Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Themenfeld 20 Lernchancen nutzen – der Ausbildungsbeginn als „Teachable Moment“ Themenübersicht Seite j Die neuen Azubis sind da! 3 2 Aller Anfang ist Übergang 3 2 Zwei Welten 4 2 Zu einer anderen Zeit 5 2 Der Mensch als Gewohnheitstier 7 2 Zurück zum Anfang 9 j Unsicherheit nutzen statt nehmen 10 j Wie gestalte ich Lernen mit Teachable Moments? 13 2 Stärken stärken – Ressourcenorientierung 13 2 Nach vorn, nicht zurück – Lösungsorientierung 15 ... Der Autor Alexander Pauly ist Trainer, Coach und Berater. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen von trainsform arbeitet er branchenübergreifend im deutschsprachigen Raum zu den Themen Führung, Teamentwicklung, Persönlichkeitsentwicklung und Change Management. Anschrift: trainsform, Alte Bielefelder Straße 1, 33824 Werther, Tel.: 0 52 03/ 91 81 51, E-Mail: [email protected] PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 1 5 A/20 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung Themenübersicht (Fortsetzung) 2 Wie spät ist es? – Phasen der Teamentwicklung j 17 2 Nicht zu viel und nicht zu wenig – Aufgabengestaltung 18 2 Ermöglichen Sie Begegnungen 20 2 Organisieren Sie Feedback 21 2 Verhaltenstipps für Ausbilder 21 Literatur 24 Seite 2 PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Die neuen Azubis sind da! Zu Beginn eines jeden neuen Lehrjahrs steigt die Spannung. Wie werden sich die neuen Auszubildenden präsentieren? Werden sie schnell lernen, sich in das bestehende Gefüge des Unternehmens einzupassen? Sind sie bereit, ihren Job zu erledigen, mindestens aber die Arbeit der anderen nicht zu verlangsamen? Seien Sie sicher, die Spannung ist beidseitig. Aller Anfang ist Übergang Wer von neuen Auszubildenden spricht, hat in aller Regel jun- Einschneidenge Menschen im Alter von – je nach Schullaufbahn – 17 bis 20 de Phase der Jahren vor Augen. Statistisch gesehen trifft das auch zu. Das Adoleszenz Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn liegt bei knapp 20 Jahren, Tendenz leicht steigend, die größte Gruppe machen die Siebzehnjährigen aus. Dieses Alter markiert nicht nur den Übergang von Schule in Ausbildung, sondern auch die einschneidende Phase der Adoleszenz, des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen. Was ist da los? Die Pubertät hat sicht- und fühlbare Spuren hinterlassen. Das Überkochen der Hormone ist für die Betroffenen oft nur in Gruppen von Leidensgenossen auszuhalten, für Außenstehende gar nicht. Ein wichtiger Entwicklungsschritt besteht darin, emotional unabhängig zu werden. Dies gelingt vor allem auf dem Wege bewusster und unbewusster, subtiler und offener Abgrenzung bis zur Rebellion. Rebellion gegen Eltern, gegen Schule und gegen Vorschriften im Allgemeinen. Die Klassiker in dem Repertoire kennen wir hinlänglich: Notorisch zu spät kommen, Hausaufgaben nur nach eigenem Ermessen anfertigen, Unterricht dezent ausfallen lassen. So vollzieht sich ein permanenter Tanz zwischen Individualität und Zugehörigkeit. Pubertät: Tanz zwischen Individualität und Zugehörigkeit Gleichzeitig hat der zukünftige Azubi in dieser Zeit (hoffent- Selbstbildnis lich) gelernt, seine Stärken und Schwächen realistisch einzuschätzen. Er weiß, mit Rollen und Erwartungen umzuge- PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 3 5 A/20 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung hen. Wenn’s gut gelaufen ist, hat er oder sie ein relativ stabiles und funktionierendes Selbstbildnis entwickelt und kennt seine/ihre sozialen Rollen in seinen/ihren Bezugssystemen (Schule, Familie, Clique, Sportverein, etc.). Kurzum, er oder sie ist endlich angekommen. Und jetzt wartet die Ausbildung! Herzlich Willkommen! Zwei Welten Neue Umgebung, neues Umfeld Es muss einleuchten, dass diese Situation ein Schock sein kann. Gerade noch kannte ich mich aus, konnte mich meiner mühsam gewonnenen Selbst-Sicherheit freuen. Mehr oder weniger souverän bewegte ich mich auf dem gesellschaftlichen Parkett. Ich wusste in den allermeisten Fällen auszutarieren, wie weit ich gehen konnte, ohne ernsthafte Schwierigkeiten zu bekommen. Und plötzlich finde ich mich in einem Umfeld wieder, in dem alles wieder neu und unbekannt ist: eine neue Umgebung, neue Menschen, neue Regeln usw. Das muss verstörend sein. Zuverlässigkeit und Eigenverantwortung