Andenken und gläubig bedenken

1/2016 1. bis 15. Januar Zentralredaktion
Wie viele Herzenstüren öffnet das Heilige Jahr der Barmherzigkeit?
Andenken und gläubig bedenken
2 Thema
Was Papst Franziskus sich vom ausserordentlichen Heiligen Jahr erhofft
Die Barmherzigkeit konkret leben
Das Heilige Jahr als «ausserordentliches Jubiläum der Barmherzigkeit»
begann am 8. Dezember und endet
am 20. November 2016. Papst Franziskus hatte es überraschend letztes
Frühjahr ausgerufen. Auch das Bistum Basel trägt das Heilige Jahr mit.
Ein Heiliges Jahr soll die Erneuerung
des Glaubens fördern und ist mit ei­
nem besonderen Ablass verbunden.
Traditionell findet es alle 25 Jahre
statt. Im Mittelpunkt des diesjährigen
ausserordentlichen Jubiläumsjahres
steht die Barmherzigkeit. Die Gläubi­
gen mögen, so der Wunsch von Papst
Franziskus, in dieser Zeit verstärkt
darüber nachdenken, wie die Barm­
herzigkeit konkret gelebt werden
kann. Das Heilige Jahr solle aber
auch «eine Zeit der Gnade für die Kir­
che sein und helfen, das Zeugnis der
Gläubigen stärker und wirkungsvol­
ler zu machen», schrieb der Papst bei
der offiziellen Ankündigungsbulle.
Pilgerfahrt und Ablass
Der argentinische Papst rief weiter
zu Pilgerfahrten auf. Scharen werden
2016 nach Rom kommen und durch
die Heilige Pforte schreiten wollen.
Doch den damit verbundenen Ablass
gibt es auch an zahlreichen weite­
ren Orten. Der Papst hat die Bischöfe
der Weltkirche aufgefordert, für die
Dauer des Heiligen Jahres in einer
ihrer Bistumskirchen eine «Pforte der
Barmherzigkeit» zu öffnen – nach
dem Vorbild des Petersdoms und der
drei weiteren päpstlichen Basiliken
Roms (Lateran, Sankt Paul vor den
Mauern und Santa Maria Maggiore).
Programm Bistum Basel
Das Bistum Basel vertieft die The­
men Migration und Umwelt im
Heiligen Jahr. Zwischen Mai und
Oktober wird Bischof Felix Gmür
sechs Orte der Barmherzigkeit be­
suchen, darunter am 27. Mai das
Asylempfangszentrum in Kreuz­
lingen und die Gassenküche in
Luzern am 24. Juni. Parallel zu
allen Veranstaltungen läuft die
Kampagne der Klima-Allianz, die
der Bischof persönlich unter­stützt. Während des ganzen Jahres
können in vier Wallfahrtskirchen
das Sakrament der Versöhnung
und die besonderen Gnadenga­
ben des Heiligen Jahres empfan­
gen werden: in den Klöstern von
Delsberg, Eschenz, Mariastein und
im Wesemlin in Luzern.
www.bistum-basel.ch
Biblischer Hintergrund
Die jüdische Antike beging alle 50
Jahre ein Jubeljahr, das vom Klang
eines Widderhorns – hebräisch
«yobel» – eröffnet wurde. Das Jahr
ging einher mit symbolischen und
konkreten Gesten wie dem Ruhen
der Erde, der Rückgabe beschlag­
nahmter Grundstücke, Schulden­
erlass und der Befreiung der Skla­
ven. Im ausserordentlichen Heili­
gen Jahr 1933 erliessen auf Bitte
Papst Pius XI. internationale Fi­
nanzinstitute armen Ländern meh­
rere Milliarden Schulden.
Im Bistum Basel hat deshalb Bischof
Felix Gmür am 13. Dezember in der
Kathedrale von Solothurn eine «Hei­
lige Pforte» geöffnet, verbunden mit
einem Solidaritätsgottesdienst für
verfolgte Christen und Menschen auf
der Flucht.
