Bosch: Erstes Café eröffnet

Interview
Bosch Corporation
Ein Platz zum
Zusammenkommen
Im Oktober eröffnete Bosch nur fünf Gehminuten vom Bahnhof Shibuya das
weltweit erste eigene Café. Die Idee dazu stammt von Jun Shimoyamada,
General Manager of Corporate Communications des deutschen Zulieferers.
Japanmarkt sprach mit ihm über das „café 1886 at Bosch“ sowie das kreative
Arbeiten in technischen Unternehmen.
Das Interview führten Elise Ketelsen und Aki Yamazaki
M: Zunächst Herzlichen Glückwunsch zur Eröffnung. Das
café 1886 at Bosch hat seit gut einem Monat geöffnet, wie
fielen die ersten Reaktionen von Besuchern und Mitarbeitern
aus?
Shimoyamada: Bis jetzt sind wir sehr zufrieden – wir haben
sehr viele Besucher gehabt, mehr als im Business Plan erwartet
und wir haben auch viele positive Reaktionen durch die Presse
erhalten. Viele Kollegen haben auch berichtet, dass sie beispielsweise von Verwandten angesprochen wurden, die unser Café
etwa im Fernsehen gesehen haben.
Wir bekamen aber auch positives Feedback aus dem
Ausland. Kürzlich besuchte uns sogar eine Gruppe junger
Bosch-Mitarbeiterinnen aus China während ihrer privaten
Japanreise – das hat mich sehr erfreut.
JM: Das klingt, als befänden Sie sich auf einem guten Weg.
Haben die positiven Reaktionen vielleicht auch Einfluss auf
die Selbstwahrnehmung innerhalb der Firma gehabt?
Shimoyamada: Ja, natürlich. Unser Café befindet sich im Erdgeschoss unserer Japan-Zentrale und auch die Mitarbeiter sind
eine von insgesamt sechs Zielgruppen, die wir erreichen wollen.
Idealerweise wollen wir, dass die Marke Bosch von allen im
Unternehmen gemeinsam getragen wird. Jeder ist mitverantwortlich und ein „Brand Ambassador“. Ich denke dabei gern an
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das japanische omikoshi, bei dem viele Menschen einen kleinen
Schrein gemeinsam durch die Straßen tragen: Wenn alle zusammen anpacken, erreicht man deutlich mehr.
Man kann vieles über eine Brand durch eine PowerPoint
Präsentationen präsentieren, aber ein realer Ort ist anfassbar
und bringt Leute zusammen. So wird die Marke real und für
jeden der hier durchgeht zu einem Erlebnis. Hier entstehen
auch neue Ideen, beispielsweise für neue Ausstellungen und für
die zukünftige Nutzung der Räumlichkeiten.
JM: Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen: Woher kam
die Idee für dieses Projekt?
Bosch Corporation
J
1 Auch historische Produkte aus dem Bosch-Archiv sind ausgestellt.
Bekanntheit. Den Rest überlassen wir dann Google. Heutzutage
ist eine clevere Kombination aus einem realen Ort und digitalen
Medien der Schlüssel zum Erfolg. Es ist doch besser, wenn die
Kunden selbst interessiert sind und sich weitere Informationen
selbst holen, als ihnen diese aufzudrängen, da verschließen sich
dann auch viele. Wir müssen nicht immer ein Produkt an sich
verkaufen – Das positive Erlebnis ist manchmal wichtiger als
die reinen Informationen. Besonders auch für Personen, die im
technischen Bereich nicht so bewandert sind. Deshalb stellen
wir im Café zurzeit auch gesamte Autos aus, in deren Herzbereich viel Technik von Bosch steckt. Für den Laien macht das
die Technik zugänglicher. Würden wir jetzt nur die Parts ausstellen, könnten damit nur wenige etwas anfangen. Bestimmt 20
bis 30 Prozent der Gäste machen bevor sie gehen noch kurz ein
Foto vor dem Auto und teilen das dann später eventuell online.
1 Bevor Jun Shimoyamada im März 2013 zu Bosch kam, arbeitete er für Sony unter
JM: Was meinen Sie, wo können Unternehmen ansetzen,
die selbst auf der Suche nach kreativeren Marketingansätzen
sind?
