Teachable Moment

Praxis-know-how
Teachable Moments in der Ausbildung
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Themenfeld 20
Lernchancen nutzen –
der Ausbildungsbeginn
als „Teachable Moment“
Themenübersicht
Seite
j
Die neuen Azubis sind da!
3
2 Aller Anfang ist Übergang
3
2 Zwei Welten
4
2 Zu einer anderen Zeit
5
2 Der Mensch als Gewohnheitstier
7
2 Zurück zum Anfang
9
j
Unsicherheit nutzen statt nehmen
10
j
Wie gestalte ich Lernen mit Teachable Moments?
13
2 Stärken stärken – Ressourcenorientierung
13
2 Nach vorn, nicht zurück – Lösungsorientierung
15
...
Der Autor
Alexander Pauly ist Trainer, Coach und Berater. Mit seinen Kolleginnen und
Kollegen von trainsform arbeitet er branchenübergreifend im deutschsprachigen Raum zu den Themen Führung, Teamentwicklung, Persönlichkeitsentwicklung und Change Management.
Anschrift: trainsform, Alte Bielefelder Straße 1, 33824 Werther, Tel.: 0 52 03/
91 81 51, E-Mail: [email protected]
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Themenübersicht (Fortsetzung)
2 Wie spät ist es? – Phasen der Teamentwicklung
j
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2 Nicht zu viel und nicht zu wenig – Aufgabengestaltung
18
2 Ermöglichen Sie Begegnungen
20
2 Organisieren Sie Feedback
21
2 Verhaltenstipps für Ausbilder
21
Literatur
24
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Die neuen Azubis sind da!
Zu Beginn eines jeden neuen Lehrjahrs steigt die Spannung. Wie werden sich die neuen Auszubildenden präsentieren? Werden sie schnell lernen, sich in das bestehende
Gefüge des Unternehmens einzupassen? Sind sie bereit,
ihren Job zu erledigen, mindestens aber die Arbeit der anderen nicht zu verlangsamen? Seien Sie sicher, die Spannung ist beidseitig.
Aller Anfang ist Übergang
Wer von neuen Auszubildenden spricht, hat in aller Regel jun- Einschneidenge Menschen im Alter von – je nach Schullaufbahn – 17 bis 20 de Phase der
Jahren vor Augen. Statistisch gesehen trifft das auch zu. Das Adoleszenz
Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn liegt bei knapp
20 Jahren, Tendenz leicht steigend, die größte Gruppe machen die Siebzehnjährigen aus. Dieses Alter markiert nicht
nur den Übergang von Schule in Ausbildung, sondern auch
die einschneidende Phase der Adoleszenz, des Übergangs
vom Kind zum Erwachsenen.
Was ist da los? Die Pubertät hat sicht- und fühlbare Spuren
hinterlassen. Das Überkochen der Hormone ist für die Betroffenen oft nur in Gruppen von Leidensgenossen auszuhalten,
für Außenstehende gar nicht. Ein wichtiger Entwicklungsschritt besteht darin, emotional unabhängig zu werden. Dies
gelingt vor allem auf dem Wege bewusster und unbewusster,
subtiler und offener Abgrenzung bis zur Rebellion. Rebellion
gegen Eltern, gegen Schule und gegen Vorschriften im Allgemeinen. Die Klassiker in dem Repertoire kennen wir hinlänglich: Notorisch zu spät kommen, Hausaufgaben nur nach
eigenem Ermessen anfertigen, Unterricht dezent ausfallen
lassen. So vollzieht sich ein permanenter Tanz zwischen Individualität und Zugehörigkeit.
Pubertät: Tanz
zwischen Individualität und
Zugehörigkeit
Gleichzeitig hat der zukünftige Azubi in dieser Zeit (hoffent- Selbstbildnis
lich) gelernt, seine Stärken und Schwächen realistisch
einzuschätzen. Er weiß, mit Rollen und Erwartungen umzuge-
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hen. Wenn’s gut gelaufen ist, hat er oder sie ein relativ stabiles
und funktionierendes Selbstbildnis entwickelt und kennt seine/ihre sozialen Rollen in seinen/ihren Bezugssystemen
(Schule, Familie, Clique, Sportverein, etc.). Kurzum, er oder
sie ist endlich angekommen.
Und jetzt wartet die Ausbildung! Herzlich Willkommen!
Zwei Welten
Neue Umgebung, neues
Umfeld
Es muss einleuchten, dass diese Situation ein Schock sein
kann. Gerade noch kannte ich mich aus, konnte mich meiner
mühsam gewonnenen Selbst-Sicherheit freuen. Mehr oder
weniger souverän bewegte ich mich auf dem gesellschaftlichen Parkett. Ich wusste in den allermeisten Fällen auszutarieren, wie weit ich gehen konnte, ohne ernsthafte Schwierigkeiten zu bekommen. Und plötzlich finde ich mich in einem
Umfeld wieder, in dem alles wieder neu und unbekannt ist:
eine neue Umgebung, neue Menschen, neue Regeln usw.
Das muss verstörend sein.
