Unheimliche Begegnungen

SCHAUPLATZ REGION
Freitag, 24. September 2010
SR
Geisterfahrer: Die ganze Region rätselt über eine unglaubliche Serie
24.
September
Unheimliche Begegnungen
267. Tag des Jahress
Sternzeichen: Waage
Namenstag: Gerhard, Hermann,
Mercedes, Rupert, Virgil
Nachgeblättert
2005: Mit meterhohen Flutwellen
und stundenlangen Regenfällen löst
Hurrikan „Rita“ an der US-Golfküste
in den Bundesstaaten Texas und
Louisiana schwere Überschwemmungen aus. Mindestens 119 Menschen sterben.
Montag, 15. Februar, 14.15 Uhr:
Ein 68-Jähriger aus Hildburghausen
fährt von der Bertelsdorfer Höhe auf
der B 4 Richtung Coburg auf der falschen Fahrbahn. Nur durch eine
Vollbremsung kann ein 27-Jähriger
einen Frontalzusammenstoß vermeiden. Mit Warnblinkanlage und
Schrittgeschwindigkeit verlässt der
Geisterfahrer die Stadtautobahn bei
der Abfahrt Rodacher Straße.
1989: Das Stück „Sanierung“ von
dem tschechischen Autor und Politiker Vaclav Havel wird am Zürcher
Schauspielhaus uraufgeführt.
Mittwoch, 17. März, 9.30 Uhr: Ein
70-Jähriger fährt mit seinem Mofa
auf der B 4 von Triebsdorf nach Niederfüllbach auf der falschen Fahrbahn. Zufällig findet auf der Strecke
eine Schwerlastkontrolle statt. Die
Polizei zieht den Mann aus dem Verkehr.
1978: Bei einem Schusswechsel zwischen drei RAF-Terroristen und der
Polizei kommen in Dortmund ein
Polizist und der Terrorist Michael
Knoll ums Leben. Die Terroristin Angelika Speitel wird festgenommen.
1964: Willi Stoph wird von der
Volkskammer der DDR zum Vorsitzenden des Ministerrats gewählt
und tritt die Nachfolge des gestorbenen Otto Grotewohl an.
Keine Chance hatte ein 47-Jähriger am 13. Juli auf der B 4. Bei
Creidlitz kam ihm ein 85-jähriger Geisterfahrer entgegen. Der
Rollerfahrer starb noch an der Unfallstelle.
1921: Die Berliner „Avus“, die erste
Autobahn Deutschlands, wird eingeweiht. Die „Automobil-Verkehrsund Übungsstraße“ ist als Autorennstrecke und Verkehrsweg ausgelegt.
Zahl des Tages
7000
Die Zahl der Beschäftigten in der
bayerischen Metall- und Elektroindustrie ist erstmals seit Beginn der
Krise im Herbst 2008 wieder gestiegen. Wie die Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände bayme und vbm
am Donnerstag in München mitteilten, erhöhte sich die Zahl der Mitarbeiter im Juli um 1 700 auf 718 000.
Für das gesamte zweite Halbjahr
rechnet Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt mit 7 000 neuen Stellen.
Tipp des Tages
So kompakt wie kaum sonst irgendwo lässt sich am Beispiel der sechs
Kilometer langen Strecke der ersten
deutschen Eisenbahn zwischen
Nürnberg und Fürth die deutsche
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
seit dem frühen 19. Jahrhundert veranschaulichen. In einer Sonderschau, einem der großen Beiträge
zum 175-jährigen Bahnjubiläum,
zeichnet das Nürnberger Museum Industriekultur die Entwicklung nach.
Dabei spiegeln sich Technik- und Gesellschaftsgeschichte gegenseitig. Zu
sehen ist die legendäre „Adler“ , den
Besuchern begegnen aber auch illustre Namen wie AEG, Triumph-Adler,
Schuco, Quelle und viel mehr.
—————
www.museen.nuernberg.de
Im Raum Coburg gibt es
eine signifikante Zunahme
von Geisterfahrten. Zwei
Tote, zwölf aktenkundige
Vorfälle seit Anfang des
Jahres, und fast alle
Falschfahrer sind über 65
Jahre alt. Jetzt prüft
die Staatsanwaltschaft,
was man tun kann.