Erinnerung ans Konzil
Detailansicht der Heiligen Pforte
am Petersdom in Rom. Nur in einem
Heiligen Jahr öffnet der Papst diesen
Zugang, zuletzt Papst Johannes Paul II.
zur Jahrtausendwende 2000. Bild: aw
Mit dem Heiligen Jahr erinnert Papst
Franzikus auch an das Zweite Vatika­
nische Konzil. Er habe den 8. Dezem­
ber 2015 zur Eröffnung gewählt, weil
genau 50 Jahre zuvor das Zweite Vati­
kanische Konzil (1962–1965) zu Ende
gegangen sei, erklärte Franziskus in
seiner Bulle. Damals seien Mauern
eingerissen worden, «die die Kirche
allzu lange in einer privilegierten Fes­
tung eingeschlossen hatten».
In dem Schreiben äussert der Papst
zudem die Hoffnung auf einen ver­
tieften Dialog der Religionen. Auch
für das Judentum und den Islam stelle
die Barmherzigkeit eine der wichtigs­
ten Eigenschaften Gottes dar.kath.ch
Weitere Informationen auf www.iubilaeummisericordiae.va und www.heiliges-jahr.ch
Thema 3 Begegnungen auf dem Petersplatz zum Heiligen Jahr
Grossartige Idee für unsere Zeit
Wie vertraut sind Besucher des Petersdomes in Rom mit dem Heiligen
Jahr der Barmherzigkeit? Wer sollte
mit wem barmherzig sein? Spontan
gaben Passanten auf dem Petersplatz teils bewegende Antworten.
Da ist zunächst Kim vom Souvenir­
stand hinter den Kollonaden des Pe­
tersplatzes. Er hoffe auf gute Geschäfte
und deutet auf die vollen Regale mit
teils recht fragwürdigem Kitsch, aber
es sei möglich, dass das Heilige Jahr
nicht mehr Besucher nach Rom ziehe
als sonst. «Höchstens zu Eröffnung
und Abschluss des Jahres», meint Kim
und lockt die nächsten Kunden an.
W
ir sollten weniger
über andere
richten.
Dominic Rankin, Priester, USA
weniger über andere richten.» Aus
der überwältigenden Barmherzigkeit
Gottes müsse die Barmherzigkeit mit
den Mitmenschen fliessen. Sarah, Ju­
lia und Mary, die drei Ordensschwes­
tern aus Indonesien, El Salvador und
Togo, strahlen übers ganze Gesicht. In
einem fröhlichen Mix aus Spanisch,
Italienisch und Englisch beschreiben
sie das Heilige Jahr als Geschenk, als
Einladung, ihr Leben zu erneuern
und Barmherzigkeit im Kleinen zu
üben. Im Grossen ginge es nicht so
sehr darum, dass irgendeine Gruppe
mit einer anderen barmherzig sei,
sondern dass die ganze Menschheit
einen gemeinsamen Weg ginge.
Andreas Wissmiller
Hindus und Nichtreligiöse
Ganz anders das Gespräch mit Ash
und Adhiraj Banerjee aus London.
Sie finden das Heilige Jahr eine gross­
artige Idee für unsere Zeit, die von so
viel Gewalt geprägt sei. «Wer besser
als der freundliche Papst Franziskus
könne dazu anregen, über unser
Menschsein zu sprechen, und dazu
ermutigen, mehr Friede und Liebe
zu verbreiten», sagt Ash und ergänzt:
Er hoffe, dass das Heilige Jahr dazu
beitrage, das Beste im Menschen vor­
anzubringen. Hermann und Elfriede
aus Leverkusen bezeichnen sich als
«eigentlich nicht religiös», aber das
Heilige Jahr sei schon gut – wobei, so
Hermann, wir jeden Tag Frieden
bringen sollten. Und Elfriede macht
deutlich: «Den symbolischen Hand­
lungen müssen Taten folgen.»
Freudestrahlende Nonnen
Dominic Rankin, ein junger Priester,
drückt sich theologischer aus. Auf die
Frage, wer mit wem barmherzig um­
gehen solle, erklärt er: «Wir bedürfen
alle der Barmherzigkeit und sollten
Auf dem Petersplatz angetroffen: Schwestern Sarah, Julia und Mary. Auch Dominic Rankin, ein junger Priester aus Illinois (USA), sowie die Londoner Hindus Ash
Bilder: aw
und Adhiraj Banerjee freuen sich über das Heilige Jahr.