Zuverlässigkeit und
Eigenverantwortung
Eine Schlüsseltugend, auf die fast jeder Ausbildungsbetrieb
von der ersten Minute an Wert legt, ist Zuverlässigkeit im Allgemeinen und Pünktlichkeit im Speziellen – und das um sieben oder acht Uhr morgens! Hand hoch, wer schon einmal
von einem Azubi zu hören bekommen hat, „ich habe verschlafen, weil meine Mutter mich nicht rechtzeitig geweckt
hat“. Offensichtlich handelt es sich hierbei um ein Relikt aus
der Zeit vor der Ausbildung, in der ein flexibler Umgang mit
Terminen als schick galt und gleichzeitig das Hotel Mama für
Komfort sorgte. Eigenverantwortung ist ein weiteres Lernfeld,
das in dieser Phase für die Heranwachsenden wichtig wird.
Diese zwei Welten prallen aufeinander. In der harten Realität
der Arbeitswelt ist allerdings schnell klar, wer am längeren
Hebel sitzt. In jedem Fall entsteht für den Betrieb eine Handlungsnotwendigkeit und der verbreitete Reflex lautet: Wir
müssen etwas tun, damit sich die neuen Azubis hier schnell
wohl fühlen und einpassen können.
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Empathische Ausbilder wissen, dass sie den Azubis Zeit geben sollten, sich zu akklimatisieren. Ausbilder alter Schule
wissen bisweilen, dass man den jungen Leuten möglichst
schnell klar macht, wie der Hase läuft.
!
Ziel ist es, den Azubis Stabilität und Sicherheit zu geben
und möglichst schnell sicherzustellen, dass sie sich in die
Betriebsabläufe integrieren, also nicht stören, Regeln verstehen und wertschöpfend tätig sind.
Zu einer anderen Zeit
Szenenwechsel: Zweites Lehrjahr. Man hat sich eingelebt, Zweites
weiß wie der Laden läuft und gehört nicht mehr zu den Neu- Lehrjahr
en. Man hat seinen Platz gefunden, versucht die Spielregeln
für sich zu nutzen und ansonsten unter dem Radar zu bleiben.
Und dann tauchen in den meisten Ausbildungsjahrgängen Probleme
bestimmte Probleme auf und müssen von den Ausbildungsverantwortlichen mit großem Aufwand – und nicht selten mit
einigem Frust – bearbeitet werden:
●
Das ewige Zu-spät-Kommen
●
Unordnung im eigenen Arbeitsbereich
●
Vernachlässigte Sicherheitsvorschriften (Helm, Brille,
Schuhe etc.)
●
Verstöße gegen die Kleiderordnung
●
Schlampige Ausbildungsdokumentation
●
Vernachlässigen einfachster Körperhygienemaßstäbe
Und dann hört man sich selbst sagen „das habe ich Dir schon
hundertmal gesagt“. Oft ändert sich kurzfristig nach dem
nächsten Anpfiff etwas, nur um bereits Tage später wieder
zum Ursprungszustand zurückzukehren. Das Hauptproblem
schlägt allerdings vermutlich erst Jahre später voll durch. Mitarbeiter, die früh gelernt haben, nur auf äußeren Druck (oder
Belohnung) zu reagieren, werden sich schwer tun, Verantwortung zu übernehmen und Eigeninitiative zu zeigen.
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!
Teachable
Moments
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Teachable Moments in der Ausbildung
Eigenverantwortung und Motivation sind zwei der wichtigsten Ressourcen, die ein Unternehmen besitzen kann.
Sie zu fördern, ist nicht einfach. Daher sollte jede Chance
dazu genutzt werden.
Eine große Chance besteht darin, Teachable Moments,
„Lehrbare Momente“, zu nutzen. Und die Einstiegsphase der
Ausbildung ist einer der wichtigsten Teachable Moments – für
Eigenverantwortung, Motivation und viele andere Werte, die
in Ihrem Unternehmen von Bedeutung sind.
Exkurs: McGregor
Der Amerikaner Douglas McGregor beschrieb im vorigen
Jahrhundert ein ebenso einfaches wie einleuchtendes
Modell. Danach gibt es zwei Arten von Führungskräften:
Y-Führungskräfte sind solche, die mit der Einstellung arbeiten, dass Menschen von Natur aus entwicklungsfähig
und -willig sind. Demotivation und Blockieren sind als Ergebnis negativer Erfahrungen zu betrachten. Y-Führungskräfte werden ihre Mitarbeiter ernst nehmen, ihnen Aufgaben und Verantwortung übertragen und ihnen angemessene Freiräume lassen. Die Mitarbeiter werden unter
diesen Umständen motiviert sein, ihren Job zu tun und Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume zu nutzen. Das
wiederum bestärkt die Führungskräfte in ihrer Grundannahme. Ein positiver Teufelskreis entsteht.
X-Führungskräfte nehmen im Gegensatz dazu an, Menschen seien von Natur aus eher faul und müssten mit mehr
oder minder sanftem Druck von außen zur Arbeit ermuntert werden. Es gilt das Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. Dementsprechend richtet sich ihr Führungsstil an
genauer Vorgabe und Kontrolle aus. Mitarbeiter werden
unter diesen Bedingungen dazu neigen, alles zu tun, um
das „Spiel erfolgreich zu spielen“, aber eben nicht mehr.