Eine Schlüsseltugend, auf die fast jeder Ausbildungsbetrieb von der ersten Minute an Wert legt, ist Zuverlässigkeit im Allgemeinen und Pünktlichkeit im Speziellen – und das um sieben oder acht Uhr morgens! Hand hoch, wer schon einmal von einem Azubi zu hören bekommen hat, „ich habe verschlafen, weil meine Mutter mich nicht rechtzeitig geweckt hat“. Offensichtlich handelt es sich hierbei um ein Relikt aus der Zeit vor der Ausbildung, in der ein flexibler Umgang mit Terminen als schick galt und gleichzeitig das Hotel Mama für Komfort sorgte. Eigenverantwortung ist ein weiteres Lernfeld, das in dieser Phase für die Heranwachsenden wichtig wird. Diese zwei Welten prallen aufeinander. In der harten Realität der Arbeitswelt ist allerdings schnell klar, wer am längeren Hebel sitzt. In jedem Fall entsteht für den Betrieb eine Handlungsnotwendigkeit und der verbreitete Reflex lautet: Wir müssen etwas tun, damit sich die neuen Azubis hier schnell wohl fühlen und einpassen können. Seite 4 PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Empathische Ausbilder wissen, dass sie den Azubis Zeit geben sollten, sich zu akklimatisieren. Ausbilder alter Schule wissen bisweilen, dass man den jungen Leuten möglichst schnell klar macht, wie der Hase läuft. ! Ziel ist es, den Azubis Stabilität und Sicherheit zu geben und möglichst schnell sicherzustellen, dass sie sich in die Betriebsabläufe integrieren, also nicht stören, Regeln verstehen und wertschöpfend tätig sind. Zu einer anderen Zeit Szenenwechsel: Zweites Lehrjahr. Man hat sich eingelebt, Zweites weiß wie der Laden läuft und gehört nicht mehr zu den Neu- Lehrjahr en. Man hat seinen Platz gefunden, versucht die Spielregeln für sich zu nutzen und ansonsten unter dem Radar zu bleiben. Und dann tauchen in den meisten Ausbildungsjahrgängen Probleme bestimmte Probleme auf und müssen von den Ausbildungsverantwortlichen mit großem Aufwand – und nicht selten mit einigem Frust – bearbeitet werden: ● Das ewige Zu-spät-Kommen ● Unordnung im eigenen Arbeitsbereich ● Vernachlässigte Sicherheitsvorschriften (Helm, Brille, Schuhe etc.) ● Verstöße gegen die Kleiderordnung ● Schlampige Ausbildungsdokumentation ● Vernachlässigen einfachster Körperhygienemaßstäbe Und dann hört man sich selbst sagen „das habe ich Dir schon hundertmal gesagt“. Oft ändert sich kurzfristig nach dem nächsten Anpfiff etwas, nur um bereits Tage später wieder zum Ursprungszustand zurückzukehren. Das Hauptproblem schlägt allerdings vermutlich erst Jahre später voll durch. Mitarbeiter, die früh gelernt haben, nur auf äußeren Druck (oder Belohnung) zu reagieren, werden sich schwer tun, Verantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu zeigen. PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 5 5 A/20 ! Teachable Moments Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung Eigenverantwortung und Motivation sind zwei der wichtigsten Ressourcen, die ein Unternehmen besitzen kann. Sie zu fördern, ist nicht einfach. Daher sollte jede Chance dazu genutzt werden. Eine große Chance besteht darin, Teachable Moments, „Lehrbare Momente“, zu nutzen. Und die Einstiegsphase der Ausbildung ist einer der wichtigsten Teachable Moments – für Eigenverantwortung, Motivation und viele andere Werte, die in Ihrem Unternehmen von Bedeutung sind. Exkurs: McGregor Der Amerikaner Douglas McGregor beschrieb im vorigen Jahrhundert ein ebenso einfaches wie einleuchtendes Modell. Danach gibt es zwei Arten von Führungskräften: Y-Führungskräfte sind solche, die mit der Einstellung arbeiten, dass Menschen von Natur aus entwicklungsfähig und -willig sind. Demotivation und Blockieren sind als Ergebnis negativer Erfahrungen zu betrachten. Y-Führungskräfte werden ihre Mitarbeiter ernst nehmen, ihnen Aufgaben und Verantwortung übertragen und ihnen angemessene Freiräume lassen. Die Mitarbeiter werden unter diesen Umständen motiviert sein, ihren Job zu tun und Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume zu nutzen. Das wiederum bestärkt die Führungskräfte in ihrer Grundannahme. Ein positiver Teufelskreis entsteht. X-Führungskräfte nehmen im Gegensatz dazu an, Menschen seien von Natur aus eher faul und müssten mit mehr oder minder sanftem Druck von außen zur Arbeit ermuntert werden. Es gilt das Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Dementsprechend