Absurditäten des Alltags 21.04.2016 21:54 Uhr Ingolstadt (DK) Nein, einfach eine "Lesung" konnte das schon aus ganz simplen Gründen nicht werden: Gedruckter Text und gesprochene Sprache sind nicht kompatibel, das Buch ist auf Hochdeutsch verfasst, während der Sprecher das Bayerische pflegt: So geriet der Auftakt der 23. Ingolstädter Literaturtage mit Georg Ringsgwandl eher zu einem Erzähl-Event - und ganz nebenbei auch zu einem intimen Club-Konzert, da der 1948 in Bad Reichenhall geborene Kabarettist, Liedermacher und Erzähler zwischen seinen vier vorgetragenen Lesestücken mit Gitarre und am Klavier auch mehrere Songs zum Besten gab. "Hilfreiche Geschichten" hat Georg Ringsgwandl sein Buch "Das Leben und Schlimmeres" untertitelt. Im Altstadttheater gab's zu diesem schrägen Ratgeber auch Musik. - Foto: Schaffer Eigentlich ging es ja auch gar nicht darum, ein neues Buch zu promoten, wozu Lesungen bei Literaturtagen sonst gern genutzt werden: Die rund 30 "hilfreichen Geschichten", die der Band "Das Leben und Schlimmeres" enthält, erschienen immerhin schon 2011 in Buchform. Und obwohl es aufgeschlagen vor ihm liegt, liest Ringsgwandl keine einzige Zeile aus dem Buch vor, sondern erzählt seine Geschichten "frei von der Leber weg", wie man den Vortrag des promovierten Ex-Kardiologen wohl nicht ganz falsch charakterisiert - so, wie er das bereits tat, bevor sein Buch erschien: Die Geschichte von den "Flughunden" gab Ringsgwandl hier in der Region etwa bereits im August 2011 bei den Nassenfelser Kabaretttagen zum Besten: Darin geht es um "arme Hunderl" aus Kasachstan, Steppen-Mischlinge, die von der Stiftung einer gealterten Schauspielerin ("so eine bekannte Serien-Schabracke") per Flug nach Deutschland gebracht wurden: "In eine Tupolew passen etwa 50 Hunde", die an Fallschirmen abgeworfen werden und adoptiert werden können - ein Schritt, den auch die Gattin des Ich-Erzählers unternimmt. Doch plagt just immer dann der Durchfall das Tier, wenn es die Diele betritt - eine Ausgangslage, welche die Geschichte in immer skurrilere Konsequenzen hineinschraubt. Die rund 120 Besucher (wobei viele keinen Einlass mehr fanden und vergeblich im Treppenhaus nach nicht abgeholten Karten Schlange standen) erlebten somit eher einen Kabarettabend denn eine Lesung. Höchstens drei Sätze kann Ringsgwandl formulieren - und oft braucht er die nicht einmal zu Ende zu sprechen, weil sich die Pointe leicht erschließt -, bevor wieder eine Lachkaskade durch den Raum des Altstadttheaters jagt. Auch die weiteren Texte umfassen eine Bandbreite von abstrus und absurd bis hin zu bürgerlich und banal, sie sind skurril und balancieren zwischen grotesken und realen Plots. Erzählt wird vom neuen Nachbarn aus dem Norden, der in Murnau ein "Null-Energie-Haus" baut und bei der (hier wörtlich zu nehmenden) "House Warming Party" den Gästen Rohkost kredenzt, um deren unweigerliche Blähungen im Darmgas-Kollektor einfangen zu können ("Um Gottes willen, bloß nicht lüften!"). Bis ins Groteske steigert sich die eingangs gebotene Satire vom "Kampf-Hund", der dem Erzähler und seiner Frau beim Spaziergang im Moos begegnet und sich in der Hüfte festbeißt ("Der will bloß spielen", "Ja, aber © 2016 donaukurier.de | Alle rechte vorbehalten. Seite 1 von 2 wie lang"), bevor er brachialgewaltsam entfernt werden muss. Die Gesten sitzen, wenn Ringsgwandl erzählt: Immer schnellt der rechte Arm von oben nach unten und der Autor zischt ein lautes "Wusch!!" - sehr zum Ergötzen der johlenden Besucher, die sich sogar eine Zugabe am Klavier erklatschen. Von Walter Buckl © 2016 donaukurier.de | Alle rechte vorbehalten. Seite 2 von 2
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