In der Praxis Elektrische Antriebstechnik ▲ 01/2006 Linearantriebe Sechs Sekunden schwerelos Antriebstechnik für Freizeitparks ist kein Kinderspiel Diesen Beitrag können Sie sich im Internet unter www.antriebspraxis.de downloaden Beschleunigung und Geschwindigkeit sind die Kick-Faktoren für die Besucher von Freizeitparks. Eine besondere Attraktion ist „Superman-The Escape“. Zum eigentlichen Spektakel wird das Ganze aber erst durch von Tom Weber die installierte Antriebstechnik. ▲ ▲ ▲ Beständig fordern Besucher von Freizeitparks schnellere, höhere und atemberaubendere Attraktionen. Kein Wunder, schließlich haben Freizeit-Aktivitäten wie Bungee-Jumping oder Gleitschirm-Fliegen die Reizschwellen weit nach oben geschraubt. Beschleunigung und Geschwindigkeit sind die Kick-Faktoren, die über den kommerziellen Erfolg entscheiden. Ein Beispiel für eine Freizeitpark-Attraktion mit enormem Kick ist „Superman – The Escape“ im Six Flags Magic Mountain Park in Kalifornien (USA). Mit einem freien Fall von gut 100 Metern steht der „Superman“ weltweit an Position 3 der großen Achterbahnen. Während des freien Falls sind die Fahrgäste für gut sechs Sekunden schwerelos. Gesamtkosten für so ein System: rund 25 Millionen Dollar. Angesichts solcher Dimensionen wird verständlich, dass die Zeiten heuristischer Konstruktionsmethoden für Freitzeitparks lange vorbei sind. Bei der Auslegung der Attraktionen spielen CAD und Computersimulation heute die entscheidenden Rollen. Schon beim Entwurf muss mit Rechnermodellen nachgewiesen werden, dass Fahrgäste durch die auftretenden Kräfte und Beschleunigungen nicht überfordert werden. Über die Jahre hat sich im Großraum München ein Cluster gebildet, in dem sehr viel Know-how und Erfahrung für Entwurf, Konstruktion und Bau von Attraktionen für Freizeitparks gebündelt ist. Zu nennen wäre da beispielsweise das Ing.-Büro Karl Stengel in München-Forstenried, das weltweit gut 70 Prozent aller großen Achterbahnen plant. In die Realität umgesetzt werden viele dieser Pläne von dem Münchener Stahlunternehmen Maurer Söhne. Magnetische Linearantriebe und Wirbelstrombremsen für fast alle großen Ach- 16 Der „Superman“ in Kalifornien ist deutlich höher als die Freiheitsstatue. Bild: InTraSys terbahnen der Welt liefert InTraSys, ebenfalls aus München. Der TÜV Süd schließlich gilt als einer der kompetentesten Freizeitpark-Inspektoren und nimmt jedes Jahr bei rund 100 Neubauten rund um die Welt die Abnahmeprüfungen vor. Überhaupt ist der Bau von Attraktionen für Freizeitparks – bis auf wenige Ausnahmen – eine Domäne der Europäer. Die wichtigsten Hersteller sind zum Beispiel Bollinger & Mabillard (CH), Gerstlauer (D), Intamin (FL), Maurer Söhne (D), Premier Rides (USA) oder Vekoma (NL). Kleinere Achterbahnen, wie man sie auf Volksfesten sieht, verwenden meist einen Anlaufhügel. Das Fahrzeug wird per Seil oder Kette auf diesen Hügel geschleppt. Oben angekommen, wird die Kette ausgeklinkt und die Schwerkraft besorgt den Rest. Der große Nachteil dieser preiswerten Lösung: Wenn die Fahrgäste den Kick immer höherer Beschleunigung und Geschwindigkeit spüren wollen, werden die Anlaufhügel recht schnell sehr hoch (über 90 Meter), teuer und stören eine klare architektonische Linie. Bei großen Achterbahnen werden die Fahrzeuge heute häufig in die Bahn 'geschossen' – also auf möglichst kurzer Strecke extrem beschleunigt. Für diesen 'Schuss' eines immerhin bis zu 16 t schweren Fahrzeugs verwendet man entweder hydraulische oder linearmagnetische Antriebe. Neben den Kosten spielt vor allem die Zuverlässigkeit eine große Rolle: Bei einer großen Achterbahn erfolgen pro Saison rund 400 000 Schüsse. Auf 100 000 Schüsse ist maximal ein Fehlstart erlaubt – was einer Fehlerquote von unter 10 ppm entspricht. Die Anforderungen an die Linearantriebe sind bei den großen Achterbahnen