Perspektivkonstruktion 0. Einleitung Die Konstruktion einer Perspektive ist – verglichen mit der Erstellung von Grund- und Aufrissen – eine „Sisyphosarbeit“, besonders für ungleichseitige Körper oder gar ein Ensemble mehrerer, ungleich ausgerichteter Körper. Heutzutage kann uns das der Computer abnehmen, und darum hält es auch kaum noch jemand wirklich der Mühe wert, die Zusammenhänge zwischen der Funktionsweise unseres Sehapparates und den daraus – schon seit der Renaissance – abgeleiteten Konstruktionsprinzipien gedanklich nachzuvollziehen. Wie mir bei der Betreuung unzähliger Entwürfe auffiel, sind selbst Architekturstudenten, die das im Fach „Darstellende Geometrie“ eigentlich gelernt haben müssten, meistens nicht in der Lage, eine hinreichend stimmige Perspektivskizze per Hand zu erstellen, geschweige denn, die grundlegenden Prinzipien der Perspektivkonstruktion nachvollziehbar und schlüssig zu erklären. Die Konturlinien einer Perspektivzeichnung kann man sich als Schattenbild eines aus Draht gefertigten Körpers vorstellen, der im Lichtkegel eines Scheinwerfers steht, welcher senkrecht auf eine Projektionsfläche, d.h. die Bildebene gerichtet ist. Das Abbild wird größer, je weiter man mit der Bildebene vom Modell wegrückt oder je näher man mit dem Scheinwerfer an das Körpermodell heranrückt. Zwischen beiden Verschiebungen gibt es allerdings einen entscheidenden Unterschied: Mit der Entfernung der Bildwand verändert sich das Abbild proportional, d.h. es wird „gezoomt“; die Veränderung des Abstandes zwischen Lichtquelle und Objekt jedoch hat – ebenso wie eine horizontale oder vertikale Verschiebung (!) – eine Konturenverzerrung zur Folge. Mit dem kegelförmigen Scheinwerferfeld vergleichbar ist der sogenannte „Sehkegel“, das zentrale Sehfeld unserer Augen, und die Perspektivzeichnung ist im Grunde nichts anderes als die Projektion bestimmter Eckpunkte des Objektes über einzelne „Sehstrahlen“ auf eine senkrecht zur zentralen Sichtachse gedachte Bildebene, – mit dem Unterschied allerdings, dass wir nicht den Körper direkt, sondern dessen Grund- und Aufriss – über gezeichnete „Sehstrahlen“ perspektivisch modifiziert – in parallelen Arbeitsgängen auf eine liegende Bildebene „projizieren“. Eine Vergrößerung, erhält man, wenn sich die Bildebene hinter dem Objekt befindet und eine Verkleinerung, wenn die Bildebene zwischen Betrachter und Objekt positioniert ist. Letzteres ist für die Perspektivkonstruktion aber nicht zu empfehlen, da das Abbild dann über die „Sehstrahlen“-Linien gezeichnet werden müsste. Liegt die Bildebene direkt an der Rückseite des Objekts, haben die Berührungskanten bzw. -flächen reale Maße; nur alles davor Liegende würde perspektivisch vergrößert. 1 1. Das Gesichtsfeld Als Gesichtsfeld (auch: „Sehfeld“) wird der Wahrnehmungsbereich beider Augen zusammen bezeichnet. Das Gesichtsfeld ist wesentlich weiter als der zentrale „Sehkegel“, aber nur im Bereich des „Sehkegels“, d.h. in einem kreisförmigen Ausschnitt des gesamten Wahrnehmungsfeldes, können wir hinreichend scharf und räumlich sehen. Normalerweise hat das einzelne Auge bei geradeaus gerichtetem Blick – von der Sichtachse her gemessen – folgenden Sehbereich: • nach oben - 55° (im Blickfeld = Objekt, das etwas höher ist, als der Abstand zu ihm) • nach unten - 60° (im Blickfeld = Boden bis etwa halbe Körperlänge vor den