Sonderseite Rhein-Neckar-Zeitung 6.7.2015

SPORT
Nr. 152 / Rhein-Neckar-Zeitung
Montag, 6. Juli 2015
21
RUND UM DEN ROLLIMARATHON
Das fliegende Auge
Der Hexacopter – oder einfach nur eine Flugdrohne – war der Hingucker.
Erstmals sorgten zwei Hobbypiloten
mithilfe von Kameras, die an die Fluggeräte angeschlossen waren, für spektakuläre Übertragungen des Rennens
aus der Luft.
Schon immer dabei
Der Ladenburger Dominik Blessing
startete erstmals 1997 in Heidelberg
beim Mobifantencup. Ein paar Jahre
fuhr er den Halbmarathon, diesmal
konnte er sich zum allerersten Mal mit
den ganz erfahrenen Athleten messen.
Starten musste er außer Konkurrenz
von ganz hinten, denn mit seinem
Kniebike kann er den Oberkörper gekonnt einsetzen. Ein gravierender
Vorteil gegenüber Liegebikern.
Schüler sichern die Strecke
Über 200 Streckenposten waren im
gesamten Neckartal verteilt. Allein das
Raphael-Gymnasium stellte mit ihrem Abschlussjahrgang 50 Helfer neuer Rekord.
Alles gegen die Hitze
Um die Sportler und Zuschauer abzukühlen wurde alles Mögliche versucht: Unzählige Wasserkanister
wurden aufgebaut, Sprühschläuche
verlegt und Spritzflaschen verteilt.
Gleich drei Sponsoren sorgten für
ausreichend Trinkwasser – und auch
die Zuschauer auf der Haupttribüne
freuten sich über jede Abkühlung mit
dem Gartenschlauch
Bedankt sich für die tolle Unterstützung: Weltrekordlerin Christiane Reppe unterbot die alte Bestmarke um fast vier Minuten (o.l.). Das Feld schoss mit bis zu 65 km/h über die Strecke und Joachim Schermuly, 1. Vorsitzender des Heidelberger Rollstuhlmarathons freute sich über eine gelungene Veranstaltung (u.r.). Fotos: vaf
Neuer Weltrekord bei den Frauen
Alle zusammen
10141 Kilometer wurden beim 13.Internationalen
Rollstuhlmarathon
Heidelberg von Erwachsenen, Jugendlichen, Kindern und Prominenten insgesamt zurückgelegt.
Es sagte …
„So eine Hitze hatten wir noch nie.
Trotzdem ist es besser als Regen“ (Joachim Schermuly - 1. Vorsitzender
Heidelberger Rollstuhlmarathon).
Ergebnisse
Rollstuhlmarathon (42,195 km), Männer: 1. Torsten
Purschke (adViva Handbike Team) 00:59:37:15Minuten; 2. Arkadiusz Skrzypinski (Team Sopur)
00:59:37.35; 3. David Franek (Stade Francais Handbike Team) 00:59:37:65.
Rollstuhlmarathon, Frauen: 1. Christiane Reppe (Team
Sopur) 1:00:26:00 Stunden, 2. Tracey Ferguson (Konz)
1:28:46:40, 3. Petra Weingut (Team Rehability)
1:46:16:65.
Maxi Marathon (44 km), Männer: 1. Torsten Purschke
(adViva Handbike Team) 1:02:50:00 Stunden; 2. Arkadiusz Skrzypinski (Team Sopur) 1:02:50:30; 3. David Franek (Stade Francais Handbike Team) 1:02:51:15.
Maxi Marathon, Frauen: 1. Christiane Reppe Team Sopur 1:03:57:50 Stunden, 2. Tracey Ferguson Konz
1:34:15:40,3. Petra Weingut Team Rehability 1:52:31:55.
Inliner, Herren: Dirk Hupe 00:42:15:25 Minuten; 2. Michael Seibel 00:42:15:30; 3. Wjatscheslaw Solomon
00:42:16:05.
Inliner, Frauen: 1. Katharina Rumpus 00:22:54:80, 2.
Yvonne Wankerl 00:25:32:40, 3. Elena Wolff
00:26:02:10.
