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IDW ES 13
Entwurf eines IDW Standards:
Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung
von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht
(IDW ES 13)
(Stand: 25.05.2015)1
Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW
hat den nachfolgenden Entwurf eines IDW Standards: Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht (IDW ES 13)
verabschiedet.
Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge zu dem Entwurf werden schriftlich an die Geschäftsstelle des IDW (Postfach 32 05 80, 40420 Düsseldorf oder [email protected]),
bis zum 31.12.2015 erbeten. Die Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge werden im Internet
auf der IDW Homepage veröffentlicht, wenn dies nicht ausdrücklich vom Verfasser abgelehnt
wird.
Der Entwurf steht bis zu seiner endgültigen Verabschiedung als IDW Standard im Internet
(www.idw.de) unter der Rubrik Verlautbarungen als Download-Angebot zur Verfügung.
Copyright © Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V., Düsseldorf.
1.
2.
3.
4.
5.
1
Vorbemerkungen .......................................................................................................... 2
Auftragsannahme ......................................................................................................... 3
Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts ................ 4
3.1. Stichtag der Bewertung eines Unternehmens...................................................... 4
3.2. Methodenstetigkeit bei Bewertung eines Unternehmens im Anfangs- und
Endvermögen ...................................................................................................... 5
3.3. Verfügbare Informationen über das zu bewertende Unternehmen....................... 5
3.4. Ermittlung der übertragbaren Ertragskraft und Bestimmung des
kalkulatorischen Unternehmerlohns..................................................................... 6
Besonderheiten bei der Überleitung des Unternehmenswerts zum Ausgleichsbzw. Auseinandersetzungsanspruch ............................................................................ 7
4.1. Finanzierung der Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungszahlungen ................... 8
4.2. Berücksichtigung von Ertragsteuereffekten.......................................................... 8
4.3. Anteilsbewertung bei Bestehen von Abfindungsklauseln ..................................... 9
4.4. Berücksichtigung der Geldentwertung beim Vergleich des Anfangs- mit
dem Endvermögen ............................................................................................ 11
Dokumentation und Berichterstattung ......................................................................... 11
Verabschiedet als Entwurf vom Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB)
am 25.05.2015. Billigende Kenntnisnahme durch den Hauptfachausschuss (HFA) am 03.06.2015.
1
IDW ES 13
1.
Vorbemerkungen
1
Dieser IDW Standard legt vor dem Hintergrund der in Theorie, Praxis und Rechtsprechung entwickelten Standpunkte die Besonderheiten dar, die von Wirtschaftsprüfern bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ausgleichs- bzw.
Auseinandersetzungsansprüchen im Rahmen vermögensrechtlicher Auseinandersetzungen im Familien- und Erbrecht zu berücksichtigen sind.
2
Die Bewertung eines Unternehmens oder Unternehmensanteils bei vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen im Familien- und Erbrecht stellt keinen Sonderfall der Unternehmensbewertung in dem Sinne dar, dass von dem IDW S 1
i.d.F. 20082 abweichende betriebswirtschaftliche Bewertungsregelungen gelten würden.
3
Bei der Unternehmensbewertung in den vorgenannten Fällen sind jedoch Besonderheiten zu beachten, die aus den zivilrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen
Rechtsverhältnisses resultieren. Die Unternehmensbewertung zur Bestimmung von
Ansprüchen im Familien- und Erbrecht ist daher im Zusammenhang mit den übrigen
Regelungen zu familien- oder erbrechtlichen Auseinandersetzungen zu sehen.3
4
Für gewerbliche und freiberufliche Unternehmen bestehen keine gesetzlichen Vorschriften zur Bewertung im Familien- und Erbrecht. Der für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gemäß § 2049 Abs. 2 BGB vorgesehene Ertragswert entspricht nicht
dem betriebswirtschaftlichen Ertragswert i.S.d. IDW S 1 i.d.F. 2008.
5
Parteivereinbarungen zur Ermittlung des Zugewinnausgleichs (Eheverträge
i.S.d. § 1408 BGB), die die Bewertung von Vermögensteilen ganz oder teilweise fixieren, sind grundsätzlich zulässig und müssen vom Wirtschaftsprüfer beachtet
werden.4 Sie gehen im Verhältnis der Ehepartner zueinander etwaigen gesellschaftsvertraglichen Abfindungsklauseln vor.