Von Volker Friedrich
Coburg/Lichtenfels – „Ich habe das
in meiner Dienstzeit noch nicht erlebt“, sagt Anton Lohneis. Der Leitende Oberstaatsanwalt hat heuer
schon rund ein Dutzend Vorfälle auf
den Tisch bekommen, die ihn stutzig
machen. Immer wieder sind vor allem auf der vierspurigen B 4 Geisterfahrer unterwegs. Fast alle, die ermittelt werden konnten, sind älter als 65
Jahre. Lohneis will nun sämtliche
Akten auf Parallelen untersuchen.
„Es wird Gespräche mit der Polizei
geben. Wir müssen sehen, ob wir da
was machen können.“ Auffällige tistisch steigende Unfallzahlen sorWarnschilder wie in Österreich – gen, da die Bevölkerung grundsätzeine schwarze Stopphand auf grell- lich in Deutschland immer älter
gelbem Schild – wären zumindest ein wird. Die Gruppe der über 75-JähriAnsatzpunkt. 2003 hat es dafür auf gen ist ebenso unfallgefährdet wie
der A 66 bei Martinsthal im Rhein- die der bundesweit und in der Region
gau Taunus Kreis einen Pilotversuch führenden Fahranfänger zwischen
gegeben, um Falschfahrer noch vor 18 und 24 Jahren.
der Autobahn zu stoppen. Lohneis
Es ist kein Geheimnis, dass im Alwill zumindest prüfen lassen, ob das ter Reaktions- und Sehvermögen
nachlassen – oft
eine Lösung sein
noch verstärkt
könnte.
„MoMit 18 ist man geprüft
mentan bleibt
durch die Einworden auf 100 Prozent
nahme mit Meuns nur die MögSehfähigkeit. Mit 80 muss
lichkeit genau
dikamenten. In
das logischerweise
hinzuschauen.
der Regel wissen
nicht mehr so sein
Geisterfahrer ist
das
Senioren
Dr. Carl-Christian Dressel
nicht
gleich
auch und passen
Geisterfahrer.“
ihre Fahrweise
Zu eventuellen Rückschlüssen mag ihren Fähigkeiten an. Heftig umstritsich Lohneis nicht äußern. „Das ten ist die Frage – keineswegs nur in
kann ich auch nicht. Ich bin selbst Deutschland –, ob sich ältere Menschen deshalb regelmäßig einer Uneinigermaßen ratlos.“
Möglicherweise ist die Häufung tersuchung ihrer Fahrtüchtigkeit
von Geisterfahrten mit Senioren stellen sollten. Der ehemalige Cobundesweit ein Phänomen. Eine burg/Kronacher Bundestagsabgeordähnliche Serie (siehe „Chronologie nete Dr. Carl-Christian Dressel (SPD)
des Schreckens“) auf so eng begrenz- war von 2002 bis 2004 Leiter der Untem Raum ist jedenfalls nicht be- teren Straßenverkehrsbehörde in
kannt. Dafür liegt es in der Natur der Forchheim und hat eine sehr eigene
Sache, dass ältere Menschen für sta- Meinung zu dem Thema.
Todestag
2004: Françoise Sagan, französische
Schriftstellerin („Bonjour tristesse“),
geb. 1935.
“
Europas Senioren im Straßenverkehr
Fahrerlaubnis
generell
Altersgebundene
Auflflagen
Verkehrstote ab 65
je 100.000 Einwohner
(2006)
Belgien
ab bestandener Prüfung
unbegrenzt
keine
10,7
Deutschland
ab bestandener Prüfung
unbegrenzt
keine
7,3
Finnland
ab bestandener Prüfung
bis zum 45. Lebensjahr
Ärztliche Untersuchung (Sehen,
Hören, Ausfallerscheinungen)
mit 45 und 60 Jahren,
ab 70 alle fünf Jahre
k. A.
Frankreich
ab bestandener Prüfung
unbegrenzt
keine
8,9
Großbritannien
ab bestandener Prüfung
bis zum 70. Lebensjahr
Fahrtüchtigkeits-Test ab 70.
Lebensjahr alle drei Jahre
6,0
Italien
ab bestandener Prüfung
für 10 Jahre
Ab 11. Jahr des Führerscheinbeseitzes alle zehn Jahre amtsärztlicher Fahrtüchtigkeitstest,
ab 51. Lebensjahr alle fünf, ab
65. Lebensjahr alle zwei Jahre.
10,5
Niederlande
ab bestandener Prüfung
bis zum 70. Lebensjahr.
