Die heilende Kraft der Vergebung

ARTIKEL NEWSLETTER JUNI 2015
DIE HEILENDE KRAFT DER
VERGEBUNG UND
VERSÖHNUNG
In einem Workshop mit Dr. Konrad
Stauss im Dezember 2014 im Sokrates
Gesundheitszentrum Bodensee wurde
die heilende Kraft der Vergebung
deutlich
gemacht.
Vergebung
beeinflusst die seelische Gesundheit und
die Lebenszufriedenheit positiv und
nachhaltig. Obwohl Vergebung ein
ursprünglich christlicher Begriff ist,
begannen in den letzten Jahrzehnten
Therapeuten und Wissenschaftler sich
intensiv mit dem Thema zu beschäftigen
und erkannten zugleich die heilende
Wirkung der Vergebung auf Körper,
Geist und Seele.
Dr. Stauss beschreibt diese Wirkung in
einem 7-schrittigen Prozess, in dem die
Spiritualität als Ressource genutzt
werden kann. Diese Erweiterung ist
einmalig,
intensiviert
den
therapeutischen Prozess und stärkt
dessen Nachhaltigkeit beträchtlich.
Vergebung und Versöhnung: Ein Interview mit Frau Dr. Berthold
Dr. Stauss beschreibt diese Wirkung in einem 7-schrittigen Prozess, in dem die Spiritualität als Ressource genutzt
werden kann. Diese Erweiterung ist einmalig, intensiviert den therapeutischen Prozess und stärkt dessen
Nachhaltigkeit beträchtlich.
Was ist eigentlich Vergebung?
Dr. Berthold: Vergebung ist laut Worthington die Umwandlung von negativen Gefühlen wie Groll, Wut und Hass, die
durch Verletzungen ausgelöst wurden, in positive Emotionen wie selbstlose Liebe, Empathie, Mitgefühl und sogar in
romantische Liebe.
Warum sollte man vergeben?
Dr. Berthold: Wenn man unverdiente Seelenverletzungen mit sich trägt, können diese die Seele, den Geist und den
Körper belasten und sich früher oder später in Krankheiten manifestieren. Vergebung führt dazu, dass reines
Lebenswasser statt verunreinigtes Wasser im Leben eines Menschen ungehindert fliessen kann. Jeder Mensch muss
lernen, die Verantwortung für sein Leben und seine Gesundheit zu tragen.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Vergebung und Heilung von seelischen Verletzungen?
Dr. Berthold: Es gibt mittlerweile wissenschaftlich fundierte Zusammenhänge zwischen Vergebung und Heilung von
seelischen Verletzungen. Die Ergebnisse der Vergebungsforschung zeigen, dass Vergebung eine Veränderung von
negativen in positive Gefühle bewirkt, was zu einer Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens führt.
Nichtvergebung geht mit einer erhöhten Ängstlichkeit und Feindseligkeit, verbunden mit einem erhöhten Risiko für
koronare Herzerkrankungen, einher. Menschen, die vergeben haben, leiden weniger an Depressionen, Angst- und
Wutgefühlen und haben einen niedrigeren diastolischen Blutdruck und geringere Kortisolwerte. Vergebung kann
chronische Rückenschmerzen lindern und vor Chronifizierung von Schmerzen schützen. Schliesslich korreliert
Vergebung mit mehr Zufriedenheit in Partnerschaften. Dies sind nur einige Ergebnisse der Studien, die die
Wirksamkeit der Vergebung belegen.
Kann jeder vergeben?
Dr. Berthold: Nicht jedem, der sich dafür entscheidet zu vergeben, gelingt es auch. Es braucht die Fähigkeit zur
Empathie und zum Perspektivenwechsel, um vergeben zu können. Narzissten beispielsweise sind zur Empathie nicht
fähig und können daher auch nicht vergeben. Darüber hinaus kann eigene Spiritualität religionsfrei als Ressource
benutzt werden, um den Vergebungsprozess zu vertiefen. Wer spirituell ist, bräuchte laut Dr. Stauss noch die
Fähigkeit zur Barmherzigkeit und ebenso das Bewusstsein, dass das Vergebenkönnen Gnade ist.
Gibt es mehrere Formen von Vergebung?
Dr. Berthold: Ja, die Selbstvergebung, die zwischenmenschliche Vergebung und die spirituelle Vergebung. Die
Selbstvergebung ist die Verzeihung eigener Fehler, Taten oder Gedanken, die gegen sich selbst gerichtet sind.