richtet sich ihr Führungsstil an genauer Vorgabe und Kontrolle aus. Mitarbeiter werden unter diesen Bedingungen dazu neigen, alles zu tun, um das „Spiel erfolgreich zu spielen“, aber eben nicht mehr. Auch diese Führungskraft wird in ihrer Überzeugung bestätigt. Ein echter Teufelskreis beginnt. Seite 6 PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Abb. 1: Zusammenhang Grundannahmen und Verhalten (nach McGregor) Der Mensch als Gewohnheitstier Wer jemals versucht hat, einen guten Vorsatz in die Tat umzu- Stabilität setzen oder eine schlechte Angewohnheit loszuwerden, der durch Wiederweiß, wie anstrengend und frustrierend dies sein kann. Für holung alles, was wir gewohnheitsmäßig tun, ist in unserem Gehirn ein spezifischer Pfad über ganz bestimmte Neurone angelegt. Je häufiger wir etwas tun oder denken, desto stabiler wird der Pfad. Das können wir z. B. immer wieder beim Vokabelnlernen, Auswendiglernen eines Gedichts oder beim Einüben eines Musikstücks feststellen. Wiederholung macht’s! Erinnern Sie sich, wie anstrengend Auto fahren zu Fahrschulzeiten war? Heute können wir sogar parallel noch telefonieren, rauchen und dem Navi folgen. PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 7 5 A/20 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung Neuronale Pfade Je besser der neuronale Pfad ausgebaut ist, desto leichter fällt es uns, eine Handlung auszuführen, und desto weniger Energie muss im Gehirn bereitgestellt werden. Das ist nicht unwichtig bei einem Organ, das zwar nur ca. zwei Prozent unserer Körpermasse ausmacht, aber für ca. 20 Prozent unseres Energieverbrauchs verantwortlich ist, denn desto mehr Energie steht anderen Dingen zur Verfügung. Gewohnheiten Gewohnheiten sind außerdem überlebenswichtig. Reflexe und Intuition beruhen auch auf Erfahrungen. Das hilft uns, im Straßenverkehr zu überleben (was kleine Kinder z. B. noch nicht allein können). Vor allem, wenn wir beim Autofahren, Rauchen, Telefonieren und Navigieren einen Verkehrsteilnehmer übersehen haben. Und weil die Natur belohnt und fortführt, was gut funktioniert, brechen wir nur ungern mit bewährten Gewohnheiten. ! Extrinsische und intrinsische Motivation Ein Beispiel: Wenn ich als Azubi erlebe, dass Verschwendung im eigenen Arbeitsbereich keine Konsequenzen hat, sondern offensichtlich geduldete Praxis ist, dann lerne ich etwas sehr nachhaltig. Veränderung ist erst recht schwer, wenn jemand von außen uns dazu bringen will. Dann reagieren wir gerne auch mal mit Trotz und Abwehr. Es ist eben ein Unterschied, ob ich etwas tue, weil mein Ausbilder dies von mir verlangt, oder weil ich es für sinnvoll und notwendig halte. Die Motivationswissenschaft kennt hierfür die Begriffe extrinsisch (Motivation von außen) und intrinsisch (Motivation von innen). Und doch gibt es Situationen, in denen Lernen und Veränderung ganz schnell und leicht gehen. Die Einstiegssituation der Ausbildung könnte zu so einer Situation werden. Seite 8 PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Zurück zum Anfang Fassen wir vorerst zusammen: ● Azubis beginnen ihre Ausbildung in einer Entwicklungsphase, die ihnen bereits viel abverlangt hat. ● Der Ausbildungsbeginn bedeutet einen Umbruch, der geprägt ist von neuen Erwartungen, Regeln und Werten. ● Gewohnheiten werden schnell gebildet, aber nur schwer wieder überlernt. ● Eigenverantwortung und Engagement sind für jeden Ausbildungsbetrieb in höchstem Maße wünschenswert. Lernen im Sinne von überzeugt sein und nachhaltig verinnerlicht haben, braucht entsprechende Grundvoraussetzungen. Am besten funktioniert das in Situationen, in denen der Mensch offen ist für neue Impulse. Dies sind nicht zwingend solche Situationen, in denen er sich besonders wohl fühlt. Es sind Momente erhöhter Aufmerksamkeit für Neues – Teachable Moments, wie der Ausbildungsbeginn. PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 ! Seite 9 5 A/20 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung Unsicherheit nutzen statt nehmen Der Amerikaner Kurt Lewin befasste sich u. a. mit der Veränderbarkeit von Organisationen. Sein Phasenmodell findet in der Organisationsberatung weithin Anwendung. Lewin kommt zu der schlichten Erkenntnis, dass, wer ein Unternehmen verändern will, es zunächst „auftauen“ muss. Abb. 2: Veränderungsphasen nach Lewin Versteinerung Jedes Unternehmen hat