Füßen) • nach innen - 55° (Nasenrücken ist im Weg; den Rest übernimmt das andere Auge) • nach außen - 90° (mit Kopfdrehungen 90° rechts ↔ links hat man „Rundumsicht“) Einigermaßen gut nachvollziehbar ist das – mit jeweils einem verdeckten Auge – durch langsames Verschwenken des ausgestreckten Armes. Da unsere Augen nebeneinander liegen, ändert sich bei der „Zusammenschau“ an der oberen 55°- und unteren 60°-Grenze des Sehbereiches nichts, aber nach rechts und links ergänzt sich der Wahrnehmungsbereich zu 180°. „Aus den Augenwinkeln“ nehmen wir allerdings kein figürliches Abbild mehr wahr, sondern nur schemenhafte Konturen, bemerken aber sofort, wenn sich etwas bewegt: Bei horizontal fixierter Blickrichtung erkennt man die seitlich vom Kopf gehaltenen Hände eigentlich nicht, registriert aber noch die Fingerbewegungen. Das innere Überschneidungsfeld, in welchem beide Augen dasselbe auf der Netzhaut abbilden, hat einen Öffnungswinkel von ca. 110°; allerdings ist diese „Weitwinkelaufnahme“ im Randbereich sehr unscharf. Eine hinreichend ganzheitliche und stereoskopische Bilderfassung – wenn auch immer noch mit leichter Randunschärfe – ist nur in einem halb so weiten zentralen „Sehkegel“ gegeben, d.h. innerhalb eines Visionsradius um die Sichtachse von ca. 27° (s. Abb. 1). Abb. 1 Die Erfahrungswerte für die ganzheitliche Bilderfassung sind folgende Visionsradien um die Sichtachse: 1. Bilderfassung noch ganzheitlich, aber mit Randunschärfe 2. Bild-, Objekterfassung mit hinreichender Konturenschärfe 3. Bereich für scharfes Sehen (je nach Objektgröße u. -nähe) 2 r = 27° (3 x 9) r = 18° (2 x 9) r = 9° (1 x 9) 2. Die Perspektivkonstruktion Erste Erkenntnisse zu den Konstruktionsprinzipien für räumliche Abbilder auf einer ebenen Fläche gehen auf die Renaissance zurück. Aber zwischen der Perspektivlehre des Piero della Francesca (1416-1492) mit konkreten Hinweisen für die Konstruktion einer hinlänglich stimmigen „Zentralperspektive“ orthogonal zum Betrachter angeordneter Körper bis zur „fotografisch“ exakten Konstruktionsweise auch solcher Objekte, die schräg zum Betrachter stehen, liegen Generationen. Zunächst fehlte noch die Erkenntnis, dass auch schräg zum Betrachter liegende Parallelkanten eines abzubildenden Objektes im perspektivischen Bild einen gemeinsamen Fluchtpunkt auf der Horizontlinie haben und wie dieser bestimmt werden kann, aber wohl die längste Zeit ungelöst blieb das Problem, wo bzw. wie man den Anfangs- oder Endpunkt einer Kante auf der Bildfläche exakt so verorten kann, wie man sie real sieht. Klar war, dass dies von der Entfernung und von der Höhe des „Augenpunktes“ abhängt und klar war auch, auf welcher Vertikalen Punkte in der Bildebene liegen mussten, nur – in welcher Höhe? Bis das herausgefunden war, behalf man sich per „Augenmaß“. 2.1 Festlegung des Augenpunktes „Augenpunkt“ ist treffender als der häufig auch verwendete Terminus „Standpunkt“, welcher die Lage auf einer Fläche assoziiert, während „Augenpunkt“ unmissverständlich auf die Augenhöhe des Betrachters verweist. Das bedeutet allerdings nicht per se, dass die Augenhöhe grundsätzlich über die Grundebene des Objektes gelegt werden muss, denn man kann durchaus auch Perspektiven mit Untersicht zeichnen! Der Augenpunkt (A) ist also ein Raumpunkt, dessen Distanz und Höhenlage in Relation zum Objekt eine wichtige Rolle spielen und dazu