10. D E Z E M B E R 2015 D I E Z E I T No 5 0 GLAUBEN & ZWEIFELN 69 Fotos (Ausschnitte, v. o.): John Moore/Getty Images (Rojava, Syrien 13.11.2015); Annibale Greco (Sindschar, Irak 16.04.2015) Endlich tolerant? Wie man glauben kann, ohne andere für Ungläubige zu halten. Ein Gespräch mit den Theologen Saskia Wendel und Christoph Theobald über religiösen Pluralismus Jesidische Flüchtlinge in Syrien feiern die Rückeroberung Sindschars und Schiiten. Diese perverse Ideologie hat nichts mit unserem Islam zu tun.« Die Nacht legt sich wie ein schwarzes Laken über Sindschar. Agir sitzt jetzt in einer anderen Ruine, in der seine Einheit Quartier bezogen hat, die Fenster sind mit Decken und Tüchern verhangen. Einige Männer lesen im Lichtkegel ihrer Stirnlampen tatsächlich die Schriften von Abdullah Öcalan, dem in der Türkei inhaftier ten Führer der PKK. Andere rauchen schwei gend, wieder andere spielen Backgammon oder starren ins Nichts. Moskitos saugen sich an ih rer Haut fest, Fliegen krabbeln in Ohren und Nasen. Manchmal rattern Maschinengewehre. Eine Granate trifft ein Nachbarhaus. Im Haus gegenüber, von einem Innenhof getrennt, schlafen die kurdischen Kämpferinnen. Aus seiner Brusttasche fingert Agir ein la miniertes und gefaltetes Pappspiel mit zwei Würfeln heraus. Das Spiel heißt Leitern und Schlangen. Agir hat es von seinem Freund Ad nan, einem jungen Scharfschützen, 22 Jahre alt. »Er ist tot«, sagt Agir, lächelt und streicht dabei zärtlich über das Spielfeld. »Er hat sich für Kurdistan geopfert. Gibt es einen schöneren Tod?« Es klingt tatsächlich fast neidisch. Adnan war der 59. Gefallene der PKK in Sindschar. Allerdings: Seine Leiche baumelte tagelang an einem Strick von einem Laternenmast. Später fliegt die US-Luftwaffe wieder Angriffe auf den IS. Die Kämpfer knipsen die Lampen aus und legen sich flach auf die Matratzen. Nur die Glut glimmender Zigaretten hängt wie ein Schwarm roter Irrlichter in der Dunkelheit. Stille. Dann ein Brummen, das schnell lauter wird. Minutenlang kreist der Kampfjet über den Rui nen. Plötzlich ein Zischen, als würde jemand die Luft zerteilen, dann ein ohrenbetäubender Knall. Die Detonation lässt die Wände wackeln. Schutt prasselt auf das Dach. Eine Wolke aus Staub schwappt durch die Fenster. Es riecht nach Kordit und verschmortem Plastik. Dann folgt die zweite Bombe, kurz darauf die dritte und vierte. Am kommenden Vormittag hat Agir Küchen dienst. Er sitzt im Schneidersitz auf dem Fuß boden, vor sich ein Blech, summt kurdische Melodien, während er Hühner zerteilt, Kar toffeln schält, Tomaten schneidet, Reis kocht. Das Essen kaufen sie in einem Ort auf der an deren Seite des Berges. Als Agir das Blech in den Ofen schieben will, greift der IS seine Stellung an. Agir blickt irritiert auf das Mittag essen, schüttelt den Kopf, dann nimmt er sein Gewehr und rennt los. Kugeln zischen durch die Luft. Agir steht hinter Sandsäcken, eine Kippe baumelt im Mundwinkel, er feuert auf den unsichtbaren Gegner, der sich auf der an deren Straßenseite verschanzt. Nach 40 Minu ten ist das Gefecht zu Ende, und Agir schlurft zurück in die Küche. Wird er lebend hier rauskommen? Zwei Tage später fährt ein Jeep aus der Stadt Sindschar hinaus auf den gleichnamigen Berg. Entlang der Serpentinenstraße liegen ausgebrannte Fahrzeugwracks und Kleidungsstücke Ermor deter. Ein jesidischer Kämpfer auf Fronturlaub will zu seiner Verlobten in eines der elenden Zeltlager im Sindschar-Gebirge, wo Tausende noch immer als Flüchtlinge im eigenen Land hausen. Er sagt: »Die PKK hat uns Jesiden ge rettet. Deshalb bin ich an ihrer Seite. Ich ver traue ihnen.