Nicht tief wenden, nur horizontal schneiden

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Bio
BAUERNBLATT l 21. November 2015 ■
Pfluglose Bodenbearbeitung im Ökolandbau
Nicht tief wenden, nur horizontal schneiden
Auch in der ökologischen Landwirtschaft wird die pfluglose beziehungsweise nichtwendende Bodenbearbeitung seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Wie es gehen
kann, zeigte der Bioland-Feldtag auf
demHofvonAndreaundJanWittenberg in Burgstemmen im Landkreis
Hildesheim. Die Erkenntnisse aus
Niedersachsen sind auch für Schleswig-Holstein beachtenswert.
„Ich weiß, was ich nicht mehr machen will“, sagt der Bioland-Landwirt
Jan Wittenberg selbstbewusst. Mit
viel Erfahrung im Ackerbau hat der
Agraringenieur, der in Weihenstephan und Kiel studiert hat, vor 15 Jahren den elterlichen Ackerbaubetrieb
in der Hildesheimer Börde mit
Schwarzerde-Lößböden übernommen. Zuvor hatte er nach der Wende
einige Erfahrung als Verwalter auf einem Betrieb bei Magdeburg gesammelt, weitere zwei Betriebe mit
pfluglosem Marktfruchtanbau mit
aufgebaut, war als Berater für spezialisierte Ackerbaubetriebe tätig und
hat eine Ölmühle mit 30.000 t Verarbeitungskapazität pro Jahr aufgebaut. Mit guten Böden und hochintensivem Ackerbau kennt er sich also
aus. Doch irgendwann reifte in ihm
die Entscheidung, dass er noch etwas
anderes machen wollte. Weg von den
Großkonzernen und der Abhängigkeit von der Politik, die er nach der gekippten Steuerbefreiung für Biotreibstoffe mit seiner Ölmühle schmerzlich
spüren musste, so erzählt er.
Pfluglose Fruchtfolgeund Maschinenlösungen
Wie ein bodenschonender und Humus aufbauender Ackerbau ohne Pflug
möglich ist, wurde auf dem Bioland-Feldtag auf dem Betrieb Wittenberg in
Burgstemmen gezeigt.
Fotos: Angelika Sontheimer
Ohne Pflug
und ohne Glyphosat
„Stück für Stück ohne Pflug und
ohne Glyphosat“, formulierte er sein
Ziel. Seit 1998 wirtschaftet er bereits
pfluglos mit Mulchsaat auf dem elterlichen Hof, im Jahr 2010 stellte er die
Landwirtschaft nach den Richtlinien
des Biolandverbandes um. Der Betrieb umfasst 180 ha Ackerfläche, die
einzelnen Schläge haben eine Größe
von 4 bis 45 ha. Die Böden haben
durchweg hohe Bodenpunktzahlen,
der Durchschnitt liegt bei 84 Bodenpunkten. Er gehört zu den Pionieren
im Sojaanbau in Norddeutschland,
und seit Kurzem baut er auch die
Weiße Lupine als Eiweißfrucht an.
Doch es war nicht damit getan, einfach die Pflanzenschutzspritze in die
Ecke zu stellen, erklärt er. „Wir können im Ökolandbau Fehler in der Bodenbearbeitung, Saatbettbereitung
und Aussaat nicht so einfach reparieren wie der konventionelle Landwirt.“ Präzisionsgrubber, Präzisionsfederzahnegge, Hackgerät und Zinkenstriegel zur mechanischen Bodenbearbeitung nehmen daher eine
Schlüsselfunktion im biologischen
Ackerbau ohne Pflug ein. „Nicht tief
wenden, nur horizontal schneiden“,
beschreibt Wittenberg die Arbeitsweise, damit die Samenbeikräuter
keimen, das Wurzelwachstum der
Kultur gefördert wird und die Wurzelbeikräuter vertrocknen.
Präzision in der mechanischen Bodenbearbeitung
Auf dem Feldtag wurden die Bodenbearbeitungsgeräte der bayerischen Firma Treffler gezeigt. Firmenchef Paul Treffler hat sich den
Bodenbearbeitungsgeräten verschrieben, 2004 wurde der Präzisionsstriegel eingeführt, zur Agritechnica 2015 wurde das TrefflerHackgerät auf den Markt gebracht. Den Präzisionszinkenstriegel gibt es in verschiedenen Arbeitsbreiten von 1,50 m bis 15 m.
