A H A L MUSA 015 t2 Herbs Drei Antworten auf Radikalismus Im Konflikt äußert sich Gewalt in Gedanken, Worten und Taten. Wenn es zu Gewalt kommt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis gewalttätige Einzelne von der Gewalt gegen Sachen zur Gewalt gegen Menschen übergehen. Auf der jüdisch-israelischen Seite haben wir den Brand in der Kirche von Tab gha gesehen, die Angriffe und Morde bei der Jerusalemer Schwulen-Parade und den Brandanschlag auf das Haus einer palästinensischen Familie. Auf der palästinensischen Seite haben wir Molotow-Cocktails auf Autos gesehen, den Versuch, Zivilisten mit dem Auto zu überfahren und zu töten sowie Angriffe auf Soldaten und Zivilpersonen. Viele dieser Angriffe werden begangen von radikalen jüdischen oder muslimischen Gruppen. Sie wollen ihre absoluten Moralvorstellungen durchsetzen und fordern die öffentliche Ordnung und das Recht heraus. Sie nehmen für sich in Anspruch, dass ihre Auslegung des religiösen Gesetzes das Beste für die Gesellschaft ist, und das Mittel zum Zweck ist Gewalt. Diese Gewalt führt oft ins Chaos; wir fühlen, dass unsere Sicherheit und Stabilität bedroht sind, und haben Angst. Wie können sich Gläubige dazu verhalten? 1. Wir müssen das Denken von „wir“ gegen „die“, Israelis gegen Palästinenser, ablehnen. Was wir im Moment beobachten, geht nicht mehr um die ganz „Anderen“ – das Lager der Feinde –, sondern um die „anderen“ innerhalb unserer eigenen Volksgemeinschaften: die ganz frommen oder radikalen gegen die, die damit nicht einverstanden sind. 2. Gewalt beginnt mit Gedanken und Worten und bewegt sich dann auf Handlungen zu, die sich gegen diejenigen richten, die nicht unserer Meinung sind. Wir müssen aufpassen, was wir denken und was wir sagen und uns selbst fragen, ob unsere Worte Heilung oder Verletzung bringen. Unsere Diskussionen sollen göttliche Haltungen Neues von Familie Munayer Ganz überraschend ist unsere Familie im Sommer für zwei Wochen zusammen – unerwartet, aber sehr willkommen. Für diese Überraschung haben wir viel geräumt, staubgesaugt und den Schuhberg neben der Haustür umorganisiert. Ich musste die Hausregeln wieder einführen, mich wieder zweimal die Woche in zwei große Supermärkte aufmachen und je zwei Einkaufswagen füllen. Wassermelonen haben jetzt Saison und sind sehr erfrischend bei der Hitze ... aber auch ziemlich schwer, wenn man sie 40 Stufen raufschleppen muss. Die Regel lautet also: „Du willst sie essen? Dann trägst du sie auch!“ Jetzt haben wir den Spaß und die Herausforderung, mit uns allen sechs widerspiegeln, und wir sind verantwortlich für die Worte, die wir gegenüber denjenigen benutzen, die anderer Meinung sind. 3. Wir sollen Zeugnis sein für die verändernde Liebe Gottes durch unsere Gemeinschaft und Einheit – quer über alle ethnischen, politischen und theologischen Linien hinweg. Gott liebt alle Menschen und will allen seinen Segen geben. Einer der besten Wege, diese Botschaft von Liebe und Segen zu überbringen, ist, uns wie ein lebendiges Zeugnis von Gottes verändernder Kraft in unserem Leben zu benehmen. Das sehen die anderen. Bei Musalaha bringen wir die Teilnehmer zusammen – aus dem ganzen ethnischen, politischen und theologischen Spektrum. Wir ermutigen einander, unsere Sprache sorgfältig und überlegt zu gebrauchen, und wir sehen einander als Kinder Gottes, ein Leib Christi mit einer gemeinsamen Vision von Versöhnung. Salim J. Munayer auf engem Raum. Ich konzentriere mich auf den Spaß, jawohl, den Spaß, Spaß, Spaß. Ich arbeite weiterhin einmal in der Woche im Andenkenladen des Bethlehem Bible College und kümmere mich um mein privates Projekt für soziale Gerechtigkeit. Jack hat sich an der Hebräischen Universität in Jerusalem eingeschrieben und will im Oktober seinen Master in Men- Neues von Familie Munayer (Fortsetzung) schenrechten und Übergangsrecht beginnen. Er wartet noch auf den Bescheid. Er war Ende August mit einer Gruppe Jugendlicher in Irland. Sein Bart