Ab 70 Fahrtüchtigkeitstest
alle fünf Jahre.
k. A.
Österreich
ab bestandener Prüfung
bis zum 70. Lebensjahr.
Ab 70 Fahrtüchtigkeitstest
alle fünf Jahre
k. A.
Schweden
ab bestandener
Prüfung bis zum 70. Lebensjahr
Hör- und Sehtest ab 70
obligatorisch alle drei Jahre
k. A.
Spanien
ab bestandener Prüfung bis zum Ab 45 ist der Führerschein alle
9,0
45. Lebensjahr
10 Jahre zu erneuern. Bis 75 ist
zusätzlich alle fünf Jahre, danach
alle zwei Jahre ein Gesundheitszeugnis vorzulegen.
Geburtstag
1944: Diana Körner
(66), deutsche
Schauspielerin
(„Liebling
Kreuzberg“).
„
„Irgendwann mit 18 ist man geprüft worden auf 100 Prozent Sehfähigkeit“, sagt er. Und dass man körperlich und geistig fit ist, ein Auto zu
führen. „Das heißt logischerweise
nicht, dass das auch mit 80 noch so
ist.“ Die logische Konsequenz wäre
also eine regelmäßige Überprüfung.
Aber das will Dressel auch wieder
nicht. „Wir müssen an die Einsichtsfähigkeit appellieren und an das
Umfeld.“ In Forchheim sei er froh
gewesen über jeden Hinweis von
Verwandten oder aus der Nachbarschaft. Ob das nicht Denunziationen Tür und Tor öffne? „Nein. Da
geht das Wohl der anderen Verkehrsteilnehmer vor.“
Sehr ernst scheint der Gesetzgeber
das Problem der Geisterfahrer nicht
zu nehmen. Zu geringer Abstand
kann jedenfalls teurer kommen. Die
Staatsanwaltschaft muss in jedem
Einzelfall eine Verkehrgefährdung
nachweisen. Nur so auf der falschen
Seite: das ist nichts als eine Ordnungswidrigkeit. Auch wenn der
Geisterfahrer bekannt ist, muss die
Polizei Zeugen suchen, die gefährdet
wurden. „Wenn es gekracht hat“, so
Lohneis, „wissen wir es definitiv.“
Ab 75 wird es gefährlich
Aufgespießt
1987: Seine Gewohnheit, beim Angeln die Füße im Wasser zu kühlen,
hat einem Angler in der Sowjetrepublik Tadschikistan einen ungewöhnlichen Fang beschert: Mit dem großen Zeh zog der Mann einen Schlangenkopf-Fisch an Land.
Chronologie
des Schreckens
mit zwei Toten
Coburg/Lichtenfels – Seit Anfang
des Jahres nehmen die unheimlichen Begegnungen auf vierspurigen
Straßen im Raum Coburg zu. Am
meisten betroffen ist die B 4. Die
Chronologie des Schreckens:
2009: In Südafrika wird im historischen Cullinan-Bergwerk ein mit
507 Karat ungewöhnlich großer, lupenreiner Diamant entdeckt.
1852: Der Franzose Henri Giffard
fliegt mit dem ersten durch eine
Dampfmaschine
angetriebenen
Luftschiff die 27 Kilometer von Paris
bis Trappes.
Seite 3
! Laut Statistischem Bundesamt waren 2007 gut 20 Prozent oder 16,4 Millionen der Deutschen mindestens 65
Jahre alt. Als Beteiligte an Verkehrsunfällen lag ihr Anteil
bei 10 Prozent.
! Das entsprach insgesamt 45070 Unfällen mit 1153 Todesopfern, 11 303 Schwer- und 32614 Leichtverletzten.
! Im Jahr 2007 war das Risiko von Menschen ab 65, im
Straßenverkehr zu verunglücken, halb so hoch wie das
der Gesamtbevölkerung. Schwere Verletzungen trugen allerdings 25 Prozent der älteren Verunglückten davon –
bei der Restbevölkerung waren es nur 15 Prozent.
Samstag, 10. April, 23.20 Uhr: Ein
72-Jähriger aus dem Landkreis Coburg gerät von der Lauterer Höhe
Richtung Coburg auf die falsche
Fahrbahn der B 4.