6
Im Erbrecht sind Festlegungen des Unternehmenswerts durch den Erblasser, einschließlich der Vorgabe eines bestimmten Bewertungsverfahrens, zulässig. Durch
testamentarische Bewertungsanordnung kann indes der Pflichtteil nicht begrenzt
werden.
7
Letztlich zielt die Unternehmensbewertung bei vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen im Familien- und Erbrecht ab auf die Ermittlung von Ausgleichs- oder
Auseinandersetzungsansprüchen (z.B. zwischen Ehegatten bzw. Erben). Dieser
IDW Standard stellt die Besonderheiten dar, die sich aus einer entsprechenden Beauftragung des Wirtschaftsprüfers ergeben.
8
Der Wirtschaftsprüfer kann in verschiedenen Funktionen tätig werden (als neutraler
Gutachter, als Berater, als Schiedsgutachter).5 Bei einer gerichtlichen Bestellung zur
2
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4
5
IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i.d.F. 2008) (Stand:
02.04.2008).
Dieser IDW Standard gilt nicht für Bewertungen für erbschaftsteuerliche Zwecke.
Siehe auch IDW Praxishinweis: Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts
kleiner und mittelgroßer Unternehmen (IDW Praxishinweis 1/2014) (Stand: 05.02.2014), Tz. 59.
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 12.
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Bewertung im Familien- und Erbrecht wird er in der Funktion des neutralen Gutachters tätig, sodass im Folgenden von der Durchführung der Unternehmensbewertung
in dieser Funktion ausgegangen wird.
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Für das methodische Vorgehen ist die Unterscheidung der Bewertungsaufgabe in
die zwei Schritte
 Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts (erster Bewertungsschritt)
und
 Überleitung zum Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruch unter Beachtung der Besonderheiten des jeweiligen Rechtsverhältnisses (zweiter Bewertungsschritt)
von besonderer Bedeutung.
10
Bei der in mehreren BGH-Entscheidungen6 erwähnten sog. „modifizierten Ertragswertmethode“ handelt es sich weder um ein klar definiertes noch um ein eigenständiges Bewertungsverfahren. Vielmehr sind einzelne unter diesem Begriff in den Entscheidungen angeführte Aspekte bei der Ermittlung eines Ertragswerts, wie der Abzug des kalkulatorischen Unternehmerlohns oder die im Einzelfall mögliche Begrenzung der Lebensdauer des Unternehmens, in den Grundsätzen zur Durchführung
von Unternehmensbewertungen nach IDW S 1 i.d.F. 20087 bereits angelegt. Demgegenüber stellt eine unbesehene Übernahme von Vergangenheitsergebnissen als
Ausgangsgröße, wie sie den Entscheidungen zur „modifizierten Ertragswertmethode“ zugrunde liegt, keine sachgerechte Modifikation der Ertragswertmethode i.S.d.
IDW S 1 i.d.F. 2008 dar.
11
Dieser IDW Standard ersetzt die IDW Stellungnahme des Hauptfachausschusses:
Zur Unternehmensbewertung im Familien- und Erbrecht (IDW St/HFA 2/1995).
2.
Auftragsannahme
12
In der Funktion als neutraler Gutachter wird der Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger tätig, der mit nachvollziehbarer Methodik einen von den individuellen Wertvorstellungen betroffener Parteien unabhängigen Wert des Unternehmens ermittelt.
13
Wird ein Wirtschaftsprüfer bei vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen im Familien- und Erbrecht mit der Ermittlung eines Unternehmenswerts beauftragt, so hat
er aufgrund seiner Treuepflicht den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass für diese
Bewertungsanlässe eine Überleitung zum Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruch unter Beachtung der Besonderheiten des jeweiligen Rechtsverhältnisses
erforderlich ist.
14
Ermitteln Wirtschaftsprüfer für solche Bewertungsanlässe gleichwohl auftragsgemäß
Unternehmenswerte nach von diesem IDW Standard abweichenden Regelungen,
6
7
Vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2011, Az. XII ZR 185/08, BGHZ 188, S. 249 ff.; BGH, Urteil vom 09.02.2011,
Az. XII ZR 40/09, NJW 2011, S. 999 ff.