Shimoyamada: Input ist sehr wichtig, um den kreativen Prozess zu fördern. In diesem Bereich scheinen einige japanische
Firmen noch zu sparen. Doch meiner Erfahrung nach sollte
man dort das meiste hineinstecken. Wir haben uns mit dem
gesamten Projektteam auf der Suche nach Inspiration viele
Konditoreien und Cafés in Stuttgart und Berlin angesehen und
haben viel probiert. Auch der verantwortliche Architekt Shigeru
Kubota war dabei und ließ sich bei der Einrichtung beispielsweise von alten Werkbänken aus dem Bosch-Archiv inspirieren.
Um das Potenzial der Kommunikationsabteilung zu nutzen,
braucht es auch Herausforderungen. Man kann Leute zu Seminaren schicken, aber oft ist der Effekt begrenzt. Ein reales
Projekt hilft allen Beteiligten sich weiterzuentwickeln und
viele verschiedene Dinge nicht nur zu lernen, sondern direkt
umzusetzen.
Meine Empfehlung an die Kommunikationsteams, die Marketingmanager und PR-Leute – die ich auch meinen eigenen
Mitarbeitern immer gebe – ist: Be curious – seid neugierig!
Schränkt euren Horizont nicht selber ein. Auch wenn man beispielsweise für einen Automobilzulieferer arbeitet, sollte man
sich auch außerhalb der eigenen Branche umsehen, viele unterschiedliche Messen besuchen und allgemein Kontakt zu interessanten Leuten pflegen. Man kann nie wissen, wofür bestimmte
Kontakte später einmal nützlich sein können. Daher kann ich
nur jedem raten, sich mit möglichst vielen interessanten Leuten
zu unterhalten. n
anderem in Berlin. Das Interview wurde komplett auf Deutsch geführt.
Shimoyamada: Als ich im März 2013 zu Bosch kam, wurde ich
für eine Schulung zur Bosch-Zentrale in Stuttgart geschickt. Ich
bekam eine Führung durch das Archiv in Feuerbach, in dem
man viel über die 129-jährige Geschichte des Unternehmens
lernen kann. In einem kleinen Zimmer hatte man einen Bosch
Laden aus den 1920er Jahren nachgestellt, die Fächer voll mit
historischen Produkten. Ein toller Ort, an dem ich nach einem
langen Tag mit vielen Informationen gerne einen Kaffee getrunken hätte – so kam mir die Idee. Ich dachte an das Erdgeschoss
unserer Japan-Zentrale und die Möglichkeit, die Atmosphäre
des Archivs in Form eines professionellen Cafés hierher zu bringen. Das Café soll den Besuchern auf eine unaufdringliche und
authentische Art und Weise unsere Geschichte näherbringen.
JM: Die Lage nah am Bahnhof Shibuya bringt sicherlich auch
Laufkundschaft, die bis jetzt nur wenig Kontakt zur Marke
Bosch hatte. Erhoffen Sie sich über die neue Sichtbarkeit
auch neue Kundengruppen erschließen zu können?
Shimoyamada: Ja, durchaus. Außerhalb der Automobilindustrie ist unsere Bekanntheit noch sehr gering. Auch im weltweiten Vergleich ist Bosch in Japan relativ unbekannt. Das wollen
wir ändern. Das hier soll eine Art Marktplatz werden, ein Ort
des Geschehens und der Begegnung. Viele Unternehmen bauen
in schicken Vierteln mit teuren Mieten Showrooms, doch das
allein reicht nicht. Das Problem ist der Überfluss an Informationen in der heutigen Welt. In einem Showroom gibt das
Unternehmen selbst Informationen raus, aber die Leute sind
nicht unbedingt an diesen interessiert. Ein Café hingegen kann
besuchen, auch ohne direktes Interesse an der Firma zu haben.
Wenn ein Besucher sich im Café umschaut und im Nachhinein für sich selbst feststellt, dass Bosch kein Kontaktlinsenhersteller ist (es gibt eine bekannte Marke mit ähnlichem Namen) –
vielleicht sogar, dass es sich um eine deutsche Engineering-Firma handelt oder dass wir auch im Automobilbereich tätig
sind – dann haben wir schon viel erreicht. Das erste Ziel heißt
café 1886 at Bosch
Das Café ist nach dem Gründungsjahr von Bosch benannt und serviert moderne Versionen klassischer deutscher Gerichte. Dazu gibt
es speziell gerösteten Kaffee und abends Wein.
Adresse: 3-6-7 Shibuya, Shibuya-ku, Tokyo 150-8360
Tel.: +81(0)3-6427-3207
Öffnungszeiten: Montag – Freitag: 8:00 – 22:00
Samstag:
11:00 – 22:00
Sonn- & Feiertag: 11:00 – 20:00
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