Auf der Suche nach Insekten - Landeszentrum Wald - Sachsen

Mitteldeutsche Zeitung - Auf der Suche nach Insekten
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Jessen - 03.02.2016
Forst bei Kropstädt
Auf der Suche nach Insekten
VON UTE OTTO
Die Forstleute suchen im Kiefernbestand am Boden nach
Schadinsekten. Das soll Aufschluss über den zu erwartenden
Schädlingsbefall geben.
KROPSTÄDT. Ein flaches Lammfellkissen gehört dieser Tage zu den
Arbeitsutensilien von Olaf Thiele, denn viele Stunden seiner
Arbeitszeit verbringt der Cobbelsdorfer Revierförster derzeit bei Wind
und Wetter im Wald auf den Knien bei der Bodensuche nach
Insekten. Unterstützt wird Thiele, der im Betreuungsforstamt
Olaf Thiele (rechts) legt eine Suchfläche
unter einer Baumkrone frei. Links
Betreuungsforstamtsleiter Frank
Ackermann. Der Zahnaer Revierförster Tilo
Arnold schaut, wie die Bodensuche in
seinem Revier läuft. (BILD: UTE OTTO)
Annaburg für das Projekt verantwortlich ist, von Waldarbeitern.
Ordentlicher Frost wird gebraucht
Am Dienstag untersuchen er und Mathias Dietrich eine Modellfläche
im Forst bei Kropstädt. „Wir haben 100 davon in unserem
Zuständigkeitsbereich“, erklärt der Leiter des Betreuungsforstamtes
Frank Ackermann. Die Winterbodensuche soll Aufschluss darüber geben, mit welchem Schädlingsbefall über
das Jahr zu rechnen ist. Bei Frost lassen sich die Insekten von den Baumkronen zu Boden fallen und graben
sich ein, um dort weiter zu überwintern. „Haben wir keinen Frost, hat uns die Natur ein Schnippchen geschlagen
und wir müssen mit anderen Methoden wie Leimringen arbeiten“, so Ackermann. In diesem Winter aber haben
die Minusgrade gereicht.
Nach einem vorgegebenen Schema wählt Thiele auf der festgelegten Fläche zehn Bäume in bestimmten
Abständen aus und markiert sie zunächst mit gelben Bändern. Ein Streifen bedeutet, eine Suchfläche von einem
viertel Quadratmeter wird am Fuß des Stammes angelegt. Zwei Streifen stehen für ein Rechteck von einem
halben Quadratmeter im Bereich der Baumkrone. Besonders wo Wildschweine gewühlt haben, lohne es sich,
nachzuschauen. „Sie haben eine sehr feine Nase und wissen, wo sich Insekten aufhalten“, so Thiele.
Dann machen sich die Forstleute ans Werk: Mit dem Handrechen heben sie von der Versuchsfläche die obere
Schicht ab - im Idealfall Moos. Schütteln sie vorsichtig, durchkämmen sorgsam mit den Fingern die Haarwurzeln
an der Unterseite und nehmen dann strichweise das freigelegte Stück des Walbodens ins Visier. Es erinnert
etwas an Bernsteinsuche im Seetang an der Ostsee.
Glänzend braun sind meist auch die Funde, die die Forstleute machen: Kokons, in denen sich Raupen verpuppt
haben. Die größten, etwa drei Zentimeter lang, sind die des Kiefernschwärmers - ein Nachtfalter. „Der ist
harmlos“, sagt Thiele. Die Aufmerksamkeit gilt den kleineren Puppen und Larven von Forleule, Nonne und
Kiefernspinner - allesamt gefürchtete Schädlinge im Kiefernbestand, weil sie sich massenhaft vermehren und
Bäume kahl fressen. Die sind dann nicht mehr zu retten. „Der Kiefernspinner ist der Schlimmste“, sagt
Ackermann. Er kann Bäume reihenweise zum Absterben bringen - größere Aufkommen und damit Schäden hat
es Anfang der 1990er Jahre und 2002 gegeben.
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Mit Bechern zur VersuchsstelleFür jede Versuchsstelle führen die Forstleute Becher mit sich, dort
kommt grundsätzlich alles hinein, was gefunden wird, ob Schädling
oder ihre Gegenspieler, die Nützlinge. Diese werden dann zur Auswertung in die Nordwestdeutsche Forstliche
Versuchsanstalt Göttingen geschickt - den Erhebungsbögen nach, die aus dem Forstamt Annaburg elektronisch
übermittelt werden.
Zeitweise sind die Bodenproben ausgestochen und in einer Halle des Bereuungsforstamtes untersucht worden.
„Der Transportaufwand ist zu groß“, erklärt der Forstamtsleiter, warum wieder zur Vor-Ort-Methode
zurückgegangen wurde, mit der es doch auch schneller gehe.
Ohne Eigentümer geht es nicht
Preußen war vor gut einhundert Jahren Vorreiter bei der Winterbodensuche. 1937 wurde sie verbindlich in
Deutschland eingeführt. Heute arbeiten viele Bundesländer, so auch Sachsen-Anhalt, schon viele Jahre mit dem
Göttinger Institut zusammen, das mit der Auswertung Handlungsempfehlungen gibt. Aber die Förster vor Ort
sind auch schon gewarnt, sobald die Anzahl bestimmter Puppen einen Schwellenwert überschreitet.
Werden Gegenmaßnahmen erforderlich, müssen natürlich die Waldbesitzer mit ins Boot, „ohne Eigentümer geht
es überhaupt nicht“, sagt Ackermann.
Mit Leimringen wird verhindert, dass Raupen zur Krone aufsteigen. Pheromonfallen fangen die männlichen
Falter, so dass die Vermehrung gestoppt wird. Auch gezielter Holzeinschlag, also das Fällen befallener Bäume,
könne wirksam sein. „Das letzte Mittel ist die chemische Keule“, so Ackermann, wohl wissend dass
Naturschützer das gänzlich ablehnen. Im vergangene Jahr haben Nonne und Kiefernspinner 200 Hektar Wald in
der Altmark zerstört, dem wurde erst durch den Hubschraubereinsatz mit Schädlingsbekämpfungsmitteln Einhalt
geboten. Bedroht waren 2 600 Hektar Kiefernwald.
„Eine saubere Waldwirtschaft“, sagt Ackermann, damit könne man schon einigem vorbeugen. Dazu gehöre zum
Beispiel auch, geschlagenes Holz bald wegzuräumen. Aus den Schnittstellen tritt Harz aus, ein Lockstoff für
viele Schädlinge, die sich in den Stapeln ungehindert vermehren. Die Winterbodensuche sei zwar eine
Mammutarbeit, so der Chef des Annaburger Forstamtes, „aber wenn wir erst Schädlingsbefall haben, ist das
richtiger Stress“. (mz)
Kontrolle bis Herbst
Die Winterbodensuche steht von Dezember bis Mitte Februar im Forstschutzkalender. Bei hundert Flächen
im Zuständigkeitsbereich des Betreuungsforstamtes Annaburg, der im Grunde nördlich der B187 von Jessen
bis Cobbelsdorf reicht, werden exakt 1.000 kleine Suchfelder unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse
sollen Ende Februar vorliegen. Auf Fraßschäden und Falterflug wird in den Wäldern spätestens ab Mai
regelmäßig kontrolliert.
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