wie jedes Individuum ein Grundbedürfnis nach Stabilität, nach Sicherheit, nach Beständigkeit. Dieses ist zwar unterschiedlich stark ausgeprägt und es gibt selbstverständlich auch ein gegenläufiges Bedürfnis nach Abwechslung, nach Stimulanz. Schlimmstenfalls führt es aber zur „Versteinerung“ einer Organisation. Wir sprechen dann von eingeschliffenen Gewohnheiten oder von verkrusteten Strukturen. Wer versucht, von außen darauf Einfluss zu nehmen, erlebt nicht selten Widerstand, Abwehr oder Blockade. Oder er wird Zeuge eines „Jo-Jo-Effekts“: Der Mensch lernt etwas, verhält sich kurzfristig anders, das alte Verhalten kommt aber nach kurzer Zeit wieder zurück. Soll sich wirklich etwas ändern, so muss der Panzer aus Überzeugungen, Wahrnehmungsstrukturen und Gewohnheiten einen Riss bekommen. Mit Lewins Worten: Er muss antauen. Seite 10 PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Teachable Moment: charakteristische veränderte Wahrnehmung: Statt selektiver Wahrnehmung Merkmale (wir sehen, was wir sehen wollen) lässt unser Bewusstsein jede Menge frischen Input zu, Ein Teachable Moment ist eine solche Situation, in der sich ein Individuum in diesem Zustand befindet, meist ohne dass dies bewusst herbeigeführt wäre. Für einen Teachable Moment sind folgende Merkmale charakteristisch: ● ● Angst vor Versagen, vor Kontrollverlust, vor sozialer Bloßstellung, ● ein unbekanntes/unerwartetes Problem, das nicht mit Variationen bekannter Lösungen zu bewältigen scheint, ● neue Werte und Erwartungen: Was richtig und wichtig ist, verändert sich. Alle diese Merkmale treffen sehr genau auf die Einstiegsphase einer Ausbildung zu. Und das ist eine frohe Botschaft, denn zumeist lassen sich Teachable Moments nicht zuverlässig vorhersagen. Nutzen Sie also diese einmalige Chance, mit Ihren Azubis zu arbeiten, sie richtig zu fordern. Aber nicht nur im Sinne von „wo finde ich was“ oder „wie finde ich möglichst schnell Anschluss und Gemütlichkeit“, sondern im Sinne nachhaltiger Werte- und Persönlichkeitsentwicklung. ! Exkurs Momente besonderer Veränderbarkeit Der Psychologe und Hirnforscher Gerald Hüther nennt zwei Begebenheiten, zu denen sich Persönlichkeit sogar fundamental verändern kann: ● in Krisensituationen, wie Tod, Krankheit, Trennung oder Niederlage, ● in tiefempfundenen Beziehungen, in Liebe, in Familie, in Freundschaft. PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 11 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 „Dünger für’s Gehirn ! Seite 12 Allgemein scheint die Beziehungskomponente besonders wichtig zu sein. Und wie für jeden nachhaltigen Lernprozess sind auch hier Emotionen essenziell. Freude bewirkt die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn. Dopamin ist ein neuroplastischer Botenstoff. Das bedeutet, unter Dopamin bilden sich schneller und besser neue Neuronenverbindungen. Es ist eine Art Dünger für’s Gehirn. Was sind die Zutaten für einen Teachable Moment? ● Eine Situation, die für hinreichend Irritation und Sichin-Frage-stellen sorgt ● Ehrliche Beziehungsangebote ● Freude und Erfolgserlebnisse PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Wie gestalte ich Lernen mit Teachable Moments? Teachable Moments sind einzigartige Chancen für individuelles und organisationales Lernen. Die Einstiegsphase der Ausbildung ist so ein Moment, der noch dazu vorhersehbar ist. Im Folgenden werden Ansätze und Methoden vorgestellt, die in besonderem Maße geeignet sind, Entwicklung zu fördern. Stärken stärken – Ressourcenorientierung Teachable Moments bieten eine ideale Gelegenheit, sich seiner Stärken zu vergewissern. Neue Herausforderungen werfen die Frage auf: „Was kann ich in die Waagschale werfen?“ Um an der Wahrnehmung von Stärken und Schwächen zu arbeiten, ist das Modell der Entwicklungsquadrate nach Friedemann Schulz von Thun empfehlenswert. Abb. 3: Entwicklungsquadrate nach Schulz von Thun Die Grundidee des Modells besteht darin, Verhalten aus un- Grundidee des terschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dazu ein Bei- Modells spiel: Ein Azubi ist ein eher stiller Vertreter. Er beteiligt sich nicht an Diskussionen und lässt auch niemanden an seinem Befinden teilhaben. Er scheint jedoch nicht unmotiviert zu sein (Feld A). Was wie eine Schwäche wahrgenommen wer- PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 13 