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Zitierhinweis
Rohrschneider, Michael: Rezension über: Philippe Rogger /
Benjamin Hitz (Hg.), Söldnerlandschaften. Frühneuzeitliche
Gewaltmärkte im Vergleich, Berlin: Duncker & Humblot, 2014, in:
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 2015, 4, S.
507, http://recensio.net/r/75c2825621a046dab5712b82d737b42e
First published: Vierteljahrschrift für Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 2015, 4
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Besprechungen
Philippe Rogger/Benjamin Hitz (Hg.): Söldnerlandschaften. Frühneuzeitliche Gewaltmärkte im
Vergleich (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 49). Duncker & Humblot, Berlin 2014, 271
S. (9 Abb., 2 Tab.), 39,90 €.
Der Tagungsband präsentiert neben einer umfangreichen Einleitung der beiden Herausgeber elf
Fallstudien sowie einen ausführlichen perspektivischen Abschlusskommentar (Michael Sikora).
Zeitlich, räumlich und thematisch umfassen die Beiträge in ihrer Gesamtheit ein vergleichsweise
breit angelegtes Spektrum. Im Zentrum steht der lange Zeitraum vom 14. bis zum 18. Jh. mit räumlichen Schwerpunkten in der Eidgenossenschaft und in ausgewählten Territorien bzw. Landschaften
des Heiligen Römischen Reiches, wobei Einzelstudien zu Italien, zur böhmischen Krone sowie zum
Kolonialgeschehen dazu beitragen, eine allzu enge Fokussierung auf einige wenige mitteleuropäische
Kernräume zu vermeiden. Selbstgesetztes Ziel der Herausgeber ist es, in transnationaler Weise eine
„konzeptionelle Verknüpfung der Söldnerthematik mit der analytischen Kategorie des Raumes“
(S. 13) zu bewerkstelligen. Diese intendierte Verschränkung von Militärgeschichte und „spatial turn“
ist, so wird man bilanzieren können, aufs Ganze gesehen gelungen.
Im Anschluss an die einleitenden Ausführungen der Herausgeber zu den zentralen Fragestellungen, der Gliederung und den Leitbegriffen des Bandes (insbesondere zu den Begriffen Söldner,
Landschaften und Gewaltmärkte) präsentieren die Einzelstudien luzide Fallbeispiele, die das Potenzial dieses weiten Forschungsfeldes kenntlich machen. Der Gruppierung der Aufsätze liegt eine
sinnvolle und gut nachvollziehbare Schwerpunktbildung zugrunde: Die erste Sektion („Militärunternehmer und ihr Umfeld: Gewaltmärkte, Akteure, Netzwerke“) umfasst fünf Beiträge, die jeweils
einen ausgewählten Söldner- bzw. Gewaltmarkt ins Zentrum rücken: Italien (Heinrich Lang), Süddeutschland (Reinhard Baumann), die Eidgenossenschaft (Michael Jucker), Fribourg (Jean Steinauer) und Böhmen (Uwe Tresp). Die zweite Sektion („Söldnerhandel zwischen Ethnisierung und
Globalisierung“) setzt sich aus einer Projektskizze von Stefan Aumann und Holger Th. Gräf zum
Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg sowie Studien von Horst Carl über Exoten auf den mitteleuropäischen Kriegsschauplätzen des 17. Jh.s und von Marian Füssel zu fremdländischen Hilfstruppen
im 18. Jh. zusammen. Hier gelingt der nicht einfache Brückenschlag zur außereuropäischen Welt
und zu den gerade für interdisziplinäre Untersuchungen höchst relevanten Themen Fremdwahrnehmungen und Differenzerfahrungen. Die Aufsätze der dritten Sektion („Anreiz und Zwang: Söldner
als Migranten“) von Benjamin Hitz über Luzern, Stefan Xenakis zu oberdeutschen Söldnern und
Ludolf W. G. Pelizaeus zur Galeerenpraxis untersuchen exemplarisch individuelle und strukturelle
Beweggründe für Wanderungsentscheidungen von Söldnern.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Stoßrichtung des Bandes durch das erkennbare Bemühen gekennzeichnet ist, analytische Termini zu schärfen und etablierte Deutungsmuster kritisch
zu hinterfragen. Wie für viele Tagungsbände gilt allerdings auch für dieses Sammelwerk, dass die
Zielsetzungen und Fragestellungen der Herausgeber in den einzelnen Beiträgen mit unterschiedlicher
Intensität umgesetzt wurden. Neben Detailstudien, die den Kernanliegen des Bandes im Wesentlichen
gerecht werden − besonders positiv hervorzuheben ist in diesem Kontext die erste Sektion −, finden
sich auch Beiträge, die zwar anregende Projekte und aufschlussreiche Details präsentieren, welche
aber für die von den Herausgebern skizzierten übergeordneten Fragestellungen nach Eindruck des
Rezensenten doch eher nachrangige Bedeutung haben (etwa die Untersuchungen von Aumann/Gräf
und Pelizaeus). Etwas überraschend ist zudem, dass mit dem Aufsatz von Horst Carl nur eine einzige Studie aufgenommen wurde, die schwerpunktmäßig den für die Gesamtthematik besonders
wichtigen Dreißigjährigen Krieg behandelt. Hier hätte man sich doch noch etwas mehr inhaltliche
Substanz zu dem frühneuzeitlichen Fundamentalkonflikt überhaupt gewünscht. Dass sowohl in diesem konkreten Zusammenhang als auch im Hinblick auf das allgemeine Thema „Söldnerlandschaften“ noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, wird dem Leser bei der Lektüre dieses anregenden
Bandes jedenfalls noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt.
Köln
Michael Rohrschneider
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 102. Band, Heft 4 (2015)
©Franz Steiner Verlag, Stuttgart