann Sie. Danach gehen wir auf das Podium. Michael Ludwig: Mein Name ist Michael Ludwig. Ich komme aus dem schönen Neustadt am Rübenberge. Ich liebe die Müllabfuhr, und ich liebe auch alle Menschen, die den Sack und die Tonne lieben. Ich habe aufmerksam zugehört und habe von den Experten recht unterschiedliche Darstellungen der Abfallwirtschaft auch in der Region Hannover gehört. Sie alle - das hat Herr von Meding deutlich gemacht haben ein umfangreiches Paket an Material bekommen. Aufgefallen ist mir, dass die Sackabfuhr in den Vorträgen aller Experten Inhalt war. Herr Dr. Thärichen schlug vor, Auslauffristen für den Sack zu vereinbaren. Herr Löhle sagte, die Sackabfuhr sei ganz abzuschaffen. Frau Stümpfel forderte die Wahlfreiheit für Säcke auch in der Stadt. Das ist ganz kurios. Auch Herr Dr. Tiebel geht in Richtung Auslauffristen. Wenn ich Frau Jänicke ordentlich zugehört habe, dann ist die Sackabfuhr - ich übersetze das in mei- Seite 54 von 57 nen Jargon - das Übel des gesamten Systems. Ich würde es gerne dabei bewenden lassen. Könnten die Experten ein kurzes Statement zu folgender Frage abgeben: Ist die Sackabfuhr einer der Störfaktoren auf dem Weg in eine neue Zukunft der Abfallwirtschaft in der Region Hannover? Genauso würde ich Ihren Hinweis auf Stadt und Umland sowie auf Ein- und Mehrfamilienhäuser als Plädoyer im Raum stehen lassen, auch als ein sehr willkommenes Plädoyer, weil es bei allen deutlich wurde. Conrad von Meding: Jetzt kommt die letzte Frage! Julia Recke: Schönen guten Tag! Mein Name ist Julia Recke. Es wird immer über Stadt und Umland diskutiert. Ich denke, wir sollten zwischen Mehrfamilienhäusern und Einfamilienhäusern differenzieren. Wie es Frau Stümpfel aus der Praxis schon gesagt hat, gibt es sowohl in der Stadt als auch im Umland Mehrfamilienhäuser und auch Einfamilienund Reihenhäuser. Kirchrode oder Bothfeld beispielsweise haben bestimmt Interesse an der Sackabfuhr. Ich habe eine Frage an Herrn David. Herr David, Sie haben vorhin gesagt, dass die Kosten des Rechtsstreits nicht auf die Gebühren umgelegt werden dürfen. Wie werden diese bei aha verbucht? Wird das durch die regionale Umlage verrechnet? Sprich: Wird es über die Einkommensteuer dann doch wieder auf die Bürger umgelegt? Conrad von Meding: Kann das noch beantwortet werden? - Wir haben noch zwei Minuten; das wird knapp. Deswegen mache ich jetzt keinen Umlauf mehr, in dem alle noch einmal sagen dürfen, ob sie den Sack für das Grundübel halten. Ich glaube, dies ist in den Vorträgen sehr differenziert erläutert worden, und Sie haben es richtig wiedergegeben. Es hat unterschiedliche Antworten gegeben. Als Grundübel hat das keiner verteufelt, aber es wurde von einigen sehr deutlich gesagt, dass darin Probleme sowohl technischer als auch juristischer Art - vor allem technischer Art - gesehen werden. Andere haben gesagt, das wäre auszuweiten. Wir sind manchmal sehr schlicht im Denken und sind der Meinung, dass es in der Stadt nur Mehrfamilienhäuser gibt. - Es sind noch viel mehr Stadtteile als Kirchrode oder Bothfeld. Da sind auch Vinnhorst, Ahlem und andere. Jetzt haben wir aber noch ganz konkrete Fragen zu beantworten. Nach der Gebührenerhöhung seien 30 % mehr zu zahlen. - Das hat jemand aus der Stadt gesagt. Wie viel Mehraufwand erzeugt der Sack bei einer gemeinsamen Abfuhr? Kann man in irgendeiner Form beziffern, wie viel Geld zusammenkommt? Und dann die schnelle Frage an Herrn Mäurer: Wie viel kosten die Investitionen für Ident-Systeme ungefähr? Thomas Reuter: Vielleicht beginne ich mit der Beantwortung der Frage zum Aufwand, dass wir jetzt die Säcke mitnehmen. Der Aufwand beträgt pro Auto ungefähr 35 000 Euro für die besondere Schüttung, die ich erwähnt habe. Im Augenblick muss man natürlich sagen: Dass wir noch Säcke und Behälter haben, ist unsere - in Anführungsstrichen „Schuld“. Wenn wir theoretisch in der Lage gewesen wären, sofort zum 1. Januar 2014 vor jedes Grundstück einen Behälter zu stellen, wäre dieser Aufwand nicht angefallen. Aber es ist im Umstellungsaufwand enthalten. Erst dann, wenn tatsächlich alles umgestellt worden ist und es die Sacknutzung nur noch dort gibt, wo sie gewünscht ist, kann man eine Rechnung aufmachen und sagen, was dieser zusätzliche Aufwand - Versand der