Sechs Monate nach dem Erdbeben in Nepal PDF

Oxfam
In NEPAL
Stand: 22. Oktober 2015
SECHS MONATE NACH DEM ERDBEBEN IN NEPAL
"In den Wochen und Monaten direkt nach dem Erdbeben hat Oxfam in Nepal lebensrettende Nothilfe geleistet. Zukünftig
werden wir unsere Präsenz vor Ort stärker dafür nutzen, dass Menschen und Gemeinschaften ihre Situation aktiv
verbessern können. Jetzt geht es darum, Solidarität und sozialen Zusammenhalt zu stärken und gemeinsam das, was
zerstört wurde, sicherer und nachhaltiger wieder aufzubauen."
John Augsburger, Humanitärer Direktor von Oxfam in Nepal
Überblick
Am 25. April 2015 wurde Nepal, eines der ärmsten Länder der Welt, von einem gewaltigen Erdbeben der Stärke 7,8
erschüttert. Gut zwei Wochen später richtete ein zweites schweres Beben weitere Zerstörungen an. Fast 9.000
Menschen kamen ums Leben, über 22.000 wurden verletzt. Mehr als 600.000 Gebäude stürzten komplett ein,
weitere 290.000 trugen Schäden davon. Hundertausende von Familien wurden kurz vor Beginn der Monsunzeit
obdachlos.
Lebensrettende Nothilfe hatte für Oxfam direkt nach dem
Erdbeben oberste Priorität. Obwohl die humanitäre
Situation sich verbessert hat, bleiben Notunterkünfte,
Lebensmittel, Einkommensmöglichkeiten, Wasser- und
Sanitärversorgung sowie Schutz für die Betroffenen von
höchster Wichtigkeit. Das kalte und feuchte
Monsunwetter hat die Situation für einen Teil der
Bevölkerung verschärft, und es ist nach wie vor eine
Herausforderung, die Menschen in abgelegenen
Bergdörfern zu erreichen. Angesichts der bevorstehenden
kalten Jahreszeit liegt ein Schwerpunkt nun auch auf der
Winterhilfe.
530.000 Menschen sind weiterhin auf die Unterstützung
mit Nahrungsmitteln angewiesen (Stand: Ende September
2015). 81.000 Haushalte mit insgesamt 400.000 Menschen
in den Höhenlagen benötigen Hilfsgüter und Materialien,
um ihre Häuser winterfest zu machen.
Insgesamt hat Oxfam in Nepal bislang über 445.000
Kinder, Frauen und Männer unterstützt. Unsere Teams
haben über 54.000 Bausätze zur Instandsetzung
beschädigter Häuser verteilt (sogenannte „Emergency
Shelter Kits“ und „Improved Shelter Kits“). Mehr als 35.000
Menschen wurden mit sauberem Wasser versorgt. Knapp
8.000 von Oxfam errichtete Latrinen werden von über
116.000 Menschen genutzt. Rund 17.000 kleinbäuerliche
Haushalte erhielten Reissaat, um das Saatgut zu
ersetzen, das beim Erdbeben zerstört wurde.
Junkiri Roka (75) aus dem Dorf Ghairung berichtet von
ihren Schwierigkeiten nach dem Erdbeben. Sie ist eine
von insgesamt 94.109 Personen im Distrikt Gorkha, die
Oxfam unterstützt hat.
© Deependra Bajracharya / Oxfam
Aktuell befinden wir uns in der Übergangsphase von der akuten Nothilfe zum langfristigen Wiederaufbau. Dieser
muss sich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung richten – zum jetzigen Zeitpunkt wie auch vor allem mit Blick auf
die Zukunft.
Oxfam
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Oxfams Arbeit
Sowohl Oxfams akute Nothilfe als auch die Arbeit in der aktuellen Übergangsphase konzentrieren sich auf vier
Schlüsselbereiche: Notunterkünfte, Ernährungs- und Existenzsicherung, Geschlechtergerechtigkeit sowie Wasser,
Sanitärversorgung und Hygiene (WASH).
Notunterkünfte
Bestimmte Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, Frauen und speziell
alleinerziehende Mütter brauchen beim Wiederaufbau von Häusern und Unterkünften besondere Unterstützung.