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 den kann, könnte auch die Übertreibung einer Stärke sein. Der positive Kern an seinem Verhalten ist, dass er als angenehm zurückhaltend, sensibel und höflich erlebt wird (Feld B). A und B sind somit nur unterschiedliche Ausprägungen desselben Verhaltens. A ist einfach „zu viel des GUTEN“. Meist ist es einfacher, das richtige Maß zu finden, als eine Schwäche ausmerzen zu wollen. Gleichzeitig gibt es zu jedem Verhalten ein positives Gegenteil (Feld C). Dies könnte in unserem Beispiel bedeuten, sich aktiv einzubringen, wichtige Punkte anzusprechen und anderen Feedback zu geben. Viele haben jedoch Angst, es könnte als negative Übertreibung des positiven Gegenteils (Feld D) wahrgenommen werden. Dies könnte in diesem Fall z. B. in Unhöflichkeit, vorlaut sein oder der Eigenschaft, andere dominieren zu wollen, gesehen werden. Das Modell ermöglicht es, den positiven Kern vordergründiger Schwächen zu erkennen und in einem angemessenen Maße das Gegenteil zu erlauben. Das ist Ressourcenorientierung. Ressourcenorientiertes Arbeiten: Fragen Seite 14 Mit diesen Fragen arbeiten Sie ressourcenorientiert: ● Was ist gut daran, sich so zu verhalten? Für Dich? Für andere? ● Wann, in welcher Situation, hat es Dir schon mal geholfen, Dich so zu verhalten? ● Was denkst Du, bis zu welchem Maß ist es richtig gut? ● Was ist Deiner Meinung das Gegenteil davon? ● Wann, in welchen Situationen, wäre es gut, sich so zu verhalten? ● Angenommen Du würdest Dich so verhalten, wie wäre das dann für Dich? ● In welchen Situationen könntest Du Dir das vorstellen? ● Gab es schon mal Situationen, in denen es Dir zumindest ein klein wenig schon so gelungen ist? ● Was war da anders als sonst? Was war gut daran? PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Nach vorn, nicht zurück – Lösungsorientierung In unsicheren Situationen dominiert zumeist die Problem- Problemsicht sicht. Wenn die Standardlösungsprozeduren nicht sofort wirken, beginnt oft das Jammern und Klagen. Ursachen werden wieder und wieder analysiert und irgendwann wird dann versucht, die Verantwortung abzuschieben oder das Problem schlicht auszusitzen. Genau in solchen Momenten bilden sich Haltungen wie „ich kann sowas einfach nicht“, „ich hab’s ja immer gewusst“ oder „das hat ja noch nie geklappt“. Genau in dieser Situation wäre es sinnvoll, die Fähigkeit, sich Lösungsmit Chancen, Möglichkeiten, Zielen und Lösungen auseinan- orientiertes derzusetzen, einzufordern. Dazu können und sollten Sie den Vorgehen Teachable Moment zu Ausbildungsbeginn nutzen, indem Sie konsequent lösungsorientiert vorgehen. Abb. 4: Problemraum und Lösungsraum Ich empfehle, sich Problemorientierung und Lösungsorientie- Gesprächsrung wie den Aufenthalt in zwei benachbarten Räumen vorzu- diagnostik stellen. Im virtuellen Problemraum befinden sich neben Problemen auch Hindernisse, Schwächen, Ursachen, Risiken, Misserfolge, Schuldzuweisungen usw., nur eben keine Lösungen. Die befinden sich im virtuellen Lösungsraum, zusammen mit Zielen, Chancen, Möglichkeiten, Stärken, Ideen usw. Benutzen Sie diese Vorstellung zunächst zur Gesprächsdiagnostik. Je nach Gesprächsthema wissen Sie, in welchem PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 15 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Raum Sie gerade sind. Treffen Sie dann die Entscheidung, vom Problemraum in den Lösungsraum hinüberzugehen. Diese gedankliche Bewegung steuern Sie ganz einfach, indem Sie gezielt nach Themen des anderen Raumes fragen und in den Antworten kein Zurückweichen zulassen. ! Ein Beispiel Ein neuer Azubi beklagt, dass er seine Ausbildungsberichte nicht oder nicht rechtzeitig anfertigen konnte. Sein eigener Rechner sei kaputt, Geld für einen neuen habe er nicht und am Arbeitsplatz hätte er keine ruhige Minute, weil dann ständig irgendjemand etwas von ihm wolle. Was er denn nur tun soll? Sie haben jetzt mehrere, zum Teil richtungsweisende Möglichkeiten zu reagieren. Sie könnten ihm sagen, das sei sein Problem. Sie könnten ihm eine mögliche Lösung für das Problem nennen. Sie könnten ihm auch eine Standpauke halten. Oder sie entschließen sich, lösungsorientiert vorzugehen und ihn in die Lösungssuche einzubeziehen. Grundsätzlich wichtig ist, dem Azubi gegenüber deutlich zu machen, wer wofür verantwortlich ist. Er hat bereits