Litigation News, Ausgabe 1, August 2015

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Neueste Entwicklungen
und Entscheidungen im
Prozessrecht
Litigation News
Ausgabe 1,
August 2015
Inhalt
Aktuelles Prozessrecht ............................................................................................................. 1
OLG Düsseldorf: verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung bei
Zustellung nach Ablauf eines Jahres („Demnächst“-Zustellung) ......................................... 1
BVerfG: Grundrechtsverletzung durch Nichtzulassung der Revision ................................. 2
Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur Streitbeilegung zwischen
Unternehmern und Verbrauchern ......................................................................................... 3
Ihre Ansprechpartner ............................................................................................................. 4
Aktuelles Prozessrecht
OLG Düsseldorf: verjährungshemmende Wirkung der
Klageerhebung bei Zustellung nach Ablauf eines Jahres
(„Demnächst“-Zustellung)
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat sich jüngst mit der Frage
beschäftigt, ob die verjährungshemmende Wirkung der Klageerhebung
auch dann auf die Klageeinreichung zurückwirkt (§ 167 ZPO), wenn
zwischen Einreichung der Klage und Zustellung an den Prozessbevollmächtigten ein Jahr vergeht (Urteil vom 30. April 2015, Az. I-15 U 100/14).
Das beklagte Möbelhaus hatte in einer Zeitung für den Kauf von Wohnmöbeln nebst
Preisangabe und Finanzierung mit 0,0 Prozent Zinsen geworben, jedoch die Angabe der
finanzierenden Bank unterlassen. Nach erfolgloser Abmahnung durch die Klägerin –
einen Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs – hat diese Klage auf Unterlassung erhoben. Die Klägerin sieht in der unterlassenen Angabe der finanzierenden
Bank einen Verstoß gegen die aus § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG folgende Pflicht zur Angabe
des Vertragspartners.
Die Klageschrift nebst Terminsladung auf einen Zeitpunkt circa ein Jahr später wurde
der Beklagten persönlich zugestellt, nicht jedoch dem bereits außergerichtlich tätigen
und in der Klageschrift bezeichneten Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Dieser
meldete sich kurz vor dem Termin und erhielt Akteneinsicht.
Die Beklagte berief sich sodann auf die Verjährung des Unterlassungsanspruchs (§ 11
UWG: sechs Monate) und vertrat die Ansicht, dass ein unentgeltliches Finanzierungsangebot (0,0 Prozent Zinsen) nicht unter die Regelung des § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG falle.
Nach Ansicht des Landgerichts und des OLG Düsseldorf jedoch zu Unrecht:
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Der Unterlassungsanspruch sei nicht verjährt, weil die Rückwirkung des § 167 ZPO
eingetreten sei. Bei der Beurteilung der Frage, ob „demnächst“ im Sinne der Norm
zugestellt worden ist, dürfe nicht auf eine rein zeitliche Betrachtungsweise abgestellt
werden, eine zeitliche Obergrenze gebe es ohnehin nicht. Vielmehr trete zudem eine
wertende Komponente hinzu:
Wenn eine Partei durch korrekte Benennung von Partei und Prozessbevollmächtigten
alles Erforderliche und Zumutbare getan habe, um eine zügige Zustellung zu gewährleisten, und die Verzögerung in der Sphäre des Gerichts liegt, so sei es gerechtfertigt,
auch nach langem Zeitablauf eine Zustellung „demnächst“ anzunehmen. Dies allerdings
nur dann, wenn dem keine schutzwürdigen Belange des Prozessgegners entgegenstünden. Dies sei hier nicht der Fall. Die Beklagte selbst habe die Klage zugestellt
bekommen, sie habe also um die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gewusst.
Unterlässt sie es, ihren Prozessbevollmächtigten zu informieren, oder tut sie dies zu spät,
sei sie nicht schutzwürdig.