Oxfam führte umgehend Analysen durch, um den konkreten Bedarf vor Ort zu ermitteln. Auf dieser Grundlage
konnten wir bereits am dritten Tag nach dem Erdbeben die ersten Hilfsgüter und Materialien verteilen. In Gebieten,
in denen der Häuserbestand besonders stark beschädigt war, begannen wir Anfang Juli mit der Verteilung von
Materialien für Notunterkünfte. Oxfam arbeitet mit zwei unterschiedlichen Bausätzen zur Instandsetzung
beschädigter Häuser: „Emergency Shelter Kits“ enthalten Plastikplanen, Decken, Schlafmatten und Solarlampen,
„Improved Temporary Shelter Kits“ zusätzlich Wellblechplatten, Dachzubehör und Werkzeug.
Unsere lokalen Partnerorganisationen unterstützten wir bei der Durchführung von Schulungen zur fachgerechten
Montage von Wellblechdächern für professionelle Handwerker/innen und für Freiwillige, insbesondere Frauen.
Darüber hinaus schulten wir die Menschen auch im Bau von sicheren Häusern. Je nach Verfügbarkeit von
Baumaterial vor Ort bekamen die Betroffenen alternativ Bargeld, mit dem sie sich die benötigten Materialien und
Werkzeuge selbst beschaffen konnten.
Unmittelbare Priorität war, vor Beginn der Regenzeit möglichst vielen betroffenen Familien sichere Unterkünfte zu
verschaffen. Der nächste Schritt ist nun, diese winterfest zu machen. Dazu werden wir unter anderem
wärmedämmende Bodenschutzmatten und Unterlegplanen zur Isolation bereitstellen; zudem Decken, Matratzen,
Wärmflaschen und Abdichtungsmaterial gegen Nässe. Dort, wo es Sinn macht, sind Getreidelager und Unterstände
für Tiere geplant; ebenso Schulungen für erdbebensicheres Bauen.
Die achtzehnjährige Sangita Thami hat bereits 26 Notunterkünfte gebaut: „Zum einen kann ich dadurch einen Beitrag leisten, um
die Familien in meinem Bezirk zu unterstützen. Zum anderen habe ich eine neue Fähigkeit erlernt, die auch für später sinnvoll ist:
Ich weiß nun, wie man Häuser baut.“ In Nepal sind es hauptsächlich Männer, die Bauarbeiten durchführen. Oxfam hat allein im
Bezirk Sindhuphalchok 20 Frauen im Bau von Notunterkünften geschult.
© Catherine Mahony / Oxfam
Oxfam
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Ernährungs- und Existenzsicherung
Durch das Erdbeben wurden die Existenzgrundlagen von ca.
2.3 Millionen Familien und 5.6 Millionen Arbeiter/innen vernichtet
oder schwer beeinträchtigt. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln
war zeitweilig unterbrochen und sechs Monate nach dem Unglück
haben immer noch schätzungsweise 530.000 Menschen nicht
genug zu essen.
Distrikte, in denen Oxfam arbeitet:
Oxfam unterstützt die Menschen dabei, sich neue
Existenzgrundlagen aufzubauen. Direkt nach dem Beben verteilten
wir Grundnahrungsmittel, um den akuten Bedarf zu decken.
Parallel unterstützten wir kleinbäuerliche Familien mit Reissaatgut
und landwirtschaftlichen Geräten. Zusätzlich boten wir
sogenannte „Cash-for-Work“-Maßnahmen zur Beseitigung von
Trümmern an, durch die sich die Teilnehmer/innen vorübergehend Einkommen schaffen konnten.
In der Wiederaufbauphase werden wir die Menschen zunehmend mit Bargeld unterstützen, um auch diejenigen zu
fördern, die nicht von der Landwirtschaft leben. Dies geschieht beispielsweise durch Darlehen für Händler/innen
und Gewerbetreibende, um ihre Geschäfte wieder aufzubauen oder neue zu starten (und so auch weitere
Arbeitsplätze zu schaffen), durch die Instandsetzung und den Wiederaufbau von Infrastruktur sowie durch
Unterstützung für Markt- und Finanzsysteme, um Lebensgrundlagen wiederherzustellen.