gezeigt, dass er verschiedene Lösungen in Betracht gezogen hat. Jetzt gilt es, ihm Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, ihn also in der Verantwortung zu belassen, ohne ihn im Regen stehen zu lassen. Dies geht am besten in einer klaren lösungsorientierten Fragehaltung: Seite 16 ● Welche Lösungen hast Du schon ausprobiert? ● Was davon hat schon ganz gut oder ein wenig funktioniert? ● Was möchtest Du bei dem Problem erreichen? Was ist Dir dabei wichtig? ● Mit wem könntest Du noch über eine Lösung sprechen? ● Welche Ideen hast Du noch zur Lösung? ● Was könnte Dir helfen? ● Was machst Du jetzt als Erstes? PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Durch klare Lösungsorientierung im Teachable Moment entwickeln Sie Verantwortungsbewusstsein und Problemlösekompetenz Ihrer Azubis. Wie spät ist es? – Phasen der Teamentwicklung Gruppen durchlaufen in ihrer Entwicklung bestimmte charak- Teamuhr teristische Phasen. Diese werden in dem Modell der Teamuhr dargestellt. Über die erste Phase (Forming), in der die Gruppe neu zusammenkommt und alle einander vorsichtig abtasten, gelangt sie in die zweite Phase (Storming), in der Konflikte um Einfluss, Ansehen und Rollen zutage treten. Für den Umgang mit Azubi-Gruppen am Beginn ihrer Unternehmenskarriere ist es wichtig zu verstehen, dass diese Phasen absolut erwartbar und notwendig sind. Sie sind Teil der „angetauten“ Grundsituation, die den Teachable Moment ausmachen. Eine genauere Beschreibung der Phasen und wie die Teamentwicklung im Auszubildenden-Team gefördert werden kann, finden Sie in dem Beitrag 8 A/2 „Teamentwicklung mit Auszubildenden“. Abb. 5: Teamuhr nach Tuckman PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 17 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 ! Wichtige Hinweise, um auch hieraus zu lernen, sind: ● Erwarten Sie den Sturm, seien Sie skeptisch, wenn nichts passiert; sprechen Sie dann diese Beobachtung an. ● Fördern Sie die Feedback-Fähigkeit, indem Sie Regeln erarbeiten und ausprobieren. ● Fördern Sie die Gelegenheit zur Metakommunikation. Stellen Sie also die Frage danach, WIE hier kommuniziert wird. ● Haben Sie Geduld und lassen Sie es auch mal laufen, anstatt jeden Konflikt mit Friede, Freude, Eierkuchen zuzukleistern. ● Machen Sie zum Thema, wie mit Unterschiedlichkeit umgegangen werden soll. So genutzt hilft Ihnen dieser Teachable Moment sehr, Kommunikations- und Konfliktbewältigungskompetenz zu entwickeln. Nicht zu viel und nicht zu wenig – Aufgabengestaltung Fachliche Entwicklung Seite 18 Für das Unternehmen sind die weichen Faktoren wie Eigenverantwortung, Motivation, Konfliktfähigkeit usw. besonders wichtig und eben nicht allzu leicht zu beeinflussen. Selbstverständlich sollte bei der Gestaltung eines Teachable Moments auch die fachliche Entwicklung des Azubis in Blick genommen werden. Entsprechend reichhaltig sollten die Aufgaben für ihn sein. Es geht darum, weder zu über- noch zu unterfordern. Das folgende Modell hilft Ihnen, das richtige Maß zu wählen. PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Abb. 6: MEDD – Mitarbeiterentwicklung durch Delegation Mitarbeiterentwicklung durch Delegation (MEDD) betrachtet MEDD zwei Aspekte von Aufgaben. 1. Der erforderliche Lernschritt: 0 = Aufgabe entspricht dem aktuellen Lernstand; 1 = Aufgabe erfordert vom Azubi den nächsten Lernschritt; 2 = Aufgabe ist deutlich schwieriger als zum aktuellen Zeitpunkt vom Azubi zu bewältigen, aber nicht per se überfordernd. 2. Den Wertschöpfungsgehalt der Aufgabe: eine Aufgabe mit geringem Wertschöpfungsgehalt bedeutet ein begrenztes Risiko. Je höher der Wertschöpfungsgehalt ist, desto größer ist die Verlustgefahr, wenn der Azubi bei der Bewältigung scheitert. 