Auch diese Führungskraft wird in ihrer Überzeugung bestätigt. Ein echter Teufelskreis beginnt.
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Abb. 1: Zusammenhang Grundannahmen und Verhalten (nach McGregor)
Der Mensch als Gewohnheitstier
Wer jemals versucht hat, einen guten Vorsatz in die Tat umzu- Stabilität
setzen oder eine schlechte Angewohnheit loszuwerden, der durch Wiederweiß, wie anstrengend und frustrierend dies sein kann. Für holung
alles, was wir gewohnheitsmäßig tun, ist in unserem Gehirn
ein spezifischer Pfad über ganz bestimmte Neurone angelegt. Je häufiger wir etwas tun oder denken, desto stabiler
wird der Pfad. Das können wir z. B. immer wieder beim Vokabelnlernen, Auswendiglernen eines Gedichts oder beim Einüben eines Musikstücks feststellen. Wiederholung macht’s!
Erinnern Sie sich, wie anstrengend Auto fahren zu Fahrschulzeiten war? Heute können wir sogar parallel noch telefonieren, rauchen und dem Navi folgen.
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Neuronale
Pfade
Je besser der neuronale Pfad ausgebaut ist, desto leichter
fällt es uns, eine Handlung auszuführen, und desto weniger
Energie muss im Gehirn bereitgestellt werden. Das ist nicht
unwichtig bei einem Organ, das zwar nur ca. zwei Prozent unserer Körpermasse ausmacht, aber für ca. 20 Prozent unseres Energieverbrauchs verantwortlich ist, denn desto mehr
Energie steht anderen Dingen zur Verfügung.
Gewohnheiten
Gewohnheiten sind außerdem überlebenswichtig. Reflexe
und Intuition beruhen auch auf Erfahrungen. Das hilft uns, im
Straßenverkehr zu überleben (was kleine Kinder z. B. noch
nicht allein können). Vor allem, wenn wir beim Autofahren,
Rauchen, Telefonieren und Navigieren einen Verkehrsteilnehmer übersehen haben. Und weil die Natur belohnt und fortführt, was gut funktioniert, brechen wir nur ungern mit bewährten Gewohnheiten.
!
Extrinsische
und
intrinsische
Motivation
Ein Beispiel: Wenn ich als Azubi erlebe, dass Verschwendung im eigenen Arbeitsbereich keine Konsequenzen hat,
sondern offensichtlich geduldete Praxis ist, dann lerne ich
etwas sehr nachhaltig.
Veränderung ist erst recht schwer, wenn jemand von außen
uns dazu bringen will. Dann reagieren wir gerne auch mal mit
Trotz und Abwehr. Es ist eben ein Unterschied, ob ich etwas
tue, weil mein Ausbilder dies von mir verlangt, oder weil ich es
für sinnvoll und notwendig halte. Die Motivationswissenschaft kennt hierfür die Begriffe extrinsisch (Motivation von
außen) und intrinsisch (Motivation von innen).
Und doch gibt es Situationen, in denen Lernen und Veränderung ganz schnell und leicht gehen. Die Einstiegssituation der
Ausbildung könnte zu so einer Situation werden.
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Zurück zum Anfang
Fassen wir vorerst zusammen:
●
Azubis beginnen ihre Ausbildung in einer Entwicklungsphase, die ihnen bereits viel abverlangt hat.
●
Der Ausbildungsbeginn bedeutet einen Umbruch, der geprägt ist von neuen Erwartungen, Regeln und Werten.
●
Gewohnheiten werden schnell gebildet, aber nur schwer
wieder überlernt.
●
Eigenverantwortung und Engagement sind für jeden Ausbildungsbetrieb in höchstem Maße wünschenswert.
Lernen im Sinne von überzeugt sein und nachhaltig verinnerlicht haben, braucht entsprechende Grundvoraussetzungen. Am besten funktioniert das in Situationen, in denen der Mensch offen ist für neue Impulse. Dies sind nicht
zwingend solche Situationen, in denen er sich besonders
wohl fühlt. Es sind Momente erhöhter Aufmerksamkeit für
Neues – Teachable Moments, wie der Ausbildungsbeginn.
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Unsicherheit nutzen statt nehmen
Der Amerikaner Kurt Lewin befasste sich u. a. mit der Veränderbarkeit von Organisationen. Sein Phasenmodell findet in der Organisationsberatung weithin Anwendung. Lewin kommt zu der schlichten Erkenntnis, dass, wer ein Unternehmen verändern will, es zunächst „auftauen“ muss.
Abb. 2: Veränderungsphasen nach Lewin
Versteinerung
Jedes Unternehmen hat wie jedes Individuum ein Grundbedürfnis nach Stabilität, nach Sicherheit, nach Beständigkeit.