kommt noch als wesentlicher Aspekt die von diesem Punkt aus festzulegende Blickrichtung, d.h. die Richtung der zentralen Sichtachse des „Sehkegels“ (in Abb. 2 u. 3 = A – Z). „Eiserne Regel“: Die Sichtachse ist horizontal und zu ihr steht die Bildebene senkrecht! Zur Objektdistanz des Augenpunktes: Für die Perspektivkonstruktion sollte die Distanz des Augenpunktes (A) vom abzubildenden Objekt so gewählt werden, dass dieses mindestens innerhalb des maximalen „Sehkegels“, also des o.g. 1. Visionsradius liegt (der übrigens in der Renaissance auch schon so festgelegt worden war!). Folglich sollte der Grundriss innerhalb eines Sektors von 54° (max. 60°) Platz finden und ist das Objekt höher als breit, muss stattdessen der Aufriss in den Visionsradius von 27° (max. 30°) um die Sichtachse passen. Mit zunehmender Abweichung der Sichtachse aus der Objektmitte, d.h. horizontaler Verschwenkung der Blickrichtung und/ oder Anheben bzw. Absenken der Augenhöhe muss man mit dem Standpunkt weiter vom Objekt abrücken, um zu gewährleisten, dass es innerhalb des definierten „Sehkegels“ bleibt. Man braucht dann zwar ein größeres Blatt und muss längere „Sehstrahlen“ zeichnen, aber dafür erscheint die Perspektive mit zunehmender Distanz weniger verzerrt. Zur Höhe des Augenpunktes: Je nach Höhe des Augenpunktes (= Höhe der Horizontlinie; s. 2.3) wird zwischen drei Arten von Perspektiven unterschieden: a) „Normalperspektive“ – Augenhöhe im Bereich des Objekt-Aufrisses b) „Froschperspektive“ – Augenhöhe auf 0-Höhe des Objekts oder darunter c) „Vogelperspektive“ – Augenhöhe über dem Objekt 3 Für die Festlegung des Augenpunktes empfiehlt sich ein simpler „Check“ an Grund- und Aufriss (gleicher Maßstab!): Man zeichnet zunächst auf ein Transparentblatt den Augenpunkt (A) mit präferiertem Winkel des „Sehkegels“ (max. 60°) und Winkelhalbierender als zentrale Sichtachse. Check am Grundriss – Sichtachse so auf das Objekt (oder an ihm vorbei) richten, wie dieses im Blickfeld liegen soll und durch entsprechende Verschiebung so verorten, dass der Grundriss im „Sehkegel“ bleibt. 1. Von der dem Augenpunkt nächsten Ecke oder Kante des Objektes eine Lotrechte auf die zentrale Sichtachse fällen. 2. Schnittpunkt Lotrechte/Sichtachse markieren; wird für Aufriss-Check gebraucht! Check am Aufriss – 1. Sichtachse in der gewünschten Augenhöhe senkrecht auf die Objekt-Lotrechte richten und durch entsprechende Verschiebung so verorten, dass der Aufriss in den „Sehkegel“ passt; die aus dem Grundriss übernommene Markierung auf der Sichtachse darf dabei die Fassade nicht „durchstoßen“. 2. Prüfen, ob durch die gewählte Augenhöhe die Distanz zum Objekt nicht unnötig groß wird und eventuell die Sichtachse entsprechend höher oder tiefer ansetzen. 3. Festgelegte Sichtachsenhöhe am Aufriss einzeichnen; wird für 2.4 gebraucht! Durch die Augenhöhe des Betrachters ist die Horizontlinie (H) definiert, eine – im fernen Objekthintergrund gedachte – Waagerechte in der Blickachse. Von der Horizontlinie aus werden später die – perspektivisch verlängerten (bzw. verkürzten, wenn die Bildebene zwischen Objekt und Betrachter stände) – Höhenmaße des Aufrisses in die Perspektivzeichnung eingemessen (s. 2.4 Horizontabstände). 