durchaus mit denen beim Transrapid vergleichbar. Die Endgeschwindigkeit ist zwar geringer, dafür aber ist die Beschleunigung deutlich höher. Ein weiterer Unterschied zum Transrapid ist die Spurführung, die in den Freizeitparks – nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen – per konventioneller Rad-SchieneTechnik erfolgt. Das Bild im Kasten zeigt In der Praxis Elektrische Antriebstechnik ▲ 01/2006 Linearantriebe einen Ausschnitt aus einer Versuchsstrekke, bei der man die Einzelheiten des Antriebs wegen der fehlenden Verkleidungen gut erkennen kann: Deutlich zu sehen ist die Führungsschiene in der Bildmitte sowie die beiden seitlichen Tragschienen. Die weißen Blöcke links und rechts der Führungsschiene sind die Statoren des Linearantriebs. Im Hintergrund links erkennt man die Schaltschränke für die Antriebssteuerung. Darin befinden sich Thyristor-Leistungsschalter, die alle Statoren überbrücken, die gerade nicht vom Fahrzeug überdeckt werden. Der Wechselstrom, der das magnetische Wanderfeld erzeugt, wird also nur in die aktiven, vom Fahrzeug überdeckten, Statoren eingespeist. Streng genommen ist der „Superman“ eigentlich gar keine Achterbahn, sondern ein so genannter 'Reverse Free Fall'; also ein ungebremster, freier Fall des Fahrzeugs entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung. Damit es überhaupt zu diesem freien Fall kommt, bringt der Linearantrieb das rund 7 000 kg schwere Fahrzeug innerhalb von sechs Sekunden auf eine Geschwindigkeit von 160 km/h. Auf die Fahrgäste wirkt dabei die doppelte Erdbeschleunigung (2 g). 100 Meter senkrecht nach oben Das Fahrzeug schießt gut 100 m senkrecht nach oben, bleibt am oberen Totpunkt kurz stehen und fällt dann senkrecht nach unten. Die Passagiere sind dabei für gut sechs Sekunden schwerelos. Um das 7 t schwere Fahrzeug innerhalb von wenigen Sekunden aus dem Stand auf Tempo 160 zu beschleunigen, muss der Antrieb eine mechanische Leistung von etwa 1,5 MW aufbringen. Dafür benötigt der lineare Synchronmotor (LSM) des „Superman“ eine elektrische Leistung von 2,5 MVA. Trotz der hohen Leistung lässt sich der Antrieb präzise regeln: Ganz egal, ob das Fahrzeug leer oder voll besetzt ist – stets erreicht es den oberen Totpunkt. Allerdings ist die spitzenförmige elektrische Leistungsaufnahme des Linearantriebs nicht ganz unproblematisch. Hydraulische Antriebe spielen an dieser Stelle ihren Vorteil aus, denn der Druckspeicher für den Schuss wird kontinuierlich geladen, was für eine konstante und vergleichsweise geringe Leistungsaufnahme aus dem Stromnetz sorgt. Allerdings sind alle mechanischen Lösungen prinzipiell nicht verschleißfrei und damit – auf die Lebensdauer des Gesamtsystems gerechnet – auch nicht wirklich preiswerter als ein Linearantrieb. Runter kommen sie immer – die alte Weisheit des Flugpioniers Euler Technik im Detail Magnetischer Linearmotor Im Prinzip ist der Linearantrieb des „Superman“ ein aufgeschnittener und in die Länge gezogener Synchronmotor. Beim (rotierenden) Synchronmotor erzeugt der durch die Spulen des Stators (Primärteil) fließende Wechselstrom ein magnetisches Drehfeld. Dieses tritt in Wechselwirkung mit dem Magnetfeld des Dauermagneten im Rotor (Sekundärteil). Die Überlagerung der beiden Magnetfelder erzeugt Kräfte, die dazu führen, dass sich der Rotor im Stator dreht. Beim magnetischen Linearantrieb ist der Stator (Primärteil) flach auf der Strecke ausgelegt. Damit sich der Dauermagnet des Sekundärteils jetzt linear über den Stator bewegt, muss im Primärteil ein Wechselstrom fließen, der ein magnetisches Wanderfeld erzeugt. Spezielle Sensorik und ausgeklügelte Regelelektronik sorgen dafür, dass sich das magnetische Wanderfeld mit der richtigen Geschwindigkeit am richtigen Ort befindet. Wieder überlagern sich die magnetischen Felder des im Primärteil fließenden