Dieses ist zwar unterschiedlich stark ausgeprägt und es gibt
selbstverständlich auch ein gegenläufiges Bedürfnis nach
Abwechslung, nach Stimulanz. Schlimmstenfalls führt es
aber zur „Versteinerung“ einer Organisation. Wir sprechen
dann von eingeschliffenen Gewohnheiten oder von verkrusteten Strukturen.
Wer versucht, von außen darauf Einfluss zu nehmen, erlebt
nicht selten Widerstand, Abwehr oder Blockade. Oder er
wird Zeuge eines „Jo-Jo-Effekts“: Der Mensch lernt etwas,
verhält sich kurzfristig anders, das alte Verhalten kommt
aber nach kurzer Zeit wieder zurück. Soll sich wirklich etwas
ändern, so muss der Panzer aus Überzeugungen, Wahrnehmungsstrukturen und Gewohnheiten einen Riss bekommen.
Mit Lewins Worten: Er muss antauen.
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Teachable
Moment:
charakteristische
veränderte Wahrnehmung: Statt selektiver Wahrnehmung Merkmale
(wir sehen, was wir sehen wollen) lässt unser Bewusstsein
jede Menge frischen Input zu,
Ein Teachable Moment ist eine solche Situation, in der sich
ein Individuum in diesem Zustand befindet, meist ohne dass
dies bewusst herbeigeführt wäre. Für einen Teachable Moment sind folgende Merkmale charakteristisch:
●
●
Angst vor Versagen, vor Kontrollverlust, vor sozialer Bloßstellung,
●
ein unbekanntes/unerwartetes Problem, das nicht mit Variationen bekannter Lösungen zu bewältigen scheint,
●
neue Werte und Erwartungen: Was richtig und wichtig ist,
verändert sich.
Alle diese Merkmale treffen sehr genau auf die Einstiegsphase einer Ausbildung zu. Und das ist eine frohe Botschaft,
denn zumeist lassen sich Teachable Moments nicht zuverlässig vorhersagen.
Nutzen Sie also diese einmalige Chance, mit Ihren Azubis
zu arbeiten, sie richtig zu fordern. Aber nicht nur im Sinne
von „wo finde ich was“ oder „wie finde ich möglichst
schnell Anschluss und Gemütlichkeit“, sondern im Sinne
nachhaltiger Werte- und Persönlichkeitsentwicklung.
!
Exkurs Momente besonderer Veränderbarkeit
Der Psychologe und Hirnforscher Gerald Hüther nennt
zwei Begebenheiten, zu denen sich Persönlichkeit sogar
fundamental verändern kann:
●
in Krisensituationen, wie Tod, Krankheit, Trennung
oder Niederlage,
●
in tiefempfundenen Beziehungen, in Liebe, in Familie,
in Freundschaft.
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„Dünger für’s
Gehirn
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Allgemein scheint die Beziehungskomponente besonders
wichtig zu sein. Und wie für jeden nachhaltigen Lernprozess
sind auch hier Emotionen essenziell. Freude bewirkt die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn. Dopamin ist ein neuroplastischer Botenstoff. Das bedeutet, unter Dopamin bilden
sich schneller und besser neue Neuronenverbindungen. Es
ist eine Art Dünger für’s Gehirn.
Was sind die Zutaten für einen Teachable Moment?
●
Eine Situation, die für hinreichend Irritation und Sichin-Frage-stellen sorgt
●
Ehrliche Beziehungsangebote
●
Freude und Erfolgserlebnisse
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Wie gestalte ich Lernen mit
Teachable Moments?
Teachable Moments sind einzigartige Chancen für individuelles und organisationales Lernen. Die Einstiegsphase
der Ausbildung ist so ein Moment, der noch dazu vorhersehbar ist. Im Folgenden werden Ansätze und Methoden
vorgestellt, die in besonderem Maße geeignet sind, Entwicklung zu fördern.
Stärken stärken – Ressourcenorientierung
Teachable Moments bieten eine ideale Gelegenheit, sich seiner Stärken zu vergewissern. Neue Herausforderungen werfen die Frage auf: „Was kann ich in die Waagschale werfen?“
Um an der Wahrnehmung von Stärken und Schwächen zu arbeiten, ist das Modell der Entwicklungsquadrate nach Friedemann Schulz von Thun empfehlenswert.
Abb. 3: Entwicklungsquadrate nach Schulz von Thun
Die Grundidee des Modells besteht darin, Verhalten aus un- Grundidee des
terschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dazu ein Bei- Modells
spiel: Ein Azubi ist ein eher stiller Vertreter. Er beteiligt sich
nicht an Diskussionen und lässt auch niemanden an seinem
Befinden teilhaben. Er scheint jedoch nicht unmotiviert zu
sein (Feld A). Was wie eine Schwäche wahrgenommen wer-
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den kann, könnte auch die Übertreibung einer Stärke sein.
Der positive Kern an seinem Verhalten ist, dass er als angenehm zurückhaltend, sensibel und höflich erlebt wird (Feld B).
A und B sind somit nur unterschiedliche Ausprägungen desselben Verhaltens. A ist einfach „zu viel des GUTEN“. Meist
ist es einfacher, das richtige Maß zu finden, als eine Schwäche ausmerzen zu wollen.