ist ziemlich rötlich – keine Ahnung, wo er das herhat. Daniel kommt nach drei Jahren als stolzer Absolvent der American University in Washington DC aus den USA zurück und sucht nach dem nächsten Schritt. Er bringt viel neue Erfahrung aus diesen drei Jahren mit. John hat das erste Jahr am King's College der Universität in London erfolgreich abgeschlossen. Er ist jetzt zuhause, um sich nach der Mitarbeit beim Kindercamp in England auszuruhen. Für das nächste Jahr stehen so kniffelige Entscheidungen an wie, für welches Sportteam er sich entscheiden soll: Fußball, Schwimmen oder Wasserpolo? Mehr als eines geht nicht!! Er ist aus dem College-Schlafsaal ausgezogen und hat mit ein paar Freunden eine Wohnung gemietet. Es sieht so aus, als ob er sich und sein Studium absolut genießt. Sam hat die 11. Klasse (im israelischen Schulsystem die schwierigste) gut hinter sich gebracht, macht einen Schwimmtrainer-Kurs und trainiert für die nationalen Meisterschaften im Herbst. Er genießt es, seine Brüder zuhause zu haben, obwohl er dafür in sein altes Kinderzimmer zurück musste, das jetzt vollgestopft ist mit Olivenholz und anderen Dingen. Er ist jetzt 1,81 Meter und bedroht damit Jacks Position als Größter der Familie. Er lebt von grundsätzlich zu viel Eis und Süßigkeiten. Salim und ich strampeln uns ab und machen weiter, geben Ratschläge, wo sie erwünscht sind, und Salim geht in seiner Arbeit und den vielen Reisen auf. Aber ich genieße meine Arbeit auch – wir sind glücklich, und wir sind dankbar! Ihre Kay Munayer, für die ganze Familie Argwohn, Abstand und – Im Juli fand unser jährliches KinderCamp mit 100 Kindern und 40 Mitarbeitern statt. Manche unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter kamen aus dem Ausland, aber die große Mehrheit waren israelische und palästinensische Jugendliche, die selbst schon als Kinder dabei gewesen waren. Rund 70 Prozent der Kinder und 90 Prozent der Mitarbeiter waren zum wiederholten Male da, und am ersten Tag des Camps war es, als ob wir da weitermachen konnten, wo wir ein Jahr zuvor aufgehört hatten. Innerhalb eines Jahres hat sich bei manchen Kindern und Jugendlich schon äußerlich viel verändert – sie sind größer, haben plötzlich Haare im Gesicht oder keine Zahnspange mehr – aber wir sehen auch die Veränderungen, die der Konflikt in der israelischen und palästinensischen Gesellschaft hinterlassen hat. Der Krieg in Gaza ist ein Jahr her, und die meisten Kinder und Mitarbeiter erzählten sich gegenseitig, wie sie bei Alarm in die Schutzräume geflohen waren. Die Angst ist abgeebbt, und die seelischen Wunden beginnen zu heilen, aber wir wissen auch, dass wir die Glücklichen sind, die den Krieg heil überstanden haben. Solche Gedanken sind auch immer da, wenn wir jetzt wiederkommen und uns darauf freuen, alte Freunde wiederzusehen und neue Freunde zu gewinnen. Von den vielen Geschichten, die ich erzählen könnte, möchte ich Ihnen zwei Dinge weitergeben, die ein Licht auf den Konflikt und unsere Versöhnungsbotschaft werfen. In einer Pause kam Rami, eines der palästinensischen Kinder, zu mir und sagte, dass Yosef, sein palästinensischer Freund, ihn einen Verräter genannt habe, weil er mit Josh, einem israelischen Mitarbeiter, gespielt hatte. Als er mir von diesem Vorfall erzählte, war er den Tränen nahe. Yosef hatte ihn so verletzt, dass er zu mir – der Campleiterin – kommen musste, um sich zu beklagen. Es dauerte nicht lange, diesen Vorfall zu klären, und bald dar- auf zogen beide, Yosef und Rami, ab, um mit Josh zu spielen. Als Verräter bezeichnet zu werden, ist für Palästinenser ein schwerer Vorwurf. Ich vermute, dass der Vorwurf Yosefs auch mit dem BDS movement zu tun hat. BDS steht für „Boycott – Divestment – Sactions“ und ist eine internationale politische Kampagne gegen Israel, die in der palästinensischen Gesellschaft sehr prominent ist. Für einen durchschnittlichen Palästinenser ist jedes Treffen mit einem Israeli eine „Normalisierung“ und damit gleichbedeutend mit einer Unterstützung des Status quo, der Besetzung. Mir ist in diesem Moment zum ersten Mal der Vorwurf begegnet, dass es Verrat ist, sich mit einem Israeli zu treffen. Daran wird deutlich, wie nachdrücklich die palästinensische Gesellschaft ihre Leute davon abhalten will, mit Israelis Kontakte zu pflegen. Diese Botschaft hat Yosef wie ein Schwamm in seiner Gesellschaft aufgesogen. Gleichzeitig ist es interessant, dass beide, Rami und Yosef, am Camp teilnehmen wollten – ungeachtet des Drucks, den ihre Gesellschaft aufbaut – in dem Wissen, dass auch Israelis am Camp teilnehmen. Keiner von beiden sah das als „Normalisierung“ bis zu dem Moment, als Rami mit Josh zu spielen begann und eine Beziehung aufbaute. Yosef war eifersüchtig, und so warf er ihm Verrat vor. Der zweite Zwischenfall ereignete sich in einer der Hütten. Bei der Zimmerverteilung lassen wir immer ein paar Freunde oder Verwandte zusammen, damit sie sich wohl fühlen im Camp. Dann mischen wir diese Gruppen mit Kindern einer anderen nationalen oder ethnischen Gruppe und sie haben israelische und palästinensische Mitarbeiter bei sich. Da sich viele Kinder ja schon kennen, kommen sie auch in Cliquen ins Camp. Eines Tages hatte Matty seine Schwimmbrille verloren. Sein Freund und er gingen zu ihrem verantwortlichen Mitarbeiter und sagten: „Die haben sie weggenommen.“ Der Mitarbeiter wusste natürlich, dass sie damit die palästinensischen Kinder im Raum meinten, aber er fragte zurück: „Wer sind die? ,Die‘ haben wir hier nicht.“ Matty und sein Freund kapierten, dass sie hier gerade die Palästinenser zur Außenseitergruppe gemacht hatten, und Matty korrigierte seine Frage: „Nicht die, aber irgendjemand in diesem Zimmer hat sie vielleicht genom- – ein Schwamm men?“ Matty hat die Lektion gelernt: Wir dürfen nicht einfach verallgemeinern. Das führt zu Stereotypen. Und außerdem sind wir im Camp nicht „die“ und „wir“, wir sind eine Gruppe, Gläubige, die Gemeinschaft suchen. „Ich war jetzt sieben Jahre hintereinander im Sommercamp. Ich habe auch an anderen Sachen bei Musalaha teilgenommen, aber das Sommercamp ist mein Favorit. Ich komme ins Camp, weil ich hier Freunde kennen lerne, mich sicher und geliebt fühle, ich bin zuversichtlich und glücklich hier.“ (Palästinensischer Mitarbeiter) Kinder sind wie ein Schwamm – sie nehmen auf, was sie in der Gesellschaft sehen und hören. Ein Schwamm kann nicht unterscheiden, ob er sauberes oder schmutziges Wasser aufsaugt; ebenso wenig können Kinder unterscheiden, ob sie positive oder negative Botschaften aufnehmen. Die anderen im Camp kennen zu lernen, hilft ihnen, diese Botschaften zu erkennen. Bei Musalaha wollen wir den Botschaften von Argwohn, Abgrenzung, Bigotterie und Rassismus etwas anderes entgegensetzen, und zwar Freundschaft, Liebe und Einheit. „Dieses Mal habe ich meine Kamera mitgebracht und mache Bilder, mit denen ich dann meinen Freunden zeigen kann, dass Israelis und Palästinenser zusammen leben können und dass das eine vernünftige Lösung für unsere Probleme ist! Musalaha ist für mich wie ein Haus mit Brüdern und Schwestern, die denselben Vater, aber verschiedene Mütter haben. Wir sind verschieden und haben einen unterschiedlichen Hintergrund, aber trotzdem lieben wir uns.“ (Israelischer Mitarbeiter) musalaha camp Am Ende der Campzeit hatten Rami, Yosef und Josh eine feste Freundschaft aufgebaut und spielten Fußball und Wasserball zusammen. Matty und sein israelischer Freund schlossen Freundschaft mit palästinensischen Christen (seine Brille hat Matty übrigens wiedergefunden). Die Freundschaften, die die Kinder und auch die Mitarbeiter hier schließen, werden nicht so schnell wieder vergessen. Wir beten, dass diese Freundschaften in der Zukunft ein Fixpunkt für Hoffnung und Frieden werden. Und in der nahen Zukunft werden sie weiterwachsen: im Camp im nächsten Sommer. Von Shadia Qubti, Leiterin der Musalaha Jugendarbeit „Wenn ich ins Camp komme, vergesse ich all die Dinge, die uns unterscheiden und voneinander trennen, und wir werden eine große Familie.