2.2 Festlegung der Bildebene Gezeichnet wird nur die Basislinie der Bildebene (B) als Konstruktionshilfslinie und zwar rechtwinklig zur vorher fixierten Blickachse (= gewünschte Ansichtsrichtung). Auf die Basislinie werden anschließend mit „Sehstrahlen“ vom Augenpunkt (A) her alle wichtigen Eckpunkte des Grundrisses sowie die Fluchten schräg zur Sichtachse bzw. Bildebene verlaufender, ± horizontal liegender Kanten des Objektes projiziert. Da die Projektionspunkte der äußeren „Sehstrahlen“ auf B die maximale Breite der perspektivischen Abbildung anzeigen (in Abb. 2 = a’ u. b’/ in Abb. 3 = a’ u. c’), kann durch Verschiebung der Basislinie im Sektor zwischen diesen beiden „Sehstrahlen“ vorab die gewünschte Bildbreite „eingestellt“ werden. Am Computer ist das nicht nötig, d.h. Festlegung der Entfernung der Bildebene vom Objekt erübrigt sich, weil die fertige Perspektive ja stufenlos gezoomt werden kann. Auf den Senkrechten in den Projektionspunkten a’, b’, … liegen irgendwo die entsprechenden Eckpunkte a1, b1, … der Perspektivzeichnung (s. Abb. 2 u. 3), jedoch fehlt jetzt noch eine Bezugshöhe, von der aus sie eingemessen werden können. Die Basislinie der Bildebene wäre eigentlich dafür verwendbar, ist allerdings deshalb nicht sonderlich geeignet, weil man zwangsläufig immer einen Teil des unter Augenhöhe liegenden Objektvolumens (alles, was im Aufriss unterhalb der Peillinie zum definierten unteren Rand der Bildebene liegt) in das „Sehstrahlenfeld“ unter der Basislinie zeichnen müsste. Man geht deshalb – wie oben bereits angedeutet – besser von der Horizontlinie aus. 4 2.3 Festlegung der Horizontlinie Die Horizontlinie (H) – grundsätzlich parallel zur Basislinie! – wird als „Aufhänger“ für das Einmessen der „Höhenlage“ aller wichtigen Eckpunkte gebraucht und es liegen auf ihr die Fluchtpunkte aller schrägen Horizontalkanten des Objektes. Man könnte die Horizontlinie in beliebigem Abstand über die Basislinie legen, riskiert aber dabei, dass die Perspektivzeichnung letztlich doch noch unten die Basislinie überschneidet, weil man sich verschätzt hat, oder aber unnötig weit oben „hängt“ (unbequemeres Arbeiten!). Da einem die Prozedur der Bestimmung der Horizontabstände (s. 2.4) ohnehin nicht erspart bleibt, ist es besser, vorab schon die Differenz zwischen Augenhöhe (ha) und der 0-Höhe (ho) in ihrer perspektivischen Dimension zu ermitteln. Die 0-Höhe ist der am Aufriss zu ermittelnde tiefste Punkt, der in der Perspektivzeichnung sichtbar mit in Erscheinung treten soll (Grundmauern z.B. interessieren nicht, wenn man die perspektivische Ansicht eines Gebäudes zeichnen will). Ermittlung der perspektivischen ha-ho-Differenz: 1. Im Aufriss die senkrechte Spanne zwischen der (bereits beim „Vorcheck“ eingezeichneten) Sichtachse und 0-Höhe mit dem Zirkel abgreifen (Abb. 2 u. 3 – rechts unten). 2. Im Grundriss vom 0-Höhen-Eckpunkt aus Lotrechte auf die Sichtachse A-Z fällen und auf dieser Linie die Spanne ha-ho an die Sichtachse legen. 3. Sehstrahl durch ha zur Basislinie ergibt dort ha’; die Strecke ha’-ho’ ist die perspektivisch verlängerte Differenz zwischen der Augenhöhe und der tiefsten Ecke oder Kante der zu konstruierenden Zeichnung. Die Spanne ha’-ho’ kann man dann mit dem Zirkel abgreifen und damit über der Basislinie so weit nach oben rücken, dass unter der perspektivischen Abbildung noch eventuell gewünschter Raum für beabsichtigte zeichnerische Ergänzungen im Vordergrund des Objektes bleibt. Abb. 2 5 2.4 Ermittlung der Horizontabstände Für die