« Die jesidischen Volksverteidi gungseinheiten (YBS) sind treue Unterstützer der Kurden. Sie wollen Rache nehmen an den Dschihadisten, die ihre Dörfer niederbrannten, ihre Väter erschossen, ihre Mütter vergewaltig ten, ihre Schwestern entführten. Wird ihr Zorn reichen für einen Sieg? Fünf Monate später ist es endlich so weit: Sindschar befreit, aber in Trümmern. Agir lebt noch und kämpft in einer der PKK-Einheiten, die Sindschar vom Westen her angreifen. Kassim Chalaf, der jesidische Freiwillige, steht neben dem Leichnam eines IS-Kämpfers, der bei ei nem Luftangriff umkam, und feuert Freuden schüsse in die Luft: »Hol hola Taus-i Melek!« Dann bindet er die Flagge der jesidischen Volksverteidigungseinheiten an einen Laternen pfahl. Kassim sagt, er sei ein bisschen traurig, dass er keinen Feind töten konnte. Ein gefange ner IS-Kämpfer sitzt auf der Ladefläche eines Lastwagens neben dem Leichnam eines PKKKämpfers. Der Gefangene sieht ängstlich aus. Bevor die Dschihadisten abzogen, zerstörten sie so viele Häuser, wie sie konnten, und töteten viele Gefangene, darunter auch Kinder. Jetzt stürmen die Befreier der Stadt die Geschäfte von IS-Unterstützern. Einen Tag nach der Befreiung werden sie drei Massengräber finden, darunter eines mit den Überresten von siebzig älteren Frauen. Noch weiß niemand zu sagen, wie viele Jesiden tot sind. Der Verwesungsgeruch wölbt sich wie eine stinkende Glocke über den Ruinen. Kleine Fotos: Privat Zwei Kämpferinnen der PKK DIE ZEIT: Frau Wendel, Herr Theobald, wann haben Sie sich zuletzt über Intoleranz geärgert? Saskia Wendel: Ich ärgere mich momentan jeden Morgen, wenn ich in die Zeitung schaue: einerseits über religiöse Fanatiker, andererseits über Vorur teile gegenüber Fremden. Toleranz heißt Anerken nung der Freiheitsrechte und der Überzeugung anderer. Leicht gesagt, schwer zu lernen. Christoph Theobald: Ich habe mich über den Wahlsieg des Front National geärgert, weil er zeigt, dass die politische Klasse in Frankreich unfähig ist, auf Identitätsängste in der Gesellschaft angemes sen zu reagieren. Jetzt werden diese Ängste, die soziale und ökonomische Ursachen haben, auf Flüchtlinge und Muslime projiziert. ZEIT: Was ist da in der Politik falsch gelaufen? Theobald: Frankreich hat zwar heute kein starkes Christentum mehr, aber kulturell ist das Land ka tholisch geblieben, und das heißt: zentralistisch und hierarchisch. Dadurch wurde ein sozialer Dia log an der Basis, in den Departements und Ge meinden, verhindert. Außerdem hat der franzö sische Laizismus, also die strikte Trennung von Kirche und Staat, zur religiösen Sprachlosigkeit in der Öffentlichkeit beigetragen. Viele Politiker sind heute unfähig, mit religiösen Phänomenen umzu gehen. Ein typisches Beispiel: Die Vereinigung der französischen Bürgermeister hat vor zwei Wochen einen Erlass an alle Bürgermeisterämter geschickt, sie dürften keine Weihnachtskrippen in öffent lichen Gebäude aufstellen. Und warum? Aus Angst, dass auch der Islam religiöse Symbole zeigen will. ZEIT: Teilen Sie die Ansicht mancher konservati ver Politiker, dass in Frankreich hauptsächlich der Laizismus am Erstarken des islamischen Funda mentalismus schuld sei? Wendel: Der Laizismus kann wirklich etwas Aus schließendes haben. Aber es ist zunächst mal ein religionsinternes Problem, wenn eine Religion sich immunisiert gegen kritische Einwände. Wo Kritik nicht stattfinden darf, entstehen fundamentalis tische Attitüden. Das gibt es natürlich nicht nur in der Religion. Aber ich erinnere mich noch