John Polkinghorne: „Theologie und Naturwissenschaften - eine Einführung“ übersetzt aus dem Englischen von Gregor Etzelmüller, erschienen in Gütersloh 2001 Einleitung Für die in den letzten Jahren verstärkt geführte Diskussion über das Verhältnis von Naturwissenschaften und Theologie will dieses Buch ein Arbeitsbuch sein: Es soll das ganze intellektuelle Gebiet in einer übersichtlichen Form darstellen. Der Aufbau folgt dabei dem Modell einer Spirale: - Das erste Kapitel diskutiert das Wesen der Naturwissenschaften und das Wesen der Theologie. - Das zweite Kapitel bietet eine Darstellung jener Aspekte des gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Verständnisses des Universums und seiner Geschichte, welche für eine umfassendere metaphysische Diskussion von Relevanz sind. - Das dritte Kapitel fragt, was über das Verständnis menschlicher Personalität von Naturwissenschaftlern und Theologen gesagt werden kann. - Das vierte Kapitel fragt nach dem Wesen Gottes. Es greift jene metawissenschaftlichen Fragen auf, die die Naturwissenschaften zwar stellen, aber nicht beantworten können. Das Ergebnis ist eine Natürliche Theologie. - Das fünfte Kapitel verfolgt die angestossenen Fragen in Richtung auf eine theistische Interpretation weiter. - Das sechste Kapitel reflektiert über zentrale christliche Themen, wie die Auferstehung Christi, die Trinität und das Leben nach dem Tod. - Das siebte Kapitel wendet sich dem Verhältnis der Weltreligionen zu. - Im achten Kapitel werden ethische Fragestellungen, die sich aus naturwissenschaftlichen Entdeckungen ergeben, diskutiert. 1. Wechselwirkungen Es gibt immer noch zentrale Fragen, die uns beschäftigen, die Naturwissenschaftler aber nicht beantworten können. Das sind Fragen, auf die traditionell die Religion geantwortet hat. Uns stellt sich das Problem: Können wir in einem Zeitalter der Naturwissenschaften auch die Einsichten der Religion noch in angemessener Weise ernst nehmen, ohne unsere intellektuelle Integrität aufzugeben? Zwei historische Beispiele Die Einstellung vieler Menschen zur Naturwissenschaft und zur Theologie ist durch zwei Mythen geprägt, die das Bild des Kampfes einer die Wahrheit suchenden Naturwissenschaft mit einer obskuren und konservativen Religion zeichnen: - Galileo Galilei. Die Auseinandersetzung war komplex und es gab durchaus naturwissenschaftliche Schwierigkeiten im Fall Galileo. Während der ganzen Auseinandersetzung blieb Galileo ein religiöser Mensch. Zu beachten sind auch die persönlichen Faktoren des Konflikts. Sicherlich haben die katholischen Autoritäten einen Fehler begangen, aber unter komplexen und unklaren Umständen. - Charles Darwin. Zahlreiche namhafte Naturwissenschaftler wiesen auf Schwierigkeiten in Darwins Argumentation hin. Und wie die Naturwissenschaftler so waren auch die Theologen uneins über die neue Theorie. Es gab also keine uniforme Opposition gegenüber Darwins Ideen. Recht verstanden sind die Fälle Galileo und Darwin Beispiele dafür, wie Religion und Naturwissenschaft sich gegenseitig beeinflussen können. Einige Naturwissenschaftler haben sogar behauptet, dass gerade das jüdisch-christlich-islamische Weltverständnis das Aufblühen der Naturwissenschaften im Europa des 17. Jahrhunderts ermöglichte. Denn die Schöpfungslehre impliziert: - Die Welt ist geordnet, denn Gott ist rational. - Weil die Schöpfung nicht in sich selbst heilig ist, bedeutet ihre Erforschung keine Pietätlosigkeit. - Weil die Welt Gottes Schöpfung ist, ist sie es wert, erforscht zu werden. Das Wesen der Naturwissenschaften Viele Menschen haben ein in die Irre führendes Bild: Wissenschaftliche Entdeckungen entstehen aus der Konfrontation klarer und logisch unausweichlicher Vorhersagen mit den Ergebnissen eindeutiger und entscheidender Experimente. Demgegenüber muss man folgende Beobachtungen in Rechnung stellen - Problemstellungen: - Zwischen Theorie und Experiment kann nicht klar unterschieden werden, denn alle naturwissenschaftlich interessanten Fakten sind stets interpretierte Fakten. Naturwissenschaftler tragen "theoretische Brillen". - Der experimentelle Blick ist getrübt durch die Komplexität dessen, was geschieht ("Hintergrundeffekte"). - Naturwissenschaftliche Theorien haben einen universalen Anspruch, können aber nur auf der Grundlage begrenzter Experimente begründet werden. Diese Unterbestimmung kann zu zwei Fehlern führen: Interpolation oder Extrapolation. - In den Naturwissenschaften ereignen sich von Zeit zu Zeit radikale Revisionen. Die Möglichkeit solch revolutionärer Veränderungen bedeutet, dass die Naturwissenschaften nicht behaupten können, die letzte Wahrheit erreicht zu haben. Jedoch bleibt immer eine 'Kontinuität der Referenz'. - Naturwissenschaft vollzieht sich innerhalb der Gemeinschaft der Naturwissenschaftler, die auch von sozialen Faktoren beeinflusst wird. In der zeitgenössischen Wissenschaftstheorie gibt es einige Modelle zum Wesen der Naturwissenschaft: - Minimalistische Sicht: Naturwissenschaftliche Darstellungen dienen dem Ziel, Deutungen anzubieten, die in Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen stehen, ohne dabei mit der Frage beschäftigt zu sein, ob sie die physikalische Welt so beschreiben, wie sie wirklich ist. Jedoch kann dieser Ansatz wissenschaftliche Arbeit nicht wirklich motivieren. - Pragmatismus: Entwicklung von Technik ist die definierende Leistung von Naturwissenschaft. Diese Auffassung ist ein frontaler Angriff auf alle Naturwissenschaftler, die fast ausnahmslos das Verlangen zu verstehen motiviert. - Karl Popper: Entscheidendes Merkmal der Wissenschaft ist die Falsifizierbarkeit ihrer Aussagen. Zum einen ist damit das einzig sichere Wissen, das Naturwissenschaftler nach Popper erreichen können, eher ein Wissen um die Fehler als ein Kennen der Wahrheit. Zum anderen ist die Falsifikation einer Behauptung nicht so einfach wie es scheint. - Imre Lakatos: Die naturwissenschaftliche Forschung ist gekennzeichnet durch einen harten Kern von Erkenntnissen und einen Gürtel von Zusatzhypothesen, die verändert werden können , um den harten Kern zu erhalten. - Michael Polanyi betont die Rolle individueller Urteilskraft. Die kreative Persönlichkeit spielt in den Naturwissenschaften eine unaufgebbare Rolle. Polkinghorne empfiehlt als persönliches Modell einen kritischen Realismus, der von einer Erfahrung geprägt ist: "Man kann nicht a priori beweisen, daß Naturwissenschaft möglich ist und daß ihre logisch prekäre Zirkularität (von Theorie und Experiment) zu einem einheitlichen und intellektuell befriedigenden Verständnis der physikalischen Welt führt, das uns wirklich etwas über die Natur der Dinge lehrt. Doch daß es so ist, hat die moderne Geschichte der Naturwissenschaften gezeigt." Das Wesen der Theologie Nach George Lindbeck existieren drei verschiedene Ansätze, Theologie zu verstehen: - kognitiver Ansatz: Wegen der Unzulänglichkeit unserer begrenzten geistigen Möglichkeiten, das unendliche Mysterium des Göttlichen zu erfassen, muss die Selbstoffenbarung Gottes als Quelle theologischer Aussagen gelten. - expressionistischer Ansatz: Die Theologie drückt jene inneren Einstellungen aus, die unseren Lebensvollzug prägen. - kulturell-linguistischer Ansatz: Theologie ist Auslegung der autoritativen Regel einer bestimmten Gemeinschaft, die deren Handeln und Diskurs bestimmt. Alle diese Charakterisierungen enthalten ein Wahrheitsmoment. Sie werden aber überreizt, wenn sie absolut gesetzt werden. Im Hinblick auf beide Disziplinen bietet der kritische Realismus ein angemessenes Verstehenskonzept: Naturwissenschaft und Theologie versuchen beide, die Bedeutung ihrer Begegnung mit einer vielfältigen Realität zu erfassen. „Dabei beschäftigen sich die Naturwissenschaften mit jener Dimension der Wirklichkeit, die wir physikalische Welt nennen und die wir transzendieren und experimentellen Versuchen unterwerfen können.Die Theologie dagegen hat es mit der Wirklichkeit Gottes zu tun, die uns transzendiert und der man einzig in Anbetung und Ehrfurcht begegnen kann. Muster der Wechselwirkung Wenn Naturwissenschaft und Theologie wirklich Partner in dem Versuch der Menschheit sind, die Wirklichkeit zu verstehen, gibt es nach Ian Barbour verschiedene Formen der Interaktion zwischen diesen Disziplinen: - Konflikte entstehen durch totalitaristische Übergriffe, wie Szientismus oder biblischen Literalismus. - Ein Einstellung der Unabhängigkeit betrachtet die beiden Disziplinen als zwei getrennte Bereiche der Forschung, in denen beide frei sind, ihren eigenen Weg zu gehen, ohne sich auf die andere beziehen zu müssen oder von ihr behindert zu werden. - Der Dialog setzt die Erkenntnis voraus, dass Naturwissenschaft und Theologie einander etwas mitzuteilen haben – und zwar über Phänomene, an denen beide interessiert sind. - Das Integrations-Modell strebt nach einer Vereinheitlichung beider Disziplinen in einem einzigen Diskurs (Teilhard de Chardin). Dialog- und Integrations-Modell hat Polkinghorne mit zwei anderen Begriffen charakterisiert: Konsonanz und Assimilation. Inwiefern die Möglichkeit der Assimilation als grösstmöglicher Verbindung von Naturwissenschaften und Theologie Wirklichkeit werden kann, ist in den folgenden Kapitel zu prüfen. Modelle, Metaphern und Symbole Beide Disziplinen begegnen Situationen, die zu komplex sind, um einen gewissen Grad der Vereinfachung diskutiert zu werden. Deshalb gebrauchen sie in ihren Diskursen Analogien: - Modelle werden konstruiert, indem man von einer komplexen Situation jene Faktoren abhebt, die man für die Hervorbringung derjenigen Phänomene verantwortlich macht, die man studieren will. Der Erfolg von Modellen ist daher immer begrenzt. Ian Barbour:“Man muss Modelle ernst, aber nicht wörtlich nehmen.“ - Die Metapher zielt nicht auf eine bestimmte Anzahl von Eigenschaften, die zwei Entitäten gemein sind, sondern auf das Wesen selbst. - Symbole haben insofern eine besondere Macht, als dass sie an der Wirklichkeit partizipieren, auf die sie sich beziehen. Eine besondere Form ist dabei der Mythos. 2. Das naturwissenschaftliche Bild der Welt Viele naturwissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte haben Einfluss auf den Dialog zwischen den beiden Disziplinen. Einige sollen hier daher kurz und prägnant dargestellt werden: Die Quantentheorie Max Planck erkannte 1900, dass Strahlung in Paketen abgestrahlt und absorbiert wird, die er als Quanten bezeichnet. Einstein zeigte 1905, dass diese Quanten nach einer Emission dauerhaft erhalten bleiben. Es wurde klar: Auf einer formalen Ebene war die Differenz zwischen der klassischen Physik und der Quantenphysik einfach zu lösen, aber auf einer tieferen Ebene blieb die Interpretation der Quantentheorie bis heute unscharf. Eine solche Differenz liegt im Superpositionsprinzip, das erlaubt, unterschiedliche physikalische Zustände, die klassisch völlig unvereinbar sind, zusammenzufügen. „Doppelspaltexperiment“ Ein anderes Problem ist das ‚measurement problem‘: Wie bringt die unbeständige Quantenwelt jeweils ein bestimmtes Ereignis hervor, wenn man in sie eingreift – trotz der Tatsache, dass die Theorie selbst nur bestimmte Wahrscheinlichkeiten für eine Fülle von möglichen Ergebnissen vorhersagen kann. Es gibt diverse Ansätze zur Lösung dieses Problems: - Kopenhagener Deutung (Nils Bohr): Die Macht der Determination sei eine Eigenschaft, die klassischen Messapparaten eigen sei. Problem: Dieses dualistische Bild (Entität + Apparat) widerspricht der Tatsache, dass die Messapparate ebenfalls aus Quantenkonstituenten zusammengesetzt sind. - Vielleicht ist es das menschliche Bewusstsein, das diese determinierende Rolle spielt? Problem: Hatte niemals ein Quantenereignis einen definitiven Ausgang, bis sich Bewusstsein entwickelte? Und wessen Bewusstsein ist in der Lage, solch eine determinierende Rolle zu spielen? - Vielweltendeutung: Bei jeder Messung teile sich die Welt in eine Serie paralleler Welten, in denen sich jeweils ein möglicher Ausgang ereignet. - David Bohm: Die scheinbaren Unschärfen der Quantentheorie verdanken sich der Tatsache, dass wir nicht Zugang zu allen kausalen Ursachen haben, die den Verlauf beeinflussen (‚verborgene Variablen‘). Existenz des Kontrastes der Theorien von Bohr und Bohm zeigt, dass Naturwissenschaftler im Rahmen der Forschung metaphysische nicht-empiristische Entscheidungen treffen. Die Quantentheorie weist weitere Eigenschaften auf, die metaphysische Implikationen haben: - Heisenberg’sche Unschärferelation: Die Existenz von Quanten bringt bestimmte Einschränkungen mit sich, wie genau man unterschiedliche Eigenschaften von Quantenentitäten gleichzeitig messen kann – wenn Du weist, wo ein Elektron ist, kannst Du nicht wissen, was es tut! Heisenberg interpretierte das als ein Prinzip der Unbestimmtheit: Quantenentitäten besitzen keinen präzisen Ort oder Impuls, sondern nur Möglichkeiten für diese Eigenschaften, die nur verwirklicht werden, wenn eine Messung dies verlangt. - Komplementarität: Dasselbe Set von Phänomenen kann mit kontrastierenden Ansätzen beschrieben werden, die jeweils prinzipiell in sich selbst vollständig sind. - Nichtlokalität: Zwei Quantenentitäten, die einmal miteinander interagiert haben, können sich – unabhängig davon, wie weit sie sich zwischenzeitlich voneinander entfernt haben – weiterhin gegenseitig beeinflussen. Dieser Effekt ist kausal und ontologisch, nicht allein epistemologisch. Metaphysische Einsichten aus der Quantentheorie: - Die physikalische Welt ist voll von Überraschungen. Unser gewöhnliches Denken, das auf alltäglichen Erfahrungen beruht, kann uns dabei nur ein begrenzter Führer sein. - Wirklichkeit ist nicht dasselbe wie naive Objektivität. Naturwissenschaftler