Ermittlung der von der Horizontlinie aus abzutragenden Punkt-Abstände gilt grundsätzlich: Grund- und Aufriss müssen im gleichen Maßstab zur Verfügung stehen. In jedem Falle werden die aus dem Aufriss zu entnehmende Augenhöhe (Strecke ha-ho) sowie die weiteren unterhalb (z.B. Zwischenhöhe in Abb. 3 = h1) oder auch über der Blickachse liegenden Höhen in den Grundriss „transportiert“ und dort – genau in Höhe desjenigen Eckpunktes, um dessen Verortung in der Perspektive es geht – senkrecht auf der zentralen Blickachse (egal, ob nach rechts o. links) abgetragen und dann per „Sehstrahlen“ auf die Basislinie projiziert. Auf der Basislinie werden die perspektivisch verlängerten Differenzen zwischen Augenhöhe ha’ und den anderen Höhenpunkten (ho’, h1’, …) abgegriffen und von der Horizontlinie aus auf der Senkrechten über der Projektion des entsprechenden Eckpunktes abgetragen: Höhen unter der Blickachse – von der Horizontlinie nach unten, Höhen über der Blickachse – von der Horizontlinie nach oben. In Abb. 2 erhält man von der in die Vorderkante a-b gelegten Augenhöhe ha-ho auf der Basislinie die perspektivisch verlängerte Strecke ha’-ho’, welche – mit dem Zirkel abgegriffen und von der Horizontlinie nach unten abgetragen – die Lage der Linie a1-b1 ergibt, – selbstverständlich parallel zur Basislinie(!), denn für die Perspektivzeichnung gilt grundsätzlich: - Alle zur Bildebene parallelen Kanten des Grundrisses bleiben auch in der perspektivischen Abbildung parallel zur Basislinie (B) – s. Abb. 2. - Alle senkrechten Kanten des Aufrisses bleiben auch in der perspektivischen Abbildung senkrecht zur Basislinie (B) der Bildebene – s. Abb. 3. In Abb. 3 ergibt sich für die Differenz zwischen der Augenhöhe über dem Eckpunkt b des Quaders (bha) und Nullhöhe (ho) durch Projektion auf die Basislinie die Streckenlänge bha’-ho’. Da das der perspektivisch richtige (senkrechte) Horizontabstand des „tiefsten“ Quader-Punktes b1 unterhalb der Horizontlinie ist, kann man – wie in 2.4 bereits angedeutet – mit dieser Spanne im Zirkel festlegen, wie viel Platz man zwischen der Basislinie und der Zeichnung lassen will (um z.B. noch einen Vordergrund zu haben) und damit die Höhenlage der Horizontlinie über der Basislinie wählen. Zwischen bha’-ho’ hat man mit fh1’ die Projektion der Höhe h1 für den über b liegenden Eckpunkt f und kann somit – senkrecht über dem Projektionspunkt b’ – die perspektivisch richtige Lage und Länge der Quaderkante b1-f1 abtragen. Nach demselben Prinzip könnte man alle Eckhöhen gewinnen und die komplette perspektivische Abbildung erstellen, aber der Aufwand lässt sich beträchtlich reduzieren, wenn man in Kombination mit den Fluchtlinien arbeitet (s. 2.5) Aufwändigster Fall: Für nicht horizontal verlaufende, d.h. ansteigende bzw. abfallende Flächen- oder Körperkanten bleibt einem die Bestimmung des Horizontabstandes für jeden Anfangs- und Endpunkt einer solchen Kante nicht erspart. 