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 40, 85 ff., 160.
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empfiehlt es sich, den Auftraggeber frühzeitig auf die damit verbundenen potenziellen rechtlichen Risiken hinzuweisen und dies in den Arbeitspapieren zu dokumentieren.
3.
Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts
15
Auch in den Fällen der Unternehmensbewertung im Familien- und Erbrecht ist die
Unternehmensbewertung – sofern sich die Parteien nicht zulässigerweise auf eine
andere Vorgehensweise einigen – nach den in IDW S 1 i.d.F. 2008 niedergelegten
Grundsätzen (insb. Ermittlung eines Zukunftserfolgswerts, gesonderte Bewertung
des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, ggf. Ansatz des höheren Liquidationswerts) durchzuführen.8
Im Wesentlichen bestehen die nachfolgend aufgeführten Besonderheiten:
3.1.
Stichtag der Bewertung eines Unternehmens
16
In familienrechtlichen Auseinandersetzungen, insb. bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft (§ 1372 BGB), ist das Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 1 BGB)9 und
das Endvermögen (§ 1375 Abs. 1 BGB) zu ermitteln.10
17
Stichtag für die Ermittlung des Endvermögens ist im Falle der Ehescheidung der
Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB).
18
Für die Bewertung ist denkbar, dass die Teilhabe an dem Unternehmen sowohl zum
Stichtag des Anfangsvermögens (A) als auch zum Stichtag des Endvermögens (E)
bestand oder aber nur zu einem der beiden Stichtage.
19
Sofern die Teilhabe an dem Unternehmen sowohl zum Stichtag des Anfangs- als
auch des Endvermögens bestand, ist ein und dasselbe Unternehmen zu zwei Stichtagen zu bewerten. Dabei ist eine Unternehmensbewertung zum Stichtag (A) auf
der Grundlage des Informationsstands vorzunehmen, der bei angemessener Sorgfalt zu diesem Bewertungsstichtag hätte erlangt werden können.11 Die tatsächlichen
Verhältnisse des Unternehmens zum Stichtag (E) sind insoweit nicht in die Betrachtung einzubeziehen.
20
Auch eine Bewertung zum Stichtag (E) wird oftmals erst mehrere Jahre nach dem
Ende des Zugewinns an den Gutachter in Auftrag gegeben. Dem Stichtagsprinzip
kommt in diesem Fall insofern eine besondere Bedeutung zu, als zu beachten ist,
dass die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt und/oder die anschließende Entwicklung
8
9
10
11
Vgl. hierzu IDW S 1 i.d.F. 2008.
Frühester Stichtag für die Bewertung eines Unternehmens im Anfangsvermögen ist der 01.07.1958, an dem
das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.07.1957 in Kraft getreten ist. Dies gilt auch, wenn die Ehe früher geschlossen worden ist.
Darüber hinaus ist nach § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB das Vermögen auch zum Trennungszeitpunkt der Ehegatten zu ermitteln um nachzuweisen, dass danach keine unerlaubten Vermögensminderungen vorgenommen
wurden, die zu einer Schmälerung des Endvermögens geführt haben.
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 23.
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von einer der an der Auseinandersetzung beteiligten Personen beeinflusst werden
können. Es gilt auch hier wie in allen Fällen der nachträglichen Bewertung uneingeschränkt das Stichtagsprinzip, d.h. es dürfen – sofern die Bewertung anhand der Ertragsaussichten erfolgt – nur die positiven wie negativen Ertragsfaktoren in die Bewertung einbezogen werden, die sich zum Bewertungsstichtag aus bereits eingeleiteten Maßnahmen oder aus hinreichend konkretisierten Maßnahmen im Rahmen
des bisherigen Unternehmenskonzepts und der Marktgegebenheiten ergeben.12
Hierbei besteht insb. die Gefahr eines Rückschaufehlers, d.h. einer Verzerrung der
Schätzungen in Richtung der tatsächlichen Entwicklung.
