Weiterbildungen erhöhen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt

wissen
Weiterbildungen erhöhen die
Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Nur wenige Organisationen bieten Weiterbildungen für Menschen
mit Hörproblemen an. Die Berufsschule für Hörgeschädigte BSFH hat
­Internet- und Sprachkurse im Angebot, letztere in Zusammenarbeit
mit der DIMA-Sprachschule in Zürich. Weiterbildung erhöhen die Chancen
auf dem Arbeitsmarkt.
dezibel 3/2015
Christa Notter (gehörlos), Sie leiten
die Sprachschule Dima in Zürich.
Die Schule für Kommunikation und
Bildung bietet besondere Lernpro­
gramme für Gehörlose und Hör­
behinderte an. Sprachen lernen ist
für Menschen mit Hörbehinderung
oft schwieriger als für Menschen,
die alles hören. Welche Erfahrungen
machen Sie an Ihrer Schule?
Sprachen lernen muss nicht schwer
sein, wenn die Methode und die Didaktik richtig ausgewählt werden.
Wenn wir erkennen, wie die Lernen-
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Christa Notter: «Sprachen lernen
muss nicht schwer sein, wenn
die Methode und die Didaktik richtig
ausgewählt sind.» Fotos: zVg.
den lernen und verstehen, dann wissen
wir auch, wie wir Sprachen erklären
sollen. Sprachen zu lernen, hängt nicht
vom Hörstatus ab, sondern von der
Sprachbegabung.
Für Menschen mit Hörbehinderungen ist es vor allem schwerer, die deutsche Sprache zu lernen, als für Menschen, die alles hören. Das ist so, weil
die gesprochene Sprache die Sprache
der auditiven Menschen ist. Auditive
Menschen brauchen dafür aber auch
länger, die Gebärdensprache – sie ist
eine visuelle Sprache – zu erlernen.
Wir versuchen im Unterricht immer,
die beiden Sprachen zu vergleichen, so
dass die Lernenden dann sehen und
spüren können, wie sie aufgebaut sind.
Wir haben auch Lernende hier, die
lautsprachorientiert sind. Bei ihnen fällt
der Vergleich dann weg und wir visualisieren den Grammatikaufbau verstärkt,
so dass sie sich ihn dann besser merken
können. Der Grammatikaufbau kommt
nicht automatisch übers Gehör, er muss
«gesehen» werden.
Auch bieten wir logopädische Therapie und Beratung an. Das Ziel der Therapie ist, die sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen zu stärken.
Sie unterrichten auch in Gebärden­
sprache Fremdsprachen. Wie muss
man sich das vorstellen?
Es ist dasselbe wie bei Menschen, die
alles hören. Die Unterrichtssprache ist
ausschlaggebend. Sie muss so ausgewählt sein, dass sie die Lernenden am
besten verstehen und ihnen vermittelt
werden kann. Die Lernenden, die die
Gebärdensprache als Muttersprache
haben, lernen die Fremdgebärdensprache etwa gleich schnell wie die Lernenden, die Deutsch als Muttersprache
haben und Französisch lernen wollen.
Dass sich Menschen mit Hörbehin­
derung weiterbilden, ist genauso
wichtig wie für alle anderen. Stellen
Sie hier eine Hemmschwelle fest?
Und wenn ja, wie lösen Sie das auf?
Hemmschwellen haben die Menschen
mit Hörbehinderung eher nicht zu bewältigen. Aber das Bewusstsein, was
Bildung bedeutet, muss zuerst geschaffen werden. Auch die Motivation, sich
weiterzubilden, soll gestärkt werden.
Jahraus, jahrein müssen sich Gehörlose
und Schwerhörige in der Gesellschaft
behaupten und oft werden sie dabei
«bildungsmüde». Unsere Kurse zu besuchen, heisst in erster Linie, sich weiterzubilden und nicht, sich behaupten und
anderen einen Gefallen tun zu müssen.
Leute mit Hörproblemen verstehen
die Worte oft nicht richtig, umso
schwieriger muss das Verstehen in
einer fremden Sprache sein …
Das Problem liegt nicht allein bei den
Gehörlosen und Schwerhörigen. An
der Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichen Hör-Eindrücken müsste gearbeitet werden. Es
gibt verschiedene Strategien, um die
Kommunikation zu erleichtern, und
wissen
Weiterbildungen …
Hörbehinderung zu ihnen kommen.