Gleichzeitig gibt es zu jedem Verhalten ein positives Gegenteil (Feld C). Dies könnte in unserem Beispiel bedeuten, sich
aktiv einzubringen, wichtige Punkte anzusprechen und anderen Feedback zu geben. Viele haben jedoch Angst, es könnte
als negative Übertreibung des positiven Gegenteils (Feld D)
wahrgenommen werden. Dies könnte in diesem Fall z. B. in
Unhöflichkeit, vorlaut sein oder der Eigenschaft, andere dominieren zu wollen, gesehen werden.
Das Modell ermöglicht es, den positiven Kern vordergründiger Schwächen zu erkennen und in einem angemessenen
Maße das Gegenteil zu erlauben. Das ist Ressourcenorientierung.
Ressourcenorientiertes
Arbeiten:
Fragen
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Mit diesen Fragen arbeiten Sie ressourcenorientiert:
●
Was ist gut daran, sich so zu verhalten? Für Dich? Für andere?
●
Wann, in welcher Situation, hat es Dir schon mal geholfen,
Dich so zu verhalten?
●
Was denkst Du, bis zu welchem Maß ist es richtig gut?
●
Was ist Deiner Meinung das Gegenteil davon?
●
Wann, in welchen Situationen, wäre es gut, sich so zu verhalten?
●
Angenommen Du würdest Dich so verhalten, wie wäre
das dann für Dich?
●
In welchen Situationen könntest Du Dir das vorstellen?
●
Gab es schon mal Situationen, in denen es Dir zumindest
ein klein wenig schon so gelungen ist?
●
Was war da anders als sonst? Was war gut daran?
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Nach vorn, nicht zurück – Lösungsorientierung
In unsicheren Situationen dominiert zumeist die Problem- Problemsicht
sicht. Wenn die Standardlösungsprozeduren nicht sofort wirken, beginnt oft das Jammern und Klagen. Ursachen werden
wieder und wieder analysiert und irgendwann wird dann versucht, die Verantwortung abzuschieben oder das Problem
schlicht auszusitzen. Genau in solchen Momenten bilden
sich Haltungen wie „ich kann sowas einfach nicht“, „ich
hab’s ja immer gewusst“ oder „das hat ja noch nie geklappt“.
Genau in dieser Situation wäre es sinnvoll, die Fähigkeit, sich Lösungsmit Chancen, Möglichkeiten, Zielen und Lösungen auseinan- orientiertes
derzusetzen, einzufordern. Dazu können und sollten Sie den Vorgehen
Teachable Moment zu Ausbildungsbeginn nutzen, indem Sie
konsequent lösungsorientiert vorgehen.
Abb. 4: Problemraum und Lösungsraum
Ich empfehle, sich Problemorientierung und Lösungsorientie- Gesprächsrung wie den Aufenthalt in zwei benachbarten Räumen vorzu- diagnostik
stellen. Im virtuellen Problemraum befinden sich neben Problemen auch Hindernisse, Schwächen, Ursachen, Risiken,
Misserfolge, Schuldzuweisungen usw., nur eben keine Lösungen. Die befinden sich im virtuellen Lösungsraum, zusammen mit Zielen, Chancen, Möglichkeiten, Stärken, Ideen usw.
Benutzen Sie diese Vorstellung zunächst zur Gesprächsdiagnostik. Je nach Gesprächsthema wissen Sie, in welchem
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Raum Sie gerade sind. Treffen Sie dann die Entscheidung,
vom Problemraum in den Lösungsraum hinüberzugehen.
Diese gedankliche Bewegung steuern Sie ganz einfach, indem Sie gezielt nach Themen des anderen Raumes fragen
und in den Antworten kein Zurückweichen zulassen.
!
Ein Beispiel
Ein neuer Azubi beklagt, dass er seine Ausbildungsberichte nicht oder nicht rechtzeitig anfertigen konnte. Sein
eigener Rechner sei kaputt, Geld für einen neuen habe er
nicht und am Arbeitsplatz hätte er keine ruhige Minute,
weil dann ständig irgendjemand etwas von ihm wolle.
Was er denn nur tun soll? Sie haben jetzt mehrere, zum Teil
richtungsweisende Möglichkeiten zu reagieren. Sie könnten ihm sagen, das sei sein Problem. Sie könnten ihm eine
mögliche Lösung für das Problem nennen. Sie könnten
ihm auch eine Standpauke halten. Oder sie entschließen
sich, lösungsorientiert vorzugehen und ihn in die Lösungssuche einzubeziehen.
Grundsätzlich wichtig ist, dem Azubi gegenüber deutlich
zu machen, wer wofür verantwortlich ist. Er hat bereits gezeigt, dass er verschiedene Lösungen in Betracht gezogen hat. Jetzt gilt es, ihm Hilfe zur Selbsthilfe zu geben,
ihn also in der Verantwortung zu belassen, ohne ihn im Regen stehen zu lassen. Dies geht am besten in einer klaren
lösungsorientierten Fragehaltung:
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●
Welche Lösungen hast Du schon ausprobiert?