21
Spätere Entwicklungen, die seinerzeit noch nicht absehbar waren, dürfen nicht berücksichtigt werden, selbst wenn sich im Zeitablauf die zugrunde gelegte Ertragsprognose als unzutreffend erweist. So kann die Richtigkeit von Prognosen nicht expost danach beurteilt werden, ob die prognostizierte Entwicklung tatsächlich eingetreten ist. Dies gilt selbst bei erheblichen Abweichungen der Planzahlen von den
tatsächlichen (Ist-)Ergebnissen.
3.2.
Methodenstetigkeit bei Bewertung eines Unternehmens im Anfangs- und Endvermögen
22
Sofern vertraglich nichts anderes geregelt ist, ist bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs das betreffende Unternehmen zu den jeweiligen Stichtagen nach
denselben Grundsätzen zu bewerten. In der Regel ist die Bewertung zu den relevanten Stichtagen nach den im Zeitpunkt der Durchführung der Bewertung in der
Theorie und Praxis als zutreffend anerkannten Bewertungsgrundsätzen und nicht
etwa nach den zu früheren Stichtagen vorherrschenden (Kombinations-)Methoden
vorzunehmen, soweit dem nicht besondere, insb. vertragliche Verhältnisse entgegenstehen.
23
Eine Durchbrechung des Grundsatzes der Verwendung einheitlicher Bewertungsmethoden zu den Bewertungsstichtagen kann nicht damit gerechtfertigt werden,
dass die Bewertung zum Stichtag (A) ggf. weniger fundiert möglich ist als zum Stichtag (E).
3.3.
Verfügbare Informationen über das zu bewertende Unternehmen
24
Die Informationsmöglichkeiten können z.B. aus folgenden Gründen eingeschränkt
sein:
 aussagefähige Unterlagen liegen wegen des großen Zeitraums zwischen Bewertungsstichtag und Durchführung der Bewertung nicht mehr vor
 die wesentliche Auskunftsperson ist ein von dem Bewertungsergebnis Betroffener
12
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 32.
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 aus rechtlichen Gründen ist ein Zugriff auf Unterlagen des Unternehmens nicht
möglich.
25
Insbesondere in streitigen Verfahren können die Informationen über das zu bewertende Unternehmen daher sehr eingeschränkt sein, sodass das Bewertungsergebnis diesbezüglich mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Sofern dem Wirtschaftsprüfer trotz Aufforderung der Unternehmensleitung keine Planungsrechnung
des Unternehmens vorgelegt wird, kann er selbst eine Prognose der finanziellen
Überschüsse erstellen.
26
Allgemein gültige Lösungen zur praktischen Vorgehensweise lassen sich für diese
Fälle nicht entwickeln. Fehlt es an stichtagsnahen Informationen, können als Indiz
für die Verhältnisse zum Stichtag bei weit zurückliegendem Stichtag die Vermögensund Ertragsverhältnisse einer bestimmten Anzahl von Jahren vor und nach dem
Bewertungsstichtag unter Zuhilfenahme von Daten zur Würdigung der allgemeinen
wirtschaftlichen Lage (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, statistische
Jahrbücher, Publikationen von Wirtschaftsverbänden u.a.) herangezogen werden.
Dabei ist stets zu würdigen, ob und inwieweit die in der Quelle geschilderten Verhältnisse auf das zu bewertende Unternehmen und auf den Bewertungsstichtag
übertragbar sind.
27
Der Wirtschaftsprüfer hat die seiner Bewertung zugrunde liegenden Informationen
und die in seinem Bewertungsergebnis enthaltenen Unsicherheiten im Gutachten
klar zum Ausdruck zu bringen. Unsicherheiten bei der Bewertung aufgrund unzureichender Informationen dürfen nicht durch pauschale Abschläge von den zu kapitalisierenden finanziellen Überschüssen oder durch pauschale Zuschläge zum Kapitalisierungszinssatz berücksichtigt werden.
3.4.