Finanziert werden die Kurse entweder
von Gemeinden, Migrationsämtern,
IV, RAV oder Stiftungen. Wie hoch
der Selbstbehalt der Lernenden ist,
das wird direkt mit diesen Institutionen abgemacht. Wir können in Härtefällen einen Preisnachlass gewähren.
Dafür haben wir einen Fonds eingerichtet.
In der DIMA-Sprachschule stehen hörbehinderten und gehörlosen Menschen viele
Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung.
die müssen gelernt und gelehrt werden. Es hilft nicht, wenn nur die Betroffenen daran arbeiten und die Menschen, die alles hören, die Strategien
nicht kennen.
sich aus oder die Empfehlung kommt
von der Arbeitgeberin.
Es gibt immer mehr fremdsprachige
Menschen mit Hörbehinderung ­
in der Schweiz. Wie holen Sie diese
Leute ab? Oft haben sie ja
Wer sich weiterbildet, verbessert ­
nicht einmal Geld, um einen Kurs
auf dem Arbeitsmarkt seine
Chancen. Kommen auch Arbeitgeber ­ zu bezahlen.
DIMA besteht seit über zehn Jahren.
auf Sie zu und schicken Mitarbei­
Wir haben ein Netzwerk in der
tende zu Ihnen?
Ja, das ist richtig. Der grösste Teil der Deutschschweiz aufgebaut. VerschieAnmeldungen ist von Lernenden, die dene Institutionen sind über DIMA
sich am Arbeitsmarkt besser behaupten informiert; so nehmen sie Kontakt
wollen. Entweder sie melden sich von mit uns auf, wenn Migranten mit
Die Kurse an der DIMA sind
generell nicht ganz günstig. ­
Gibt es irgendwelche Unterstüt­
zungs­beiträge für Leute mit
Hörbehinderung?
Da unsere Kurse nicht direkt subventioniert sind, sind die Kurse in Vollkosten deklariert. Wenn eine Person sich
bei uns einschreiben möchte, geht sie
oder er vorher auf die Gehörlosenfachstellen oder ähnliche Institutionen und
ersucht dort um Unterstützungen für
die Finanzierungsgesuche. Es gibt auch
Vergünstigungen durch Migrationsämter, wenn die Teilnehmende Migrantin ist.
In Ihrer Schule bieten Sie auch
Fahrkurse an. Das ist doch etwas
ungewöhnlich. Werden denn diese
Fahrkurse barrierefrei ausgestaltet?
Weiterbildungen auf einen Blick
pro audito region olten: Vergünstigte
Konditionen für Kurse der Volkshochschule
und Pro Senectute.
Kurse pro-audito-Vereine:
SVNWS Schwerhörigen-Verein Nordwest­
schweiz, Basel, www.svnws.ch:
Kurse: iPad, iPhone, Samsung, Tablet,
Internet & Social Media, Word & Excel,
Tipps und Tricks für den Computeralltag;
12.9.: Workshop Selbstvertrauen stärken
mit Klaus Möller.
pro audito uri: Italienischkurs, Fotokurs ab
2016.
pro audito zürich: Persönlichkeits­
entwicklung/Kommunikation; PC/Tablet/
Smartphone: mit Seniorweb als Kom­
petenzzentrum; Sprache/Stimme.
Infos: www.proaudito-zuerich.ch
pro audito thun – oberland ost: Compu­
terkurse (Internet, E-Mail, Textverarbeitung,
Powerpoint, Excel); Gedächtnistraining für
Senioren mit Hörhandicap.
Anfragen:
[email protected]
IGGH: Gedächtnistrainingskurse,
Kommunikationskurse, Englischkurse etc.
www.iggh.ch
Viele pro-audito-Vereine führen Verständi­
gungskurse, Abseh- und Hörkurse durch.
pro audito schweiz bietet diverse Verständi­
gungstrainings und Workshops an.
Fernstudium: Für sehr stark schwerhörige
Menschen mit guter Sprachkompetenz
können auch Fernstudien interessant sein.
Finanzielle Unterstützung für berufliche
Aus- und Weiterbildungen: Bundesmittel im
Rahmen von «Finanziellen Leistungen für
Behinderte» für Personen, die eine IV-Rente
beziehen: www.proin­firmis.ch; Bundesmittel
und private Hilfe für Personen im AHV-Alter:
www.pro-senectute.ch; www.hoerenundverstehen.ch. Geschwister-Roos-Fonds.