●
Was davon hat schon ganz gut oder ein wenig funktioniert?
●
Was möchtest Du bei dem Problem erreichen? Was ist
Dir dabei wichtig?
●
Mit wem könntest Du noch über eine Lösung sprechen?
●
Welche Ideen hast Du noch zur Lösung?
●
Was könnte Dir helfen?
●
Was machst Du jetzt als Erstes?
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Durch klare Lösungsorientierung im Teachable Moment entwickeln Sie Verantwortungsbewusstsein und Problemlösekompetenz Ihrer Azubis.
Wie spät ist es? – Phasen der Teamentwicklung
Gruppen durchlaufen in ihrer Entwicklung bestimmte charak- Teamuhr
teristische Phasen. Diese werden in dem Modell der Teamuhr
dargestellt. Über die erste Phase (Forming), in der die Gruppe
neu zusammenkommt und alle einander vorsichtig abtasten,
gelangt sie in die zweite Phase (Storming), in der Konflikte um
Einfluss, Ansehen und Rollen zutage treten. Für den Umgang
mit Azubi-Gruppen am Beginn ihrer Unternehmenskarriere ist
es wichtig zu verstehen, dass diese Phasen absolut erwartbar und notwendig sind. Sie sind Teil der „angetauten“
Grundsituation, die den Teachable Moment ausmachen.
Eine genauere Beschreibung der Phasen und wie die Teamentwicklung im Auszubildenden-Team gefördert werden
kann, finden Sie in dem Beitrag 8 A/2 „Teamentwicklung mit
Auszubildenden“.
Abb. 5: Teamuhr nach Tuckman
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Teachable Moments in der Ausbildung
5 A/20
!
Wichtige Hinweise, um auch hieraus zu lernen, sind:
●
Erwarten Sie den Sturm, seien Sie skeptisch, wenn
nichts passiert; sprechen Sie dann diese Beobachtung an.
●
Fördern Sie die Feedback-Fähigkeit, indem Sie Regeln erarbeiten und ausprobieren.
●
Fördern Sie die Gelegenheit zur Metakommunikation.
Stellen Sie also die Frage danach, WIE hier kommuniziert wird.
●
Haben Sie Geduld und lassen Sie es auch mal laufen,
anstatt jeden Konflikt mit Friede, Freude, Eierkuchen
zuzukleistern.
●
Machen Sie zum Thema, wie mit Unterschiedlichkeit
umgegangen werden soll.
So genutzt hilft Ihnen dieser Teachable Moment sehr, Kommunikations- und Konfliktbewältigungskompetenz zu entwickeln.
Nicht zu viel und nicht zu wenig – Aufgabengestaltung
Fachliche
Entwicklung
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Für das Unternehmen sind die weichen Faktoren wie Eigenverantwortung, Motivation, Konfliktfähigkeit usw. besonders
wichtig und eben nicht allzu leicht zu beeinflussen. Selbstverständlich sollte bei der Gestaltung eines Teachable Moments
auch die fachliche Entwicklung des Azubis in Blick genommen werden. Entsprechend reichhaltig sollten die Aufgaben
für ihn sein. Es geht darum, weder zu über- noch zu unterfordern. Das folgende Modell hilft Ihnen, das richtige Maß zu
wählen.
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Abb. 6: MEDD – Mitarbeiterentwicklung durch Delegation
Mitarbeiterentwicklung durch Delegation (MEDD) betrachtet MEDD
zwei Aspekte von Aufgaben.
1. Der erforderliche Lernschritt: 0 = Aufgabe entspricht dem
aktuellen Lernstand; 1 = Aufgabe erfordert vom Azubi den
nächsten Lernschritt; 2 = Aufgabe ist deutlich schwieriger
als zum aktuellen Zeitpunkt vom Azubi zu bewältigen,
aber nicht per se überfordernd.
2. Den Wertschöpfungsgehalt der Aufgabe: eine Aufgabe
mit geringem Wertschöpfungsgehalt bedeutet ein begrenztes Risiko. Je höher der Wertschöpfungsgehalt ist,
desto größer ist die Verlustgefahr, wenn der Azubi bei der
Bewältigung scheitert. 1 = selbst wenn die Aufgabe
schiefgeht, droht dem Unternehmen kein Verlust; 2 = die
Aufgabe ist mit gewissen Kosten/einem Budget verbunden; dies steigert den Reiz der Aufgabe, erhöht aber
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auch die Verantwortung; 3 = die Aufgabe hat einen hohen
Wertschöpfungsgehalt, ein Scheitern wäre im Unternehmen recht unangenehm.
Eignung der
Aufgaben
Daraus lässt sich ableiten, inwieweit eine Aufgabe geeignet
ist, eine Entwicklung zu fördern. Dementsprechend lassen
sich nun Aufgaben wie folgt klassifizieren:
Felder G, H, I: Diese Aufgaben entsprechen der Komfortzone
des Azubis. Lernfortschritte sind nicht zu erwarten. Aufgaben
von hohem Wertschöpfungsgehalt (I) können jedoch dafür
genutzt werden, mit dem Azubi gemeinsam über den Tellerrand zu schauen. Solche Aufgaben bieten die Chance, betriebswirtschaftliche Zusammenhänge gesamtunternehmerisch einzuordnen.