Wechselstroms und das magnetische Feld des Dauermagneten im Sekundärteil. Die Folge ist eine lineare Bewegung des Sekundärteils und damit des Fahrzeugs. Einen Linearantrieb mit Dauermagnet als Sekundärteil bezeichnet man als linearen Synchronmotor (LSM). Ersetzt man den Dauermagneten eines LSM beispielsweise durch eine Kupferplatte, dann entsteht ein linearer Induktionsmotor (LIM). Das magnetische Wanderfeld des Primärteils induziert in der Kupferplatte einen Strom. Die- 18 ser Stromfluss wiederum erzeugt ein Magnetfeld, das mit dem magnetischen Wanderfeld des Primärteils in Wechselwirkung tritt. Die dabei auftretenden Kräfte bewegen den Sekundärteil und damit das Fahrzeug asynchron zum magnetischen Wanderfeld – wie an einem Gummiband. Während ein LSM einen deutlich höheren Wirkungsgrad besitzt und höhere Fahrzeuggeschwindigkeiten erlaubt, sind LIM-Fahrzeuge deutlich leichter, da der Dauermagnet entfällt. Beide Antriebe beschleunigen ein Fahrzeug berührungslos und mit extrem hoher Zuverlässigkeit. Ein rotierender Synchronmotor wird „abgewickelt“. Ein linearer Synchronmotor (LSM) entsteht. Versuchsstand für die Antriebstechnik des Superman und anderer Attraktionen für Freizeitparks. Die weißen Blöcke links und rechts der Führungsschiene sind die Statoren des Linearantriebs. Elektrische Antriebstechnik Die Wirbelstrombremse Bewegt man eine Metallplatte (z.B. Kupfer) durch ein magnetisches Feld, dann wird in dieser Platte ein Strom induziert. Dieser Strom ist wie ein Wirbel in sich geschlossen – daher der Name Wirbelstrom. Wie jeder fließende Strom bildet auch der Wirbelstrom sein Magnetfeld aus. Die beiden Magnetfelder (das primäre äußere und das durch den Wirbelstrom in der Metallplatte induzierte sekundäre) treten in Wechselwirkung. Dabei entstehen Kräfte, die der Bewegung der Metallplatte entgegen wirken und so das Fahrzeug abbremsen. Bei diesem Vorgang erwärmt sich die Metallplatte. Die Bewegungsenergie des Fahrzeugs wird also in Wärmeenergie umgewandelt. wickelt, die von den Prüfern des TÜV mit der Beurteilung 'Fail Safe' eingestuft werden. Diese Wirbelstrombremsen sind völlig unabhängig von anderen Systemen und funktionieren ohne Stromversorgung und ohne Steuerung. Selbst ein Blitzschlag führt nachweislich nicht zum Verlust der Bremskraft. Weil Wirbelstrombremsen prinzipbedingt ohne Reibung und ohne Kontakt zwischen Bremse und Fahrzeug arbeiten, funktionieren sie auch unter Wasser oder ganz allgemein unter extremen Umweltbedingungen sicher und zuverlässig – ganz im Gegensatz zu konventionellen mechanischen Bremsen, bei denen die Reibung und damit die Bremswirkung in feuchter Umgebung schnell abnimmt. Aufgrund der Erfahrungen aus zahlreichen Projekten beherrscht InTraSys heute Linearantriebe für große Kräfte bis 200 kN (das entspricht der Zugkraft einer modernen Lokomotive), für hohe Geschwindigkeiten bis zu 55 m/s (das ent- 01/2006 spricht Tempo 200) und kann tonnenschwere Objekte millimetergenau positionieren. Beispiele für weitere Anwendungen des erworbenen Know-hows sind Spezialantriebe (z.B. für die Schiffs-SchnellschleppAnlage des DST in Duisburg), Antriebe für automatisierte Parkhäuser oder kabellose Vertikalaufzüge in Hochhäusern bzw. im Bergbau. Übrigens: Die Fahrt mit dem Superman dauert keine 35 Sekunden. Viel zu kurz, um sich all der High-Tech bewusst zu werden, die dieses Abenteuer erst möglich macht. Webguide www.intrasys-gmbh.com InTraSys Direkter Zugriff unter www.antriebspraxis.de ap0213 Code eintragen und go drücken ▲ ▲ ▲ gilt auch für den freien Fall des Fahrzeugs im „Superman“. Das mit Tempo 160 zurückkehrende Fahrzeug muss am Ende der Reise absolut zuverlässig und ruckfrei abgebremst werden. Für diese Aufgabe hat InTraSys lineare Wirbelstrombremsen ent- In der Praxis 19
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