Gutscheine, Ausgabestellen, Sackrollen ausgeben kostet. Seite 55 von 57 Conrad von Meding: Offenbar ist es jetzt nicht möglich, eine Millionensumme in den Raum zu stellen, wie wir Journalisten es gern mögen, oder? Thomas Reuter: Nein, das traue ich mich jetzt nicht! Conrad von Meding: Schade, aber verständlich begründet. Herr Mäurer, was kostet es, das umzustellen? Henry Mäurer: Die Installation eines Ident-Systems setzt sich natürlich aus mehreren Kostenfaktoren zusammen. Das sind der Datenträger an der Tonne, seine Montage und die Fahrzeugausstattung für die Identifizierung der Tonnen. Die genauen Werte kann ich jetzt nicht aus dem Handgelenk schütteln. Aber ein Chip kostet maximal 2 bis 3 Euro. Sie sind relativ günstig geworden und halten auch recht lange. (Dr. Christoph Tiebel: 70 Cent!) - Ach so, noch günstiger! Conrad von Meding: 70 Cent bei einer halben Million Haushalte in der Region. Henry Mäurer: Sie müssen das auf die Behälter beziehen. Es ist einfacher zu sagen: Die Kosten bei der Installation eines Ident-Systems sind nicht wirklich das Problem. Das, was Sie an Effekten mit dem System erzielen, ist deutlich höher als die Kosten der Installation. Es gibt inzwischen die Fachmeinung, dass sich ein solches System allein schon selbst wenn man es nicht zur Gebührenabrechnung nimmt - über die Optimierung der Logistik finanziert. Allein schon aus den Möglichkeiten, die man sich dort erschließt, kann man ein solches System finanzieren. Wir hatten das einmal ausgerechnet. Es lag bei insgesamt etwa 2 bis 3 Euro pro Einwohner und Jahr lag. Das sind relativ kleine Beträge. Es war noch nach der illegalen Entsorgung in Celle gefragt worden. Wir haben uns damit beschäftigt und die Mengen, die bei uns bei Wildmüllsammlungen anfallen, sowohl in Fallzahl als auch in Menge mit den Zahlen aus den Kreisen um uns herum verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass wir ziemlich genau in der Mitte liegen. Es ist nicht nachweisbar, dass unser Gebührensystem einen anderen Effekt hat als andere Gebührensysteme. Wir beobachten das sehr genau. Es ist eine relativ konstante Menge an Wildmüll, die wir jedes Jahr einsammeln, mit unwesentlichen Veränderungen. Conrad von Meding: Dann war noch die Frage nach den Kosten des Rechtsstreits offen. Herr David, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie nicht gesagt, dass es nicht umgelegt werden darf, sondern dass Sie Zweifel haben, ob es umgelegt werden darf. Vielleicht können Sie das in einem kurzen klarstellen. Die Frage ging aber eigentlich an Herrn Reuter. Eckhard David: Hätten wir ein zivilrechtliches Entgeltsystem, wäre die Frage eindeutig zu beantworten. Dann würden Kosten des Rechtsstreits selbstverständlich in die Kalkulation eingestellt. Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 25. Januar 2006 entschieden: „Grundsätzlich nicht zu prüfen ist daher, ob es sich um wirtschaftliche oder unwirtschaftliche Kosten handelt.“ Hauptsache, betriebswirtschaftlich zuzuordnen. Im Verwaltungsrecht wird die Sache schwieriger. Dort geht es plötzlich um die Frage nach der Erforderlichkeit und der Angemessenheit. Das ist eben das Ver- Seite 56 von 57 waltungsrecht. Es gibt viel Rechtsprechung z. B. dazu, ob Kosten, die nicht auf der Grundlage einer Ausschreibung entstanden sind, eingestellt werden dürfen, und es gibt viele Anwälte, die genau danach schauen und dann versuchen, ein Gebührensystem zu kippen. Der nächste Punkt: Wäre ich im Zivilrecht, dann gäbe es eine Angemessenheitsprüfung. Käme der Zivilrichter beim Amtsgericht Hannover zu dem Ergebnis, dass 3 Cent innerhalb der Entgeltkalkulation zu viel eingestellt worden sind, weil bestimmte Kosten nicht hätten eingestellt werden dürfen, dann würde der Zivilrichter das Entgelt um die 3 Cent reduzieren. Die Rechtsfolge beim Verwaltungsrichter ist eine andere. Der Verwaltungsrichter kippt die gesamte Satzung. Conrad von Meding: Das Plädoyer haben wir verstanden. (Professor Dr. Priebs: Aber wer soll den Rechtsstreit Ihrer Meinung nach bezahlen?) Eckhard David: Das müssen Sie den Verwaltungsrichter fragen. - Herr Professor Priebs, ich kann Ihnen das sagen. Natürlich wird es bezahlt, und zwar aus Steuergeldern. Conrad von Meding: Wir fragen Herrn Reuter: Wer bezahlt es jetzt aktuell? Wer zahlt im Moment die