gut da ran, wie sich bei uns in Deutschland Christen über blasphemische Filme oder Theaterstücke be schwerten und zum Boykott aufriefen, anstatt sich mit dem Inhalt kritisch auseinanderzusetzen. Eine klare Immunisierungstendenz, die der Meinungs freiheit zuwiderläuft. Theobald: Der These, dass ein laizistisches Staats system religiösen Fundamentalismus produziert, würde ich scharf widersprechen. Frankreichs Tren nung von Kirche und Staat im Jahr 1905 war kei neswegs ideologisch überfrachtet. Liberale Protes tanten haben entscheidend an diesem Gesetz mit gewirkt, das den Kirchen viel pastoralen Spielraum lässt und ihnen beim Unterhalt ihrer Kirchen bauten hilft. Der Laizismus darf nur nicht so weit gehen, dass die verschiedenen religiösen Traditio nen sich nicht mehr in die Gesellschaft einbringen können. Das betrifft auch den Islam. Übrigens ist die Mehrheit der französischen Muslime ja durch aus willens, sich in die republikanische Staatsform zu integrieren. ZEIT: In Deutschland kritisieren jüngere musli mische Theologen heute den Staat, allzu bereitwil lig mit Vertretern eines konservativen Islams zu sammengearbeitet und eine liberale Theologie nicht gefördert zu haben. Sie wünschen sich mehr politische und öffentliche Unterstützung für eine historisch-kritische Lehre. Zu Recht? Wendel: Der Islam braucht meiner Meinung nach eine kritische Koran-Hermeneutik und eine offe nere Auseinandersetzung mit den Geltungsansprü chen der eigenen religiösen Überzeugungen. Wie rechtfertigt man diese in einer pluralen Gesell schaft? Das ist eine Frage, mit der wir christlichen Theologen uns seit Langem beschäftigen. Aber das von außen von einer anderen Religion einzufor dern, das empfände ich als eine Form von intellek tueller Anmaßung. Theobald: Eine erste Unterstützung könnte sein, zu sagen, auch die Aufklärung innerhalb der ka tholischen und evangelischen Theologie war schwierig – aber absolut notwendig. Denken Sie nur daran, dass die katholische Kirche erst 1943 offiziell die historisch-kritische Exegese anerkannt hat. Und die ist noch immer nicht in allen Ge meinden und Weltgegenden angekommen. Mit anderen Worten: Auch wir Christen haben eine lange Geschichte des Fundamentalismus. Und nun erleben wir, dass der französische Islam sehr stark geprägt ist vom Wahhabismus. Saudi-Ara bien finanziert Imame, die fundamentalistische Koranlektüre betreiben und entsprechend predi gen – allerdings vielfach ohne böse Absicht, ein fach weil sie nichts anderes kennen, weil sie ihre Theologie noch nicht konfrontiert haben mit einer modernen Kultur. Deshalb wird in Frankreich nun darüber diskutiert, Institute zuzulassen, wo we nigstens der Rahmen der Imam-Ausbildung vom Gesetzgeber kontrolliert wird. Wendel: Es dauerte ja sehr lange, bis die katholische Kirche die Menschenrechte ratifizierte. Und sie brauchte bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in ser Welt. Die Wahrheit kann von uns Menschen nur gesucht werden. Dazu gehört, den Anders gläubigen bei seiner Wahrheitssuche zu respek tieren. Seine Wahrheit nicht nur zu dulden, son dern zu hören. Wendel: Toleranz heißt eben nicht, mit dem ande ren in seinen Überzeugungen gänzlich übereinzu stimmen, sondern ihn anzuerkennen, gerade auch bei Dissens. ZEIT: Gibt es Grenzen der Toleranz? Theobald: Selbstverständlich! Und es gibt auch Feinde der Verständigung. Manchmal, wie im Fal le des »Islamischen Staates« oder von Boko Haram, erklären sie Andersgläubigen den Krieg. Das ist intolerabel. Und wir haben das Recht, ja die Pflicht, solchen Feinden unseres