glauben zwar an die Wirklichkeit von Elektronen, meinen aber nicht, dass diese sich in einfachen objektiven Begriffen darstellen lassen. - Holismus. Die Nichtlokalität widerspricht jedem naiven Reduktionismus, der das Ganze schlicht als zerlegbare Summe seiner einzelnen Teile sieht. Die Kosmologie 1920 machte Edwin Hubble Beobachtungen, die zur Theorie der Big-Bang-Kosmologie führten (Ausdehnung, Mikrowellenstrahlung). Dem Versuch, die kosmische Geschichte so weit als möglich an den Punkt ihres Ursprungs zurückzuverfolgen, sind dabei Grenzen gesetzt. Heute verstehen wir vollständig nur die Physik, die für die Geschichte des Universums in seinem mittleren Alter relevant war. Davor waren die Energiezustände zu hoch, danach wurde das Universum strukturell bedeutend komplizierter. Als Vermutungen anzusehen sind – - die Theorie, dass im Sinne der Quantentheorie auch die Anfangssingularität keinen genau bestimmbaren Anfang hatte. - Die Theorie einer Inflation in einem sehr frühen Stadium. Die überraschende Einsicht, dass gerade in unserem Universum die Naturkräfte exakt so sind, wie sie für das Entstehen von Leben notwendig ist, wird als ‚Anthropisches Prinzip‘ bezeichnet. Denn für die Entwicklung einer fruchtbaren Komplexität benötigt man: - die richtigen Naturgesetze - die richtige Art von Konstituenten - die richtige Einstellung der Kräfte - die passenden Umstände. Die Tatsache, dass dem so ist, kann nicht einfach übergangen werden (John Leslie: Du sollst hingerichtet werden!). Sie lässt vielmehr nur zwei Schlussfolgerungen zu: Vielweltenansatz Theistischer Ansatz Beide Ansätze sind von metaphysischem Charakter. Sie gehen über das hinaus, was uns die Natuwissenschaften allein sagen können. Aus einem einfachen Zustand ist in 15 Milliarden Jahren durch den Prozess der Evolution eine reiche Vielfalt komplexer Strukturen entstanden. Prägend für diesen Prozess sind die Stichworte ‚Zufall‘ und ‚Notwendigkeit‘. Mit ‚Zufall‘ bezeichnet man die historische Kontingenz, dass dieses und nicht jenes geschieht. Mit ‚Notwendigkeit‘ bezeichnet man die gesetzlichen Regelmässigkeiten der ablaufenden Prozesse. => Zufall und Notwendigkeit sind untrennbare Partner in der fruchtbaren Geschichte des Universums. Die Chaostheorie Es gibt viele klassische System, die ausgesprochen sensibel auf kleinste Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren (‚Schmetterlingseffekt‘). Der Darstellung dieser hypersensiblen Systeme hat man den Namen ‚Chaostheorie‘ gegeben: Das zukünftige Verhalten solcher Systeme ist nicht vorhersagbar, die Fülle zukünftiger Möglichkeiten ist aber nicht beliebig gross. Sie liegt im Rahmen dessen, was man einen ‚seltsamen Attraktor‘ nennt. Die chaostheoretische Verbindung von offensichtlich deterministischen Gleichungen und offensichtlich unvorhersagbarem Verhalten hat verschiedene metaphysische Interpretationen hervorgerufen: - Der am weitesten verbreitete Ansatz sieht die Gleichungen als ausschlaggebend an. Das in Grenzen beliebige Verhalten sei letztlich von einer zugrundeliegenden Einfachheit geprägt. - Polkinghorne räumt dem beobachteten Verhalten Priorität ein: Die Wirklichkeit, die die Physik beschreibt, ist subtiler und weicher, als der Glaube Newtons nahelegt. Beobachtungen von Ilya Prigogine haben gezeigt, dass der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, nach dem die Entropie (Mass für Unordnung) eines geschlossenen Systems nicht abnehmen kann, findet in dissipativen Systemen keine Anwendung. Aufgrund der Interaktion mit ihrer Umgebung können dissipative Systeme ihre Entropie exportieren, was ihnen erlaubt, ein internes Muster hoher Geordnetheit hervorzubringen und zu erhalten (Bénard-Zellen). Ordnung aus dem Chaos Die ganze Geschichte des Universums ist durch die permanente Emergenz von Komplexität charakterisiert. Nach Stuart Kauffman ist daher der Verlauf der biologischen Evolution nicht allein durch das Kriterium, nach dem die Stärksten in einer bestimmten ökologischen Nische überleben können, beeinflusst worden, sondern auch durch intrinsische Ordnungsprinzipien, welche die Emergenz bestimmter Formen fördern. Die Zeit Der Übergang von ‚vorher‘ zu ‚nachher‘ bezeichnet die Richtung eines ‚Zeitpfeils‘: - Der thermodynamische Zeitpfeil – zeigt in Richtung zunehmender Entropie. - Der Zeitpfeil zunehmender Komplexität. - Der kosmische Zeitpfeil – in Richtung der Expansion des Universums. - Der psychologische Zeitpfeil – ist durch die menschliche Erfahrung einer sich verändernden Gegenwart bestimmt. Sämtliche Zeitpfeile weisen in die gleiche Richtung. Warum das so ist, ist bis heute nicht hinreichend verstanden. 3. Anthropologie Naturwissenschaftliche und theologische Aussagen überschneiden sich auf dem Gebiet der Anthropologie: Physik, Biologie, Anatomie und Physiologie, Psychologie, Soziologie und Theologie haben etwas über das Wesen des Menschen zu sagen. Reduktionismus und Holismus Die Vielfältigkeit des menschlichen Lebens kann auf verschiedene Weisen beschrieben werden. Sind aber alle gleich gültig (Holisten) oder lässt sich die menschliche Ontologie auf einer einzigen Ebene umfassend beschreiben (Reduktionisten)? - - Struktureller Reduktionismus: Wenn man eine Ganzheit in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt, bleiben genau diese Teilchen über – der Mensch ist die Summe seiner kleinsten physikalischen Bestandteile. Prozessreduktionismus: Sprachen der höheren Ebene sind nichts anderes als eingespielte Konventionen, um über komplizierte Ereignisse zu reden, die von Operationen auf der niedrigeren Ebene der physikalischen Gesetze und Prozesse verursacht werden – Mentale Erfahrungen des Menschen sind als einfache Summierung molekularer Prozesse im Gehirn zu verstehen. Kontextualismus: Das Wesen individueller Prozesse hängt vom umfassenden Kontext ab, in dem sie sich ereignen. Formaler Emergentismus: Oberhalb der rein physikalischen Ebene gibt es Ideen, die nicht als Darstellung separierter Moleküle erklärt werden können (Bsp.: Temperatur). Aber: Ist dies mehr als ein impliziter Reduktionismus? Holisten müssen erklären, wie die verschiedenen Ebenen der Beschreibung konsistent miteinander versöhnt werden können. Reduktionisten müssen erklären, wie das Verhalten auf übergeordneten Ebenen als Epiphänomene von Prozessen auf untergeordneter Ebene zu verstehen sind. Von den Teilnehmern dieser jahrhundertealten Kontorverse gibt es dazu verschiedene Strategien: - - Physikalischer Materialismus: Mentale Erfahrungen emergieren, wenn Materie in komplexen Organisationsformen vorliegt – sie sind epiphänomenale Wellen auf der Oberfläche einer an sich materiellen Wirklichkeit. Aber: Können physikalische Vorgänge als Analogien für die Emergenz mentaler Erfahrungen dienen? Zudem ist es eine der überraschenden Konsequenzen der Quantentheorie, dass gerade die