Ermittlung der übertragbaren Ertragskraft und Bestimmung des kalkulatorischen Unternehmerlohns
28
Nach den Grundsätzen des IDW S 1 i.d.F. 2008 ist bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts auf die dem Unternehmen innewohnende und übertragbare Ertragskraft abzustellen. Diese kann davon abhängig sein, ob das bisherige
Management weiterhin im Unternehmen verfügbar ist.13 Nach IDW S 1 i.d.F. 2008 ist
eine Eliminierung personenbezogener Einflüsse auf die finanziellen Überschüsse
grundsätzlich nicht notwendig, da i.d.R. unterstellt wird, dass das bisherige Management im Unternehmen verbleibt oder ein gleichwertiger Ersatz gefunden wird.14
29
Jedoch kann insb. bei personenbezogenen Unternehmen die Ertragskraft in besonderem Maße von den bisherigen Eigentümern abhängig sein, sodass der Einfluss
der Eigentümer auf die Ertragskraft des Unternehmens zu hinterfragen ist. Soweit
wertbestimmende Faktoren für die Erzielung der finanziellen Überschüsse aus den
Kenntnissen oder Fähigkeiten bisheriger Inhaber resultieren, ist die in der Vergan-
13
14
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 38; so auch IDW Praxishinweis 1/2014, Tz. 22.
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 39.
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genheit vorhandene Ertragskraft nur partiell oder zeitlich begrenzt übertragbar. Im
letzteren Fall schmilzt das künftige Ertragspotenzial über einen endlichen Zeitraum
ab. Sofern verschiedene Faktoren mit jeweils unterschiedlichen Abschmelzungsgeschwindigkeiten bestehen, sind diese grundsätzlich getrennt zu berücksichtigen.15
30
Auch nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Unternehmensbewertung im
Familien- und Erbrecht darauf zu achten, dass nur die übertragbaren Bestandteile
bewertet werden.16 Dazu gehört der auf die persönlichen Leistungen der Inhaber
entfallende Teil des Ertragswerts nicht.
31
Neben der Bereinigung von Erfolgsbeiträgen können ferner ggf. kalkulatorische
Vergütungen zu berücksichtigen sein.17 Nach der Rechtsprechung wird die Konkurrenz zwischen Zugewinnausgleich und Unterhaltsanspruch (Problem der Doppelverwertung) dadurch beseitigt, dass bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs nicht ein pauschal angesetzter kalkulatorischer Unternehmerlohn, sondern
der im Einzelfall konkret gerechtfertigte individuelle Unternehmerlohn in Abzug gebracht wird.18
32
Die Höhe des Unternehmerlohns wird zunächst nach der marktüblichen Vergütung
bestimmt, die eine nicht beteiligte Unternehmensleitung erhalten würde.19 Dieser Betrag ist ggf. angesichts eines außergewöhnlich starken oder schwachen zeitlichen
Einsatzes sowie individueller Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Unternehmers (des ausgleichspflichtigen Ehepartners oder des Erblassers) um angemessene Zu- oder Abschläge anzupassen. Dabei sind mögliche Wechselwirkungen auf die
Höhe der übertragbaren Bestandteile der Ertragskraft (vgl. Tz. 29 f.) zu berücksichtigen. Die Höhe solcher Zu- oder Abschläge ist vom Wirtschaftsprüfer transparent zu
machen und zu begründen.
4.
Besonderheiten bei der Überleitung des Unternehmenswerts zum Ausgleichsbzw. Auseinandersetzungsanspruch
33
Die Unternehmensbewertung im Familien- und Erbrecht stellt typischerweise ab auf
die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen natürlichen Personen. Bei
diesen Vorgängen werden neben Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen regelmäßig auch andere Vermögenswerte in der Sphäre des privaten Vermögens wie
Grundbesitz etc. bewertet, um entsprechende Teilungen vornehmen zu können.
34
Beim Zugewinnausgleich wie bei der Erbauseinandersetzung stehen sich ausgleichsberechtigte und ausgleichsverpflichtete Personen gegenüber. In einem der
Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts folgenden zweiten Bewertungsschritt müssen daher zur Festlegung von Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungs-
15
16
17
18
19
So auch IDW Praxishinweis 1/2014, Tz. 23 ff.
Vgl. z.B. BGH, Urteil vom 09.02.2011, Az. XII ZR 40/09, NJW 2011, S. 999 ff.