4 Veranstaltungen
Kleines Kirchenjahr
Treffpunkte
Epiphanie des Herrn
Haus St. Dorothea, Flüeli-Ranft
Ins neue Jahr mit Texten von
Dietrich Bonhoeffer
Das Via Cordis Haus St. Dorothea
lädt ein zu Texten von Dietrich Bon­
hoeffer. Stille, Musik und Gespräch
begleiten das Programm. Bonhoeffer
(1906–1945) war der grosse Theologe
und Mystiker im Widerstand gegen
die Nazis, ein Märtyrer von heute. Am
Ende des Lebens tastet er nach einem
Christentum ohne einen jenseitigen
Gott. Das bringt ihn vielen Menschen
des 21. Jahrhunderts sehr nahe.
Fr–So, 8.–10.1., Haus St. Dorothea,
6073 Flüeli-Ranft, 041 660 50 45,
www.viacordis.ch
Treffpunkt Kino
Die Sonne fiel vom Himmel
In ihrem Film «Als die Sonne
vom Himmel fiel» begibt sich die
schweizerisch-japanische Regis­
seurin Aya Domenig auf die Spu­
ren ihres verstorbenen Grossva­
ters. Dieser hatte als junger Arzt
nach dem Abwurf der Atombom­
be im Rotkreuzspital von Hiro­
shima gearbeitet. Nie hat er über
seine Erfahrungen gesprochen.
Bei ihrer Suche begegnet die Re­
gisseurin einem ehemaligen Arzt
und einer Krankenschwester, die
Ähnliches erlebt haben wie der
Grossvater. Dank der grossen Of­
fenheit ihrer Protagonisten kann
Domenig ihm näherkommen.
Dokumentarfilm, CH 2016, 80 Min.,
Kinostart Deutschschweiz: 7.1.
Angekommen – Menschen auf der
Flucht hoffen auf eine gute Zukunft.
Bild: Peter Weidemann/pfarrbriefservice.de
Tagung zur Migrationscharta
Gesellschaft, Solidarität und
die Flüchtlingsfrage
Millionen Menschen flüchten oder
migrieren an einen anderen Ort.
Noch nie waren es so viele wie heute.
Das fordert überall die Gesellschaf­
ten heraus. Eine Gruppe von Theo­
loginnen und Theologen hat darüber
reflektiert und sich in die Debatte
eingemischt. Im August veröffent­
lichte sie die Migrationscharta «Freie
Niederlassung für alle. Willkommen
in einer solidarischen Gesellschaft!».
Darin formuliert sie Grundsätze ei­
ner neuen Migrationspolitik aus bib­
lisch-theologischer Perspektive. Zum
Thema der Migrationscharta findet am
23. Januar in Bern eine Tagung statt,
die der Solidarität mit Flüchtlingen
inner- und ausserhalb der Kirchen
weiteren Schwung verleihen will.
Sa, 23.1., ab 9.45, Kirchgemeindehaus
Johannes, Wylerstrasse 5, Bern. Programm:
www.migrationscharta.ch, Anmeldung erwünscht, Tagungsbeitrag (Richtpreis) Fr. 30.–
Sozialtag der KAB Schweiz
Geld kauft Geist. Wir mit dem
Geld – und das Geld mit uns
Aus dem grossen Weihnachtsfest­
kreis ragt am 6. Januar das Hoch­
fest der «Erscheinung des Herrn»,
in Anlehnung ans Griechische
auch «Epiphanie» genannt, her­
aus. Im 3. Jahrhundert gedachten
an diesem Tag die Christen der
Geburt und der Taufe Jesu und
des Weinwunders an der Hoch­
zeit zu Kana.
Ab dem 4. Jahrhundert rückt die
Feier der Geburt Jesu auf den
25. Dezember. Am 6. Januar feiert
die Kirche seither die Ankunft der
Weisen, die Taufe Jesu und sein
erstes Wunder als deutliche Zei­
chen seiner Erscheinung. Die
mittelalterliche Volksfrömmigkeit
liebte die «Heiligen Drei Könige»
so sehr, dass bis heute Epipha­
nie oft Dreikönigsfest heisst. Seit
1960 wird die Taufe Jesu separat
ge­
feiert, am Sonntag nach Epi­
phanie.