subatomare Welt nicht atomistisch beschrieben werden kann. Idealismus (Berkeley): Unser Glaube an die Existenz der physikalischen Welt leitet sich allein von der Interpretation unserer Sinneswahrnehmungen ab. Daher ist der mentalen Ebene Priorität einzuräumen. Dualismus (Descartes): Menschen sind aus zwei verschiedenen Substanzen gebaut, einer materiellen und einer mentalen. Aber: Wie sind diese beiden Bereiche in Einheit zu bringen? Zweiseitiger Monismus: Die Welt ist aus einem einzigen Stoff in verschiedenen Organisationsformen gemacht. Das Mentale ist historisch aus einer zunehmend komplexeren Strukturbildung des Materiellen hervorgegangen. Aber: Wie ist ein solcher bipolarer Ansatz zu formulieren? Prozessphilosophie (Whitehead): Das Mentale war immer da und ist im Laufe der Evolution immer deutlicher und manifest geworden. Denn jedes Ereignis ist bipolar (prehensive phase – concrescent phase). Unlösbarkeit: Es ist nicht ausgeschlossen, dass uns unser eigenes Wesen immer verschlossen bleibt. Bewusstsein Um die Diskussion voranzubringen, sollte erwogen werden, welche Fortschritte im Verstehen der distinktiven Eigenschaft des Menschen, seines Selbstbewusstseins, gemacht worden sind. Die gegenwärtige Philosophie verfolgt in der Beschreibung des Geistes zwei Strategien: Die eine hält die Darstellung mentaler Erfahrungen für glaubwürdig (John Searle), die andere versteht diese Darstellungen als irreführend (Daniel Denett). Ein anderes stets wiederkehrendes Problem ist die Frage nach Determinismus und freiem Willen. Die Naturwissenschaft ist hier nicht von grosser Hilfe, denn es handelt sich um eine metaphysische Entscheidung. Zwei Anmerkungen: - Viele Denker verknüpfen die menschliche Freiheit eng mit der menschlichen Rationalität. - Jeder Vertreter einer deterministischen Theorie (Marx, Freud oder Dawkins) muss ihre Gültigkeit für sein eigenes Verhalten still und heimlich ausser Kraft setzen, um seinen eigenen Beitrag davor zu schützen, als im Sinne der Theorie durch anderes verursacht abgetan zu werden. Funktionalismus: Eine der populärsten reduktionistischen Strategien sieht das Problem in der Weitergabe von Information, d.h. in der Transformation der aufgegriffenen Signale aus der Umwelt in motorische Aktivitäten. Wenn aber das Gehirn ein funktionalistischer Computer wäre: - wer hätte es programmiert? - Wie kommt es, dass unsere intellektuellen Fähigkeiten alle Anforderungen natürlicher Selektion übersteigen? - sind die soziobiologischen Erklärungen ethischer Einsichten als verborgene Überlebensstrategien unserer Gene nicht überzeugend. - Wäre nicht einzusehen, wozu Überleben notwendig Bewusstsein voraussetzt? Beachte zudem Searles philosophische Parabel des Chinesischen Raumes: „Du sitzt in einem geschlossenen Amtszimmer. Durch einen Schlitz reichen Dir Menschen Zettelfetzen, auf denen einige Schnörkel geschrieben sind. Du suchst einen entsprechenden Satz von Schnörkeln in einem grossen Buch, welches man Dir gegebn hat, und kopierst den nachfolgednen Satz von Schnörkeln, der diesem folgt. Diesen reichst Du durch einen anderen Schlitz hindurch. Du hast keine Ahnung, was eigentlich geschieht, doch in Wahrheit sind die reinkommenden Schnörkel in Chinesisch verfasste Fragen und die von Dir herausgereichten Schnörkel die entsprechenden ebenfalss in Chinesisch geschriebenen Antworten. Das Verständnis des Prozesses ist weder in Dir (dem Prozessor des Computers) noch in dem grossen Buch (dem Programm) lokalisiert, sondern allein in dem Autor, der das Buch geschrieben hat. Computer können zwar die Syntax beherrschen, nicht aber die Semantik.“ Emergenz versteht Bewusstsein als eine emergente Eigenschaft von biologischen Systemen, die einen genügenden Grad von Komplexität erreicht haben. Komplementarität: Wegen des Superpositionsprinzips ist es einem Quantenfeld möglich Zustände anzunehmen, die einerseits Mischungen von Zuständen sind, die einer bestimmten Anzahl von Teilchen entsprechen – und andererseits Zuständen entsprechen, die die Charakteristika einer Welle aufweisen. Die Quantenunbestimmtheit hebt den Welle/Teilchen-Dualismus auf. Man mag daher hoffen, dass ein zweiseitiger Monismus möglich sei, wenn er eine den Gehirnprozessen selbst inhärente Unbestimmtheit beschreiben kann. Das Selbst und die Seele Der Dualismus ist eher zurückzuweisen, da Menschen eher „beseelte Leiber als inkarnierte Menschen“ sind. Die psychosomatische Beschreibung des Menschen ist zudem der dominierende, wenn auch nicht exklusive Zug biblischer Anthropologie. Wie ist dann von der Seele zu reden? – Wir glauben, dass das Selbst durch jenes unglaublich komplexe Muster, das der Organisation der Materie zugrunde liegt, gestaltet wird. Anzuschliessen ist ein Exkurs über Gen 3. In diesem Mythos vom Sündenfall sind die Erfahrungen vom Erwachen des Selbstbewusstseins und vom Erwachen des Gottesbewusstseins festgehalten, die in Konkurenz zueinander traten. In der Folge wandten sich die Menschen von Gott ab und dem menschlichen Ich zu. Das Selbstbewusstsein mit seiner Macht, die Zukunft zu erhellen, liess unsere Vorfahren erkennen, dass sie eines Tages sterben würden. Zur selben Zeit schloss ihre zunehmende Entfremdung von Gott sie von der einzig wahren Quelle einer Hoffnung über den Tod hinaus ab und machte so die Erkenntnis des eigenen Todes zu einer schmerzlichen Erfahrung. 4. Theismus Gemäss der westlichen Tradition bezieht sich die Gottesidee auf eine allmächtige und allwissende Person, die in ihren Handlungen absolut frei ist. Das Wesen Gottes Die Theologie bemüht sich um einen Weg zwischen zwei Extremen: - Die apophatische Theologie meint in Anerkennung des Mysteriums Gottes bestenfalls sagen zu können, was Gott nicht ist. - Eine verzerrte kataphatische Theologie steht durch positive Behauptungen über das göttliche Wesen in der Gefahr zu behaupten, Gott könne in den Grenzen der rationalen Einbildungskraft des Menschen erfasst werden. Einen dritten Weg sieht Polkinghorne in der Erkenntnis, dass die menschliche Rede von Gott immer analoge Rede ist. Beispiele sind die Rede von Gott als Person, seiner Allmacht, seines Allwissens und seiner Freiheit. Naturwissenschaftler misstrauen gewöhnlich philosophischen Diskussionen, weil sie zu sehr von oben herab konstruiert wirken. Sie bevorzugen einen ‚bottom-up‘-Ansatz. Ein Ansatz über Gott nachzudenken wäre dann, über jene Wirkungen in der menschlichen Erfahrung nachzudenken, auf die sich die theistischen Glaubenssätze beziehen: - Die Erkenntnis, dass hinter den Mustern und Strukturen des Universums der Plan eines göttlichen Schöpfers steht. - Die Erkenntnis, dass hinter der sich entfaltenden Geschichte des Universums der Wille eines göttlichen Schöpfers steht. - Die Erkenntnis, dass es Einen gibt, der unser Anbetung und unseres Gehorsams würdig ist. - Die Erkenntnis, dass es Einen