Konrad Mautner 1880

Konrad Mautner
1880 - 1924
Konrad Mautner war das zweite der vier Kinder von Isidor und Jenny Mautner. Konrads
Vater Isidor stammte aus Nachod in Böhmen, wo dessen Vater Isaak einige Handweber
beschäftigte. Diese Erzeugnisse verkaufte er nicht nur in Böhmen, sondern auch nach
Deutschland. 1867 schickte Isaak den fünfzehnjährigen Isidor nach Wien. Dort sollte der
junge Mann Absatzmärte für die Mautner’schen Produkte erschließen. Ein Hausknecht
und ein vor einen Handwagen gespannter Hund waren die ersten Helfer. Im Wien der
Gründerzeit gelang Vater und Sohn Mautner innerhalb weniger Jahrzehnte ein
atemberaubender Aufstieg: Knapp vor dem ersten Weltkrieg leitete Isidor das größte
Textilunternehmen der österreichisch-ungarischen Monarchie. An die 23.000 Arbeiter
und Angestellte fanden in 42 Fabriken und Firmen ihr Brot. „Wie mein Vater in wenigen
Jahren sein großes internationales Imperium aufbaute, ist uns allen ein Rätsel
geblieben...“ erinnerte sich später Käthy Breuer, eine Tochter Isidors. Mitte der 1880er
Jahre reisten Isidor und Jenny das erste Mal zur Sommerfrische nach Gößl am Grundlsee
und quartierten sich beim „Veit“ einem Gößler Baueren und Gastwirt, ein. Sie brachten
nicht nur ihre vier Kinder Stephan, Conrad, Käthy und Marie, sondern auch das Personal
(Kammerdiener, Köchin, Kinder- und Stubenmädchen) mit. Außerdem reiste die
musikbegeisterte Jenny niemals ohne ihr Klavier. Da Haustüre und Stiegen Aufgang beim
„Veit“ zu eng waren, musste es mühsam über den Balkon in den ersten Stock gehievt
werden. Dieser Raum heißt heute noch „Klavierzimmer“, obwohl es schon lange kein
Klavier mehr gibt. Von da an kamen die Mautners jedes Jahr für viele Wochen nach
Grundlsee.
Die Brüder Stephan und Konrad sollten in Isidor Mautners Konzern arbeiten, aber
keiner der beiden hatte das Talent des Vaters für Industrie und Kommerz. Konrad, in
seiner Jugend oft kränkelnd, besuchte zwei Jahre lang das Schottengymnasium und
erhielt dann Privatunterricht. Nach einem Studienjahr in den USA trat er ohne
Begeisterung in den väterlichen Betrieb ein.
Die Eltern Mautner hatten ihren Kindern eine sorgfältige musische Ausbildung (Musik-,
Zeichen- und Malunterricht) zukommen lassen. Aquarelle, Zeichnungen und Gemälde
von Stephan und Marie fanden sogar ihren Weg in die Albertina und andere Museen,
einige ihrer Werke hängen noch beim „Veit“ in Gößl. „Ich habe alles, woran ich mich
erinnerte und was mir so sehr ans Herz gewachsen war, ausführlich niedergeschrieben.
„Bilder und Initialen dazu entstanden, die Weisen wurden zu Noten gebracht“, so
Konrad Mautner über die Sommer seiner Jugend in Gößl. Bei der Aufzeichnung der
Lieder und Musikstücke half ihm sein ehemaliger Musiklehrer Alexander Fimpel. Aus
den Aufzeichnungen entstanden zunächst zwei kleine, den Schwestern Käthy und Marie
gewidmete Bücher und 1910 dann das „Steyrische Raspelwerk“, eine der
außergewöhnlichsten Volksliedsammlungen deutscher Sprache. Nach dem
„Raspelwerk“ machte sich Konrad Mautner an ein zweites Buch. „Alte Lieder und Weisen
aus dem Steyermärkischen Salzkammergut“ sollte es heißen.