Menschen gehen gerne mit sich selbst ins Gericht und verurteilen sich manchmal für banale Sachen. „Ich hätte
damals anders handeln sollen. Ich kann es mir nie verzeihen.“ Die zwischenmenschliche Vergebung bezieht sich auf
die Vergebung der Fehler anderer. „Er hat mir alles genommen was mir lieb war.“ Hier kann sich das Nichtvergeben
in Hass und Groll gegenüber anderen verwandeln und schliesslich krank machen. Die spirituelle Vergebung heilt die
Beziehung zum Göttlichen, Übergeordneten, und zwar religionsunabhängig.
Wie wirkt sich das Nichtvergeben in unserem Leben aus?
Dr. Berthold: Ob das Nichtvergeben eigener Fehler oder Fehler der anderen - das Nichtvergeben vergiftet auf Dauer
unsere Seele. Die Energie wird ungesund gebunden und wir sind innerlich nicht frei. Die gestaute Energie macht
krank und lässt uns nicht unser ganzes Potential entfalten. Etwas lastet in der Tiefe permanent auf der Seele. Die
Energie, die eigentlich zur Selbstregulation und Selbstheilung benötigt wird, wird von solchen Prozessen verwendet
und ausgeschöpft.
Reicht die Entscheidung zu vergeben für die seelische Heilung aus?
Dr. Berthold: Nein, das reicht nicht. Es wurde sogar wissenschaftlich bewiesen, dass die rein kognitive Entscheidung,
zu vergeben, keinerlei Wirkung auf die seelische Gesundheit hat. Im Gegensatz hierzu wirkt sich der Prozess der
Vergebung stark positiv auf die seelische Gesundheit aus.
Wie könnte so ein Prozess der Vergebung aussehen?
Dr. Berthold: Den Prozess der Vergebung in ein paar Sätzen zu beschreiben, ist nicht ganz einfach. Dr. Stauss
beschreibt dazu 7 Schritte: Beschreibung der traumatischen Situation, Heilung der Ich-Beziehung, Heilung der DuBeziehung, Heilung der Beziehung zum Göttlichen, Universellen, Durchführung des Vergebungsrituals,
Aufrechterhaltung der Vergebung und Versöhnung. Mehr dazu kann man in seinem Buch lesen (siehe
Literaturhinweise).
Kann jeder für sich selbst vergeben oder braucht man einen Begleiter dafür?
Dr. Berthold: Ohne Anleitung kann es schwierig sein. Dr. Stauss beschreibt in seinem Buch die prozessorientierte
Vergebung in 7 Schritten. Ob Menschen nach diesem Schema vorgehen oder es alleine versuchen - wichtig ist zu
prüfen, wie es einem danach geht. Fühlt man sich danach befreit, erleichtert, mit sich selbst, der Situation und dem
Täter im Reinen, spricht dies dafür, dass die Vergebung erfolgreich war.
Wie oft sollen wir vergeben?
Dr. Berthold: Jesus wird in der Bibel dasselbe gefragt. Er sagt, nicht 7 mal, sondern 7 mal 77 mal. Bestenfalls sollten
wir eine vergebende Haltung entwickeln und immer sofort vergeben, wenn uns etwas zu Unrecht angetan wurde,
um die Last so schnell wie möglich aus der Seele zu schaffen. Und noch besser diese vergebende Haltung so
verinnerlichen, dass wir gar nicht mehr verletzt werden können.
Gibt es noch andere weitreichende Wirkungen von Vergebung?
Dr. Berthold: Muster, Glaubenssätze, Verhaltensweisen werden von Generation zu Generation stillschweigend
weiter gegeben und durch Vorwürfe und Schuldzuweisung verfestigt. Vergebung schafft den Weg frei zu eigenen
Ressourcen, Glaubenssätzen und Lebenszielen. Erst durch Vergebung sind wir frei, unseren Lebensweg zu gehen und
zu gestalten.
Können Sie Literatur zum Thema Vergebung empfehlen?
Dr. Berthold:
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Dr. Stauss, „Die heilende Kraft der Vergebung“,
Colin C. Tipping, „Radikale Selbstvergebung. Liebe dich so wie du bist, egal, was passiert“,
Colin C. Tipping, „Ich vergebe: der radikale Abschied vom Opferdasein.“,
Colin C. Tipping, „Ich vergebe – das Praxisbuch: 25 praktische Anwendungen für radikale Vergebung“.
Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Berthold.