Award-Inflation: Die Buttons verlieren ihre

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Handel
Immer mehr Auszeichnungen schmälern den eigentlichen Wert
Award-Inflation: Die Buttons
verlieren ihre Strahlkraft
Diese Menschen müssen sprichwörtlich bienenfleißig sein. Außerdem beschlagen in den unterschiedlichsten Fachgebieten, mehrerer Sprachen mächtig und multikulti sowieso. Die Rede ist von den Juroren des
„Red Dot Award“, der nach wie vor anerkanntesten Auszeichnung für unter anderem herausragendes Produkt-Design. 38 internationale Experten waren es in diesem Jahr, die nicht weniger als 4.928 Einreichungen aus 56 Ländern zu bewerten hatten. Stellt sich die Frage, wie sie das in einem „mehrtägigen Evaluationsprozess“ geschafft haben. Überdies: Der „Red Dot“ hat inzwischen reichlich „Award-Konkurrenz“ aus
diversen Richtungen bekommen. Was bringen die stets kostenpflichtigen Auszeichnungen Herstellern und
Handel? Wieviel prämierte Qualität wird dem Endverbraucher vermittelt? Ein „Küchenhandel“-Abriss.
Von Marina Huthmacher
W
ir reden hier nicht über Apple oder Mercedes,
über Jack Wolfskin oder Nike, die ihre diversen
Auszeichnungen quasi als Aperçu auf ihren eh’
schon millionschweren Imagekampagnen anbringen.
Und damit eine eingeschworene Klientel in ihrer Kaufentscheidung noch einmal bestätigen. Nein, wir sprechen über Oberflächen, Spülen und Dunstabzugshauben, über Armaturen und Beschläge. Nicht unbedingt
die markenaffinsten Produkte. Gleichwohl wird die
Reihe der Institutionen, die Awards für diese quasi alltäglichen Dinge ausloben, immer länger: Der Rat für Formgebung vergibt den „German Design Award“, nicht zu
verwechseln mit dem „iF Award“ aus Hannover, daneben existiert der „Superbrand Germany Award“. Die
Kölnmesse hat jüngst den „interzum award“ zelebriert,
die „Tendence“ in Frankfurt verleiht im Herbst ihren
„Home & Trend Award“. Der „APA Architects Partner
Award“ ist eher für Oberflächen-Hersteller interessant.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Was alle eint, ist ein generelles Procedere: Die Anmeldung zum Wettbewerb kostet
Geld, aber durchaus moderate Beträge in der Größenordnung von ein paar hundert Euro. Teuer wird es erst,
wenn man ausgezeichnet wird. Weil dann das sogenannte „Marketing-Package“ gebucht werden muss, dass die
Verwendung des Logos und weitere PR-Maßnahmen erlaubt.
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■ ■ Küchenhandel 3/2015
Der Ansatz von Professor Dr. Peter Zec, Initiator und
CEO des Red Dot Awards, war ein durchaus löblicher:
„Innovation ist nicht immer mit bloßem Auge zu erkennen. Oft sind es verborgene Einfälle, etwa eine raffinierte
Technik im Innern eines Produkts oder eine verbesserte
Materialverbindung, die eine sinnfällige, manchmal brillante Neuerung ausmachen. Daher können wir uns
glücklich schätzen, Jahr für Jahr eine fachkundige, erfahrene und prominente Jury berufen zu können, der nichts
entgeht. Wer vor diesem Gremium punktet, hat viel Zeit
und Verstand in das eingereichte Produkt investiert –
und kommt völlig verdient in den Genuss, das weltweit
angesehene Siegel für gutes Design nutzen zu dürfen.“
Zur Erklärung: Die Sieger des Red Dot Award können/
müssen besagtes Maßnahmepaket buchen. Das kostet
dann zusätzlich ein paar tausend Euro, beinhaltet allerdings die freie Verwendung des Kennzeichens sowie die
Aufnahme in das Red Dot Design Museum in Essen (für
mindestens ein Jahr) ebenso wie die Erwähnung im Referenz-Yearbook. Sämtliche Produkte können außerdem
online angeschaut werden.
Der Red Dot genießt uneingeschränkt hohe Beachtung,
wird, zumindest in Fachkreisen, als Qualitätsmerkmal
betrachtet. Allerdings wurden allein in diesem Jahr 1.240
Produkte ausgezeichnet, überdies 81 mit dem Siegel
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Handel
Die if International Forum Design GmbH mit Sitz in
Hannover zeichnet jährlich in ausgewählten Kategorien
besondere Produktqualität aus
Der Ehrentitel „Red Dot: Design Team of the Year“ ging in
diesem Jahr nach München: An Robert Sachson und seine
Bosch-Mannschaft
„Best of the Best“ und 122 erhielten die sogenannte
„Honourable Mention“ für einen besonders gelungenen
Aspekt gestalterischer Arbeit – macht unter dem Strich
ein knappes Drittel aller Einreichungen. Nicht ganz abwegig zu sinnieren, ob die Fülle der Prämierungen nicht
auch ein wenig mit Blick auf die anschließende KassenBilanz zustande kommt.