2.5 Ermittlung der Fluchtpunkte In der Literatur ist meistens nur von zwei Varianten der Perspektivdarstellung die Rede: a) die Perspektive mit zentralem Fluchtpunkt („Zentralperspektive“) b) die Perspektive mit zwei Fluchtpunkten („2-F-Perspektive“) Das ist im Grunde aber nicht hinreichend, denn schon ein schräg zur Bildebene liegendes Viereck, bei welchem lediglich zwei der Seiten parallel sind, hat drei Fluchtpunkte, und bei einem ganzen Ensemble von Flächen bzw. Körpern (die – nebenbei bemerkt – insgesamt in den „Sehkegel“ passen müssen!) können es Dutzende Fluchtpunkte sein! 6 Derartiges „per Hand“ zu konstruieren bleibt uns heute – Dank Computertechnik! – erspart, aber man muss das Prinzip, nach welchem der Computer dies in Sekundenschnelle umsetzt, wenigstens verstanden haben. Zu a) Perspektive mit zentralem Fluchtpunkt: Alle Grundrisskanten einer Fläche oder eines Körpers, die rechtwinklig zur Bildebene liegen (auch wenn sie nach hinten ansteigen oder abfallen), haben in der perspektivischen Abbildung einen gemeinsamen zentralen Fluchtpunkt (Z) in Augenhöhe des Betrachters auf der Horizontlinie (H), – s. Abb. 2, Fluchten a1-Z u. b1-Z. Zu b) Perspektive mit 2 oder mehr Fluchtpunkten: Alle Grundrisskanten einer Fläche oder eines Körpers (auch Hilfsdiagonalen in einem Quadrat, Rechteck oder einer polyedrischen Fläche), die im Grundriss nicht rechtwinklig zur Bildebene, d.h. schräg zur Basislinie der Bildebene (B) liegen – haben einen vom Zentralfluchtpunkt (Z) abweichenden Fluchtpunkt (F) auf der Horizontlinie (H). Hier gilt wie für a), dass alle Parallelen des Grundrisses – mit Ausnahme parallel zur Basislinie liegender Kanten! – in der perspektivischen Abbildung auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt (F) zulaufen, – s. Abb. 3, F2 (F1 – hier außerhalb der Arbeitsfläche). Abb. 3 7 Den Fluchtpunkt (F) einer schrägen Kante findet man, indem man sie aus dem Grundriss heraus in den Augenpunkt (A) parallel verschiebt; der Schnittpunkt der Parallele in (A) mit der Basislinie der Bildebene (B) ist der Fußpunkt (F’) des senkrecht darüber auf der Horizontlinie (H) liegenden Fluchtpunktes (F) – s. Abb. 2 u. 3, F1 u. F2. Die Fluchtpunkte liegen weniger weit nach außen, je mehr der Augenpunkt vom Objekt abgerückt wird; liegt ein Fluchtpunkt einer schrägen Kante dennoch zu weit außerhalb der Arbeitsfläche (wie F1 in Abb. 3), kann ersatzweise der Fluchtpunkt von Diagonalen zwischen zwei Ecken (wie in Abb. 2) als Konstruktions-Hilfslinie verwendet werden. In Abb. 3 würde dementsprechend die Diagonale b-d als Parallele in A geschoben noch in die Arbeitsfläche passen. In der Perspektive hätte man mit der Fluchtlinie von b 1 zum Diagonalen-Fluchtpunkt eine Hilfskonstruktionslinie, deren Schnittpunkt mit der Lotrechten über dem Projektionspunkt d’ den Punkt d1 ergäbe und könnte damit bereits die gesamte Grundfläche des Quaders zeichnen. Voraussetzung ist allerdings, dass zuvor für Punkt b 1 der richtige Abstand zur Horizontlinie (H) ermittelt worden ist. Wenn Körperkanten eines regelmäßigen Grundrisses in einer Ebene liegen, reicht es also, nur einen Horizontabstand einzumessen; der Rest ergibt sich aus den Schnittpunkten der Fluchtlinien mit den Lotrechten über den Projektionspunkten auf der Basislinie. Beide Endpunkte einer Kante muss man lediglich dann von der Horizontlinie her einmessen, wenn diese ansteigt oder abfällt. Schlussanmerkung: Literaturangaben erübrigen sich, da zum Zeitpunkt der Erstellung des Skriptes (2009) keine Quelle gefunden wurde, in der die Perspektivkonstruktion hinreichend exakt abgehandelt wird. Ich hätte in der Vorlesung auf die entsprechende Literatur verwiesen, statt mich der Mühe zu unterziehen, dieses Skript zu erarbeiten. 8
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