So auch IDW Praxishinweis 1/2014, Tz. 22 und Tz. 32 ff.
Vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2011, Az. XII ZR 185/08, NJW 2011, S. 2572 ff.; BGH, Urteil vom 09.02.2011,
Az. XII ZR 40/09, NJW 2011, S. 999 ff.
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 40; so auch IDW Praxishinweis 1/2014, Tz. 32.
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ansprüchen die bei Durchführung des Zugewinnausgleichs mit einer fiktiven Veräußerung des Unternehmens verbundenen bzw. die mit der Erbteilung verbundenen
Steuerfolgen individuell berücksichtigt werden, um im Hinblick auf die Ausgleichsbzw. Auseinandersetzungsfolgen ein für alle Beteiligten angemessenes Ergebnis zu
erzielen. Dies geschieht meist in Zusammenarbeit mit dem Gericht und ggf. auch
unter Berücksichtigung weiteren Vermögens, das nicht zu dem zu bewertenden Unternehmen gehört.
35
Während Abfindungszahlungen für den Erwerb des Erbteils eines Miterben im
Rahmen einer Erbauseinandersetzung nach einem Beschluss des Großen Senats
des BFH20 steuerlich beim Leistenden grundsätzlich zu Anschaffungskosten und
beim weichenden Miterben zu einem Veräußerungserlös führen, werden sowohl die
Realteilung eines Nachlasses als auch die Erfüllung einer Erbfall- oder Zugewinnausgleichsschuld steuerlich als unentgeltlicher Vorgang angesehen.
4.1.
Finanzierung der Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungszahlungen
36
Sofern der Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsbetrag nicht aus vorhandenen
liquiden Vermögenswerten beglichen werden kann, sondern aus künftigen Unternehmenserträgen zu decken ist, kann es notwendig sein, die Mittel zur Erfüllung der
Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsverpflichtung z.B. durch Kreditaufnahme zu
beschaffen.
37
Weder bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts noch bei der Ermittlung des Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruchs sind aus der Finanzierung der jeweiligen Zahlung resultierende Finanzierungskosten abzuziehen.
4.2.
Berücksichtigung von Ertragsteuereffekten
38
Nach der Rechtsprechung des BGH zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs in Fällen des Zugewinnausgleichs ist unabhängig von dem tatsächlichen Geschehensablauf eine fiktive Veräußerung des Unternehmens an einen Dritten zum jeweiligen
Stichtag zu unterstellen. Von dem Wert des Unternehmens – wie auch anderer dem
Zugewinnausgleich unterliegender Vermögenswerte, wenn deren Veräußerung eine
Besteuerung auslösen würde – ist daher die persönliche Ertragsteuerbelastung
beim konkreten Eigentümer bei fiktiver sofortiger Veräußerung in Abzug zu bringen
(sog. latente Steuern).21 In konsequenter Anwendung der Methodenstetigkeit
(Tz. 22) gilt dies sowohl hinsichtlich des End- wie auch des Anfangsvermögens.
39
Hierbei sollte im Einzelfall gewürdigt werden, ob und ggf. in welcher Höhe ein abschreibungsbedingter Steuervorteil (sog. tax amortisation benefit) bei der Ermittlung
des Ausgleichsanspruchs werterhöhend zu berücksichtigen ist.
20
21
Vgl. BFH, Urteil vom 05.07.1990, Az. GrS 2/89, BStBl. II 1990, S. 837 ff.
Nach Auffassung des BGH wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass der Wert danach ermittelt
wird, was bei einer Veräußerung durch den Verpflichteten zu erzielen wäre. Vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2011,
Az. XII ZR 185/08, BGHZ 188, S. 249 ff.; BGH, Urteil vom 09.02.2011, Az. XII ZR 40/09, BGHZ 188, S. 282 ff.
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40
Bei der Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen sind nach der Rechtsprechung des
BGH latente Ertragsteuern dann in Abzug zu bringen, wenn nach dem der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Verwertungsszenario nicht von einer Fortführung des Unternehmens, sondern von dessen Veräußerung oder Liquidation
ausgegangen wird.22 Auch hier ist im Einzelfall zu würdigen, ob die Berücksichtigung
eines abschreibungsbedingten Steuervorteils des erwerbenden Erben angemessen
ist.