Der Korrektheit halber: Die Jury des Red Dot urteilt offiziell nach folgenden Kriterien: „Innovationsgrad, Funktionalität, formale Qualität, Ergonomie, Langlebigkeit,
symbolischer und emotionaler Gehalt, Produktperipherie, Selbsterklärungsqualität, ökologische Verträglichkeit.“
Die Händler, denen der „Küchenhandel“ diese Formalien
vorgelesen hat, waren entweder belustigt oder verärgert.
„Soll ich meinem Kunden jetzt vielleicht erklären, dass
diese Dunstabzugshaube einen ausgezeichneten emotio-
nalen Wert hat? Oder dass sie über sich selbst erklärende
Werte verfügt? Entschuldigung, wollen Sie mich auf den
Arm nehmen? Ich verkaufe nach meinem Qualitätsverständnis – und dann auch guten Gewissens.“ Soweit die
freundliche Antwort.
„Stiftung Warentest ist das einzige, an das die Menschen
glauben, den Rest können Sie gepflegt abheften. Oder Sie
bewegen sich in den Regionen von Küchen jenseits der
30.000 Euro. Da sind die Kunden empfänglicher für
bunte Zeichen.“ Das war dann entschiedener.
Die mit viel Aufwand betriebenen Anstrengungen der
Hersteller, den uneingeschränkt renommierten Red Dot
zu erhalten, versanden oft in der fehlenden Kommunikation am Point of Sale. Keine Frage, in jeder Messepräsentation wird das Label, so vorhanden, exponiert herausgestellt. Im Endkundengeschäft kommt es nicht an –
und verliert damit seine ursprünglich angedachte Strahlkraft. Am 29. Juni wird im Essener Aalto-Theater eine
Die Küchenlinie Modern ART präsentiert sich 25 Jahre nach der Premiere im
zeitgeistig aktuellen Design. Im Bild Jubiläumsküche Modern ART Linea Smart
weiß mit strapazierfähigen melaminbeschichteteten Oberflächen. Melaminkanten
mit schwarzem Kern prägen das Design. Mit Fronten, Umfeld und Arbeitsplatten
Ton in Ton zeigt sich die Küche konsequent grifflos und wie aus einem Guss.
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Handel
glamouröse Preisverleihungs-Party
stattfinden, eingeladen sind ausgewählte Gäste und natürlich die
Preisträger. Der Handel bleibt außen
vor.
Der Red Dot im Detail
Der Red Dot, dessen Ursprünge bis in
die Mitte der 50er Jahre zurückreichen,
unterteilt sich als Wettbewerb in die
drei verschiedenen Disziplinen: „Red
Dot Award: Product Design“, „Red Dot
Award: Communication Design“ und
„Red Dot Award: Design Concept“.
Das Design Zentrum Nordrhein Westfalen markiert in der anfangs genannten Kategorie Produkte aus den Bereichen Mode und Accessoires über
Unterhaltungselektronik bis hin zu
Fahrzeugen, Haushaltshelfern und Mö-
beln mit dem berühmten roten Punkt.
Hersteller und Designer unterschiedlichster Richtungen können sich in
den derzeit 31 Kategorien bewerben.
2015 waren es 4.928 Einreichungen
aus 56 Ländern. Für die Anmeldung
sind je nach Größe des Objekts 300 bis
500 Euro zu berappen. Bei einer Auszeichnung fallen für die Verwendung
des Logos und des sogenannten „winner-packages“ durchaus mehrere tausend Euro an. In 2015 wurde knapp
ein Drittel aller eingereichten Arbeiten
in irgendeiner Form prämiert.
German Design Award im O-Ton
„Durch Preise an Profil gewinnen“ – so
überschreibt der Rat für Formgebung
seine Ausschreibung zum „German
Design Award“. „Die heute allgegenwärtige Austauschbarkeit von technischen Leistungen und der wachsende
internationale Wettbewerb fordern
von den Unternehmen, stärker und
vor allem umfassend gegenüber den
Kunden ihre spezifischen Vorteile zu
kommunizieren. Botschaften werden
dabei emotional verstanden.
Hierbei nehmen Designpreise eine entscheidende Rolle ein; mit der Teilnahme an Design-Wettbewerben unterstreichen Unternehmen und Designer
ihre Kompetenz.“
iF Award, weniger ist mehr
Die iF International Forum Design
GmbH mit Sitz in Hannover zeichnet
mit dem „iF Design Award“ aus. Die
Einreichungen müssen einer der fünf
Disziplinen Product, Communication,
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■ ■ Küchenhandel 3/2015
Packing, Interior Architecture oder Professional Concept zugeordnet sein. Im
vergangenen Jahr wurden von insgesamt 4.600 Optionen gerade einmal 75
mit dem „iF gold award“ belobigt.
Frage bleibt überdies, ob der Küchenhändler vor Ort nicht längst mit der
Lawine an Auszeichnungen seiner
feilgebotenen Produkte überfordert
ist. Plakativ formuliert: Ein FußballPokal ist ein Fußball-Pokal. Die diversen Auszeichnungen unterschiedlicher Institutionen geben da eine
vergleichsweise blasse Figur ab. Weil
es einfach zu viele sind.