Orgelkonzert in Horw
Reif für die Britische Insel?
Der 2010 mit dem Horwer Kultur­
preis ausgezeichnete Martin Heini
lädt ein zu einer musikalischen Ent­
deckungsreise in die Welt der engli­
schen Orgelmusik. Der Kirchenmusi­
ker spielt unter anderem Werke von
Edward Elgar, Percy Whitlock und
Benjamin Britten.
So, 24.1., 17 Uhr, Pfarrkirche St. Katharina,
Horw, Kollekte. www.musikkathhorw.ch
Rund ums Geld dreht sich der 31.
Sozialtag der KAB Schweiz am 9. Januar in Goldau. Auf dem Programm
steht unter anderem ein Referat von
Detlef Vögeli, Gesellschaftswissen­
schaftler und Projektleiter der Aus­
stellung «Geld» im Stapferhaus Lenz­
burg.
Sa, 9.1., 10–15.45, Pfarreizentrum Eichmatt,
Goldau, Information: www.kab-schweiz.ch
Martin Heini, spielfreudiger Kirchenmusiker und Konzertorganist. Bild: pd
5 Luzern – Schweiz – Welt
Aus der Kirche
Schweiz
Schifferseelsorge am Rhein
Luzern
Radio SRF 2
Luzerner Synodale Eugen Koller
neuer Radioprediger
Seit diesem Mo­
nat kommentiert
ein neues Team
von Radiopre­
digerinnen und
-predigern aktu­
elle Themen aus
christlicher Pers­
pektive. Die elf
Theologinnen und Theologen gehö­
ren verschiedenen Konfessionen an
und sind abwechselnd auf Radio
SRF 2 Kultur und Musikwelle zu hö­
ren, jeweils sonntags ab 09.30 Uhr.
Darunter ist aus dem Kanton Luzern
Eugen Koller. Der 57-jährige Theo­
loge ist Redaktor des Pfarreiblatts Uri
Schwyz, Gefängnisseelsorger in Bi­
berbrugg und Psychiatrieseelsorger
am Sanatorium Kilchberg. Seit ver­
gangenem Sommer ist Koller zudem
Mitglied der Synode, des Parlaments
der Landeskirche.
Aus dem bisherigen Team verab­
schiedet wurden unter anderem die
Theologin Li Hangartner (Luzern)
und der Theologe Walter Kirchschlä­
ger (Kastanienbaum).
So ein Witz!
Der eifrige Sakristan hat für den
bevorstehenden Bischofsbesuch
an alles gedacht. Sogar einen
Kleiderhaken hat er reserviert
und durch ein Schild kenntlich
gemacht: «Nur für den Bischof».
– Ministrantin Celine hat Humor
und schreibt darunter: «Man
kann aber auch einen Mantel dar­
an hängen.»
Basler Xaver Pfister beauftragt
Die «Schifferseelsorge» wird ökume­
nisch verstärkt: Der reformierte Dia­
kon Walter Schär erhält den pensio­
nierten katholischen Theologen Xa­
ver Pfister zur Seite gestellt. Das En­
gagement beider Männer erfolgt
ehrenamtlich und mit kirchlicher
Beauftragung. Schär und Pfister be­
treuen die Kapitäne und Matrosen
der Rheinschiffe einen halben Tag
pro Woche, wie die katholische Kir­
che beider Basel mitteilt.