friedlichen Zu sammenlebens Widerstand zu leisten. ZEIT: Wie? Wendel: Der Widerstand gegen jede Form von Ge walt, ob religiös oder nicht, ist politisch zu begrün den. Was passiert, wenn unsere verfassungsmäßige Ordnung durch Fundamentalisten bedroht ist? Hier greift das Widerstandsrecht des Grundgeset zes, hier ist auch der Staat gefragt. Und damit sind Saskia Wendel, 51, lehrt Systematische Theologie an wir weg vom reinen Religionsthema. ZEIT: Wir können das Thema Religion aber nicht der Universität Köln ausklammern, solange die Rechtfertigungen für Mord und Totschlag religiöser Natur sind. Theobald: Es gibt Islamwissenschaftler, die sagen, dass in der Struktur des Islams Gewaltpotenziale liegen, die im Christentum fehlen, weil die Kreuzesgeschichte und die Gewaltlosigkeit Jesu Christoph Theobald, 69, ist uns eine neue Orientierung geben. Aber hat das Jesuit und lehrt Dogmatik die Christen abgehalten, Gewalt im Namen am Centre Sèvres in Paris Gottes auszuüben? Nein. Ich warne deshalb vor Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben Pauschalisierungen. Es hat keinen Sinn, jetzt zu behaupten, der Islam sei an sich gewalttätig. Ge mir«? Ist dieses Gebot denn relativierbar? Theobald: Nein. Aber ein Christ darf diesen Satz nauso unsinnig ist es, zu behaupten, der Islam an nicht von dem anderen Gebot trennen: Du sollst sich sei friedfertig. Und es hilft uns auch nicht, dir kein Bildnis machen von Gott. Das Bilder angesichts muslimischer Flüchtlinge Europa nun verbot meint nämlich: Gott und auch der andere mit dem Christentum zu identifizieren. Papst Mensch sind größer als meine menschliche Vor Franziskus hat in Straßburg vor dem Europa stellungen von ihnen. Gott und der andere Mit parlament und dem Europarat sehr richtig er mensch, das ist ein und dasselbe Geheimnis. Man klärt: Europa hatte immer die Schwierigkeit, wird nicht als glaubender Menschen geboren, aber auch die Fähigkeit, verschiedene Traditionen sondern muss Glauben lernen. Und so auch Tole zu verbinden. Genau daraus entstand der Tole ranz, oder positiver: Achtung vor dem anderen, ranzbegriff, entstand die Unterscheidung zwi schen Staat und Religion, entstand eine respekt wer er auch sei. ZEIT: Wenn wir uns die neuzeitliche Freiheits volle Religionskritik. Diese Errungenschaften geschichte anschauen, denn sehen wir, dass die gilt es nun zu verteidigen. europäische Aufklärung des Christentums nicht ZEIT: Der Dalai Lama brachte dieses Jahr in kontinuierlich verlief. Im 19. Jahrhundert wurde Deutschland einen Bestseller heraus mit dem Titel die Moderne vor allem durch die katholische Ethik ist wichtiger als Religion. Stimmen Sie zu? Kirche stark abgewehrt, der Glaube wurde verengt Theobald: Ich glaube nicht, dass die Welt besser auf eine zu dekretierende Wahrheit. wäre ohne Religion. Diese Hypothese kommt im Theobald: Und für die deutschen Protestanten mer wieder hoch im laizistischen Frankreich. Aber war ihre Nähe zum »Dritten Reich« die größte die Religionen sind ein Faktum, auch wenn einige Krise der jüngeren Vergangenheit – zugleich sie gerne abschaffen würden. Wir können uns nur brachten Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer vor Intoleranz hüten und uns positiv immer wie eine starke freiheitliche Gegenbewegung in der von Neuem für Frieden einsetzen. Gang. Der gemeinsame moderne Bezugspunkt ZEIT: Ist es Ihnen selbst immer leichtgefallen, zu für Protestanten und Katholiken heißt Gewis glauben und doch tolerant zu sein? sensfreiheit. Sie ist Grundvoraussetzung religiö Theobald: Meistens. Ich habe immer schon Men