Infos: www.pro-audito.ch. Konkrete Projekte
können zudem aus dem Fonds der IrmaWigert-Stiftung unterstützt werden.
Tipp: Kontaktieren Sie die IV, wenn Sie sich
weiterbilden; fragen Sie nach Zuzahlungen
für Hilfsmittel. Auszubildende können auch
Schriftdolmetschende beantragen.
Diese stehen auch Organisationen und
Unter­nehmen jederzeit zur Verfügung.
Infos über Nachteilsausgleich
(vor allem auch bei Ausbildungen):
http://www.procap.ch/fileadmin/user_upload/customers/procap/2_News/Magazin/
Weiterfuehrende_Website/Weiterfuehrende_Website_2012/Berufsbildung_
merkblatt_d_Nachteilsausgleich_BBT.pdf
und: http://www.proinfirmis.ch/de/subseiten/behindert-was-tun/inhaltsverzeichnis/
behindertengleichstellung/aus-und-weiterbildung.html
dezibel 3/2015
Sprachschule DIMA:
Infos: www.dima-glz.ch; BSFH Berufs­
schule für Hörgeschädigte: www.bsfh.ch.
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wissen
Weiterbildungen …
Über 120 Anmeldungen haben wir pro
Jahr. Pro Semester sind es über 60 Anmeldungen. Wir haben vier Standorte:
Zürich, Basel, Bern und Luzern. Demnächst wird in St. Gallen ein neuer
Standort eröffnet.
Viele pro-audito-Vereine und der Verband haben spezielle Kurse und Workshops ­
im Programm. Die DIMA bietet sogar Fahrschul-Theoriekurse an. Foto: zVg.
Was braucht es hier speziell?
Korrekt ist, dass wir nur Theoriekurse
und nicht Fahrstunden anbieten. Die
Texte in den Lern-CDs von verschiedenen Anbietern sind kompliziert formuliert. Es ist unser Anliegen, dass die Teilnehmenden die Verkehrsregeln richtig
verstehen und damit ihre Sicherheit im
Verkehr gewährleistet ist. Die Unterrichtssprache kann in Gebärden- oder
in Lautsprache sein, je nachdem, was
die Lernenden am besten verstehen.
Nach dem Kurs können die Teilnehmenden entweder die Theorieprüfung
am PC machen oder in Gebärdensprache mit Gebärdensprachdolmetscherin.
Die Kosten werden vom Strassenverkehrsamt übernommen.
Wie vielen Menschen mit Hörbe­
hinderung geben Sie Theoriekurse?
Bis jetzt haben über 20 Personen den
Kurs besucht. Pro Jahr bieten wir einbis zweimal den Kurs an.
Und wie viele Gehörlose und
Schwerhörige besuchen pro Jahr ­
in etwa Ihre Schule?
Sie haben viel Erfahrung mit
Weiterbildungen für Menschen mit
Hörbehinderung. Was fällt Ihnen
auf, was benötigen diese Menschen
speziell in Weiterbildungen?
Wir arbeiten ressourcen- und lösungsorientiert. Hier spüren die Teilnehmenden nicht, dass sie «Mensch mit
Hörbehinderung» sind, sondern sie
kommen hierher als Mensch, um etwas
zu lernen.
Noch eine letzte Empfehlung für
jene, die eigentlich gerne einmal
eine andere Sprache lernen wollen,
aber es doch nicht schaffen …
Vielleicht klappt das Lernen nicht auf
Anhieb, aber nicht aufgeben! Wir bieten auch Kurzberatungen an und finden Lösungen.
Interview: Karin Huber
Kinder mit Hörgeräten lernen besser
dezibel 3/2015
Wird bei Kleinkindern die Schwer­
hörigkeit früh genug erkannt ­und
entsprechend mit Hörgeräten oder
Cochlea-Implantaten früh versorgt,
wirkt sich dies positiv auf deren
Entwicklung aus, wie eine aus­tra­lische Langzeitstudie bestätigt.
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Eine australische Langzeitstudie hat bestätigt, dass sich die Versorgung mit
Hörgerät bei sechs Monate alten Säuglingen oder das Einsetzen eines Cochlea-Implantats im Alter von zwölf Monaten positiv auf die Entwicklung eines
Kindes mit Hörproblemen auswirkt.