“ (Israelischer Mitarbeiter) „Mir ist das Musalaha Camp wichtig, weil ich selbst Teil der Veränderung sein will, die ich mir für mein Land und die Welt wünsche. Musalaha gibt mir die Möglichkeit dazu. Als Christen sollten wir uns um die Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern bemühen, denn das hat Jesus uns gelehrt.“ (Palästinensischer Mitarbeiter) Im Schwarzwald: Musalaha Familien konferenz für junge Leiter Mit je sechs israelischen und palästinensischen Familien sind wir im Juli nach Deutschland geflogen. Viele der Teilnehmer stehen selber im Dienst unter Muslimen, Juden und für Gemeinden in Israel und Palästina. Von einer christlichen Gemeinschaft in einem kleinen Schwarzwalddorf wurden wir sehr herzlich aufgenommen. Durch unsere Gruppe wurde der demographische Querschnitt drastisch verändert: Die Anzahl der Kinder stieg mit unseren Kindern von 30 auf 54; sie liefen überall herum und erkundeten das Dorf und den nahen Wald. In dieser Woche hatten wir sechs thematische Einheiten, dazu Diskussionen über verschiedene Inhalte wie die biblischen Prinzipien der Versöhnung, Konflikt, Vergebung, Elternsein u.a. Eine palästinensische Frau sagte: „Die Kleingruppen haben mir geholfen, der anderen Seite zuzuhören und von ihnen zu lernen. Sie gaben mir auch die Möglichkeit, mich selbst zu Gehör zu bringen.“ Ein Israeli: „Es hat mich ganz schön herausgefordert, dass im Evangelium meine Beziehung zu anderen ein Spiegel meiner Beziehung zu Gott ist. Ich habe gemerkt, dass ich mich aktiv für das Gute einsetzen muss, denn das Stillschweigen angesichts von Ungerechtigkeit ist ein Teil des Problems.“ Die Kinder hatten ein wunderbares eigenes Programm, das die Mitarbeiter des Gästehauses und ihre Teenager gestaltet haben. Jeden Tag kamen die Kinder zurück mit Liedern und Gebasteltem – glücklich und bereichert durch ihre gemeinsame Zeit. Eine israelisch-palästinensische Mutter sagte: „Ich finde es toll, dass die Kinder zusammen so viel Spaß haben, auch wenn sie die Sprache der anderen gar nicht verstehen.“ Neben all dem Programm blieb auch noch Zeit, die Gegend zu erkunden. An einem 12 Grad kalten Tag sind wir gewandert, über alte umgestürzte Bäume geklettert und haben immer wieder die Aussicht genossen. Musalaha Öffentlichkeitsarbeit Musalaha Schweiz Musalaha, c/o amzi, Postfach 1232, CH-4153 Reinach BL 1 Tel. 0041 (0)61 712 11-38, Fax -34 E-Mail: [email protected] Postfinance: Kto-Nr. 40-33695-4, IBAN: CH13 0900 0000 4003 3695 4, BIC: POFICHBEXXX (mit Vermerk «Musalaha») Deutschland Musalaha, c/o amzi, Hauinger Straße 6, D-79541 Lörrach Sparkasse Lörrach-Rheinfelden: IBAN: DE 19 6835 0048 0001 7167 37, BIC: SKLODE66XXX Salim Munayer P.O. Box 52110, IL-91521 Jerusalem Tel. 00972 2 672 0376 E-Mail: musalaha @ netvision.net.il Internet: www.musalaha.org Wir freuen uns schon auf die zweite Konferenz!“ Über die langen Reisetage zu Beginn und am Ende der Woche sagte uns ein Teilnehmer: „Die Hin- und die Rückreise fühlten sich völlig verschieden an. Auf dem Hinweg waren wir alle noch angespannt, wie es werden würde. Manche von uns waren zusammen unterwegs, kannten sich aber noch gar nicht. Aber auf dem Rückweg war ganz viel Liebe, Wohlfühlen und tiefe neue Freundschaften. Und es gab so viel zu reden!“ Wir danken dem Philippusdienst, der AMZI, Eckhard Maier vom EDI und dem Gästehaus des Wörnersberger Anker ganz herzlich, dass sie dies möglich gemacht haben! Ein israelischer Teilnehmer sagte uns später: „Was wir hier gelernt haben, gilt nicht nur für den Nahostkonflikt. Das gilt genauso in der Familie, einer Firma, einer Gemeinde etc.“ Und ein israelischpalästinensischer Teilnehmer sagte: „Wir haben gelernt, in unserem Herzen die Liebe auch für die zu bewahren, die anders sind als wir – wie Jesus uns gelehrt hat.
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