ser Toleranz. Thomas von Aquin hat sie theolo schen anderer Konfessionen, anderer Religionen gisch begründet, aber erst das Zweite Vatikani gekannt. Das gehört zu meiner Gotteserfahrung. sche Konzil verhalf ihr in der katholischen Kirche Aber ich gebe zu: Mir geht die Galle schon manch zur Geltung. Keiner besitzt die Wahrheit in die mal über bei gewissen Unterstellungen. Atheisten setzen oft voraus, dass ich als Gläubiger keine Ra tionalität kenne. Und umgekehrt wurde ich in meinen eigenen katholischen Kreisen schon manchmal verdächtigt. Wendel: Ein Kernproblem von Fundamentalisten jedweder Couleur ist sicherlich die Unterstellung, ohne den von ihnen definierten »rechten Glauben« sei ein Leben nicht lebenswert. Wichtig ist es, in dieser Situation nach dem Gemeinsamen der un terschiedlichen Religionen zu suchen – unbescha det der unbestreitbaren Unterschiede in ihren je weiligen Inhalten –, um auf dieser Basis wirklichen Das Problem Religionsfrieden herzustellen. Wie passt Glaube zur aufgeklärten Vernunft? Wie passt Religion zum ZEIT: Fällt es Ihnen, Frau Wendel, manchmal freiheitlichen Staat? Die Fragen schwer, tolerant zu sein? sind ein Evergreen der europäischen Wendel: Ja! Geistesgeschichte. In der aktuellen ZEIT: Wann? Flüchtlingskrise bekommen sie neue Wendel: Es fällt mir schwer, tolerant zu sein, wenn Brisanz: Wie funktioniert religiöser jemand zutiefst intolerante Positionen vertritt. Pluralismus konkret? Dann bekomme ich Probleme mit meinem eige nen Anspruch. Das klassische Problem: Muss ich Die Konferenz auch die Intoleranz tolerieren? Meine Toleranz In München versammelten sich diese wird schwer geprüft, wenn jemand Positionen for Woche katholische Theologen, um muliert, die etwas Verachtendes haben. über das Zweite Vatikanische Konzil ZEIT: Und was sagen Sie denjenigen Gläubigen, zu debattieren, das vor 50 Jahren die behaupten, es gebe nur den einen, nämlich ih endete. 1965 beschlossen die ren Gott? Konzilsväter, dass der Dialog mit den Wendel: Es gibt in der Tat nur den einen Gott, der Protestanten ebenso wichtig sei wie aber wird in den theistischen Religionen auf un der Austausch mit Juden, Muslimen terschiedlichste Art und Weise bestimmt. Die ei und Anhängern anderer Religionen. nen nennen ihn Allah, die anderen Jahwe, die an deren einen Gott, der sich in Jesus von Nazareth Die Beiträger offenbart hat. Gott wird auf unterschiedliche Saskia Wendel und Christoph Weise bestimmt und verstanden. Deshalb brau Theobald sprachen auf der chen wir Toleranz – mitten im Streit um das Ver Münchner Konferenz »Das Konzil ständnis Gottes. eröffnen« über Kirche und Pluralität. den sechziger Jahren, um Religionsfreiheit wirklich anzuerkennen. Mit anderen Worten: Die Selbstauf klärung von Religion ist ein permanenter Prozess. ZEIT: Warum ist es so schwer, Glauben und Tole ranz zu vereinen? Wegen der irrtumsimmunen Prämisse »Gott ist« oder eher wegen der Unglaub lichkeit der anderen Götter? Wendel: Es muss nicht schwer sein. Kommt ganz darauf an, was man unter Glauben versteht. Für mich heißt Glauben nicht Wissen, sondern festes Vertrauen. Nicht Fürwahrhalten, sondern begrün detes Hoffen. Hoffnung aber ist eine Haltung, die man nicht erzwingen kann. Wenn man Glauben so versteht, lässt er sich durchaus mit einer Hal tung der Toleranz und der Achtung anderer Glau bensüberzeugungen vereinbaren. ZEIT: Und was ist mit dem Geltungsanspruch, der sich in dem Satz ausdrückt: »Ich bin der Herr, dein Zukunft des Glaubens Das Gespräch führte Evelyn Finger
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