offenerBriefAsylpolitik - Österreichische Liga für Menschenrechte

Österreichische Liga für Menschenrechte
A-1060 Wien, Stiegengasse 2/3, Tel: +43 676 3609463
[email protected] www.liga.or.at
ZVR: 054227376
An die Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung
Betreff: Aktuelle Flüchtlingspolitik
Mit großer Sorge beobachten wir als Österreichs älteste Menschenrechtsorganisation Ihre
aktuelle Flüchtlingspolitik und Ihre Haltung gegenüber verzweifelten Menschen. Wir sehen es
als unsere Pflicht, dies nicht unkommentiert zu lassen und auf einige wichtige Punkte
hinzuweisen:
Die Flüchtlingssituation kommt nicht überraschend
In der öffentlichen politischen Diskussion entsteht der Eindruck, wir wären mit einem
unkontrollierbaren und plötzlichen Problem explodierender Flüchtlingsströme konfrontiert.
Das stimmt nicht. Seit Jahren war bekannt, dass aufgrund der geopolitischen Lage
zunehmend mit Menschen zu rechnen ist, die bei uns in Europa Zuflucht suchen – man
denke nur an die Umbrüche im Nahen Osten, den Krieg in Syrien oder den Terror des IS.
Trotzdem unterblieben vorbeugende politische Maßnahmen, die Österreich bzw. ganz
Europa auf diese Situation in verantwortlicher Weise vorbereitet hätten. Schlimmer noch:
Auch Maßnahmen, die Erfolg und Menschlichkeit zeigten (wie etwa Mare Nostrum), wurden
bewusst eingestellt – getragen von der Politik der EU einschließlich von der Österreichs.
Politik, die Menschenleben missachtet und Ängste in der Bevölkerung schürt, ist nicht
akzeptabel!
Stattdessen suchten und suchen die Verantwortlichen in Österreich – wie auch in Europa –
ihr Heil in immer restriktiverer Politik, die verhindern soll, dass Menschen – und seien sie in
Lebensgefahr –ihr in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschriebenes Recht auf Asyl
überhaupt wahrnehmen können. Damit nehmen Sie in Kauf, dass als eine Konsequenz
dieser Politik im Mittelmeer tausende Menschen ihr Leben verlieren. Das ist eines
demokratischen Rechtsstaats absolut unwürdig.
Österreichische Liga für Menschenrechte, Kto.Nr. 00 742 612 500, BLZ 12 000 UniCredit Bank Austria AG
BIC = BKAUATWW, IBAN = AT721100000742612500
Österreichische Liga für Menschenrechte
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Diese Politik ist trotz der ihr innewohnenden Grausamkeit dramatisch gescheitert: Ihre
defensive und abwehrende Haltung – wie zuletzt die Unterbringung von AsylwerberInnen in
Zelten – aber auch die Haltung vieler Verantwortlicher in Ländern und Gemeinden
gegenüber AsylwerberInnen, vermittelt Hilflosigkeit und schürt Ängste in der Öffentlichkeit,
die jeder Grundlage entbehren. Als weitere verheerende Konsequenz werden dadurch jene
politischen Kräfte gestärkt, die ganz offen Fremdenfeindlichkeit leben und demzufolge
rigoros abzulehnen sind.
Wahrung der Menschenrechte muss politische Richtschnur sein
Anstatt die Wahrung der Menschenrechte, die eine der wichtigsten Grundlagen
österreichischer Rechtskultur bilden, zur Richtschnur des politischen Handelns zu machen
und rasch Abhilfe zu schaffen, wird in endlosen Konferenzen ergebnislos Verantwortung
zwischen Bund und Ländern hin- und hergeschoben, während Flüchtlinge unter
menschenunwürdigen Bedingungen auch bei Regen im Freien kampieren (müssen). Es darf
und kann nicht sein, dass in einem Land wie Österreich, Schutzsuchende, selbst
minderjährige Flüchtlinge nicht angemessen betreut werden.
Wo Sie nicht handeln, handeln andere
Dass es auch anders geht, beweisen Strategien und Konzepte zahlreicher NGOs sowie auch
privates Engagement von Gruppen und Einzelnen. Immer mehr Menschen in Österreich
wollen diese unwürdige Situation nicht mehr hinnehmen. Sie schämen sich für das Bild, das
Österreich abgibt, und ergreifen selbst die Initiative. Nicht nur die großen Institutionen, die
sich traditionell für Menschen in Not starkmachen, erheben ihre Stimme und helfen, sondern
auch Gemeinden, privat initiierte Gruppen und einzelne Menschen tragen das Ihre dazu bei,
das Leid nach ihren Möglichkeiten zu lindern und ein anderes Bild von Österreich zu
vermitteln. So werden beispielsweise Willkommensbriefe für die Menschen in Traiskirchen
gesammelt, private Unterbringungsmöglichkeiten organisiert und Sachspenden eigeninitiativ
verteilt. Wie wichtig dieses zivilgesellschaftliche Engagement derzeit ist, kann nicht oft genug
betont werden. Wir als Liga der Menschenrechte möchten diesen Menschen und Initiativen
unsere Wertschätzung und Verbundenheit ausdrücken.
Österreichische Liga für Menschenrechte, Kto.Nr. 00 742 612 500, BLZ 12 000 UniCredit Bank Austria AG
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Es ist Zeit, dass die Verantwortlichen – und dazu sind Sie als österreichische
Bundesregierung als unser oberstes Steuerungsorgan in Österreich als erstes zu zählen –
sich jene empathischen Bürgerinnen und Bürger zum Vorbild nehmen und die von
AsylrechtsexpertInnen
erbrachten
Lösungsvorschläge
ernsthaft
angehen
und
menschenrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!
Wir erwarten von Ihnen und allen Staatsorganen, dass Sie Ihrer Verantwortung für die
Wahrung der Menschenwürde als Grundwert der Österreichischen Bundesverfassung
gerecht werden und menschenrechtliche Verpflichtungen erfüllt werden. Unabdingbar
ist dabei ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit Menschen in Not. Diese
Haltung ständig deutlich zu machen ist umso notwendiger, als unverantwortliche
Kräfte Skepsis und Besorgnis sowie Ablehnung in der Bevölkerung schüren.
Wir können nicht zulassen, dass traumatisierte Menschen, die alles verloren haben, im
Stich gelassen werden.
Wir fordern Sie daher auf, menschenrechtskonforme Strategien zu erarbeiten und
diese mit aller Konsequenz –notfalls auch gegen Widerstände – durchzusetzen.
Österreichische Liga für Menschenrechte
Dr. Barbara Helige; Präsidentin
Magª. Terezija STOISITS, Vize-Präsidentin
Univ.- Prof. Dr. Heinrich NEISSER, Vize-Präsident
Dr. Volker KIER
HR Dr. Dietmar DRAGARIC
Univ.- Prof. Dr. Karl GARNITSCHNIG
Dipl.-Ing. Klaus W. GARTLER
Österreichische Liga für Menschenrechte, Kto.Nr. 00 742 612 500, BLZ 12 000 UniCredit Bank Austria AG
BIC = BKAUATWW, IBAN = AT721100000742612500
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Max KOCH
Dr. Klaus PERKO
Mag. Walter POSCH
Dr. Marianne SCHULZE LL.M
Univ.- Prof. Dr. Hannes TRETTER
Dr. Marion WISINGER
Mag. Angelika Aumann
Dr. Katharina Gröger
Dr. Erwin Riess
Rückfragen:
Kira Preckel, Generalsekretärin
[email protected], Tel: 0676/ 360 94 63
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