Feld A: Diese Aufgaben bedeuten einen Sprung ins kalte
Wasser bei begrenztem Risiko. Und damit hohen Lerngehalt.
Felder B, C, F: Bei diesen Aufgaben ist mehr Anleitung und
Kontrolle erforderlich. Sie eignen sich nur bedingt, um von
Azubis eigenverantwortlich ausgeführt zu werden.
Felder D, E: Diese Aufgaben entsprechen angemessenen
Lernschritten. Besonders die Werthaltigkeit von E kann sehr
reizvoll sein. Bei D bedarf es in der Regel keiner begleitenden
Kontrolle. Führen mit Zielen kann hier geübt werden.
Ermöglichen Sie Begegnungen
Patenschaften, Mentoren,
„Kamingespräch“
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Beziehungen sind, wie bereits ausgeführt, von großer Bedeutung für nachhaltiges Lernen:
●
Organisieren Sie bereits unmittelbar zu Beginn der Ausbildung die Begegnung mit erfahrenen und erfolgreichen
Mitarbeitern Ihres Unternehmens. Überlassen Sie es nicht
den anderen Azubis, zu Vorbildern füreinander zu werden.
Die Gefahr besteht, dass diese sich in ihrer Unsicherheit
nur gegenseitig in ihren Wahrnehmungen bestärken. Und
schon wäre er dahin, der schöne Teachable Moment.
●
Organisieren Sie Patenschaften oder Mentorenpartnerschaften. Achten Sie darauf, dass Sie nur solche MitarPersonalAusbilden
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beiter zu Mentoren bestellen, die ebenfalls die gewünschten Werte im Unternehmen leben.
●
Oder planen Sie frühzeitig ein „Kamingespräch“ mit eben
solchen Unternehmensvertretern, die ein geeignetes Rollenvorbild sein könnten. Zeigen Sie in der Auswahl Vielseitigkeit, damit auch für jeden etwas dabei ist.
●
Sorgen Sie dafür, dass bei solchen Gelegenheiten über
Erfolgsstorys im Unternehmen gesprochen wird.
Organisieren Sie Feedback
Um einen Teachable Moment optimal nutzen zu können, ist
Reflexion wichtig. Dafür können Sie zwei Dinge tun:
Leiten Sie die Azubis an, Erfahrungen im Hinblick auf Nutzen 1. Lessons
learned
für die Zukunft auszuwerten:
●
Was habt Ihr gelernt?
●
Welche Ressourcen, Stärken, Fähigkeiten haben Euch
dabei geholfen?
●
Was von dem Gelernten könntet Ihr in welchen anderen
Situationen verwerten?
●
Was ist dazu notwendig?
●
Was tut Ihr als Nächstes?
Fördern Sie innerhalb der Ausbildungsgruppe das „Sprechen 2. Metakommunikation
über das Sprechen“:
●
Thematisieren Sie, bzw. lassen Sie thematisieren, wie untereinander kommuniziert wird.
●
Schulen Sie die Fähigkeiten des aktiven Zuhörens und
des Formulierens von Ich-Botschaften.
Verhaltenstipps für Ausbilder
Teachable Moments in der Ausbildung können langfristig der Besondere
beste Nährboden für Erfolge und Entwicklung im ganzen Un- Verantwortung
ternehmen sein. Als Ausbilder kommt Ihnen eine besondere der Ausbilder
Verantwortung zu, diesen zu nutzen. Dazu folgende Vorschläge:
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1. Aufnahmebereit für
Teachable
Moments
Seien Sie aufnahmebereit für Teachable Moments!
Die Einstiegsphase ist noch relativ gut vorhersehbar, weitere
Teachable Moments können sich spontan und kurzfristig ergeben. Dann gilt es, auf Zack zu sein. Grundsätzlich gilt: Je
gewichtiger ein äußerer Einfluss ist, desto wahrscheinlicher
wird auch darüber im Unternehmen gesprochen. Oder anders ausgedrückt, der äußere Einfluss muss relevant sein, er
muss für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Unterschied machen. Dies gilt ziemlich sicher für alles, was eine
Störung der gewohnten Routinen und Prozesse darstellt. Für
Azubis könnten Abteilungswechsel und der Ausbildungsabschluss wertvolle Teachable Moments werden.
2. Nicht mit der
ersten Antwort
zufrieden
geben
Geben Sie sich nie mit der ersten Antwort zufrieden!