Und weil alle Hersteller dafür vorab
schon einmal Geld bezahlt haben,
was das allgemeine Credo der Vergabestellen „unabhängig, fair, neutral“
zumindest mindert.
„Der Rat für Formgebung ist eine unabhängige und international agierende Institution, die Unternehmen
darin unterstützt, Designkompetenz
effizient zu kommunizieren und
gleichzeitig darauf abzielt, das Designverständnis der breiten Öffentlichkeit zu stärken. In 2013 feierten
wir den 60. Geburtstag.“ Der Rat für
Formgebung wurde 1953 auf Beschluss des Deutschen Bundestages
als Stiftung gegründet. Dem Stifterkreis gehören über 200 designorientierte Unternehmen an, die mehr als
zwei Millionen Mitarbeiter beschäftigen. Das Auditorium vergibt jährlich
den „German Design Award“.
Die ganze Genese gibt nur bedingt
Aufschluss über die aktuelle Bedeutsamkeit des einst sehr ehrgeizig gegründeten Projekts. Vielfach dominiert, wie gerade auf der interzum,
purer Pioniergeist in der Herstellung
von Oberflächen die gestalterische
Neuerfindung von Objekten. Hornschuch, nur als Beispiel, hat mit der
Erfindung von „Kreuzschliff“ nicht
nur Flächen haptisch angenehm gemacht, sondern gleich auch Polster
mit der Neuentwicklung angezogen.
Und einen superbequemen Sessel
überdies. Der dann prompt einen
„Red Dot“ bekommen hat.
Designkompetenz bleibt angesichts allumfassender Produktpräsenz in Zukunft mehr denn je DiversifizierungsKriterium für das Bestehen im Wettbewerb. Unternehmen wie Häcker, Ballerina und Nobilia legen da im
Halbjahreszyklus Beachtenswertes vor. Material-Innovationen unterstützen diese optischen Innovationen nachhaltig. Insofern sei durchaus die vorsichtige Frage erlaubt, ob die Juroren der einschlägigen Wettbewerbe nun
denn wirklich wissen, was eine Unterflurführung für
Schubkästen ist. Kennen sie sich damit genauso aus wie
mit automobilen Kurbelwellen oder der Präzision
schweizerischer Uhrwerke?
Die Flut der Design-Preise und Award-Auszeichnungen
minimiert ihre Aussagekraft. Sie haben ihre Leuchtkraft
verloren. Unter anderem auch, weil jedermann inzwischen weiß, dass da zunächst einmal Bares auf den Tisch
gelegt werden muss, um überhaupt in die Auswahl/Auszeichnung zu kommen. Hervorragendes Design und exzellente Qualität, wie sie Berbel, Franke oder Braun, Poggenpohl oder Gaggenau anbieten, wäre in der direkten
Kommunikation mit dem Handel vor Ort sicher effektiver zu vermitteln. Schließlich fliegt nicht jeder potentielle Kunde täglich, um in jedem deutschen Flughafen die
großflächig plakatierten, jüngst ausgezeichneten Autos
(siehe oben) anzuschauen.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine kurze Bemerkung. Der Grund, warum die Awards – kennen Sie zum
Beispiel den German Renewables Award oder den InterSolarAward für Green Community Lösungen, Best Paper
Award und den Global Innovation Award – so sprunghaft zulegen, liegt nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass die Produkte immer vergleichbarer werden, die
Auszeichnung also als Differenzierungsmerkmal dient.
Wir in der Redaktion stehen den Awards schon allein aus
einem Grund kritisch gegenüber: Vom 1. Januar 2015 bis
zum 11. Juni erreichten uns 719 Mails, die sich mit dem
Thema „Award“ beschäftigten. ■
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Man sollte das Kind jedoch nicht mit dem Bade ausschütten, denn international haben die Designauszeichnungen
schon ihre Berechtigung. Frei nach dem Motto, je weiter
weg die Kunden sitzen, desto wichtiger wird neben „Made
in Germany“ auch die Auszeichnung der Designqualität.
Nicht umsonst haben zwei der vier großen Wettbewerbe
weltweit, der Red Dot und der iF, ihre Heimat in Deutschland. Die Begründung liegt auf der Hand. Deutschland ist
ein starker Industriestandort und damit automatisch ein
wichtiger Designstandort. Deutschland lebt davon, Premiumprodukte, die in der Regel eine hohe Designqualität
haben, auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Produktqualität
und Designqualität, dafür steht „Made in Germany“. Nicht
umsonst sind alle großen Wettbewerbe im Umfeld von
Messen entstanden. Und Deutschland ist, Sie werden es erraten, nun einmal mit Abstand das führende Messeland
der Erde. Ergo sind die Designpreise auch ein Stück deutscher Industriekultur.
Handel
„Viele Unternehmen machen bei anderen Wettbewerben
mit“, sagt Catharina Hesse, Communication Manager in
der Red-Dot-Zentrale in Essen, „aber das sehen wir überhaupt nicht feindschaftlich.”