gibt, dem wir als Grund unserer beständigen Hoffnung trauen dürfen. Natürliche Theologie Wenn Gott die Welt erschaffen hat, so wird es einige Hinweise geben, die man so verstehen kann, dass sie auf Gott als Schöpfer verweisen. Als Versuch, mittels der Anwendung unseres Verstandes und der Betrachtung der Welt etwas über Gott zu lernen, ist die ‚Natürliche Theologie‘ zu zwei Zeiten aufgeblüht: - Anselm von Canterbury führte den ontologischen Gottesbeweis vor: Er definierte Gott als jenes Wesen, über das hinaus nichts grösseres gedacht werden kann. Immanuel Kant entdeckte einen Fehler: Allmacht zum Beispiel ist ein Prädikat, welches eine Eigenschaft beschreibt, aber Existenz ist kein Prädikat in diesem beschreibend verweisenden Sinn. - Thomas von Aquin beschrieb die ‚fünf Wege‘, die von allgemeinen Eigenschaften der Welt ausgehen und beanspruchen, Gottes notwendige Gegenwart hinter diesen auszumachen. Hume und Kant kritisierten diese Form der Natürlichen Theologie als hoffnungslos antropomorph. Doch erst Darwins Evolutionstheorie versetzte ihr den Todesstoss. Die meisten Theologen des 20. Jahrhunderts standen daher der Natürlichen Theologie kritisch gegenüber. Dean Inge: „Wer den Zeitgeist heiratet, steht in der Gefahr, sich schon bald als Witwer wiederzufinden.“ Nichtsdestotrotz ereignet sich derzeit eine Wiederkehr einer Natürlichen Theologie, aber . . . - Sie ist heute bescheidener in ihren Schlussfolgerungen. Sie will aufzeigen, dass der Theismus eine sinnvollere Deutung der Welt und unserer Erfahrungen bietet, als es der Atheismus tut. - Sie beruft sich nicht auf einzelne Ereignisse oder Entitäten. Sie fragt nach dem Grund aller naturwissenschaftlichen Erklärungen: Ob wir nicht jenseits der Annahme der Gegebenheit der Naturgesetze in ihnen einen Sinn entdecken können. Damit greift die neue Natürliche Theologie den sogenannten ‚kosmologischen Gottesbeweis‘ auf (Leibniz: „Warum existiert überhaupt etwas und nicht nichts?“) Zwei Fragen führen auf diese Spur: - Warum ist uns die natürliche Welt so verständlich? - Warum sind ihre Gesetze so fein aufeinander abgestimmt, dass sich eine fruchtbare Geschichte entfalten kann? Die Verständlichkeit des Universums Das Universum ist überraschend zugänglich für uns: Es ist für unsere Erforschung rational transparent. Mehr noch, die Schönheit mathematischer Formeln hat sich als erfolgreiches Kriterium bei der Wahl von Theorien erwiesen. Eugene Wigener bezeichnete dieses Phänomen als die ‚unbegründete Effektivität der Mathematik‘. Wie kommt es, dass unser Geist fähig ist, das Universum zu verstehen? Es scheint nicht angemessen zu sein, einfach zu sagen, das sei halt unser Glück. Da sich das Universum erfahrungsgemäss unseren vorgängigen Erwartungen widersetzt, werden die mathematischen Formeln auch nicht in die Welt hineingelesen – sie entsprechen der realistischen Sicht auf die Strukturen der Welt. Der Theismus biete eine Antwort auf die metaphysische Frage nach dem Grund der Verständlichkeit des Universums. Das anthropische Universum In Anlehnung an das zweite Kapitel führt Polkinghorne einige Anfragen an das anthropische Prinzip auf: - Wir haben nur ein Universum! <=> Naturwissenschaftliche Einbildunskraft - Möglicherweise kann eine tiefergehende Theorie zeigen, dass diese ‚fein abgestimmten Zufälle‘ genau so eintreffen mussten. - Das anthropische Prinzip betrifft insbesondere die evolutionären Bedingungen von auf Kohlenstoffverbindungen beruhendem Leben. Andere Universen könnten aber ihre spezifisch eigene Form einer fruchtbaren Komplexität entwickeln. Wir verstehen zu wenig von der pysikalischen Basis unseres Bewusstseins, um diese Annahme zu widerlegen oder zu beweisen. Die Zweideutigkeit von Vielwelten-Ansatz und Schöpfungs-Ansatz illustriert den Status der Natürlichen Theologie als einer eher einsichtsvollen als demonstrativen Disziplin. Eine Theologie der Natur Die Einsichten der Biologie sind metaphysisch zu zweideutig, als dass man in ihnen ähnlich wie in der fundamentalen Physik Hinweise auf die Existenz Gottes finden könnte. Aber sie sind nichtsdestoweniger in den theistischen Glauben integrierbar. Hinter der Evolution scheint einzig der Zufall zu walten. Atheistische Biologen (Jaques Monod, Richard Dawkins) zeichnen daher das Bild einer idiotischen Geschichte ohne Sinn. Zum einen stellen sie Fragen, die Theisten ernst nehmen müssen. Zum anderen reicht diese Deutung über den Bereich der Naturwissenschaften hinaus: Dass Zufall Sinnlosigkeit bedeutet, ist eine metaphysische Behauptung. Der Begriff ‚Zufall‘ bezeichnet schlicht die Partikularität des historischen Prozesses. Doch der Prozess der natürlichen Selektion ist ein mächtiges und flexibles Mittel indirekter Korrelation, in dem ein Theist den angemessenen Weg erkennen kann, den ein Schöpfer wählt, der es seiner Schöpfung erlaubt, sich selbst zu entwickeln. Die Entwicklung eines komplexen Wesens, das in der Lage ist, Selbstbewusstsein zu entwickeln, muss kein glücklicher Zufall sein. Vielmehr sind die Naturgesetze so eingerichtet, dass sie zur Entstehung selbst- und gottesbewussten Lebens führen. Die kostspieligen und blinden Wege der Evolution sind dabei der notwendige Preis für die Offenheit der Schöpfung. Schöpfung Die Schöpfungslehre einer Theologie der Natur will eine Antwort geben, warum überhaupt etwas existiert. Die Theologie hat dafür die Begriffe der creatio ex nihilo und der creatio continua entwickelt: Die creatio ex nihilo kann als Werk des Schöpfers im Modus der göttlichen Immanenz verstanden werden, wie die creatio continua, die Bewahrung der Scöpfung vor dem ontologischen Kollaps, als Werk des Schöpfers im Modus der göttlichen Transzendenz verstanden werden kann. Eine umfassende menschliche Wirklichkeit Die Naturwissenschaften beschäftigen sich nur mit einem kleinen Teilbereich menschlicher Erfahrungen, indem sie ihr Interesse auf eine unpersönliche Darstellung der Wirklichkeit begrenzen. Doch für die menschliche Erfahrung ist es fundamental, dass man der Wirklichkeit auch subjektiv begegnet. Zu dieser subjektiven Wahrnehmung gehören zwischenmenschliche Begegnungen, die transzendentale Erfahrung des Göttlichen und die allgemeine Erfahrung, dass wir in einer Welt leben, die voll von Werten ist: - Ethische Intuitionen. Allen kulturellen Verzerrungen zum Trotz scheinen wir Zugang zu einem gemeinsamem Fundus moralischen Wissens zu haben. - Ästhetische Erfahrungen. In der menschlichen Erfahrung des Schönen leuchtet etwas von der bleibenden Bedeutung der Schönheit der natürlichen Welt auf. Der Theismus bietet eine Erklärung von Werten in der Welt: Menschliche ethische Intuitionen entstehen in der Nachahmung von Gottes gutem und vollkommenem Willen; Erfahrungen von Schönheit entstehen, wenn Menschen in die Freude Gottes an seiner Schöpfung hineingenommen werden. Zeichen der Hoffnung Trotz der Schmerzen und des Leides in der Welt gibt es eine tiefe menschliche Intuition, dass am Ende alles gut werden wird. Trotz des unausweichlichen Faktums des Todes gibt es eine tiefe menschliche Intuition, dass nicht der Tod das letzte Wort sprechen wird. In diesem Zeichen der Hoffnung liegt die erfahrungsgesättigte Grundlage für die Erkenntnis, dass es Einen gibt, dem wir als Grund unserer beständigen Hoffnung trauen können. Zusammenfassung Das Entstehen von selbstbewussten Individuen, die all die Erfahrungen machen können, die in diesem Kapitel besprochen wurden, ist die bedeutendste Entwicklung in der Geschichte des Kosmos, die wir kennen. Jede Metaphysik würde schon im Ansatz ihre Angemessenheit verlieren, wenn sie nicht diese Tatsache mit der ihr gebührenden Ernsthaftigkeit behandeln würde. Der Theismus bietet eine einsichtsreiche Deutung dieses Phänomens. 