Informationen für Prädikantinnen und Prädikanten Prädikantenbrief

Informationen für Prädikantinnen und Prädikanten
Prädikantenbrief Nr. 41 September/Oktober 2015
________________________________________________________
Liebe Prädikantinnen, liebe Prädikanten,
Unglaublich, aber wahr – erlebt im Prädikanten-/Lektorendienst
Manches geht schief, manches wendet sich auf wundervolle Weise, manches
ist einfach skurril, manche machen tiefe geistliche Erfahrungen. Immer wieder
erzählen mir Prädikanten/innen und ehemalige Lektoren/innen, was sie in
ihren Diensten so erlebt haben. Das müsste man doch aufschreiben, denken
Sie da vielleicht manchmal – oder haben es schon getan. Ich fordere Sie nun
dazu auf. Ich will unter oben genanntem Arbeitstitel sammeln. Mein Ziel ist
vorerst eine Datei, die man dann druckfertig versenden oder auf die
Homepage stellen kann. Also senden Sie Ihre Geschichte oder was auch
immer. Beachten Sie dabei:
Anonymisieren Sie Personen und Orte.
Unter der Geschichte soll nur Ihr Name mit Wohnort stehen.
Geben Sie der Geschichte einen Titel.
Schreiben Sie nicht mehr als 1000 Worte.
Schicken Sie Ihre Geschichte ein bis 31. Oktober 2015.
Ich predige. Als Prädikant/in Gottes Wort zur Sprache bringen. –
Gedanken zum Jahresthema
Das Programm „Persönlich predigen“ von Axel Denecke hilft mir beim Erfassen
mancher Fragestellungen des Prädikantendienstes: Warum fällt die Aneignung
einer Predigtvorlage vielen so schwer? Warum haben Predigtvorlagen ihre
Grenze, wenn man sie nicht einfach als Lesepredigten vorlesen möchte?
Karl Barth (1886-1968) sah die Aufgabe der Predigt darin, dass allein Gottes
Wort zur Sprache kommen soll. Es geht in Theologie und Predigt nicht um ein
Verhandeln menschlicher Probleme, sondern um Gottes Zuspruch und
Anspruch an den Menschen. Nicht die Mitteilung frommer Lebenserfahrung
auf der Kanzel zu Zwecken von neuer Lebenserfahrung bei anderen, sondern
Gotteserkenntnis, Gottesverkündigung war Ziel dieser dialektischtheologischen Predigtauffassung. Hier scheint das Wort Gottes etwas eher
1
Objektives zu sein. Es lässt sich aufschreiben und vorlesen. Das könnte
womöglich dem Verständnis des Lektors/der Lektorin nahe kommen. Er/sie ist
Sprachrohr des Wortes Gottes. Die Person des Predigers/der Predigerin spielt
in der Theorie keine Rolle, sie wird sogar als hinderlich angesehen. „Wir
predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus“ (2. Korinther 4,5a).
Axel Denecke nahm 1979 die „Person des Predigers“ in den Blick. Er stellt
fest: „Meine Hörer reagieren nicht nur auf den Inhalt meiner Predigt, sondern
auch auf meine Person, in der ganzen Skala von Zustimmung und Ablehnung,
Sympathie und Antipathie. Der anschaulichste Teil der Predigt bin ich selbst.“
(S.12)
Er bedenkt dabei den ganzen(!) Vers 2. Korinther 4, 5a+b. „Denn wir predigen
nicht uns selbst, sondern Christum Jesum als Herrn, uns selbst aber [predigen
wir] als eure Knechte um Jesu willen.“ Denecke legt das so aus: „Für Paulus
stellt sich damit nicht die Alternative zwischen subjektiver Selbstdarstellung
des Predigers auf der einen und gehorsamer Christuspredigt auf der anderen
Seite. Für Paulus steht fest, dass wir natürlich stets uns selbst, unseren
Glaubensweg, unsere Zweifel und unsere innere Gewissheit predigen. In, mit
und unter unserem mehr oder weniger festen Glauben will sich Christus zu
erkennen geben. Die Frage lautet daher nur: indem wir uns predigen,
predigen wir uns dabei als die Herren oder predigen wir Christus als Herrn
und uns als seine Dienerinnen und Diener?“ (zitiert bei Uta Pohl-Patalong u.a.:
Predigen im Plural S.199) Die Person des Predigers bzw. der Predigerin hat so
eine dienende Funktion im Predigtgeschehen.