Neuer Jahreskalender
Täglich 20 heilige Minuten
«Die heiligen 20 Minuten» heisst ein
neuer Jahreskalender – als humor­
volle Abgrenzung zur in Eile gelese­
nen Gratiszeitung «20 minuten». Zu
jedem Tag ist einer der Tagesheiligen
und sind die biblischen Lesungen
des Tages eingetragen. Im ersten Jahr
steht der Kalender unter dem Motto
«Namenspatrone», unter anderem
mit Texten von prominenten Persön­
lichkeiten. Aber auch «gewöhnliche»
Leute kommen zu Wort, so aus dem
Kanton Luzern etwa P. Hansruedi
Kleiber, Leiter des Pastoralraums Lu­
zern, Joseph Durrer, alt Synodeprä­
sident, Adligenswil, die Baldegger
Schwester Karin Zurbriggen, der Ent­
lebucher Pfarrer Pius Troxler oder
Seelsorgeratspräsident Karl Mattmül­
ler. Das Vorwort beigesteuert hat Bi­
schofsvikar Ruedi Heim.
Bezug für Fr. 8.– bei: Epiphania-Verlag,
Hagnaustrasse 27, 4132 Muttenz,
061 373 96 26, [email protected]
Das neue RKZ-Präsidium mit (von
links) Susana Garcia, Luc Humbel
Bild: pd
und Renata Asal-Steger.
International
Ermutigendes Jubiläum der Jesuiten
RKZ
25 Jahre in Kambodscha tätig
An ihrer letzten Plenarversammlung
der Amtsperiode hat die RömischKatholische Zentralkonferenz (RKZ)
den Aargauer Luc Humbel zum Prä­
sidenten für die nächsten zwei Jahre
gewählt. Der als Anwalt tätige Jurist
ist seit 2010 Präsident des Aargauer
Kirchenrates und war in der letzten
Amtsperiode Vizepräsident der RKZ.
In ihrem Amt bestätigt wurde Susana
Garcia (VD) als welsche Vizepräsi­
dentin. Ihr deutschschweizerisches
Pendant ist neu Renata Asal-Steger
(LU), so dass erstmals in der Ge­
schichte der RKZ zwei Frauen die Vi­
zepräsidien innehaben. Renata AsalSteger war bereits seit 2014 Mitglied
des Präsidiums.
Vor vierzig Jahren verwandelten die
Roten Khmer das Leben in Kambod­
scha in eine Hölle. Sie ermordeten
mindestens 1,7 Millionen Menschen
und zerstörten das ganze Bildungs­
system. Nach dem Ende der Khmer
kehrten ab 1990 die ersten Jesuiten
und Mitarbeitende aus den Flücht­
lingslagern in Thailand nach Kam­
bodscha zurück. Sie engagieren sich
seither im Bildungs- und Versöh­
nungsbereich als Schlüssel für die
Zukunft des Landes, wie das Magazin
«jesuitenweltweit» in seiner Weih­
nachtsausgabe schreibt. Nach 25 Jah­
ren Präsenz geht jetzt ein Traum in
Erfüllung – die Gründung einer eige­
nen Schule, der Xavier Jesuit School
mit Kindergarten, Schule, Lehrerse­
minar und Volkshochschule.
Luzerner Synodalrätin neu
im Vizepräsidium
Thema 6 Caritas sucht Pflegefamilien für minderjährige Asylsuchende
Flüchtlingskindern ein neues Daheim geben
Caritas Schweiz sucht im Kanton
Luzern Familien, die unbegleitete
minderjährige Asylsuchende bei
sich aufnehmen.
Von den über 30 000 Asylsuchenden,
die im vergangenen Jahr in die
Schweiz kamen, musste der Kanton
Luzern gemäss Verteilschlüssel des
Bundes 4,9 Prozent aufnehmen, also
rund 1500 Personen. Darunter waren
um die 100 Kinder und Jugendliche,
die ohne Begleitung ihrer Erzie­
hungsberechtigten Asyl beantragten.
Für diese «Unbegleiteten minderjäh­
rigen Asylsuchenden» (UMA), die
meist zwischen elf und achtzehn Jah­
re alt sind, sucht Caritas Schweiz zur­
zeit Betreuungsplätze in Familien im
Kanton Luzern. Der Kanton selbst
hat für UMA im November in Kriens
ein Zentrum eingerichtet.