In der Sache vertritt des OLG die Ansicht, dass alle Informationspflichten des § 5a Abs. 3
UWG auch dann ausgelöst würden, wenn ein unentgeltliches Finanzierungsangebot
vorliegt. Dies folge insbesondere aus der Zielsetzung der der Norm zugrunde liegenden
UGP-Richtlinie (2005/29/EG), die auf ein hohes Verbraucherschutzniveau abziele. Es
sei nicht gerechtfertigt, die Norm einschränkend auszulegen, denn auch eine NullProzent-Finanzierung stelle eine Preisangabe dar.
Entscheidend für diese Betrachtungsweise ist, dass der Verbraucher klare und unmissverständliche Angaben zu Identität und Anschrift des Unternehmens erhalten solle. Der
Verbraucher solle für seine geschäftliche Entscheidung in der Lage sein, den Ruf des
Unternehmens, die Qualität und Zuverlässigkeit, Bonität usw. zu beurteilen. Hierfür sei
es unerheblich, ob er eine finanzielle Gegenleistung erbringen muss oder – wie in diesem
Fall – nicht.
Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei
RA Alexander Kunath, Tel.: +49 40 6378-1296, [email protected], und
RA Daniel Meier-Greve, Tel. +49 40 6378-1209, [email protected].
BVerfG: Grundrechtsverletzung durch Nichtzulassung
der Revision
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die sachlich nicht
zu rechtfertigende Nichtzulassung der Revision eine Verletzung des Gebots
des effektiven Rechtsschutzes darstellt (Beschluss vom 25. März 2015,
Az. 1 BvR 2120/14).
Ein Darlehensnehmer hatte gegen seine Bank auf Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltenen Bearbeitungsentgelten geklagt. Das erstinstanzlich angerufene Amtsgericht
hatte die Klage wegen Verjährungseintritt ebenso abgewiesen wie das Landgericht die
hiergegen gerichtete Berufung. Die Revision hat das Landgericht mit der Begründung
nicht zugelassen, die Frage des Verjährungsbeginns und -eintritts betreffend derartiger
Ansprüche sei höchstrichterlich bereits geklärt. Die Rechtssache habe daher keine
grundsätzliche Bedeutung.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Verfassungsbeschwerde eingelegt
und die Verletzung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gerügt. Der Frage des Eintritts der Verjährung von
Rückforderungsansprüchen wegen zu Unrecht gezahlter Bearbeitungsentgelte komme
grundsätzliche Bedeutung zu, so der Kläger.
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Der Bundesgerichtshof (BGH) habe in einer Pressemitteilung auf mündliche
Verhandlungen hingewiesen, in denen es um zwei divergierende Landgerichtsurteile
bezüglich derselben Rechtsfrage gehe. Diese Verfahren stünden stellvertretend für
zahlreiche gleichgelagerte Prozesse und verdeutlichten die grundsätzliche Bedeutung der
Frage des Verjährungsbeginns in derartigen Fällen. Die Pressemitteilung habe zum
Zeitpunkt der Urteilsverkündung durch das Landgericht auch bereits vorgelegen.
Die Verfassungsbeschwerde des Klägers hatte Erfolg. Das Berufungsurteil wurde wegen
einer Verletzung des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht aus, die zum Zeitpunkt
des landgerichtlichen Urteils vorliegende Pressemitteilung des BGH habe die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit eindeutig aufgezeigt. Das Landgericht sei zwar
grundsätzlich in der Entscheidung über die Zurückweisung der Ansprüche des Klägers
wegen Verjährung frei gewesen, allerdings hätte die Revision zugelassen werden müssen,
denn die Rechtsfrage, wann Rückforderungsansprüche wegen zu Unrecht gezahlter
Bearbeitungsentgelte verjähren, sei weiterhin umstritten.
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes sowie einer vom Urteil des Landgerichts
abweichenden und bereits existierenden Entscheidung des BGH habe das Landgericht
durch die insofern sachlich nicht gerechtfertigte Nichtzulassung der Revision das Gebot
des effektiven Rechtsschutzes verletzt. Die Begründung des Landgerichts für diese
Entscheidung sei nicht nachvollziehbar und nicht haltbar.