41
Zur Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern in der Erbauseinandersetzung
hat sich der BGH bislang nicht dezidiert geäußert.
42
Führt die Erbauseinandersetzung (z.B. als Realteilung) zu keinem entgeltlichen Erwerbsvorgang zwischen den Erben, kommt es auch zu keiner unmittelbaren Berücksichtigung latenter Steuern. In diesem Fall sind allein die allgemeinen Grundsätze zur Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern in der Unternehmensbewertung anzuwenden.23
43
Führt die Erbauseinandersetzung zu einer Versteuerung stiller Reserven bei einem
weichenden Erben, ist auch hier im Einzelfall zu würdigen, ob die Berücksichtigung
eines abschreibungsbedingten Steuervorteils des erwerbenden Erben angemessen
ist. Die steuerliche Belastung aus den aufgedeckten stillen Reserven trägt der weichende Erbe selbst. Dies führt unmittelbar zu einer fairen Aufteilung, wenn sich
Steuernachteil und Steuervorteil im Wert entsprechen. Ist dies nicht der Fall, ist ggf.
eine weitergehende Abwägung der gegenseitigen Vor- und Nachteile notwendig.
44
Maßgeblich ist jeweils die bei einer unterstellten Veräußerung oder bei einer Erbauseinandersetzung zum jeweiligen Stichtag entstehende Steuerlast. Im Hinblick
auf die Höhe des Veräußerungsgewinnsteuersatzes können einzelfallabhängig Tarifbegünstigungen (z.B. § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 2 bis 4, § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1
EStG) oder partielle Steuerfreistellungen (z.B. § 3 Nr. 40 EStG) zur Anwendung
kommen.
4.3.
Anteilsbewertung bei Bestehen von Abfindungsklauseln
45
Für Zwecke der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts werden die persönlichen Verhältnisse des Anteilseigners typisiert. Individuelle vertragliche Regelungen auf Ebene der Anteilseigner werden daher im Rahmen eines objektivierten
Unternehmens- bzw. Anteilswerts nicht erfasst. In Abhängigkeit vom Bewertungsanlass und vom Einzelfall kann es jenseits des objektivierten, quotalen Anteilswerts er-
22
23
Vgl. BGH, Urteil vom 26.04.1972, Az. IV ZR 114/70, NJW 1972, S. 1269 ff. Nach jüngerer oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung ist für den in Geld zu gewährenden Pflichtteil zu unterstellen, dass der Nachlass in Geld
umgesetzt worden wäre, und sind für die damit zu unterstellende fiktive Veräußerung latente persönliche
Steuern abzuziehen. Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.04.2014, Az. 10 U 35/13, BeckRS 2014, S. 11567; OLG
München, Urteil vom 04.04.2012, Az. 3 U 4952/10, BeckRS 2012, S. 08586.
Vgl. hierzu IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 43 ff.
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forderlich sein, die dem Anteil anhaftenden Gegebenheiten wie gesetzliche, vertragliche oder faktische Verfügungsbeschränkungen zu berücksichtigen.24
46
Nach der Rechtsprechung des BGH ist in Fällen, in denen gemäß den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags bei Ausscheiden eines Gesellschafters nicht der volle
quotale Unternehmenswert für den Anteil vergütet wird, sondern ein niedrigerer im
Vertrag bestimmter Abfindungswert zugrunde zu legen ist, für die Ermittlung des
Ausgleichsanspruchs dennoch grundsätzlich der volle, sich nach dem Ertragswert
bemessende Wert statt des Abfindungswerts anzusetzen.25
47
Die Rechtsprechung basiert auf dem Gedanken, dass die weitere Nutzungsmöglichkeit durch den Inhaber – trotz eingeschränkter Verwertbarkeit – maßgeblich den
Wert des Anteils bestimmt. Des Weiteren bedeutet das Bestehen von Abfindungsklauseln bei einer Gesellschaft mit mehreren Gesellschaftern für den einzelnen Gesellschafter neben den Risiken im Fall des eigenen Ausscheidens auch Chancen in
Form einer Erhöhung des Werts des Anteils bei Ausscheiden der anderen Gesellschafter.