Wenige Jahre später hatte Stephan Mautner die Führung des Mautner Konzerns
übernommen. Nach einer Rezession in der Textilindustrie begann dieser zu wanken. Ein
Jahrzehnt später, nach dem Zusammenbruch der Neuen Wiener Bankgesellschaft, deren
Präsident Stephan geworden war, zerfiel er.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg beginnen Konrad Mautner und Viktor von
Geramb die Vorbereitungen für ein gemeinsames Werk: „Das Steirische Trachtenbuch“.
Die Arbeit geht nur mühsam voran. Sie wird durch ein Augenleiden Gerambs, finanzielle
Engpässe, und eine kaum zu überblickende Materialfülle beeinträchtigt.
„Nur in Gößl war er wirklich zuhause“ schrieb der steirische Volkskundler Viktor von
Geramb über Mautner. „Wenn er, Pfeife rauchend mit den Holzknechten am Herd bei der
alten Eggin sitzen durfte, schien er wunschlos glücklich zu sein. Mit jedem verband ihn
das trauliche „Du“. In Freud und Leid, in Spiel und Abenteuer, im Holzschlag und auf
dem See, in der Almhütte wie im Wirtshaus, lebte er unter ihnen und mit ihnen völlig als
ihresgleichen. Er sprach ihre Mundart, er trug ihre Tracht, er „jagerte“, fischte, fuhr
„Plättn“ und Holzschlitten, er sang, „jugitzte“, tanzte und „paschte“, liebte, rauchte und
arbeitete mit ihnen!“
Im Herbst 1923 klagt Mautner plötzlich über unerklärbare Schmerzen und bald
verschlimmert sich sein Zustand. Im Jänner 1924 unterzieht er sich noch voller
Zuversicht einer Operation, die aber sein Ende nur um Wochen hinausschieben sollte.
Am 15.Mai 1924, wenige Wochen nach seinem 44. Geburtstag, stirbt Konrad Mautner.
Anfang der dreißiger Jahre war das Erbe aufgezehrt. Seine Witwe, Anna Mautner, die
Konrads Leidenschaft immer verstanden hatte und ihm eine treue Gefährtin gewesen
war, musste sich nach einem Broterwerb umsehen. Sie musste ja sich und ihre vier
Kinder Matthias, Lorenz, Michael und Anna durchbringen. Zehn Jahre nach dem Tod
ihres Mannes begann sie mit zwei Handdruckern aus Wien in Grundlsee Stoffe zu
drucken.
Vielleicht hat der Schriftsteller Hans Weigel, der die Landschaft Aussees über alles liebte,
die Frage beantwortet, wie das Vermächtnis eines 1924 verstorbenen Wiener
Großbürgers aus jüdischem Hause all die von Haß und Irrsinn geprägten Jahre der
Nazizeit überdauern konnte.
„ Tracht ist nicht Ausdruck und Relikt der Blut und Boden Ära, sondern im Gegenteil, sie
ist ein Protest dagegen. Sie ist auch durchaus keine Uniform, sondern deren Gegenteil,
ein Ausdruck des extremen Individualismus. Nicht nur von Tal zu Tal, sondern auch von
Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf gibt es Unterschiede. Anderswo ist sie nicht immer und
unbedingt stilrein, ist modisch degeneriert, konfektioniert. Aber hier im Ausseerland
befinden wir uns in einer ihrer Hochburgen!“ Ein schlichter Stein am Weg von Gößl zum
Toplitzsee erinnert an Konrad Mautner, der für die Menschen des Ausseerlands mehr
getan hat als viele andere. Mautner erkannte schon um die Jahrhundertwende, dass die
Volkskultur im Ausseerland und damit die Identität der Menschen bedroht war und er
bemühte sich wie kein anderer, diese Kultur zu bewahren und ihren Wert auch den
Einheimischen zu vermitteln.