PRODUKTION TECHNIK >Prozesse und Abläufe Mehr Output zu niedrigeren Kosten mit überarbeiteter Zuschnittoptimierung regelmäßig aktiv hinterfragen Mehr Effizienz in der Produktion – das ist die Stellschraube, an der heute die meisten Unternehmer drehen. Selten ist es möglich, die gesamte Fertigungsphilosophie zu verändern, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Es ist in vielen Fällen auch nicht notwendig – das Hinterfragen bestehender Abläufe angesichts veränderter Marktbedingungen birgt bereits sehr viel Verbesserungspotenzial. Wie etwa die Zuschnittoptimierung. er Küchenmöbelmarkt ist über alle Marktsegmente hinweg voll besetzt. Nur Produzenten, die ständig und aktiv ihre Abläufe und Prozesse hinterfragen, können dem Verdrängungskampf standhalten. Diese Marktsituation zwingt die Hersteller letztlich dazu, genau hinzusehen und ständig zu optimieren. Das Beispiel eines mittelständischen Küchenmöbelproduzenten zeigt, auf welche Weise über lange Jahre eingespielte und etablierte Abläufe kritisch beleuchtet, neu konzipiert und damit verbessert werden können. Im Fokus stand hier die Verschnittoptimierung, die der Küchenmöbelhersteller mit der Hilfe der Lignum Consulting aus Kupferzell auf den Prüfstand stellte. Die Verbesserung des Zuschnittes stellt ein Teilprojekt in einem umfassenden Aktions- und Maßnahmenplan dar, der eine gesamtheitliche Produktivitätsverbesserung im Maschinensaal sicherstellen soll – denn am Produktionsstandort des Küchenmöbelherstellers ist räumliches Wachstum nur noch bedingt möglich. Darum ist das Unternehmen darauf angewiesen, auf den vorhandenen Flächen und Anlagen ein Optimum an Produktivität und Kapazität zu erzielen. Der Zuschnitt aller kommissionsbezogenen Bauteile erfolgt in diesem Werk über horizontale Plattensägen in Losgröße 1, ist im Bereich der Fronten unter dem Fachbegriff „Streifenfertigung“ organisiert. Bei der Streifenfertigung werden einzelne Frontteile in D 00 möbelfertigung 4/2015 „Streifen“ hinein optimiert, was so viel bedeutet, wie die Sammlung aller Frontteile mit gleicher Plattendicke, Dekor- und Kantenfarbe sowie Breite. Bei den zugeschnittenen Streifen erfolgt zunächst die Bekantung der beiden Längsseiten, anschließend werden aus diesem Streifen die einzelnen Frontteile quer abgesägt. Diese Einzelteile (Fronten) erhalten im letzten Schritt die Querkanten oben und unten. Im Gegensatz dazu steht die „Einzelteilfertigung“ aller restlichen Korpusteile. Bei der Einzelteilfertigung werden Bauteile mit gleicher Plattendicke und Dekorfarbe zusammen nach einem festgelegten Regelwerk optimiert und zugeschnitten. Der Schnittplan ergibt sich nach optimaler Verschachtelung der vorhandenen Einzelteile mit dem geringsten Verschnittsatz. Technologisch und logistisch ist das Unternehmen bei allen kommissionsbezogenen Bauteilen – historisch bedingt – für eine „Streifenfertigung“ ausgelegt. Im Zuge der „rein auftragsbezogenen Fertigung“ wurden in den vergangenen Jahren jedoch immer mehr Einzelteile produziert, die nicht über Streifen abgebildet wurden. Der durchschnittliche Verschnitt lag bei der Frontenfertigung mit 35 Prozent weit über dem Branchendurchschnitt. Darum war es angesagt, die Art des Teilezuschnitts gesamtheitlich neu zu organisieren und die Verschnitt-Parameter entsprechend anzupassen. Grundsätzlich gilt, je mehr unterschiedliche Teile einer Verschnitt-Optimierung zur Verfügung stehen, desto geringer ist der Verschnittsatz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein langfristiges Sammeln von Bauteilen den „Lean Production“-Prinzipien entgegensteht, denn das Lean-Konzept erfordert kleine Lose zur Erzielung von kurzen Durchlaufzeiten und geringen Beständen. Die Zielvorstellung lautete also, ein Optimum zwischen Sammelvolumen von Bauteilen sowie kleinen Produktionslosen zu finden und entsprechend zu definieren. Dabei kristallisierten sich grundsätzlich zwei Philosophien heraus: die Optimierung nach reinem „Farbbezug“, also aller Bauteile in derselben Farbe, und der Optimierung nach reinem „Tourenbezug“, den Bauteilen, die in der gleichen Tour zur Auslieferung kommen. Beim Farbbezug werden alle farb- und materialgleichen Bauteile von einer Sammelperiode, beispielsweise eines kompletten Arbeitstages, in einem Optimierungsauftrag zusammengefasst. Eine Farbe wird dabei, wenn möglich, immer nur in einem Los produziert. Konkretes Beispiel: Alle roten Teile dieses Tages entstehen im Los 1. In den folgenden Losen innerhalb des gleichen Tages werden keine weiteren roten Teile gefertigt. Spätestens vor der Endmontage oder Verladung müssen die Teile für den einzelnen Kundenauftrag kommissioniert werden. Die größte Herausforderung stellt hierbei die hohe Farb- und Materialvielfalt in einer Küchenkommission dar. Das Prinzip der tourenbezogenen Fertigung richtet sich nach der Tourenplanung der Auslieferung. Ziel ist es, die Produktionsplanung so auszurichten, dass die Kundenaufträge bereits in der Teilefertigung