Die Studie hat 450 australische Kinder
mit Hörverlust beobachtet. Von der Geburt an wurden sie begleitet und die
langfristige Sprachentwicklung, die soziale Entwicklung sowie die schulischen
Leistungen gemessen und verglichen.
Forschungsleiterin, Dr. Teresa Ching,
betont die Bedeutung der frühzeitigen
Intervention: «Unsere Beobachtungen
nach fünf Jahren zeigen deutlich: Je früher die Versorgung stattfindet, desto
besser ist die Entwicklung des Kindes.
Früherkennung und frühzeitige Behandlung sind wichtig, um eine Verzögerung der Entwicklung zu verhindern.» Die Studie zeigt auch spezifische
Defizite in den Pre-Lesefähigkeiten auf.
Es sei notwendig, hier einzugreifen und
das Kind entsprechend zu unterstützen.
Wichtig für
Kinder und Gesellschaft
Laut Teresa Ching hat Hörverlust negative Auswirkungen auf Kinder und
Gesellschaft. Daher sei es entscheidend,
dass eine Erkennung und Behandlung
von Hörverlust so früh wie möglich
stattfindet.
Die Studie wird von einer Kontrollgruppe von Kindern mit normalem Gehör begleitet, um die Unterschiede in
Bei Hörproblemen sollten Kinder so früh
wie möglich Hörgeräte erhalten. Foto: kh
der Entwicklung vergleichen zu können. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt
von Australian National Acoustic Laboratories (NAL) und dem Hearing Cooperative Research Center.
Quelle: www.voxy.co.nz
CI-Forum
31. Oktober
2015
Tagung zu CochleaImplantaten bei Kindern
und Jugendlichen
09.00 – 09.30
Eintreffen und Anmeldung
09.30 – 10.30
CI-Versorgung bei Kindern und Jugendlichen –
Einführung im Gespräch mit betroffenen Eltern
Prof. Dr. med. Thomas Linder und Team Luzerner
Kantonsspital, Familien Mauro und Liefert
10.30 – 11.00
Kaffeepause (GZI) / Anmeldung Späteintreffende
11.00 – 11.30
Frühimplantation und ihre Auswirkung
auf die kindliche Entwicklung
Dr. med. Rainer Truninger, Oberarzt
Entwicklungspädiatrie, Kinderspital Zürich
11.45 – 12.30
Einschulung von Kindern mit CI: Elternsicht,
Setting und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Podiumsgespräch: Monica Vonder Mühll,
Leiterin audiopäd. Dienst Landenhof
Liselotte & Robert Oesch, Eltern
Lilo Ochsner, audiopädagogische Beraterin
Nina Kuhn, schulische Heilpädagogin
12.30 – 14.00
Stehlunch und Industrieausstellung (Gebäude GZI)
14.00 – 14.40
Zwischen den Welten: Identitätsfindung
von Jugendlichen mit Hörhandicap
Irene Eckerli, lic. phil. Psychologin, Winterthur
14.45 – 15.15
Hörbehinderung? – Kein Problem!?
Berufsfindung bei Jugendlichen
Norbert Kobler, Eingliederungsfachmann
IV-Stelle Kanton Bern
15.20 – 15.50
Fallbeispiele
Videointerview mit einem «non user» / Interview
mit Timea Mattmann, CI-Trägerin, Bern
Prof. Dr. med. Thomas Linder
15.50 – 16.20
Coole CI-Features und Reha-Material
Input der CI-Hersteller
Paraplegikerzentrum
Nottwil (LU)
Ort
Paraplegikerzentrum
Nottwil (LU)
Kommunikationsunterstützung
Induktive Übertragung,
Schrift- und Gebärdensprachdolmetschung
Kosten
Einzelpersonen
(Betroffene, Begleitpersonen,
Eltern / pro Person)
CHF 50.00
Anmeldung online:
www.pro-audito.ch
Auskunft:
pro audito schweiz
Fachkommission CochleaImplantat
Feldeggstrasse 69, Postfach 1332
8032 Zürich
[email protected]
Tel. 044 363 12 00
Fachpersonen / Interessierte
CHF 100.00
Die Anmeldung ist verbindlich
und wird via E-Mail bestätigt.
Rechnungsstellung auf
dem Postweg.
Anmeldeschluss:
Montag, 12. Oktober 2015
Bei Abmeldung nach 12. Oktober
CHF 25.00 Umtriebsgebühr.
16.30
Ende der Tagung