Ganz gleich an welchen Bereich Sie denken, fast immer entspringt die erste, die naheliegendste Lösung unserer Komfortzone. Wenn ein Problem auftritt, sucht unser Gehirn zunächst nach gewohnheitsmäßigen Lösungen. Machen Sie
es sich zur Angewohnheit, Ihrerseits routinemäßig mit der
Frage „Was noch?“ zu antworten. Sie werden förmlich sehen,
wie es hinter der Stirn des Azubis zu arbeiten beginnt. Fragen
Sie so lange „Was noch?“, bis Sie sicher sind, dass wirklich
nichts mehr kommt. Haben Sie in dieser Phase Geduld und
halten Sie Stille aus. Schweigen ist oft ein Zeichen von Denkprozessen. Achten Sie auf die Augenbewegungen des Azubis. Sie verraten Ihnen sehr gut, ob er wirklich nach weiteren
Ideen sucht, oder ob er nur wartet, dass Sie ihm die Arbeit
abnehmen. Sollte dem so sein, dann tun Sie das nicht, sondern vertagen Sie die Entscheidung und bitten Sie ihn, bis
zum nächsten Mal eigene Ideen zu entwickeln. Weitere unterstützende Fragen sind:
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●
Angenommen, Du würdest das so tun, was erwartest Du,
passiert dann?
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Was wäre gut an Deiner Lösung? Was weniger?
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Was müsstest Du tun, um das Problem noch zu verschlimmern?
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Wie würde das wohl . . . (Dein Kollege/Dein Vorarbeiter/
. . .) sehen/handhaben?
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Teachable Moments in der Ausbildung
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Geben Sie sich nie damit zufrieden, wenn eine Antwort nur 3. Nicht nur
aufzeigen, was
aufzeigt, was nicht gut bzw. zu vermeiden ist!
Menschen sind groß darin zu benennen, was ihrer Ansicht nicht gut ist
nach schlecht ist, nicht funktioniert, nicht sein soll. Das ist
Problemorientierung. Machen Sie es sich zur Angewohnheit,
routinemäßig mit der Frage „Sondern?“ dagegen zu halten.
Also z. B.: „Wir wollen das nicht schon wieder machen!“ →
„Sondern?“
4. Fehler
Heißen Sie Fehler willkommen!
Bei der NASA wollte man Entwicklungsingenieure dazu er- willkommen
muntern, größere Risiken einzugehen. Bei der Entwicklung heißen
unbemannter (!) Raketen wurde jedes Mal im Kontrollraum
applaudiert, wenn etwas Teures in die Luft geflogen war.
Man war zwar gescheitert, hatte es aber wenigstens versucht. Der amerikanische Alcoa-Konzern zählt zu den drei
größten Aluminium-Produzenten weltweit. Um einer schwierigen Unternehmenskrise zu entkommen, fokussierte der damalige Vorsitzende Paul O’Neill die Unternehmensstrategie
auf das Thema Arbeitssicherheit. Arbeitsunfälle sollten ausgeschlossen werden (und das in einem Unternehmen, das
mit kochendem Aluminium Geschäfte macht!). Ausnahmslos
jeder Arbeitsunfall musste bis ganz nach oben gemeldet werden. Manager, die dies versäumten – selbst die erfolgreichsten –, mussten sofort ihren Posten räumen. Warum? Weil sie
dem Unternehmen eine Chance zu lernen genommen hatten.
Widerstehen Sie der Versuchung, alles regeln und kontrollie- 5. Nicht alles
kontrollieren
ren zu wollen!
Wer alles regelt und alles kontrolliert, erzieht seine Azubis
dazu, nur das zu tun, was den Regeln entspricht, aber nicht
mehr. Abgesehen davon dürfte es utopisch sein, wirklich alles
zu regulieren. Je mehr Sie regeln, desto vielfältiger werden
auch die Lücken. Heißen Sie Fehler also nicht nur willkommen, sondern lassen Sie sie auch zu. Und üben Sie mit den
Azubis, daraus zu lernen. Es versteht sich von selbst, dass
dies nicht für gesundheitsgefährdende oder in hohem Maße
wertvernichtende Handlungen gilt.
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6. Erfolge
feiern
Feiern Sie Erfolge!
Sorgen Sie dafür, dass jeder erfährt, wann und wo etwas gut
gelungen ist. Inszenieren Sie Erfolgsrituale. Für besonders
gelungene Leistungen oder Problemlösungen könnten Sie
ein gemeinsames Frühstück oder eine Runde Pizza für alle
Beteiligten spendieren. Eine einfache Runde Applaus tut es
manchmal auch, wobei es dabei eher weniger darum gehen
sollte, einzelne Personen besonders hervorzuheben.
7. Nicht mit
Standard zufrieden sein
Geben Sie sich nie mit Standard zufrieden!
Gut ist langfristig nicht gut genug. Setzen Sie hohe Maßstäbe, halten Sie diese konsequent durch und fragen Sie permanent nach Verbesserungsmöglichkeiten. Nur so etablieren
Sie im Unternehmen von Beginn an einen Arbeitsethos, der
Höchstleistungen verspricht.
Literatur:
[1] DUHIGG, C.: Die Macht der Gewohnheit – Warum wir tun,
was wir tun. München 2012
[2] HEATH, C./HEATH D.: Switch – Veränderungen wagen und
dadurch gewinnen. Frankfurt a. M. 2011
[3] PINK, D. H.: Drive – Was Sie wirklich motiviert. Salzburg
2010
[4] SANDER, C.: CHANGE! Bewegung im Kopf – Ihr Gehirn
wird so, wie Sie es benutzen. Göttingen 2012
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