Sonntag, 6. Juni, 20 Uhr: Ein
88-Jähriger fährt auf der Coburger
Stadtautobahn von der Callenberger
Unterführung Richtung Lauterer
Höhe auf der falschen Seite. Nur mit
einer Vollbremsung kann ein 29-Jähriger einen Zusammenstoß vermeiden.
Dienstag, 13. Juli, 10 Uhr: Ein
85-Jähriger aus dem Landkreis Coburg wendet mitten auf der B 4 bei
Niederfüllbach, weil er die richtige
Ausfahrt
verpasst
hat und
die nächste
gesperrt ist.
Ein
47-Jähriger kann
mit seinem Motorroller
nicht
mehr ausweichen
und kracht frontal in den Opel des
Rentners. der Rollerfahrer verstirbt
noch an der Unfallstelle.
Freitag, 16. Juli, 15.30 Uhr: Eine
69-Jährige fährt von Coburg Richtung Bamberg und verpasst die Anschlussstelle der B 303 Richtung
Schweinfurt. Sie wendet ihr Fahrzeug, bemerkt ihren Fehler und wendet erneut – inklusive Anhänger.
Samstag, 24. Juli, am frühen Morgen: Ein 44-Jähriger Niederländer
wendete auf der A 73 im Bereich der
Anschlussstelle Coburg, weil er sich
verfahren hat und sucht auf dem
Standstreifen die richtige Ausfahrt.
Mittwoch, 28. Juli, 14.20 Uhr: Eine
70-Jährige aus Haßfurt ist auf der B 4
bei Creidlitz in der falschen Richtung
unterwegs.
! Die Zahl der Todesopfer hingegen entwickelte sich sogar seit 1978 diametral. Damals starben 3969 Senioren
bei Unfällen, 2007 waren es 1153.
! Die Zahl der Verletzten wiederum stieg von 35994
(1978) auf 43917 (2007).
Mittwoch, 28. Juli, 15.18 Uhr: Ein
75-Jähriger nimmt auf der B 303 von
Schweinfurt kommend die falsche
Auffahrt Richtung Coburg.
! Am gefährlichsten leben Senioren in Bayern. 345 von
100000 verunglückten Einwohnern waren dort im Jahre
2007 älter als 65 Jahre. In Thüringen waren es nur 206.
! Die meisten Unfälle mit Senioren passierten 2007 zwischen 9 und 11 Ihr vormittags. 203 der 1153 tödlichen Unfälle mit Seniorenbeteiligung geschahen montags: der gefährlichste Tag der Woche..
Dienstag, 31. August 11.45 Uhr: Ein
69-Jähriger fährt auf der A 73 bei der
Anschlussstelle Lichtenfels Nord auf
die falsche Auffahrt. Es grenzt an ein
Wunder, dass trotz dichten Verkehrs
nichts passiert. Zahlreiche Autofahrer können einen Frontalcrash mit
Vollbremsungen und Ausweichmanövern gerade noch vermeiden.
! Über 65-jährige Autofahrer, die in einen Unfall verwickelt wurden, waren 2007 zu 66 Prozent die Hauptschuldigen am Geschehen. Bei den über 75-Jährigen waren es
sogar fast 80 Prozent.
! Die wesentlichen Ursachen der von Senioren ausgelösten Unfälle im Jahr 2007 waren: Vorfahrt-Missachtung (25
Prozent), Lenkfehler (15 Prozent), Abbiegefehler (12 Prozent) und Abstandsfehler (11 Prozent).
! 2005 waren 32 Prozent aller Neuwagenkäufer in
Deutschland älter als 60 Jahre. Ihr gesamter Altersdurchschnitt lag bei 50,7 Jahren. Quelle: Statistisches Bundesamt
Mittwoch, 22. September, 12 Uhr:
Ein 75-Jähriger ist auf der vierspurigen B 173 bei Lichtenfels auf der falschen Fahrbahn unterwegs. Während zwei Motorradfahrer mehrere
Lkw passieren, kommt ihnen der
Geisterfahrer auf der Überholspur
entgegen. Ein 46-jähriger Biker aus
Burgkunstadt hat keine Chance und
verstirbt noch an der Unfallstelle. Er
hinterlässt Frau und drei Kinder. vof