1 = selbst wenn die Aufgabe schiefgeht, droht dem Unternehmen kein Verlust; 2 = die Aufgabe ist mit gewissen Kosten/einem Budget verbunden; dies steigert den Reiz der Aufgabe, erhöht aber PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 19 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 auch die Verantwortung; 3 = die Aufgabe hat einen hohen Wertschöpfungsgehalt, ein Scheitern wäre im Unternehmen recht unangenehm. Eignung der Aufgaben Daraus lässt sich ableiten, inwieweit eine Aufgabe geeignet ist, eine Entwicklung zu fördern. Dementsprechend lassen sich nun Aufgaben wie folgt klassifizieren: Felder G, H, I: Diese Aufgaben entsprechen der Komfortzone des Azubis. Lernfortschritte sind nicht zu erwarten. Aufgaben von hohem Wertschöpfungsgehalt (I) können jedoch dafür genutzt werden, mit dem Azubi gemeinsam über den Tellerrand zu schauen. Solche Aufgaben bieten die Chance, betriebswirtschaftliche Zusammenhänge gesamtunternehmerisch einzuordnen. Feld A: Diese Aufgaben bedeuten einen Sprung ins kalte Wasser bei begrenztem Risiko. Und damit hohen Lerngehalt. Felder B, C, F: Bei diesen Aufgaben ist mehr Anleitung und Kontrolle erforderlich. Sie eignen sich nur bedingt, um von Azubis eigenverantwortlich ausgeführt zu werden. Felder D, E: Diese Aufgaben entsprechen angemessenen Lernschritten. Besonders die Werthaltigkeit von E kann sehr reizvoll sein. Bei D bedarf es in der Regel keiner begleitenden Kontrolle. Führen mit Zielen kann hier geübt werden. Ermöglichen Sie Begegnungen Patenschaften, Mentoren, „Kamingespräch“ Seite 20 Beziehungen sind, wie bereits ausgeführt, von großer Bedeutung für nachhaltiges Lernen: ● Organisieren Sie bereits unmittelbar zu Beginn der Ausbildung die Begegnung mit erfahrenen und erfolgreichen Mitarbeitern Ihres Unternehmens. Überlassen Sie es nicht den anderen Azubis, zu Vorbildern füreinander zu werden. Die Gefahr besteht, dass diese sich in ihrer Unsicherheit nur gegenseitig in ihren Wahrnehmungen bestärken. Und schon wäre er dahin, der schöne Teachable Moment. ● Organisieren Sie Patenschaften oder Mentorenpartnerschaften. Achten Sie darauf, dass Sie nur solche MitarPersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 beiter zu Mentoren bestellen, die ebenfalls die gewünschten Werte im Unternehmen leben. ● Oder planen Sie frühzeitig ein „Kamingespräch“ mit eben solchen Unternehmensvertretern, die ein geeignetes Rollenvorbild sein könnten. Zeigen Sie in der Auswahl Vielseitigkeit, damit auch für jeden etwas dabei ist. ● Sorgen Sie dafür, dass bei solchen Gelegenheiten über Erfolgsstorys im Unternehmen gesprochen wird. Organisieren Sie Feedback Um einen Teachable Moment optimal nutzen zu können, ist Reflexion wichtig. Dafür können Sie zwei Dinge tun: Leiten Sie die Azubis an, Erfahrungen im Hinblick auf Nutzen 1. Lessons learned für die Zukunft auszuwerten: ● Was habt Ihr gelernt? ● Welche Ressourcen, Stärken, Fähigkeiten haben Euch dabei geholfen? ● Was von dem Gelernten könntet Ihr in welchen anderen Situationen verwerten? ● Was ist dazu notwendig? ● Was tut Ihr als Nächstes? Fördern Sie innerhalb der Ausbildungsgruppe das „Sprechen 2. Metakommunikation über das Sprechen“: ● Thematisieren Sie, bzw. lassen Sie thematisieren, wie untereinander kommuniziert wird. ● Schulen Sie die Fähigkeiten des aktiven Zuhörens und des Formulierens von Ich-Botschaften. Verhaltenstipps für Ausbilder Teachable Moments in der Ausbildung können langfristig der Besondere beste Nährboden für Erfolge und Entwicklung im ganzen Un- Verantwortung ternehmen sein. Als Ausbilder kommt Ihnen eine besondere der Ausbilder Verantwortung zu, diesen zu nutzen. Dazu folgende Vorschläge: PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 21 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 1. Aufnahmebereit für Teachable Moments Seien Sie aufnahmebereit für Teachable Moments! Die Einstiegsphase ist noch relativ gut vorhersehbar, weitere Teachable Moments können sich spontan und kurzfristig ergeben. Dann gilt es, auf Zack zu sein. Grundsätzlich gilt: Je gewichtiger ein äußerer Einfluss ist, desto wahrscheinlicher wird auch darüber im Unternehmen gesprochen. Oder anders ausgedrückt, der äußere Einfluss muss relevant sein, er muss für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Unterschied machen. Dies gilt ziemlich sicher für alles, was eine Störung der gewohnten Routinen und Prozesse darstellt. Für Azubis könnten Abteilungswechsel und der Ausbildungsabschluss wertvolle Teachable Moments werden. 2. Nicht mit der ersten Antwort zufrieden geben Geben Sie sich nie mit der ersten Antwort zufrieden! Ganz gleich an welchen Bereich Sie denken, fast immer entspringt die erste, die naheliegendste Lösung unserer Komfortzone. Wenn ein Problem auftritt, sucht unser Gehirn zunächst nach gewohnheitsmäßigen Lösungen. Machen Sie es sich zur Angewohnheit, Ihrerseits routinemäßig mit der Frage „Was noch?