Dil Badhur Nuwakoti konnte mit Gutscheinen von Oxfam fünf Kilo Reissaat,sowie Dünger
und Pflanzenschutzmittel kaufen. Er ist erleichtert: „Ich muss mir jetzt keine Sorgen mehr
darüber machen, ob ich meinen Hof überhaupt noch bewirtschaften kann.“
© Oxfam
Frauen und Mädchen
In 26 Prozent der beim Erdbeben beschädigten oder zerstörten Häuser wohnten Familien mit weiblichem
Haushaltsvorstand. Jedoch besitzen Frauen nur 19 Prozent des Grund- und Hauseigentums in Nepal, was das Risiko
verstärkt, dass sie beim Wiederaufbau übergangen werden. Bei unserer Arbeit achten wir in allen Bereichen sehr
genau darauf, dass besonders gefährdete Frauen und Männer nicht zusätzlichen Risiken ausgesetzt sind und
gleichberechtigten Zugang zu Hilfsgütern und Hilfsangeboten bekommen.
Für Frauen gab es in der Nothilfephase spezielle Angebote, um ihrem besonderen Bedarf Rechnung zu tragen und
gleichzeitig ihre Sicherheit und Wahrung ihrer Würde zu gewährleisten, z.B. durch spezielle Hygiene-Sets,
getrennte Latrinen, separate Waschmöglichkeiten oder Informationsangebote über die Beschaffung wichtiger
Dokumente. Bei diesen und anderen Aktivitäten standen alleinstehende und/oder ältere Frauen, Frauen mit
Behinderungen, Schwangere und Überlebende häuslicher oder sexueller Gewalt an erster Stelle.
Mit dem Übergang zur Wiederaufbauphase verlagert sich unser Fokus auf gezielte Beratungsangebote für Frauen,
die Wiederbelebung und Stärkung bestehender Frauengruppen sowie die Vermittlung sozialer und produktiver
Fähigkeiten, um Frauen in ihrer Fähigkeit zu stärken, für sich und ihre Familien zu sorgen.
Oxfam
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Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH)
Von insgesamt 11.288 Systemen zur Wasserversorgung in den 14 Distrikten, die am stärksten vom Erdbeben
betroffen waren, wurden 1.570 (14%) sehr stark beschädigt und 3.663 (32%) waren nur noch teilweise
funktionsfähig. Schätzungsweise 220.000 Toiletten wurden teilweise oder ganz zerstört. Der Zugang zu
angemessenen Sanitäreinrichtungen und zu Trinkwasser hat durch das Erdbeben einen großen Rückschlag erlitten.
Um Krankheiten vorzubeugen, die durch schmutziges Wasser übertragen werden, und die Gesundheit generell zu
verbessern, hat Oxfam Wasserquellen und Brunnen repariert und insbesondere in schwer erreichbaren Gebieten den
Zugang zu sauberem Wasser hergestellt. Zahlreiche Latrinen wurden repariert oder neu gebaut und Hygieneartikel
verteilt. In den Zeltstädten im Kathmandu-Tal versorgten unsere Teams die Menschen mit Trinkwasser. Um
Informationen zu Gesundheitsfragen und guten Hygienepraktiken möglichst weit zu verbreiten, nutzten wir
Radioprogramme.
In der Nothilfephase ging es vor allem darum, stark gefährdete Bevölkerungsgruppen und die Menschen in
abgelegenen Bergdörfern zu erreichen. So konnten wir in einigen Gebieten, die während der Monsunzeit weitgehend
von der Umgebung abgeschnitten sind, rechtzeitig Stützpunkte einrichten und Notfallvorräte anlegen.
Inzwischen stehen zunehmend längerfristige Lösungen im Mittelpunkt unserer Arbeit, etwa die Wiederherstellung
der Wasserzufuhr in Schulen und eine umfassende Instandsetzung von Systemen zur Wasserversorgung in den
Bergregionen. In Kooperation mit der nepalesischen Regierung bauen wir Haushaltslatrinen und helfen bei der
Müllentsorgung. Die Arbeit mit lokalen Wasserkomitees bildet einen weiteren Schwerpunkt.
Sushila Lama (23) und Deepak (12) holen
Wasser aus einem von Oxfam aufgestellten
Tank. Er versorgt zehn Notunterkünfte im
Dorf Burunchili, das im Distrikt Kathmandu
liegt, mit sauberem Wasser. Bei dem
Erdbeben wurden hier mehr als zwei Drittel
aller Häuser zerstört. Oxfam hat die
Bevölkerung von Burunchili mit
Wassertanks, Latrinen und Hygiene-Sets
unterstützt.
Foto: Sam Tarling / Oxfam
Wir bedanken uns herzlich bei allen Spenderinnen und Spendern, die uns ermöglicht
haben, die Menschen in Nepal zu unterstützen!