Mobifantencup, Anklemmbike: 1. Sandro Hemmann
05.55.60 Minuten, 2. Henry Pierer 07.51.00, 3. James
Sarreither 07.56.15.
tip
Beim Heidelberger Rollstuhlmarathon bleibt Christiane Reppe aus Dresden fast unter einer Stunde – Purchke-Sieg bei den Männern
Von Christoph Ziemer
Heidelberg. Manchmal gibt es Tage, die
man am liebsten aus dem Kalender streichen würde. An den vergangenen Freitag
erinnert sich Vico Merklein jedenfalls nur
äußerst ungern. Tagelang hatte der amtierende Vize-Weltmeister vom Malscher
Team Sopur an seinem Handbike herum
geschraubt, teilweise sogar bis tief in die
Nacht. Seinen eigenen Weltrekord in
Heidelberg noch einmal unterbieten, das
war das Ziel. In Top-Form habe er sich
befunden, sagt Merklein – aber eben nur
bis Freitag. Bei der Hinfahrt zur Teamsitzung begannen die Probleme. „Ich habe gedacht, was ist denn jetzt los?“, berichtet der 37-Jährige. „Es hat sich angefühlt, als ob ich gleich dehydriere.“ Ein
Magen-Darm-Virus war im Anmarsch,
die Mission Weltrekord musste vorsichtshalber abgeblasen werden. Aber
eben nur teilweise. Christiane Reppe zum
Frauen-Weltrekord verhelfen, so lautete
die neue Aufgabe, die Sopur seinen Fahrern als Marschroute für Heidelberg vorgab. Und sie gelang.
Die Straßen-Weltmeisterin verbesserte den alten Weltrekord von 1:04 Stun-
Sandro verteidigt
seinen Titel
phalt. Ernsthafte Probleme gab es trotz
Rekordtemperaturen keine.
International ging es zu im Mekka des
Rollstuhl-Sports. Nicht nur aus Frankreich reisten die Ausdauersportler an,
auch Kanadier, Japaner und Australier
waren dabei. Drei Fußball-Damen aus
Hoffenheims Bundesliga-Team wollten
sich den Rollstuhlmarathon ebenfalls
nicht entgehen lassen und fuhren mit –
wenn auch nur über die halbe Distanz.
Drei Wochen hatten die Kickerinnen im
Vorfeld trainiert – zweimal pro Woche,
nie mehr als zehn Kilometer. „Das geht
schon richtig in die Arme“; stellte Mittelfeld-Spielerin Anne Fyhmer fest, die
sich auch nicht daran störte, von den TopLeuten überrundet zu werden: „Es ist faszinierend, zu sehen, wie schnell die fahren können. Wir haben jedenfalls Gas gegeben und gedacht, dass wir noch länger
brauchen.“ Emily Evels hatte vor allem
hinter Neckargemünd Schwierigkeiten:
„Bergauf war es schlimm, der Rest ging
aber“, fand die 18-Jährige.
Zufrieden waren sie am Ende alle.
Auch Vico Merklein. Ins Höhen-Trainingslager in die Schweiz wolle er nun
aber nicht mehr reisen.
Olympia immer im Hinterkopf
Sieger Torsten Purschke ist in der Form seines Lebens und will unbedingt nach Rio
Der Zwölfjährige kommt als
erster Anklemmbiker ins Ziel
Von Christoph Ziemer
Heidelberg. Er hat es geschafft. In Heidelberg gewann Torsten Purschke aus
Waibstadt mit seinem Adviva-Team zum
ersten Mal überhaupt sein Heimrennen.
Im Gespräch mit der RNZ verrät der 49Jährige, wie er trotz tropischer Temperaturen kühlen Kopf bewahrte.
Von Tillmann Bauer
Heidelberg. Kurz nach der Ziellinie nennt
sich der zwölfjährige Sandro stolz „Titelverteidiger“. Das kann er auch tun,
denn beim „Mobifantencup“ des 13. Internationalen Rollstuhlmarathons ließ er
nur einen Konkurrenten an sich vorbei
ziehen. Da dieser aber in einem Liegebike startete und Sandro, wie die meisten anderen Kindern, mit dem Anklemmbike, gewann er seine Klasse - genau wie vor zwei Jahren, als er das gesamte Jugendfeld hinter sich ließ.