“ zu antworten. Sie werden förmlich sehen, wie es hinter der Stirn des Azubis zu arbeiten beginnt. Fragen Sie so lange „Was noch?“, bis Sie sicher sind, dass wirklich nichts mehr kommt. Haben Sie in dieser Phase Geduld und halten Sie Stille aus. Schweigen ist oft ein Zeichen von Denkprozessen. Achten Sie auf die Augenbewegungen des Azubis. Sie verraten Ihnen sehr gut, ob er wirklich nach weiteren Ideen sucht, oder ob er nur wartet, dass Sie ihm die Arbeit abnehmen. Sollte dem so sein, dann tun Sie das nicht, sondern vertagen Sie die Entscheidung und bitten Sie ihn, bis zum nächsten Mal eigene Ideen zu entwickeln. Weitere unterstützende Fragen sind: Seite 22 ● Angenommen, Du würdest das so tun, was erwartest Du, passiert dann? ● Was wäre gut an Deiner Lösung? Was weniger? ● Was müsstest Du tun, um das Problem noch zu verschlimmern? ● Wie würde das wohl . . . (Dein Kollege/Dein Vorarbeiter/ . . .) sehen/handhaben? PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 Geben Sie sich nie damit zufrieden, wenn eine Antwort nur 3. Nicht nur aufzeigen, was aufzeigt, was nicht gut bzw. zu vermeiden ist! Menschen sind groß darin zu benennen, was ihrer Ansicht nicht gut ist nach schlecht ist, nicht funktioniert, nicht sein soll. Das ist Problemorientierung. Machen Sie es sich zur Angewohnheit, routinemäßig mit der Frage „Sondern?“ dagegen zu halten. Also z. B.: „Wir wollen das nicht schon wieder machen!“ → „Sondern?“ 4. Fehler Heißen Sie Fehler willkommen! Bei der NASA wollte man Entwicklungsingenieure dazu er- willkommen muntern, größere Risiken einzugehen. Bei der Entwicklung heißen unbemannter (!) Raketen wurde jedes Mal im Kontrollraum applaudiert, wenn etwas Teures in die Luft geflogen war. Man war zwar gescheitert, hatte es aber wenigstens versucht. Der amerikanische Alcoa-Konzern zählt zu den drei größten Aluminium-Produzenten weltweit. Um einer schwierigen Unternehmenskrise zu entkommen, fokussierte der damalige Vorsitzende Paul O’Neill die Unternehmensstrategie auf das Thema Arbeitssicherheit. Arbeitsunfälle sollten ausgeschlossen werden (und das in einem Unternehmen, das mit kochendem Aluminium Geschäfte macht!). Ausnahmslos jeder Arbeitsunfall musste bis ganz nach oben gemeldet werden. Manager, die dies versäumten – selbst die erfolgreichsten –, mussten sofort ihren Posten räumen. Warum? Weil sie dem Unternehmen eine Chance zu lernen genommen hatten. Widerstehen Sie der Versuchung, alles regeln und kontrollie- 5. Nicht alles kontrollieren ren zu wollen! Wer alles regelt und alles kontrolliert, erzieht seine Azubis dazu, nur das zu tun, was den Regeln entspricht, aber nicht mehr. Abgesehen davon dürfte es utopisch sein, wirklich alles zu regulieren. Je mehr Sie regeln, desto vielfältiger werden auch die Lücken. Heißen Sie Fehler also nicht nur willkommen, sondern lassen Sie sie auch zu. Und üben Sie mit den Azubis, daraus zu lernen. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht für gesundheitsgefährdende oder in hohem Maße wertvernichtende Handlungen gilt. PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013 Seite 23 Praxis-know-how Teachable Moments in der Ausbildung 5 A/20 6. Erfolge feiern Feiern Sie Erfolge! Sorgen Sie dafür, dass jeder erfährt, wann und wo etwas gut gelungen ist. Inszenieren Sie Erfolgsrituale. Für besonders gelungene Leistungen oder Problemlösungen könnten Sie ein gemeinsames Frühstück oder eine Runde Pizza für alle Beteiligten spendieren. Eine einfache Runde Applaus tut es manchmal auch, wobei es dabei eher weniger darum gehen sollte, einzelne Personen besonders hervorzuheben. 7. Nicht mit Standard zufrieden sein Geben Sie sich nie mit Standard zufrieden! Gut ist langfristig nicht gut genug. Setzen Sie hohe Maßstäbe, halten Sie diese konsequent durch und fragen Sie permanent nach Verbesserungsmöglichkeiten. Nur so etablieren Sie im Unternehmen von Beginn an einen Arbeitsethos, der Höchstleistungen verspricht. Literatur: [1] DUHIGG, C.: Die Macht der Gewohnheit – Warum wir tun, was wir tun. München 2012 [2] HEATH, C./HEATH D.: Switch – Veränderungen wagen und dadurch gewinnen. Frankfurt a. M. 2011 [3] PINK, D. H.: Drive – Was Sie wirklich motiviert. Salzburg 2010 [4] SANDER, C.: CHANGE! Bewegung im Kopf – Ihr Gehirn wird so, wie Sie es benutzen. Göttingen 2012 Seite 24 PersonalAusbilden 82. Erg.-Lfg. – Oktober 2013
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