Der Predigtlehrer Albrecht Grözinger meint dazu: „In einer Zeit nachlassender
Traditionsbindung, des sich In-Distanz-Haltens zu Institutionen und der
fluktuierenden Religiosität kann gar nicht mehr anders als „persönlich“
gepredigt werden. Nicht in der Weise, dass Prediger und Predigerinnen zum
Vorbild des Glaubens oder zu Garanten des Evangeliums würden. Damit wäre
eine unmenschliche Überforderung verbunden. Vielmehr geht es darum, dass
Predigerinnen und Prediger auf der Kanzel erkennbar werden, wie sich in
ihrem je individuellen Leben Glauben ausbildet, was ihn nährt und was ihn in
Frage stellt. Von Gott kann nicht in der Weise eines „Über-etwas-Reden“
gesprochen werden, sondern nur in der Weise eines verwickelnden Redens,
das die eigene Existenz und die eigenen Erfahrungen nicht ausblendet. Dazu
gehört Mut und Ehrlichkeit, aber auch Bescheidenheit. Hörerinnen und Hörer
der Predigt spüren in der Regel genau, ob ihr Prediger, ihre Predigerin sich
diesem Wagnis unterzieht.“ (Albrecht Grözinger, Homiletik, 2008 S.135)
Was Grözinger hier schreibt, hat Bedeutung für Ihre Rolle im ehrenamtlichen
Verkündigungsdienst. Alle haupt- und ehrenamtlichen Predigerinnen und
Prediger sind auch als Personen gefordert.
2
Namensänderung:
Möglicherweise bin ich hier auf der Spur, was die Tiefendimension der
Namensänderung des Dienstes 2008 (Lektor/in –> Prädikant/in) zum
Ausdruck bringt. Der Namenswechsel vollzieht, was in der neueren Homiletik
erkannt wurde. Während der Begriff Lektor in sich auf etwas Anderes,
Fremdes, das Vorzulesende verweist, stellt der Begriff Prädikant stärker die
Person des Predigers in den Vordergrund. Er soll „predigen“, (Gott) rühmen
(praedicare – rühmen), wobei seine Person als Vorsprecher (praedicare –
vorsprechen) vom Wort her stärker in das Predigtgeschehen hinein verwickelt
ist. Vorsprecher könne man im Sinne Ernst Langes verstehen als
exemplarisches oder repräsentatives Ich (vgl. Prädikantenbrief 38). Der im
Begriff Lektor implizierte dazwischenliegende Text (Lesepredigt) fehlt.
Der Namenswechsel ist m.E. Ausdruck einer veränderten Hörererwartung, die
eine/n authentische/n Glaubenszeugen/in hören will. Und steht für eine
selbstbewusste Schar von ehrenamtlichen Verkündigern/innen, die sich traut
für den eigenen Glauben einzustehen und die mutig und manchmal waghalsig
versucht, ihre Gotteserkenntnis mitzuteilen.
Vorlagen:
Was ist nun mit den Vorlagen? Ich stelle mir eine Skala vor:
Lektor/in ß------------à Prädikant/in
Lesepredigt ß------------à Selbst formulierte Predigt
Predigtvorlage
vorlesen ß------------à predigen
gemeinsamer Glaube ß------------à individuelles Zeugnis
Bei jedem neuen Dienst suchen Sie neu Ihren Platz auf der Skala zwischen
links und rechts.