Dies verstoße gegen den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, da eine den Zugang
zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des hier einschlägigen § 543
Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung) wegen
deren krasser Fehlerhaftigkeit sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Sie erweise sich damit
als objektiv willkürlich und schränke dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar ein.
Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterstreicht die Relevanz von Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache im Rahmen des Antrags
auf Zulassung einer Revision.
Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei
RA Dr. Benjamin Siering, Tel.: +49 40 6378-1938, [email protected], und
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Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf zur Streitbeilegung zwischen Unternehmern und Verbrauchern
Am 27. Mai 2015 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten beschlossen: das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
(VSBG). Mit dem Gesetzentwurf soll der rechtliche Rahmen für die Streitschlichtung zwischen Unternehmern und Verbrauchern implementiert
werden.
Nach der entsprechenden Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz hätten sich die bereits bei Finanzdienstleistungen, Energieversorgung und im Personenverkehr vorhandenen speziellen Schlichtungsstellen
bewährt. Diese Möglichkeiten sollten beibehalten und um branchenübergreifende
Schlichtungsstellen ergänzt werden.
Verbraucher erhielten so bei Streitigkeiten mit Unternehmern etwa über Mängel von
Produkten oder Dienstleistungen einen einfachen und in der Regel kostenfreien Weg zur
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außergerichtlichen Streitbeilegung. Dieses Ziel der unkomplizierten Streitschlichtung soll
einerseits über die Einrichtung von Universalschlichtungsstellen durch die Länder und
andererseits durch die staatliche Anerkennung privater Schlichtungsstellen erfolgen.
Ein Schlichtungsversuch bliebe auch nach der Gesetzesänderung sowohl für Unternehmer als auch für Verbraucher weiterhin freiwillig und ersetzt selbstverständlich nicht
das gerichtliche Verfahren. Auch eine Festlegung auf ein bestimmtes Verfahren der
Streitschlichtung ist nicht vorgesehen, vielmehr können die Schlichtungsstellen ihre
Verfahrensordnung selbst bestimmen.
Verpflichtend ist für Unternehmen ab elf Beschäftigten allein die verbindliche und
verständliche Angabe darüber, ob sie an einem Verbraucherschlichtungsverfahren
teilnehmen oder nicht. Diese Information muss bei Verwendung von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gemeinsam mit diesen sowie auf der Website des Unternehmens
erfolgen. Nach den Angaben des Bundesministeriums sei aufgrund des mit dem
Schlichtungsangebot geleisteten Beitrags zu Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
jedoch mit einer regen Teilnahme vonseiten der Unternehmer zu rechnen. Ob dies,
auch angesichts der – mit maximal 380 Euro freilich moderaten – einseitigen Kostenbelastung der Unternehmer, uneingeschränkt zutrifft, bleibt abzuwarten. Zumal dies
nicht der einzige Kritikpunkt am beschlossenen VSBG ist. Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte zu Recht gerügt, dass die erforderliche Qualifikation der einzusetzenden
Streitschlichter weitgehend offenbliebe, und gefordert, dass die Streitschlichter die
Befähigung zum Richteramt haben sollten. Denn auf die Schlichter können etwa im
Bereich Produkthaftung und Mängelgewährleistung ausgesprochen komplexe Rechtsfragen zukommen.
Dem ist die Bundesregierung ebenso wenig gefolgt wie dem Vorschlag, die im Gesetz
vorgesehene Ausweitung der Schlichtung auf „sonstige zivilrechtliche“ Streitigkeiten und
die damit einhergehende Gefahr einer „Parallel- oder Schattenjustiz“ zu beseitigen. Es
bleibt daher zu hoffen, dass der grundsätzlich zu begrüßende Ansatz des Gesetzes zur
Entlastung der Gerichte und der Erleichterung der Rechtsfindung erhalten bleibt und
das VSBG nicht mehr Probleme aufwirft, als es löst.
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