Begleitung, Entschädigung
Caritas begleitet im Auftrag von Ins­
titutionen und Behörden seit 25 Jah­
ren die Platzierung von Kindern, Ju­
gendlichen und jungen Erwachsenen
in schwierigen Lebenssituationen bei
Pflegefamilien, bis jetzt vor allem auf
Bauernhöfen. «Für UMA, Schweizer
Kinder und Jugendliche suchen wir
aber Familien unterschiedlicher Prä­
gung, auf dem Land wie in der Stadt»,
sagt Markus Kopp, Fachstellenleiter
von Caritas-Familienplatzierung in
der Deutschschweiz.
Familien, die für die Aufnahme eines
Kindes oder Jugendlichen in Frage
kommen, werden von der Caritas be­
Minderjährige Asylsuchende ohne
Begleitung brauchen eine besondere
Bild: Caritas /Pia Zanetti
Betreuung.
gleitet und entschädigt. Caritas bittet
auch Personen, die sich in der Flücht­
lingshilfe einsetzen und von mögli­
chen Familien wissen, diese darauf
hinzuweisen.
www.familienplatzierung.ch, 041 419 22 77,
[email protected]
Um die Dreikönigszeit sind die Sternsinger unterwegs
Singen für mehr Respekt untereinander
Über 10 000 Kinder und Jugendliche sind jedes Jahr als Sternsinger
unterwegs. Mit dem Geld, das sie
sammeln, investieren sie in die Zukunft vieler Kinder – etwa im Gastland 2016, Bolivien.
Das Sternsingen von Missio, dem
internationalen katholischen Hilfs­
werk, ist in vielen Pfarreien der
Deutschschweiz ein fester Teil des
Gemeindelebens. Beim Sternsingen
solidarisieren sich Kinder mit Gleich­
altrigen in aller Welt.
Gottes Segen gilt allen
Das Gastland der Aktion 2016 ist Bo­
livien. In Bolivien leben über 30 ver­
schiedene indigene Völker. Dort und
in vielen anderen Teilen der Welt sind
indigene Menschen oft an den Rand
Kinder in Bolivien: Der Erlös des
Sternsingens in der Schweiz kommt
unter anderem ihnen zugute. Bild: Missio
der Gesellschaft gedrängt. Sie sind
besonders von Armut oder sozialer
Stigmatisierung betroffen. «Ausgren­
zung, Rassismus und fehlender Res­
pekt vor Andersartigkeit stellen aber
auch in der Schweiz ein immer wie­
derkehrendes Problem dar, dem es
deutlich zu entgegnen gilt», heisst es
in einer Medienmitteilung.
Mit dem Slogan «Respekt für dich,
für mich, für andere – in Bolivien und
weltweit!» nimmt die Aktion Sternsin­
gen 2016 den gegenseitigen Respekt
zwischen Menschen in den Blick. Sie
spricht sich gegen Ausgrenzung auf­
grund von Herkunft, Verschieden­
heit oder Fremdheit aus. «Indem die
Sternsinger den Segen Gottes zu den
Menschen bringen, setzen sie ein Zei­
chen dafür, dass Gottes Segen allen
Menschen ohne Unterschied gilt»,
heisst es in der Mitteilung weiter.
2015 sammelten die Sternsinger­
gruppen gut 1,5 Millionen Franken,
über 70 000 mehr als im Vorjahr. Da­
mit konnten 188 Projekte für Kinder
und Jugendliche unterstützt werden.
7 Thema
Ein Neujahrswort von Roland Gröbli, Vereinigung Christlicher Unternehmer
Wer erzählt die beste Geschichte?
«Die Zukunft gehört dem, der die
beste Geschichte erzählt.» Dieses
Zitat der Zürcher Trendforscherin
Karin Frick nehme ich gerne als
Einstieg in das neue Jahr und schlage
drei Geschichten vor, warum der
Schweiz die Zukunft gehört.
Die erste Geschichte: Der Schweiz
gehört die Zukunft, weil sie ein Mig­
rationsland ist. Menschen aus aller
Welt bereichern die lokale Bevölke­
rung mit ihrer Vitalität, ihrer Schaf­
fenskraft, Kreativität und Beweglich­
keit. Die erste Generation startet die­
se Bereicherung; den grössten Nut­
zen für die in der Schweiz wohnhafte
Gesellschaft erbringen dann die Se­
condos und Secondas. Sie nutzen
ihre Talente, die sie aus zwei Kultu­
ren schöpfen. So bilden sie die wich­
tigsten Akteure der Veränderungen
in der Schweiz. Dabei verstehe man
mich richtig: Die Schweiz wird nicht
von heute auf morgen ein anderes
Land mit anderen Gewohnheiten
oder anderen Rechten. Veränderun­
gen entwickeln sich langsam, einiges
überlebt, anderes verliert sich wieder.