Die Vorlagen repräsentieren in ihrer Idee, dass es beim Predigen um einen
gemeinsamen Glauben einer Gemeinschaft des Glaubens geht. Sie stehen für
die Kirche. Sie sind so etwas wie das apostolische Glaubensbekenntnis, das
ich mitsprechen darf ohne bei jedem Wort zu überlegen, ob ich gerade in der
individuellen Verfassung und Stimmung bin, jedes Wort nachzuvollziehen. Sie
symbolisieren in ihrer Idee das Wort Gottes, wie es die dialektische Theologie
gesehen hat. Tatsächlich sind sie dann allerdings auch individuelles
(unvollkommenes) Zeugnis von Autorinnen und Autoren, deren erste
Hörerinnen und Hörer Sie als Prädikanten/innen sind. Dieses sich anzueignen
und zu bearbeiten, um es sich als etwas Authentisches zu eigen zu machen,
ist Arbeit.
Zum anderen sind Sie als Prädikanten/innen ja im Auftrag unterwegs sind.
Eine Gemeinde, ein Kirchenbezirk oder eine Gemeindepfarrerin, auf deren
Kanzel Sie stehen, erwartet verlässliche Verkündigung. Diese wissen/meinen
aber von Ihnen, dass Sie in der Regel theologisch und homiletisch nicht die
3
Kompetenzen und Kenntnisse haben, eine eigene Predigt zu verfassen.
Deshalb gibt es die in der Prädikantenordnung rechtliche Bindung an die
Vorlage. Sie steht für den Vertrauensvorschuss in Sie als öffentliche
Prediger/innen.
Der „Kampf mit den Vorlagen“ beginnt also mit jedem neuen Predigtdienst
neu, er ist ein Prozess von Aneignung und Abstoßung und Neuformung. Auch
denjenigen, die das Recht zur freien Wortverkündigung haben, bleibt dieser
Kampf nicht erspart. Er ist dann das Ringen um Form, um Worte, um die
Entscheidung, was sage ich wie. Dabei muss das Was, das Ich und das Wie
jedes Mal neu gefunden werden.
Ich glaube dieser Kampf (ob mit oder ohne Vorlage) ist wie der Kampf Jakobs
am Jabbok. Es ist das Ringen mit einem Größeren, der nicht besiegbar ist, der
aber auch selbst nicht ohne seine/n Kampf-Partner/in den Sieg davon tragen
will. Es ist das Ringen um den Segen. „Ich lasse dich nicht, du segnest mich
denn“. Er ist die Ungewissheit vor dem Ostermorgen am Sonntag. „Da ging
ihm die Sonne auf.“ (vgl. 1. Mose 32,25ff)
Verstorben
ist Prädikant Hans Stingel aus Kressbronn, Dekanat Ravensburg am 8.April
2015. So spricht der Herr, der dich geschaffen hat. Fürchte dich nicht, denn
ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.
(Jesaja 43,1)
Verabschiedung von Claus Jesch
Seit 1999 arbeitet Claus Jesch im Lektoren- bzw. Prädikantenpfarramt als
Referent mit. Ende November geht er in den Ruhestand. Wer sich persönlich
verabschieden will, möge dies tun. Am Samstag, den 14. November 2015
feiern wir um 17 Uhr Gottesdienst in Stuttgart-Plieningen, anschließend gibt es
in der Kirche einen Stehempfang.
Ich wünsche Ihnen allen einen gesegneten Sommer
Ihr
Hartmut Mildenberger
_________________________________________________
Herausgegeben vom Pfarramt für Prädikantenarbeit
Pfarrer Hartmut Mildenberger, Evang. Bildungszentrum Haus Birkach,
Grüninger Str. 25, 70599 Stuttgart; Tel.0711/ 45804-9410
Fax 0711/45804-9440; Mail: [email protected]
Konto: EBZ Prädikantenarbeit BW Bank Stuttgart IBAN: DE65 6005 0101 0002 4236 92
www.praedikanten-mesner.de
4