Doch auch 2011 war nicht sein erstes
Rennen: Bereits 2009 ging Sandro beim
Kinder- und Jugendrennen an den Start
und landete bei seiner Premiere schon auf
den ersten Rängen. „Damals bin ich noch
mit einem ausgeliehenen Anklemmbike
gefahren“, erzählt der glückliche Sieger.
Das hat er von der Stephen-HawkingSchule bekommen. Dort trainiert sandro
jeden Donnerstag regelmäßig zusammen
mit anderen Kindern im Rollstuhl in einer Übungsgruppe.
Das harte Arbeiten hat sich gelohnt:
Auch wenn Sandro immer der schnellste
sein möchte - für ihn steht natürlich auch
der Spaß im Vordergrund: „Sonst würde
ich das ja alles gar nicht machen.“ Und
was sagt Sandro zu der Hitze? Bereits 2011
sei es schon warm gewesen, erinnert er
sich. „Es ist wirklich anstrengend“, sagte er, „aber es sind zum Glück ja nur zwei
Kilometer.“
Und die absolvierte Sandro mit Bravour. Auch Mama und Papa, die ihren
Sohn anfeuerten und im Ziel empfingen
waren stolz: „Natürlich freuen wir uns
den nicht nur, sie pulverisierte ihn in Hei- gleich 23 Fahrer konnten sich an der Spitdelberg nahezu. Fast vier Minuten ze halten. Die Vorentscheidung fiel nach
schneller war die 27-jährige Dresdnerin, der Friedensbrücke in Neckargemünd.
und das bei einem Schnitt von fast 41 km/h Torsten Purschke setzte nur wenige Kipro Stunde. „Das war richtig hart heute, lometer von seiner Heimatstadt Waibfür alle“, befand die Sopur-Fahrerin, die stadt entfernt zu einem Sprint an, den
beim Start unter der Brücke noch an viele nicht mehr mitgehen konnten. Bis
halbwegs erträgliche Temperaturen ge- auf Sopur. Führungsarbeit wollte das
glaubt hatte: „Ich habe geTeam aus Malsch allerdings
dacht, ich sterbe. Nach der
nicht leisten, das musste der
Hälfte war es nicht mehr
Lokalmatador bei Saharalustig. Aber es war eine fanalleine übernehmen –
„Hoffes“-Frauen Hitze
tastische Team-Leistung.
und das über mehrere Kifuhren mit
Ich danke Vico, dass er seilometer. Der 49-Jährige
nen möglichen Weltrekord
hatte im Ziel trotzdem noch
für meinen Sieg geopfert
so viele Reserven, dass er den
hat.“ Immer wieder führte Merklein sei- Schluss-Sprint souverän für sich entne Teamkollegin an das Hauptfeld he- scheiden konnte.
ran, wenn der Kontakt zur SpitzenDie Hitze war diesmal das große Thegruppe abzureißen drohte – der Mann aus ma an der Strecke. Die Zuschauer funkdem südhessischen Babenhausen ließ sich tionierten die Klatschpappen des Hauptdafür sogar zurückfallen. Warum das sponsors kurzerhand zu Fächern um,
klappte, weiß Merklein genau: „Das Feld Fahrer und Fans erhielten an den Teamhat sich anfangs nur auf mich konzent- ständen im Start-Ziel-Bereich auf
riert, so konnte ich Christine mit ihrer Wunsch eine kleine Wasser-Dusche aus
Wattzahl wieder heranführen. Ich weiß ja, der Spray-Dose. Einige Fahrer gaben
was sie kann.“
nach der Hälfte der Distanz auf und rollDas Hauptfeld war nach der Hälfte der ten an die Seite – zu kräfteraubend war
Renndistanz noch dicht beisammen, die Rekordjagd auf dem Heidelberger As-
Auf geht’s: Die Teilnehmer beim „Mobifantencup“ beim Start. Foto: vaf
wenn unser Sohn gewinnt, aber am Ende
zählt nur, dass er am Sport Spaß hat.“
Letztendlich hatte er seinen Spaß. Und
zufrieden war er auch, denn seinen Titel
hatte er verteidigt.
