Raffael Triumph der Galatea 1511-14 Nein, das ist keine Planschbecken-Party mit einer mickrigen Windmaschine! Wir sind am Meeresrand, der Sturm bläst vom Ufer Wolken über den Himmel, die harmlos weiß tun und bläht die letzten Kleidungsreste dieser seltsamen Seeleute wie Segel auf. Das große Muschelschalenboot wird von zwei kreuzbraven Delphinen gezogen, von denen der eine sich gerade mit frischer Energie versorgen und einen kleinen Tintenfisch hinuntermampfen will. Die Zügelführung ist aber schlichtweg brutal, die dünnen Schnüre greifen direkt ins Maul der Tiere. Der Tintenfisch bleibt dem hungrigen Delphin im Maul stecken. Das Schiff ist durch ein seitliches Schaufelrad mississippitauglich. Gesteuert wird es von einer Frau, die durch eine Erscheinung am Himmel von ihrer Mission stark abgelenkt wird. Lauert etwa schon wieder Zeus, gierig herunterlinsend auf junges Weiberfleisch, oder ist es einer dieser ungezogenen Rangen, die in Amors Auftrag (er lauert mit Nachschub hinter einer Wolke) den gesamten Konvoi mit Liebespfeilen beschießen? Das abgewandte Gesicht drückt etwas wie Faszination aus. Und um die Erscheinung hoch oben nicht aus den Augen zu verlieren, tritt die Delphindampfersteuerfrau auf die Bremse: beide Zugfische hat sie hart an die Kandare genommen, zurück- und hochgerissen, und ihr linkes Bein hebt sich, wie um sich gegen die Fahrtrichtung zu stemmen (was auf dem Boot natürlich völlig wirkungslos ist – es ist die Reflexbewegung einer Verwirrten). Das Muschelboot ist aber lediglich das Auge des Zyklons. Rundherum tobt die wilde Jagd. Eine Art Meer-Kentauren, die sich völlig dem feuchten Element assimiliert und einen fischigen Unterleib ausgebildet haben, sind entweder mit Frauenraub oder mit Muschelhornblasen beschäftigt. Sie trotzen dem Sturm, sind aber besiegt vom Pfeilhagel von oben. Und weitere Pfeile werden folgen: was wird dann geschehen? Nichts Schlimmes. Der Sturm hat nichts Zerstörerisches an sich. Er formt die Wolken zu stromlinienförmigen Gebilden und spielt dekorativ mit weiblichen Bekleidungsstücken. Er ist, wie der Titel ankündigt, Begleitmusik zu einem Fest- oder Triumphzug. Das spiegelt sich vor allem im Gesicht der zweiten Dame, die gerade mit Gewalt vom Boot geholt wird. Sie ist von dem Muskelprotz, der sie umfängt, recht angetan, in ihren Augen liegt noch die ganze Provokation, mit der sie ihn zu dieser Tat ermutigt hat. Lässig und lasziv lässt sie sich packen und schwenkt das letzte Fähnchen Stoff, das ihr verblieben ist wie ein fröhliches Lasso, mit dem sie ihn ihrerseits gleich umschlingen wird. Aber hat sie schon bemerkt, wie es bei ihm unterhalb der Gürtellinie aussieht? Auch die andere, auf dem Rücken des Meer-Kentauren sitzende Frau scheint sehr zufrieden mit ihrer Situation. Er dagegen ist von einer anderen, der ersten gegenüberliegenden, unsichtbaren Himmelserscheinung gefangen genommen und stochert mit einem Ruder im bereits flachen Wasser, ziemlich sinnfrei, denn er hat kräftigen Rückenwind. Hingebungsvoll tönt das Muschelhorn in die Richtung, in die die Delphindompteuse blickt. Der vierte Mann ist wirklich einer – er hat schlimmstenfalls Schwimmflossen statt der Füße –steht aufrecht im Wasser, und bläst mit voller Kraft voraus. Vielleicht ist er den umgekehrten Weg der Metamorphose gegangen und hat sich angesichts des Ufers von einem Meer- in ein Landwesen zurückverwandelt. Was Oberschenkel und Gluteus ziert, sieht nicht wie eine Tätowierung aus, eher wie Reste von Rundumflossen. Alle vier Herren tragen das dionysische Weinlaub im Haar. Sie werden es wohl auf dem Land weiter treiben. Bleibt noch das gefallene Engelchen oder Amorettchen vorne im Bild. Pfeil und Bogen hat es vergessen oder verloren. Dafür ist es, wenn auch äußerst spärlich, bekleidet. Es gehört zum Empfangskomitee, das am Ufer wartet (mit Weinschläuchen, nehme ich an). Es scheint in die Zügel der Bootskarosse zu greifen wie ein Stallknecht, der die Rösser am endlich erreichten Wirtshaus in Empfang nimmt. Aber die Bäuche der Delphine haben sich schon schmerzhaft am sandigen Grund gescheuert und ebenso ist der Bootskörper schon auf Grund gelaufen, was das Manöver des linken Beins der Steuerfrau besser erklärt: sie will nicht kopfüber über den Bug stürzen. Bei seinem Manöver ist aber der mit der Delphinbetreuung betraute Knabe ebenso nachlässig wie die Bootslenkerin, denn er blickt in die gleiche Richtung wie sie, weg von seinem Geschäft. Es muss also fast doch so sein, dass Zeus dort oben ein Abenteuer vorbereitet. Und wenn jetzt jemand, pedantisch unbelehrbar, nach dem Triumph fragen sollte, so lautet die Antwort natürlich: die Kunst. Die Pinselkunst triumphiert über den dröge Fragen stellenden Betrachter.
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