5. Handeln Gottes Die Natürliche Theologie kann aber nur zu einer begrenzten Gottesvorstellung kommen: Über das Bild eines grossen Architekten des Universums kommt sie nicht hinaus. Ihre Einsichten sind dabei mit einer deistischen Gotteslehre und mit der jüdisch-christlich-islamischen Tradition vereinbar. Damit die Lehre der creatio continua als sinnvoll erscheint, bedarf es eines geklärten Verständnisses von Gottes Beziehung zur Welt. Man sollte dabei nicht nur in den Regelmässigkeiten, sondern auch in der historischen Kontingenz nach Gottes Gegenwart Ausschau halten. Inder Rede von Gottes Handeln lassen sich drei Ebenen unterscheiden: - Allgemeine Vorsehung als göttliche Erhaltung der Ordnung der Welt. - Spezielle Vorsehung. Diese Taten ereignen sich innerhalb des natürlichen Prozesses und sind deshalb nicht sofort von anderen Ereignissen zu unterscheiden. - Wunder sind radikal unnatürliche Ereignisse. In den letzten Jahren sind verschiedene Vorschläge zum Handeln Gottes gemacht worden: - Gottes Beziehung zur Welt sei die eines zeitlosen Aktes der Erhaltung der kosmischen Geschichte. Die detaillierten Umstände des historischen Prozesses ergeben sich rein aus Zufällen (Maurice Wiles, Gordon Kaufman). <=> Gott habe für sich einen distanzierten und indifferenten Standort gewählt. - Als erste Ursache handele Gott in und unter dem unzerrissenen Netzwerkder kreatürlichen Kausalitäten, welches man als zweite Ursache verstehen kann (Austin Farrer). <=> Zum einen wird die Suche nach einer erklärenden kausalen Fuge als sinnlos abgetan; zum anderen wird Gott faktisch für alles verantwortlich gemacht (=> Theodizee). - Als engagierter Teilnehmer nimmt Gott an der Prozessrealität eines jeden wirklichen Ereignisses teil (Prozesstheologie). - Gottes Handeln ist in Analogie zum menschlichen Handeln zu sehen. <=> Zwar erfahren wir unsere Macht zu handeln täglich, verstehen das Wie aber nicht. - Die Verkörperung versteht Gott als Gehirn oder Seele der Welt: Gott sei in der Welt so verkörpert, wie wir in unseren Leibern. <=> Es ist schwierig einzusehen, dass Gott wie ein lebendes Geschöpf durch einen endlichen, sterblichen Kosmos konstituiert sein soll. - Gott wirke im Sinne einer top-down-Kausalität auf das Universum als Ganzes ein. Ein offenes Universum Wir müssen verstehen lernen, wie der physikalische Prozess Raum lässt für die holistischen Wirkungen menschlicher und göttlicher Handlungen. Interpretiert man die unzweifelhaften Unvorhersagbarkeiten der Quanten- und Chaostheorie ontologisch, kann man sie als Hinweis auf eine ihnen zugrundeliegende ontologische Offenheit verstehen. In Bezug auf die Quantenwelt gibt es allerdings Probleme: Zum einen müsste eine erweiterte Mechanik aufzeigen, wie mikroskopische Effekte makroskopische Effekte freisetzen. Zum anderen beziehen sich die Unvorhersagbarkeiten von Quantenprozessen allein auf die Messergebnisse. Polkinghorne versucht, menschliches und göttliches Handeln mittels einer ontologisch interpretierten Chaostheorie zu verstehen. Das immanente Wirken des Geistes in der Schöpfung würde dabei der puren Eingabe von Informationen ohne Zufuhr von Energie entsprechen. Es bleibt aber zu beachten: Jede Darstellung von Gottes Handeln, welche die kausale Fuge in den Wolken der Unvorhersagbarkeit physikalischer Prozesse verortet, hat zur Folge, dass die Wirkungen von Gottes spezieller Vorsehung nicht isoliert und benannt werden können. Die Zeit Gottes Damit eng verbunden ist die Frage, wie Gottes Verhältnis zu einer zeitlichen Schöpfung zu verstehen ist. Obwohl nicht notwendig verbunden, werden zumeist eine atemporale Sicht des Universums mit einem deterministischen Weltbild und die Erkenntnis der Zeitlichkeit des Universums mit der Einsicht seiner Offenheit zusammengedacht. Dass Gott sowohl einen ewigen als auch einen zeitlichen Pol hat, ist in der Theologie mittlerweile weitgehend anerkannt. Es ist aber umstritten, ob dies eine freiwillige Einschränkung der Allwissenheit Gottes impliziert. Diese Überlegung führt zur Idee einer gegenwärtigen Allwissenheit: Gott weiss alles, was man zur Zeit wissen kann. Wunder Wunder sind per Definition einmalige und nicht wiederkehrende Phänomene. Sie liegen damit ausserhalb des natürlichen Bereiches naturwissenschaftlicher Forschung. Sie können das Einmalige nicht ausschliessen, obwohl die Behauptung eines solchen Ereignisses problematischer wird, je mehr die Naturwissenschaften die Regelmässigkeiten der Welt freilegen. Schwierig ist aber, dass es theologisch unvorstellbar ist, dass Gott wie ein himmlischer Zauberer handelt. Am Bild der ‚Phasenübergänge‘ in der Physik führt Polkinghorne vor, dass Wunder nicht als göttliche Handlungen zu verstehen sind, welche die Naturgesetze aufheben, sondern als eine dichtere Offenbarung von Gottes Beziehung zu seiner Schöpfung. Theodizee Es gibt in der Welt zwei Formen von Übel: - Physisches Übel. Krankheiten und Unglücke, die das Leben schmerzhaft machen und willkürlich erscheinen lassen. - Moralisches Übel. Die bewusst gewählten, schlechten Handlungen der Menschen. Thomas von Aquin definiert das Böse als ‚Raub des Guten‘. Eine zweite theologische Strategie behauptet, dass Schlimmes geschieht sei der notwendige Preis für die Freiheit des Universums: Eine Schöpfung, in der es freie Personen gibt – wie schlimme Folgen manche ihrer Entscheidungen haben mögen – sei besser als eine Welt, in der nur perfekt programmierte Automaten herumlaufen. Polkinghorne schlägt vor, in Bezug auf physisches Übel eine analoge Verteidigung des freien Prozesses vorzutragen: Eine Welt, der es erlaubt ist, sich selbst durch das Ausprobieren ihrer evolutionären Möglichkeiten zu entwickeln, sei besser als eine Welt, die durch ein göttliches „Fiat!