Wie ein echter Profi hat er schon ein
neues Ziel fest im Blick: 2017 ist Sandro
14 Jahre alt. „Für das nächste Mal ist der
Halbmarathon über 22 Kilometer geplant“, freut er sich schon. Dafür wird er
wohl auf ein Liegebike umsteigen und sich
von seinem geliebten Anklemmbike trennen müssen. Doch auch darauf freut er
sich: „Dann bin ich noch schneller und
kann zeigen was ich drauf habe.“
Noch schneller, das ist – wenn man
Sandro zuschaut – nur schwer vorstellbar. Durchaus gut vorstellen kann man
sich Sandro aber als lächelnden Triumphator mit Medaille, Pokal und Siegerlächeln. Und dann darf er sich in zwei
Jahren vielleicht schon wieder „Titelverteidiger“ nennen.
zum ersten Mal gemerkt, dass heute der
Sieg möglich ist?
In der zweiten Rennhälfte in Neckargemünd. Auf dem Weg nach Ziegelhausen
geht es leicht bergauf, normalerweise tue
ich mich auf dieser Passage immer schwer.
Ich habe trotzdem Gas gegeben und dann
gemerkt, dass das Verfolgerfeld nicht
mehr mitgehen konnte. Am Ende waren
wir zu dritt, zwei Sopur-Leute und ich.
Wenn wir zusammengearbeitet hätten,
wäre vielleicht sogar der Weltrekord
drinnen gewesen. Aber dann hätte vielleicht ich den Rekord geholt, und das
wollten die Sopur-Leute natürlich nicht.
Also musste ich über fast fünf Kilometer
die Führungsarbeit alleine machen.
siker, Berlin und Heidelberg. Beide habe
ich jetzt gewonnen. Heidelberg hat einfach sehr viel Prestige, bei keinem Rennen sind so viele Top-Leute am Start. 2007
habe ich hier auch den Weltrekord aufgestellt, der bis 2009 Bestand hatte. Ich
habe mich außerdem zum ersten Mal seit
zehn Jahren wieder für die WM qualifiziert. Es läuft derzeit einfach. Die WM ist
unheimlich wichtig für mich, ich habe Rio
immer im Hinterkopf. Ich war als Rollstuhl-Tennisspieler schon in Atlanta und
Sydney dabei, es war einfach ein unglaubliches Erlebnis. Das möchte ich unbedingt noch einmal erleben.
> Torsten Purschke, wie bereitet man sich
auf einen Rollstuhl-Marathon bei
Temperaturen vor, bei denen andere
nicht einmal aus dem Haus gehen?
Viel trinken. Der Körper speichert Flüssigkeit etwas ein, ich habe darum in den
letzten Tagen deutlich mehr getrunken.
> Was macht sie so stark?
Gestern sogar ein Bier. Aber, ganz ehrIch fahre jetzt schon so lange Handbike,
lich: So ein Rennen geht verdammt an die > Sie fahren Ihre erfolgreichste Saison … ich will mir nach meiner Karriere nicht
Substanz. Ich bin jetzt richtig geschafft. Das stimmt. Es gibt zwei absolute Klas- vorwerfen müssen, nicht alles getan zu
Allerdings war die
haben. Darum habe
Hitzeschlacht
vor
ich im letzten Herbst
drei Wochen noch
meine
Ernährung
schlimmer, als wir
komplett umgestellt
beim Weltcup im itaund habe seither zehn
lienischen Maniago
Kilo
abgenommen.
um 17 Uhr 35 Grad im
Auch Alkohol ist taSchatten
hatten.
bu. Ich trainiere mehr
Wenn man das hinter
als je zuvor, Olympia
sich hat, fühlen sich
ist immer das große
die
Temperaturen
Ziel, ist immer im
beim Start hier schon
Hinterkopf. Es geht
fast angenehm an. Am
jetzt auch direkt weiMittwoch habe ich
ter nach St. Moritz ins
noch hartes InterHöhen-Trainingslavall-Training
geger. Ich weiß nicht
macht, die letzten
einmal genau, mit
Tage angesichts der
welcher
WM-PlatTemperaturen meizierung ich mich für
nen Trainingsumfang
Olympia qualifizieaber stark reduziert.
ren würde. Das muss
Torsten Purschke hat durch eine Ernährungsumstellung zehn Kilogramm abgenommen der
Bundestrainer
> Wann haben Sie und ist in dieser Saison in Topform. Foto: vaf
entscheiden.