Offener Mikrokosmos
Die zweite Geschichte: Der Schweiz
gehört die Zukunft, weil der Mikro­
kosmos Schweiz institutionell offen
für Neues ist. Im Mikrokosmos
Schweiz wenden 26 Ganz- und Halb­
kantone unterschiedliche Methoden
an, um Probleme zu lösen. Der Ruf
nach «Bern» ist erfreulich leise – die
Versuche, Probleme selber zu lösen,
erfreulich ausgeprägt. Die Vorteile
dieser föderalen Struktur überwie­
gen die Nachteile. Dazu kommt, dass
die Steuergelder von unten nach
oben (von Gemeinden zu Kanton
und Bund) fliessen. Das schafft Frei­
einen so hohen Stellenwert. Je mehr
Frauen und Männer am öffentlichen
und wirtschaftlichen Leben teilha­
ben und sich einbringen, desto mehr
profitieren alle davon.
Ein optimistischer Glaube
Dr. Roland Gröbli, Generalsekretär
der Georg Fischer AG und Präsident
der VCU Regionalgruppe Zürich.
räume, welche vor allem Gemeinden
mit mehreren tausend Einwohnern
und mittelgrosse Kantone nutzen.
Die erfolgreichsten institutionellen
Ideen werden kopiert, erfolglose wie­
der aufgegeben. Davon profitieren
alle.
Fehlerfreundliche Kultur
Die dritte Geschichte: Der Schweiz
gehört die Zukunft, weil sie christlich
geprägt ist. Ist diese Feststellung dem
Pfarreiblatt geschuldet? Überhaupt
nicht! Drei kurze Begründungen:
1. Das Christentum motiviert die
Gläubigen, Fehler zu verzeihen. Eine
Kultur des Verzeihens ermöglicht
laufende Verbesserungen. Werden
Fehler nur bestraft, ist niemand mu­
tig, Stillstand herrscht.
2. Das Christentum fordert Respekt
für alle Menschen. In keiner anderen
Weltreligion geniesst die Würde des
Menschen – unabhängig von Her­
kunft, Fähigkeiten oder Leistungen,
3. Das Christentum baut auf einem
optimistischen Glaubensverständnis
auf. Aus gutem Grund heisst das
Neue Testament die «Frohe Bot­
schaft». Das wichtigste Fest im christ­
lichen Abendland ist Ostern, die Auf­
erstehung Jesu Christi. Die aktuelle
Krise des Glaubens, vor allem und
weitgehend ausschliesslich in West­
europa, ist eine Chance der Neube­
sinnung und Neuentdeckung dieses
österlichen, tröstlichen, zukunftsge­
richteten und optimistischen Glau­
bensverständnisses.
Wer erzählt im neuen Jahr die beste
Geschichte? Die Zukunft wird es wei­
sen. Eines aber weiss ich mit Gewiss­
heit: Wer keine Geschichte erzählt,
hat schon verloren. Scheuen wir uns
also nicht, unserer Geschichte, unse­
rer «frohen Botschaft», auch 2016 im­
mer wieder Gehör zu verschaffen.
Roland Gröbli
Christliche Unternehmer
Der VCU, der 1949 gegründeten
Vereinigung Christlicher Unter­
nehmer, gehören rund 400 Füh­
rungspersönlichkeiten aus der
deutschsprachigen Schweiz an.
Sie orientieren sich im persön­
lichen und beruflichen Alltag an
den christlichen Grundwerten
und pflegen den Austausch zu ak­
tuellen Themen aus Glaube, Kul­
tur, Wissenschaft und Wirtschaft.
www.vcu.ch
8 Thema
«Bis du merkst,
dass du fliegen
kannst»:
Rahel Kaeslin
stellt in ihrem
Buch zwölf
Menschen vor, die
den Mut hatten,
ihren eigenen
Weg zu gehen.