“ fertig ins Leben gerufen wurde. Die christliche Theologie hat somit ihren Glauben an Gottes Wohlwollen bewahrt, aber ihr Verständnis seiner Allmacht modifiziert. Gott kann in der Tat alles tun, was seinem Willen entspricht, aber es entspräche diesem Willen nicht, eine Welt zu schaffen, die nichts anderes wäre als Gottes Puppentheater. Stattdessen schafft Gott Raum für andere Kreaturen, lässt sie sich frei entwickeln und akzeptiert die Konsequenzen, die sich aus diesem freien Prozess und der menschlichen Ausübung des freien Willens ergeben. 6. Christliche Theologie Die drei abrahamitischen Religionen sind durch gemeinsame Überzeugungen verbunden: - Sie nehmen die Wirklichkeit der natürlichen Welt ernst. - Sie erkennen den Wert der individuellen menschlichen Person in Gottes Augen. - Sie glauben an Absicht und Wille Gottes hinter der Geschichte des Kosmos. - Sie vertrauen einem mächtigen und leidenschaftlichen Gott, der in der Geschichte handelt. Dennoch unterscheiden sich die abrahamitischen Religionen sowohl in inhaltlichen Fragen als auch in ihrer Methodik des theologischen Denkens. Nimmt man die asiatischen Religionen hinzu, entsteht ein buntes Bild religiöser Vielfalt, das im grellen Widerspruch zur grossen Akzeptanz steht, die die Naturwissenschaften heute weltweit geniessen. Der Dialog von Naturwissenschaften und Theologie kann daher nur weitergeführt werden, wenn man das Thema der religiösen Vielfalt mitbedenkt. Im folgenden bespricht Polkinghorne zentrale Fragestellungen des christlichen Glaubens. Offenbarung Offenbarung kann in Analogie zur Rolle der Experimente in den Naturwissenschaften verstanden werden: So wie in Experimenten in besonderer Zuspitzung die Naturgesetze deutlich werden, besteht die Offenbarung aus besonderen Personen oder Ereignissen, an denen Gottes Gegenwart, obwohl sie immer da ist, besonders augenfällig wird. Schrift Die christliche Theologie kennt verschiedene Bezüge zur Bibel als normativer Schrift: - Der kognitive Ansatz betrachtet die Bibel als autoritative Quelle von Behauptungen. - Der expressionistische Ansatz betrachtet die Bibel als Quelle spiritueller Inspirationen. - Der kulturell-linguistische Ansatz betrachtet die Bibel als Geschichtsbuch der christlichen Gemeinschaft. Alle Aspekte der Bibel aufzunehmen, kann eine ‚kritisch-realistische’ Lektüre möglicherweise leisten. Denn nur die Bibel kann die historischen Gründe verständlich machen, warum das Christentum Israel und Jesus von Nazareth solche religiöse Bedeutung einräumt. Zugleich sind aber in den biblischen Darstellungen Darstellung und Interpretation vermischt. Tradition Weil die Schriften der Bibel zu den Tiefenstrukturen menschlicher Existenz vorstossen, vermögen sie Menschen bis heute anzusprechen. Ihren Ort haben sie deshalb in einer lebendigen Gegenwart, in der sie von jeder Generation neu angeeignet werden. Religiöse Erfahrungen nehmen verschiedene Formen an: - Mystisch. Eine Erfahrung von Einheit mit dem Einen oder mit dem All. - Numinos. Eine Ehrfurcht gebietende Erfahrung der eigenen Endlichkeit im Angesicht des Unendlichen, des Heiligen (vgl. Jes 6). - Im persönlichen Gebet und öffentlichen Gottesdienst. - Trostlosigkeit. Erfahrungen einer Abwesenheit Gottes erweisen sich oft als Quelle spirituellen Wachstums. - Täuschungen. Als subjektive Erfahrungen sind religiöse Erfahrungen kritisch zu prüfen (vgl. 1Joh 4,1). Vernunft In der Theologie geht es nicht nur um passive Rezeption, sondern auch um aktive Antwort. Das setzt eine Betätigung der uns von Gott geschenkten Vernunft voraus. Wenn sich die Theologie allerdings mit endlichen, menschlichen Erfahrungen der unendlichen Wirklichkeit Gottes beschäftigt, ist Flexibilität gefordert. Ein Beispiel ist die Auferstehung Jesu. Jesus Christus: Auferstehung Vom religionsgeschichtlichen Standpunkt aus gesehen ist das Besondere an Jesus nicht sein Leben, sondern sein Tod. Die Kreuzigung war ein qualvoller Tod als – gemäss der jüdischen Tradition – von Gott Verfluchter. Seit frühester Zeit aber haben seine Nachfolger behauptet, dass das Kreuz Gottes grosse Versöhnungstat war. Die verwunderlichen Aussagen des Joh waren nur möglich angesichts der Überzeugung, dass Gott die Vieldeutigkeit des Todes Jesu aufgelöst hat, indem er ihn von den Toten erweckte. Angesichts der Behauptung der Auferstehung Jesu stellen sich zwei Fragen: Gibt es historische Gründe? Irgendetwas ist geschehen, was die demoralisierten Jünger innerhalb weniger Wochen in glaubwürdige Verkünder verwandelte. Die Behauptung, dass Christus auferstanden ist, muss sehr früh in der christlichen Gemeinde entstanden sein. Das Motiv der verspäteten Erkenntnis der Jünger zieht sich als gemeinsames Motiv durch die Evangelien, deren Bilder sonst divergieren. Alle vier Evangelien erzählen vom leeren Grab. Diese Behauptung wird auch von der jüdischen Polemik nicht in Frage gestellt. Bestimmte Aspekte des kirchlichen Lebens geben der Behauptung weitere Unterstützung. Ist es im Sinne von Gottes Wegen und Absichten sinnvoll? Es ergibt Sinn, dass Gott die Treue des Menschen Jesus öffentliche rechtfertigt. Es ergibt Sinn, dass Jesu Akzeptanz des Leidens am Kreuz einen ultimativen Sieg über alle destruktiven Mächte gebracht hat. Es ergibt Sinn, dass Jesus innerhalb der Geschichte die menschliche Bestimmung der Auferstehung antizipierte. Christologie Weil Jesus von den Toten auferweckt wurde, ist er eine einmalige Person, deren Bedeutung weitere Erforschung verlangt: die Christologie. Neutestamentliche Zeugnisse verleihen ihm den göttlichen Titel „Herr“, ohne ihn vorbehaltlos göttlich zu nennen. Die damit aufgeworfenen Fragen konnte man aber nicht in einem solch ungelösten Zustand lassen: Die Kirchenväter suchten einen kohärenten theologischen Ausdruck für die kirchliche Erfahrung des auferstandenen Christus zu finden. Die Väter von Chalcedon (451) lehrten, dass man von Christus in einer Sprache reden muss, die sowohl dem Göttlichen als auch dem Menschlichen angemessen ist. Dem Neuen Testament lassen sich darüber hinaus vier Kriterien entnehmen, die uns entscheiden elfen können, ob unser Denken christologisch angemessen ist: Auferstehung, Herrschaft, neues Leben, Universalität. Darauf aufbauend wurden zwei christologische Strategien verfolgt: - Nach der funktionalen Christologie hat Jesus als Erster die Möglichkeiten des Menschen vollständig realisiert. Er erreichte, was im Grunde wir alle erreichen können. Angesichts der obigen Kriterien birgt der Ansatz allerdings Schwierigkeiten. - Gemäss der ontologischen Christologie sind in Christus tatsächlich das menschliche und das göttliche Leben präsent. Diese Kohärenz ist noch nicht klar herausgearbeitet; der Ansatz entspricht aber den NT-Kriterien. Trinitätslehre Angesichts der Sohnschaft Christi und eines göttlichen Wirkens in der Alten Kirche kamen die Kirchenväter zu der Schlussfolgerung, dass es in der Begegnung mit dem Göttlichen eine Erfahrung des Geistes gibt, die den Erfahrungen des Vaters und des Sohnes entspricht. Es ist wichtig festzuhalten, dass die Trinitätslehre ‚von unten’ entstand, als ein Versuch, dem realen Charakter der kirchlichen Erfahrung Gottes theologisch gerecht zu werden. In der Folgezeit suchte die Theologie einen Mittelweg zwischen Modalismus und Tritheismus. Zwei theologische Ergebnisse sollten festgehalten werden: - Das Wesen des göttlichen Seins muss als relational beschrieben werden – wie die Naturwissenschaften auch zunehmend die natürliche Welt beschreiben. - Die Trinitätslehre beruht auf der kirchlichen Erfahrung – Karl Rahner: „Die ökonomische Trinität ist die immanente Trinität.