Caricias Cassiel red

El Sonido de las Caricias
Tanztheater aus Buenos Aires
von Cassiel
Eine neue Tango-Show, ein neues Tango-Stück? Instinktiv wird man vorsichtig
und fragt sich: Kann man den Tango authentisch auf die Bühne bringen? Eine
junge, zeitgenössische Produktion aus Buenos Aires versucht genau das und
tourt im Mai durch einige Städte in Deutschland und der Schweiz.
El Sonido de las Caricias, so lautet der Titel dieses anspruchsvollen Tanztheaters.
Doch wie klingt der Klang der Zärtlichkeiten? Und wie kann die komplexe
Gefühlslage beim Tango szenisch dargestellt werden? Der Regisseur Gonzalo
Orihuela nähert sich dem Thema in einzelnen Sequenzen, die – zunächst scheinbar
ohne inneren Zusammenhang – einfach aneinander gereiht auf die Bühne gebracht
werden. Das Bühnenbild besteht im Wesentlichen aus der typisch spärlichen
Möblierung einer Milonga: Tische und Stühle. In der Folge wird der Tango unter
anderem in klassischen Tanzdarbietungen, dem lamentierenden Monolog eines
verbitterten Mannes, der narzisstischen Selbstdarstellung eines Tangueros, dem
gedankenverlorenen Umherirren einer Tanguera, dem hoffenden Warten zweier
Tangueras am Rande der Tanzfläche und vielen weiteren ausdruckstarken Bildern
präsentiert.
Das Stück widersteht der Versuchung, die Grundidee in einem stringenten
Handlungsstrang zu realisieren. Es bleiben einzelne Bilder, zwischen denen beim
aufmerksamen Betrachten die gesamte Vielfalt der Gefühle einer Milonga im Kopf
des Zuschauers entstehen kann. Dieser Ansatz ist vielleicht gewagt, aber durchaus
angemessen.
Musikalisch wird eine große Bandbreite vom klassischen Tango der Época de Oro
bis zu den beliebten Stücken der Neo-Szene verwendet. Die Tangos werden von ein
oder maximal zwei Paaren getanzt, und so läuft El Sonido de las Caricias zu keinem
Zeitpunkt Gefahr, zu einer durch-choreographierten Mainstream-Show zu
verkommen. Die große musikalische Vielfalt ermöglicht auch die Fülle der
vorgetanzten Stile. Vom klassischen Tango bis hin zum beinahe ballettartigen
Solotanz ist alles vertreten. Trotz dieser großen Anzahl verschiedenster Darbietungen
wirkt das Stück wie ein harmonisches Gesamtgebilde. Was nicht zuletzt auf die
Professionalität der Akteure zurückzuführen ist.
Zwischen den getanzten Szenen finden sich immer wieder liebevolle Details, die das
Geschehen rund um den Tango verdeutlichen. So sitzen beispielsweise zwei
geduldig wartende Tangueras und bewegen sich synchron auf ihren Stühlen. Das
männliche Verbrüderungsritual zweier Tangueros artet schließlich in ein
symbolisches Duell aus. In subtilen, klaren Bewegungen werden die emotionalen
Befindlichkeiten rund um den Tango dargestellt. Und hier unterscheidet sich die
Aufführung ein weiteres Mal von einer üblichen Tanz-Show: In einfachen Bildern und
wenigen Gesten werden skizzenartig Typologien gezeichnet, und in einem fein
gewobenen Netz von Einzelszenen tritt das Grundanliegen hervor. Und so deutlich,
wie sich Lyrik von Prosa unterscheidet, so deutlich unterscheidet sich El Sonido de
las Caricias von einer Tango-Show mit einer durchgehenden Handlung.
Vielleicht schwingt im Tango eben doch der Klang der Zärtlichkeiten mit. Eine
Menschenfreundlichkeit den anderen Individuen gegenüber – auf und am Rande der
Tanzfläche; das Stück stellt so viele Einzelcharaktere vor, dass man mit einer
augenzwinkernden gedanklichen Zärtlichkeit die Menschen im Tango akzeptieren
lernt. Deshalb kann es auch nicht verwundern, dass neben den klassischen schweren
Aspekten des Kummers über die nicht gelebten Lieben auch komische Szenen
auftauchen.
Zeitgenössische Tango-Stücke mögen vielleicht ein Wagnis sein. Will man aber den
Tango nicht als statisches Kulturgut in der Tradition fest zementieren, dann wird man
an dieser Produktion nicht vorbeikommen. Der Zauber entfaltet sich beim
Zuschauen.
El Sonido de las Caricias wird auch in Deutschland in spanischer Sprache aufgeführt;
eine deutsche Übersetzung wird mittels Beamer auf Leinwand projiziert.
Das Ensemble besteht aus sechs Darstellern (zwei Tangopaaren und zwei weiteren
Darstellern): Solange Chapperon, Diego Mauriño, Mario de Camillis, Gabriela Perea,
Rodrigo Fuentes, Malena Medici
1. Mai Stuttgart
2. Mai Luzern
4. Mai St. Gallen
6.-7. Mai Halle
9. Mai Wuppertal
12. Mai Hannover
13. Mai Passau
16. Mai Regensburg
http://tangoscene.com/caricias/