48
Der Umstand, dass der Anteil zwar voll genutzt werden kann, aber nur eingeschränkt verwertbar ist, kann bei Bewertungen für familien- und erbrechtliche Anlässe wertmindernd zu berücksichtigen sein. Die Höhe eines etwaigen Abschlags vom
Unternehmenswert hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen und muss die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Entscheidend ist dabei die Frage, ob und ggf. in
welchem Ausmaß sich die eingeschränkte Verwertbarkeit des Anteils nach der Verkehrsanschauung auf deren Wert auswirkt.26 Nicht ausreichend sind Schätzungen,
mit denen ohne Begründung pauschale Abschläge vom vollen Wert der Anteile vorgenommen werden.
49
Von dem in den Tz. 45 ff. dargestellten Grundsatz abweichend ist der Wert der Anteile dann auf den im Gesellschaftsvertrag geregelten Betrag des Abfindungsanspruchs begrenzt, wenn die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses am Bewertungsstichtag bereits wirksam erfolgt war.27 Dasselbe gilt, wenn ein Gesellschafter
den Erben ihre Anteile aufgrund eines ihm gesellschaftsvertraglich zugestandenen
Kündigungsrechts jederzeit gegen ihren Willen zu einem unter dem vollen Wert liegenden Betrag entziehen kann.28
24
So auch IDW Praxishinweis 1/2014, Tz. 56.
25
Vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1979, Az. IV ZR 79/78, DB 1979, S. 2477 ff.; BGH, Urteil vom 25.11.1998,
Az. XII ZR 84/97, DB 1999, S. 477 ff.
Vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1979, Az. IV ZR 79/78, DB 1979, S. 2477 ff.
Vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1979, Az. IV ZR 79/78, DB 1979, S. 2477 ff.; BGH, Urteil vom 25.11.1998,
Az. XII ZR 84/97, DB 1999, S. 477 ff.
Vgl. BGH, Urteil vom 09.05.1988, Az. II ZR 247/87, GmbHR 1988, S. 431 ff.
26
27
28
10
IDW ES 13
4.4.
Berücksichtigung der Geldentwertung beim Vergleich des Anfangs- mit dem
Endvermögen
50
Der Zugewinnausgleich wird aus dem Vergleich von Endvermögen zu Anfangsvermögen abgeleitet. Dabei muss das jeweilige Vermögen auf gleicher Preisbasis bewertet sein, wenn ein Ausgleich von scheinbaren, nur nominellen Wertsteigerungen
nicht im Zugewinn enthalten sein soll. Der BGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass das Anfangsvermögen mit dem Index der Lebenshaltungskosten auf
die Preisbasis des Stichtags des Endvermögens umzurechnen ist.29
51
Die Umrechnung des objektivierten Unternehmenswerts im Anfangsvermögen muss
der Wirtschaftsprüfer je nach Auftrag nicht selbst vollziehen, da sich die Hochrechnung auf das gesamte Anfangsvermögen bezieht und eine Unternehmensteilhabe je
nach Einzelfall nur einen Teil des Vermögens ausmachen kann. Auf diese Hochrechnung sollte der Wirtschaftsprüfer aufgrund ihrer Bedeutung jedoch hinweisen.
5.
Dokumentation und Berichterstattung
52
Angesichts der Zielsetzung der Unternehmensbewertung in den in diesem
IDW Standard dargelegten Fällen – Ermittlung eines Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruchs – hat der Wirtschaftsprüfer im Bewertungsgutachten30 insb.
auch seine Funktion klar herauszustellen sowie eindeutig abzugrenzen, inwieweit
das Bewertungsergebnis Elemente des zweiten Bewertungsschritts enthält. Dabei
sind die bei der Überleitung zum Ausgleichs- bzw. Auseinandersetzungsanspruch
jeweils zugrunde liegenden Annahmen (bspw. bei der Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen Steuersatz und Kapitalisierungszinssatz nach Berücksichtigung
der persönlichen Ertragsteuern) darzustellen.
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Vgl. BGH, Urteil vom 14.11.1973, Az. IV ZR 147/72, WPg 1974, S. 521 ff.
Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 173 ff.
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