“ Eschatologie Gemäss den Erkenntnissen der Naturwissenschaften gibt es zwei Möglichkeiten für die Zukunft des Universums: Eine ewige Expansion, in der keine Energie für Leben bleibt oder ein Big Crunch. Die Antwort der Theologie auf diese Fragestellung ist die Rede von den letzten Dingen, die Eschatologie. Wenn es Hoffnung auf ein ewiges Leben gibt, kann diese nur in der Treue des Schöpfers gegründet sein, der nicht will, dass die Seinen, die er liebt, wieder ins Nichts fallen. Die christliche Hoffnung verleugnet damit den wirklichen Tod des Menschen nicht, hofft aber auf eine ebenso wirkliche Auferstehung nach dem Tod. Die Seele kann als Form verstanden werden, d.h. als immenskomplexes Informationen tragendes Muster des Leibes. Menschen sind somit psychosomatische Einheiten. Im Akt der Auferstehung restituierte Personen bedürften daher eines neuen Leibes, der im Falle des ewigen Lebens aus ewigen Material bestehen müsste. Warum aber hat Gott nicht sofort eine solche Welt geschaffen? Polkinghorne schlägt das Konzept einer zweischrittigen Schöpfung vor: Eine erste Schöpfung hat Raum , sich selbst zu entwickeln (Entwicklung braucht Sterblichkeit). Eine zweite transformierte Schöpfung wird in das göttliche Leben integriert. Assimilation und Konsonanz Manche Forscher schlagen eine Absorption der Theologie durch die Naturwissenschaften vor. Die Theologie verfügt aber über eine ihr zustehende Autonomie. Da aber unsere Wirklichkeit eine ist, muss es eine Beziehung zwischen Naturwissenschaften und Theologie geben. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: - Assimilation meint den Versuch, beide Disziplinen so eng und leicht verständlich möglich konzeptionell miteinander zu verbinden, ohne dabei eine Disziplin völlig in der anderen aufgehen zu lassen. - Vertreter der Konsonanz räumen der Theologie die Autonomie ein, eigene Konzepte zu entwerfen. Sie erinnern jedoch daran, dass theologische Konzeptionen dort, wo sie sich mit naturwissenschaftlichen Interessen überschneiden, mit naturwissenschaftlichen Aussagen konsistent sein müssen. 7. Die Weltreligionen Sich den Beziehungen der Weltreligionen zuzuwenden, heisst eine wahrhaft ökumenische Landschaft zu überblicken. In ihrem gemeinsamen Interesse am Reich spiritueller Bedeutung und Erfahrung bewahren die Weltreligionen allerdings gemeinsam ein wichtiges Zeugnis gegenüber einer reduktionistischen, materialistischen Weltsicht. Dissonanz Vergleiche zwischen den Weltreligionen werden dadurch erschwert, dass es innerhalb einer jeden unterschiedliche Strömungen gibt. Dennoch lassen sich dissonante Punkte benennen: - Das menschliche Selbst. In abrahamitischen Religionen kommt dem Individuum höchste Bedeutung zu. In östlichen Religionen ist das Hängen an der Individualität die Quelle des Leidens. - Das Wesen der Zeit. Im Westen linear, im Osten zirkulär gedacht. - Leiden. Im Osten: Im Leiden drückt sch das schlechte Karma aus. Den abrahamitischen Religionen gilt das Leiden als todernste Wirklichkeit. - Geschichte. Östliche Religionen beschäftigen sich mit zeitlosen Wahrheiten, dem Christentum ist die historische Einmaligkeit Christi wichtig. - Monismus. Abrahamitische Religionen unterscheiden Schöpfer und Schöpfung, östliche Religionen sehen die letztliche Einheit alles Wirklichen. Antworten Der Zusammenstoss der drei Religionen hat drei Reaktionsmuster hervorgerufen: - Exklusivismus behauptet schlicht die Wahrheit der eigenen Position und den Irrtum der anderen. - Relativismus spricht allen Weltreligionen das gleiche Recht zu. - Inklusivismus leugnet werde die genuine Erfahrung des Heils in verschiedenen Religionen, noch den definitiven Charakter von Gottes Selbstoffenbarung in Christus – Karl Rahner: „Anonyme Christen“. Es scheint aber fraglich, ob diese einfachen Kategorisierungen der komplexen Situation der Begegnung der Weltreligionen angemessen sind. Die Begegnung der Weltreligionen im Dialog mit den Naturwissenschaften Da die Diskussion zentraler Überzeugungen immer nur Abwehrhaltungen hervorruft, muss der Dialog der Weltreligionen an den Rändern beginnen. Polkinghorne schlägt vor, die Überlegungen zum Verhältnis zwischen naturwissenschaftlichem und religiösem Verstehen zu dem Ort zu machen, an dem bedeutende Themen der Weltreligionen diskutiert werden können, ohne nur reservierte Reaktionen hervorzurufen. 8. Die Suche nach Wissen und Weisheit Die Suche nach einem wahren Verständnis verbindet Naturwissenschaften und Theologie. Es gibt aber zwei auffallende Unterschiede: - Die Bewertungsunterschiede angesichts einer Experimenten unterwerfbaren Umwelt und der unendlichen Wirklichkeit Gottes. - Die Naturwissenschaften vermitteln Wissen, nicht Weisheit. Dem religiösen Leben aber eigenet immer eine unverzichtbare moralische Dimension an. Ethische Fragestellungen Angesichts naturwissenschaftlicher und technischer Aktivitäten ist es notwendig zu fragen, ob es Grenzen gibt, die man ihnen setzten sollte. Betreffs der Methoden sind die Seriosität des wissenschaftlichen Ziels und die Kontrolle und Verminderung von Leiden Kriterien. Was aber ist mit den Absichten? Polkinghorne formuliert vier Kriterien: - Zu einer Entscheidung berechtigt ist nur die Öffentlichkeit im gleichberechtigten Informationsaustausch mit den Experten. (Ein Beispiel, in dem der technologische über den moralischen Imperativ siegte, ist das Los Alamos Projekt.) - Angesichts des vernetzten Charakters der Welt besteht die ethische Verpflichtung, die Integrität der Natur zu bewahren, um die lebensbewahrenden Systeme der Erde zu erhalten. Was die Integrität der Natur aber ist, bleibt unklar. - Weitere Kriterien sind die Gerechtigkeit und die Nachhaltigkeit der angestrebten Zustände. Viele Menschen guten Willens akzeptieren diese Kriterien unabhängig davon, ob sie einer religiösen Gemeinschaft angehören. Doch der gläubige Mensch hat einen weiteren Grund zur Bewahrung der Integrität der Natur: Die Welt gehört nicht uns, sondern Gott. Einen der wichtigsten Aspekte des Dialogs zwischen Naturwissenschaften und Theologie sieht Polkinghorne daher darin, dass letztere jene ethischen Kriterien begründen kann, die allein unsere naturwisenschaftlichethischen Bemühungen in die richtige Richtung lenken können.
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