Bild: Seetaler Bote
Maturaarbeit an der Kantonsschule Seetal als Buch erschienen
Vom Mut, sich ein Herz zu fassen
Von Menschen, die vor einem weitreichenden und schwierigen Entscheid standen, erzählt Rahel Kaeslin in ihrer Maturaarbeit. Daraus ist
nun ein Buch entstanden. Ein Mutmacherbuch.
Marc und Daniel, die ihre gut be­
zahlten Bankerjobs kündigten und
ein Hilfsprojekt starteten, Margrit, die
nach 17 Jahren aus dem Kloster aus­
trat, oder Raphaël, der sich äusserlich
zum Mann veränderte, um in seinem
Wesen erkannt zu werden: drei von
zwölf Menschen, deren Geschichte
die 18-jährige, in Hochdorf aufge­
wachsene Rahel Kaeslin in ihrem
Buch «Bis du merkst, das du fliegen
kannst» nachzeichnet. Alle standen
sie vor einem Entscheid, der ihr Le­
ben umkrempelte, alle aus freiem
Willen, bis auf Gabriela, die sich nach
einem Unfall im Rollstuhl wiederfand
und sich gleichwohl für das Leben
entschied. Die zwölf Zeugnisse seien
«ein Beweis dafür, dass sich das Le­
ben lohnt», sagt Maria Brun, Dozen­
tin für Religion und Ethik an der
Kantonsschule Seetal in Baldegg. Sie
hatte die 2014 eingereichte Matura­
arbeit von Rahel Kaeslin, aus der das
Buch entstand, betreut und später für
den «Luzerner Religionspreis» nomi­
niert. Die Jury empfahl die Arbeit für
die Buchreihe «Herausragende Ma­
turaarbeiten aus dem Fachbereich
Religion und Ethik», in der sie nun als
fünfter Band erschienen ist.
Fliegen lernen
Sie wolle mit ihrem Buch «Menschen
Mut machen, sich auf Veränderun­
gen einzulassen», sagt Rahel Kaeslin,
«sich weiterzuentwickeln, um sich
treu zu bleiben». Die zwölf von ihr
vorgestellten Menschen hätten «er­
fahren, dass man fliegen kann, wenn
man auf sein Inneres hört und sich
für das entscheidet, was das Herz ei­
nem sagt». Daniel Siegfried, der wie
Marc Jenni Siegfried als Bankmana­
ger ausstieg und mit diesem zusam­
men das Hilfsprojekt Child’s Dream
gründete, pflichtet Kaeslin bei: «Marc
und ich haben die Überzeugung, die
Welt sähe ganz anders aus, wenn
mehr Menschen den Mut hätten, ih­
ren eigenen Weg zu gehen», lassen
sie sich in dem Buch zitieren.
«Bis zu merkst, dass du fliegen
kannst» ist eine leicht zu lesende,
kurzweilige Lektüre. Die Menschen
darin erzählen von sich in der IchForm. Ein Stilmittel, das dazu beiträgt,
sich als Leserin, als Leser in dieser
oder jener Person ein bisschen selbst
zu sehen. Und vielleicht morgen den
Sprung zu wagen.
do
Rahel Kaeslin, «Bis du merkst, dass du fliegen
kannst», 88 S., zahlreiche Fotos, Fr. 26.–, dbVerlag Horw/Luzern, ISBN 978-905388-45-9,
im Buchhandel oder portofrei beim Verlag
([email protected])
Worte auf den Weg
Bild: Dominik Thali
V
on der Strasse rufen Lösungen, die wir überfahren»,
meinte der deutsche Philosoph, Kinderliederautor und
Schriftsteller Manfred Hinrich (1926–2015). Es gilt
aber auch: «Wo eine Lösung ist, ist nicht immer ein Problem»,
wie ein Kalenderspruch lautet.
Wir wünschen Ihnen im neuen Jahr, dass Sie stets die Balance
zwischen Problem und Lösung finden – und zu gegebener Zeit
einen Troubleshooter auf Ihrem Parkplatz.
Dominik Thali und Andreas Wissmiller