in der richtigen Verladereihenfolge produziert werden. Wird dies konsequent umgesetzt, durchläuft jeder Kundenauftrag die einzelnen Fertigungsstufen kommissionsrein – was wirtschaftlich nur mit entsprechendem technologischem Aufwand sinnvoll abzubilden ist, da sich sonst die Rüstzeiten zur dauerhaften Bremse entwickeln. Als wesentliche Hürde zeigt sich bei der tourenbezogenen Optimierung das Mehrfach-Handling von Platten: Stark laufende Farben befinden sich mehrmals am Tag im Zuschnitt. Gerade „A-Farben“ sind in beinahe jeder Tour enthalten und müssen entsprechend einzeln zugesägt werden. Auch die Resteverwaltung ist bei der tourenbezogenen Optimierung aufwendiger, da bei jedem Optimierungslauf zwangsläufig Reste und Verschnitte entstehen, die entweder verwaltet oder entsorgt werden müssen. Aufgrund der Problematik der hohen Verschnittsätze bei diesem konkreten Küchenmöbelproduzenten und dem sich dadurch ergebenden Einsparpotenzial in den Materialkosten kam es zu einem Grobkonzept, das nachfolgend mittels verschiedener Simulationsläufe überprüft wurde. Die wesentlichen Verbesserungspunkte hinsichtlich der Verschnittoptimierung und deren Parameter sind das Zusammenführen von bisherigem Einzelteilzuschnitt >Entstehen bei einer Produktion zu viele Reste, müssen diese entweder zeitaufwendig verwaltet oder sogar entsorgt werden – vielfach lassen sich eingespielte Routinen im Zuschnitt hinterfragen und optimieren, um unnötigen Verschnitt zu vermeiden. und Streifenfertigung, der Zulassung aller Streifenbreiten durch Auflösung der bisherigen Standardbreiten und die Vorab-Prüfung der einzelnen Schnittpläne auf ihren Verschnittsatz in Prozent. Ist der Verschnittsatz „in Ordnung“, erfolgt eine Bestätigung, ansonsten wird er verworfen. Dafür gibt es eine dreistufige Optimierungsroutine, die jeweils miteinander „verregelt“ ist. Darüber hinaus empfahl Lignum Consulting nach der Analyse die Einrichtung eines zentralen, EDV-geführten Restelagers für alle Zuschnittsägen und die Zulassung von „Kann-Teilen“, die als „FüllTeile“ in der Streifenoptimierung dienen. Durch die Veränderung der bisherigen Routine ergibt sich eine dreistufige Optimierung, die alle zu produzierenden Bauteile umfasst. In der ersten Stufe wird versucht, eine möglichst hohe Anzahl an Bauteilen in der klassischen Streifenfertigung zu erzeugen. Die Anzahl an Bauteilen ergibt sich durch Prüfung des Verschnittsatzes des Produktionsplaners. Wird ein höherer Verschnittsatz zugelassen, können weniger Bauteile in die Streifenfertigung eingeplant werden. Diese Prüfung muss variabel einstellbar sein, um die Produktion jeweils auf die aktuelle Auslastung und den Bauteile-Mix einzustellen. In Stufe zwei geht es um alle Teile, die nicht in der ersten Stufe optimiert werden konnten. Die Optimierung erfolgt hier durch einen Tiefenschnitt. Die dritte Stufe bezieht sich auf alle restlichen Teile. Auf dieser Stufe sind nur Soll-Teile zugelassen, die mit einem eigenen Schnittplan optimiert werden. Das Ergebnis überzeugt: Durch diese Filter entfallen Streifen, die einen extrem hohen Verschnittsatz erzeugen. Dennoch verlagert sich der Materialfluss durch das neue Ablaufschema wieder vermehrt in Richtung Streifenfertigung, somit entfällt das Restehandling im Hauptmaterialfluss. Und das Anlagenpotenzial wird ideal genutzt. Die Simulation des Soll-Konzeptes verifizierte und bestätigte das erwartet hohe Einsparpotenzial. Durch die Veränderung der Verschnitt-Routine kann das Unternehmen rund 15 Prozent weniger Material einsetzen, allein daraus ergeben sich deutliche Einsparungen beim Einkauf. Zudem sind die Anlagen besser ausgelastet – ein Effekt, der aktuell schon spürbar, aber noch nicht monetär beschreibbar ist, da sich das Projekt noch in der konkreten Umsetzungsphase befindet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Überprüfung und Infragestellung von althergebrachten Abläufen und Routinen immer sinnvoll ist. Jahrelang eingeschliffene Standards und Abläufe entsprechen häufig nicht mehr den Marktanforderungen bezüglich der immens gestiegenen Farbvielfalt und Varianz – und sind damit auch nur auf den ersten Blick optimal. Gerade in Prozessen, die mit Softwaresteuerung und Optimierung zu tun haben, sollte sich kein Unternehmen „blind“ auf das systemische Ergebnis verlassen. Kleine Verbesserungen ergeben sich häufig aus Veränderungen an den ProzessParametern, große Sprünge benötigen einen Paradigmen- oder Systemwechsel. Neben dem Entschluss, einen Prozess grundlegend zu verändern, bedarf es einer abgestimmten Reihenfolge der einzelnen Veränderungsschritte. Daher ist die Prozessbetrachtung durch externe, neutrale Berater am erfolgversprechendsten und zielführend. Gepaart mit spezifischem Branchenwissen erreicht ein Unternehmen dann letztlich die notwendige Geschwindigkeit und Sicherheit, dass diese Veränderungen nachhaltig Früchte tragen. 4/2015 möbelfertigung 00
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