Kosten des Rechtsstreits? Thomas Reuter: Genau deshalb, weil das Problem, das Herr David genannt hat, besteht, prüfen wir das bei uns. Wir wissen natürlich, dass es irgendwo einen spitzfindigen Juristen gibt, der darauf kommen wird. Wir prüfen zurzeit, wobei wir immer noch die Möglichkeit haben, die Kosten dieses Rechtsstreits aus einer Gewinnrücklage also kein Gebührenvortrag - zu bezahlen, wenn es notwendig ist. Aber wir werden es auf alle Fälle in unserer Kalkulation so machen, dass wir nicht über diesen Stein stolpern werden. Conrad von Meding: Sie werden mutmaßlich irgendwann im Abfallwirtschaftsausschuss des Regionsparlaments darüber berichten. Thomas Reuter: Ja, mit unserem Wirtschaftsplan und der Kalkulation. Im Herbst. Conrad von Meding: Dann haben wir es ja öffentlich. Ich habe jetzt doch sieben Minuten überzogen und bitte um Entschuldigung. Bevor ich für das Schlusswort abgebe, möchte ich Ihnen für Ihre unglaubliche Konzentration danken. Das ist Wahnsinn! Man hätte zwischendurch eine Stecknadel fallen hören können. Sie waren sehr aufmerksam und ein sehr angenehmes Publikum. Aus meiner Sicht sage ich auch den Experten für diese Vielfalt, die vorgetragen wurde, ganz herzlichen Dank. (Beifall) Ich gebe jetzt an Herrn Professor Priebs für einen kurzen Ausblick dazu ab, wie es im Diskussionsprozess weitergeht. Professor Dr. Axel Priebs: Auch ich finde, dass es ein sehr spannender Abend war. Ich bedanke mich bei Ihnen allen, dass Sie gekommen sind, es hier auch so lange ausgehalten haben und uns mit Fragen an den Kern der Geschichte gebracht haben. Herzlichen Dank! Ich bedanke mich auch bei allen Expertinnen und Experten, die gekommen sind, sich sehr intensiv vorbereitet haben und nach meiner Beobachtung keine Antwort schuldig geblieben sind. Herzlichen Dank! Last, but not least bedanke ich mich bei allen, die die Veranstaltung vorbereitet haben, also bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl von aha als auch von der Region Hannover, und unserem Moderator, Herrn von Meding, der uns sicher und gut durch den Abend geführt hat. (Beifall) Seite 57 von 57 Sie haben gesagt, dass ich einen kleinen Ausblick geben das soll, und das tue ich gerne. Wie gesagt, war das heute der zweite Baustein in unserer vorgesehenen Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. Der große Schritt, das Bürgergutachten, folgt nach der Sommerpause. Ich hatte schon erwähnt, dass es der Öffentlichkeit voraussichtlich im Oktober vorgestellt werden wird. Ich bin selbst sehr gespannt darauf, was erarbeitet wird. Wie gesagt, wir sind offen für Anregungen, die uns weiterhelfen. Die heutige Veranstaltung war ein wichtiger Baustein. Ich nehme jedenfalls sehr viel mit und hoffe, dass es auch Ihnen genauso geht. Herzlichen Dank und einen schönen Weg nach Hause! (Beifall) Schluss: 20.11 Uhr. Das wird auch wieder ein wichtiger Termin sein, sowohl für Sie als Bürgerinnen und Bürger, die Sie die Ergebnisse, sofern Sie nicht mitarbeiten, gern hören wollen, als auch für die Medien, die darüber berichten werden, und natürlich auch für uns. „Für uns“ heißt: für die Regionsversammlung, die daraus ihre Schlüsse ziehen muss, und auch für uns als Verwaltung von aha und Region. Es bleibt also spannend. Bis zum 31. Juli können Sie noch an den Befragungen im Internet teilnehmen. Wir hatten bereits angekündigt, dass wir die heutigen Präsentationen und die Beiträge so schnell wie möglich ins Netz stellen. Das dann wird über www.hannover.de abrufbar sein. Am Schluss des ganzen Prozesses steht die Entscheidung der Regionsversammlung. Es kann sein, dass gute Änderungsvorschläge gemacht werden, die die Regionsversammlung in die Satzung einbauen möchte. Man kann sich vorstellen, dass kleinere Dinge schon für 2016 in der Satzung geändert werden. Größere Dinge würden etwas länger dauern, also im dann folgenden Jahr vorgenommen werden. Das muss man sehen. Es liegt in der Hand der Regionsversammlung, zu sagen, welche Vorschläge so gut sind, dass sie in der Satzung ihren Niederschlag finden. Wir alle sind gespannt und werden das Weitere im Herbst hören, wenn die Vorschläge auf dem Tisch liegen. Es würde mich freuen, wenn Sie uns weiterhin konstruktiv und kritisch begleiteten.
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