Er ermöglicht das Striegeln von hohen und niedrigen Kulturen. Seine
Hauptwirkung besteht im Verschütten. Die flach wurzelnden
Unkräuter werden beim Überfahren aus dem Boden gerissen und
vertrocknen oder werden in ihrem
Wachstum gestört. Im Grünland
unterstützt er das Einarbeiten des
Wirtschaftsdüngers und durchlüftet die Grasnarbe. „Der eingestellte Zinkendruck bleibt in jeder Situation konstant, sodass das Gerät
auch bei höheren Geschwindigkeiten nicht aufschaukelt“, erklärt
Paul Treffler. Die Federzahnegge
mit Nivellierzinken hat eine große
Anwendungsbreite vom Abschleppen im Frühjahr über das Strohstriegeln und die Stoppelbearbeitung bis zur Zwischenfruchtsaat
mit einem pneumatischen Sägerät. Beim pfluglosen Kleegrasumbruch kommt sie nach dem Grubbern mit den Gänsefußscharen
zum Einsatz und wendet die Gras-
narbe, damit sie abtrocknen kann.
In Burgstemmen wurde der Präzisionsgrubber vorgeführt. Er wird
vom Hersteller als besonders flexibel mit oder ohne aufgesattelte
Sätechnik, mit großem Einsatzbereich von der flachen bis zur mitteltiefen Bodenbearbeitung und
wendig durch das integrierte Fahrwerk beschrieben. Jan Wittenberg
bestätigt dies. Da die Hinterachse
des Schleppers nicht belastet wird,
kann er mit niedrigem Reifendruck fahren, was ihm für die Bodenschonung wichtig ist. Die Feldtagsbesucher konnten sich nach
der Überfahrt von der horizontal
schneidenden Wirkung der Gänsefußschare überzeugen.
„Im ökologischen Landbau pflugloszuwirtschaften geht, wenn man Lösungen für die Beikrautregulierung
entwickelt und bei geringerer Stickstoffmineralisierung aus dem Boden
für eine alternative Stickstoffzufuhr
sorgt, denn nicht umsonst sind die
Kennzeichen konventioneller Direktsaatbetriebe Roundup und der mineralische N-Unterfuß-Dünger Cultan“,
ist das Fazit von Gustav Alvermann
vom Ökoring Schleswig-Holstein, der
seit 25 Jahren ökologisch wirtschaftende Betriebe betreut. Allerdings
müsse der Landwirt sich im Klaren darüber sein, dass Fruchtfolge und Maschinenlösungen an den jeweiligen
Standort angepasst sein müssten. Der
Berater brachte das Beispiel eines bayerischen pfluglosen Bioland-Betriebes,
der intensiv mit Futterbau arbeitet
und im Getreide bei einer niedrigen
Bearbeitungstiefe von 6 bis 8 cm
40 dt/ha erwirtschaftet. Betriebe, die
diese Vorgehensweise nach Norddeutschland importiert hätten, ernten
jedoch nur 15 dt/ha, da am norddeutschen Standort die natürliche Bodenmineralisierung für Getreide zu spät
komme. Mai und Juni seien in der Regel trocken und kalt, im Süden dagegen warm und feucht. Ein Vergleich
der Regenverteilung in Schleswig-Holstein mit der in Bayern und BadenWürttemberg mache diesen Unterschied deutlich.
FAZIT
Pfluglos wirtschaften im ökologischen Landbau sei also möglich, die Chance einer solchen
Herangehensweise orientiere
sich aber stark am Boden, Klima
und den angebauten Kulturen.
„Mais und Soja im Rheingraben
oder in Niederbayern sind gut
möglich, Weizen in der zähen
Marsch in Schleswig-Holstein mit
nassem Herbst und Winter und
trockenkaltem
Frühsommer
gleicht dagegen ohne Pflug eher
einem verwahrlosten Dauergrünlandbestand als einer geordneten Ackerkultur“, konstatiert Gustav Alvermann vom
Ökoring Schleswig-Holstein.
Angelika Sontheimer
freie Autorin