Felicitas von Lovenberg: Und plötzlich war ich zu sechst. Aus dem Leben einer ganz normalen Patchwork-Familie S. FISCHER 2014. 256 Seiten ISBN-13: 978-3100800336. 19,99€ Kindle e-book: B00GSG11OO. 17,99€ Felicitas von Lovenberg und ihr neuer Partner lernten sich erst kennen, als er bereits von seiner Familie getrennt lebte. Dass Papas „Neue“ nicht die Ursache der Trennung der Eltern war, hat ihr den Zugang zu ihren Patchwork-Kindern erfreulich erleichtert. Den Begriff Patchwork für eine Familie mit einem „Stiefelternteil“ erfand übrigens 1990 eine Übersetzerin; sehr treffend für die Familien-Situation der Wortteil „Work“ = Arbeit. Als Journalistin und Literaturkritikerin nähert sich von Lovenberg ihrer neuen Familiensituation, indem sie u. a. die Darstellung von Patchwork-Familien in Film und Literatur untersucht. Die Unterhaltungsbranche gibt kaum Rollenvorbilder her, obwohl jede 6. Familie in Deutschland und jedes 4. Kind in einer Patchwork-Situation lebt. In den Medien wird gern das Bild eines älteren, finanziell erfolgreichen Mannes vermittelt, der nach einer Trennung mit einer jüngeren Partnerin ohne Kinderwunsch zusammenlebt - eine Konstellation, die Konflikte ausblendet und in der sich Betroffene nicht wiederfinden können. Mit großer Einfühlung in die von der Veränderung betroffenen Kinder berichtet die Autorin aus eigener Erfahrung und aus ihrem Freundeskreis; und sie analysiert Filme und Romane, in denen ein Partner „eine Familie heiratet“. Die einzelnen Kapitel lassen sich zwar locker wie Anekdoten lesen, reflektieren dabei jedoch seriös die Beziehungen innerhalb einer erweiterten Familie mit mehr als zwei Großelternpaaren, zwei Müttern, zwei Vätern plus den neu in die Familie geborenen PatchworkGeschwistern. Absprachen zwischen vier Erwachsenen, die gemeinsam Kinder in zwei Haushalten erziehen, erfordern Organisationstalent und Konfliktbereitschaft. Ihr offener Blick für Familiensituationen, in denen es nicht so märchenhaft und ohne finanzielle Sorgen läuft wie bei der Autorin selbst, hat mich dabei sehr für sie eingenommen. Von Lovenberg reflektiert humorvoll und selbstkritisch die Entwicklung ihrer Mutterrolle. Nach der Geburt ihrer leiblichen Kinder hat sie erlebt, wie die Geburt eines Babys nicht nur den Status der Mutter verändert, sondern auch die Mehrheitsverhältnisse in der Familie. Außer der Analyse komplizierter Familienbeziehungen geht es im Buch um die Erweiterung dieser Familien durch Enkelkinder und um die gegenseitige Verantwortung, wenn Patchwork-Eltern alt und hilfsbedürftig werden. Felicitas von Lovenberg führt gelassen und humorvoll ein in eine „Familienform für Fortgeschrittene“. Ihr Buch ist weder leichte Unterhaltungsliteratur noch ein reiner Ratgeber, in dem man auf der Suche nach einem Rat im Stichwortverzeichnis nachschlagen kann, sondern die Reflektion einer zunehmend anzutreffenden Familienform, zu der die Autorin zahlreiche Quellen ausgewertet hat.
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