Die Strahlkraft erhöhen

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Barthelmess
Die Strahlkraft erhöhen
Das Fürther Unternehmen macht Schaufenster fit für den Wettbewerb gegen Online-Shops und ist damit Marktführer in Europa.
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uristischer Skandinavien-Look, cooles Neon-Ambiente, schwarz-weißer Polka-DotDekor, moderner Märchenwald, opulenter
Party-Glamour und Graphic Art – diese DesignWelten liegen im Showroom von Barthelmess
nur wenige Schritte voneinander entfernt. Auf 2
000 Quadratmetern sind dort die Trends in Szene
gesetzt, die in der kommenden Herbst-WinterSaison in Schaufenstern und auf Verkaufsflächen
des europäischen Einzelhandels die Aufmerk-
Aufmerksamkeitsstark:
Die aufwendigen Dekorationen
sollen das Interesse von
Fotos: Barthelmess
Kunden wecken.
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samkeit der Kunden wecken und deren Kauflust
fördern sollen. „Mit diesen Exponaten wollen
wir aber keine Lösungen von der Stange bieten,
sondern unsere Besucher inspirieren“, erklärt
Michael Scheithauer, seit 2012 Geschäftsführer
der Barthelmess Group, bei der Tour durch die
Ausstellungsfläche.
Mit den beigen Schaufensterpuppen aus Kunststoff haben diese Inszenierungen so viel gemein-
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sam wie Smartphones mit Wählscheibentelefonen. Deshalb taugen die Begriffe Dekoration
oder Schaufenstergestaltung für das Kerngeschäft von Barthelmess nur noch bedingt. Besser lassen sich die Kompetenzen des Unternehmens mit „Visual Merchandising“ beschreiben:
Am sogenannten „Point of Sale“, wo sich Waren
und potenzielle Kunden treffen, werden mit visuellen Mitteln Kaufanreize geschaffen. Dabei machen Einflüsse aus Mode, Kunst und Architektur
das Visual Merchandising zu einer spannenden
Kreativbranche. Ihr Marktführer in Europa ist
die Barthelmess Group mit Stammsitz in Fürth.
Auf der Kundenliste des Unternehmens, das mit
rund 160 fest angestellten Mitarbeitern einen
Jahresumsatz von rund 30 Mio. Euro erzielt, stehen etwa 90 Prozent der großen europäischen
Einzelhändler. Darunter bekannte Namen wie
C&A, die britischen Warenhäuser Marks & Spencer, Debenhams und Harrods, die französischen
Kaufhaus-Ketten Galeries Lafayette, Printemps
und Bonmarché sowie das KaDeWe und natür-
lich lokale Größen wie Kaufhof, Karstadt und
Wöhrl in Deutschland.
Die Visual-Merchandising-Lösungen aus Franken sind der Blickfang für Passanten in der Londoner Oxford Street oder auf dem Boulevard
Haussmann in Paris – diese starke Position im
internationalen Geschäft hat sich Barthelmess
in den letzten Jahren zurückerobert: Anfang
der „Nullerjahre“ war das 1929 gegründete Unternehmen in Schieflage geraten und musste
2003 Insolvenz anmelden. Damals übernahm
Wolfgang Bastert den angeschlagenen Betrieb
als neuer Geschäftsführender Gesellschafter.
Er sah trotz der Krise die großen Potenziale der
Firma und gab seinerzeit in einem Interview die
Richtung für den Weg aus der Talsohle vor: „Wir
wollen von der kreativen Seite her wieder europäischer Marktführer im Visual Merchandising
werden.“ Dieses Ziel war nur durch eine tiefgreifende Umstrukturierung zu erreichen. Ein Wandel in den Köpfen und den Strukturen des Unternehmens sei nötig gewesen, wie Bastert erklärt.
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Michael Scheithauer.
Für den Geschäftsführer ist die Kundenorientierung der Fixstern der Unternehmensstrategie
und -kultur. „Voraussetzung dafür ist ein präzises
Verständnis für die Erwartungen des Marktes“,
so Bastert. Dementsprechend wurde die Aufbauund Ablauforganisation der Barthelmess Group
ausgerichtet. Weil das Projektgeschäft für den
Visual-Merchandising-Spezialisten eine Schlüsselrolle spielt, wurden letztes Jahr über 100 Mitarbeiter im professionellen Projektmanagement
geschult. „Das war ein Kraftakt“, räumt Bastert
ein, „aber als marktführendes Unternehmen
wollten wir einen Standard setzen.“
Vier Geschäftsbereiche
Barthelmess will den Kunden die gesamte Wertschöpfungskette – von der Idee, über Design,
Produktion, Logistik und Umsetzung – bieten.
Die Struktur des Unternehmens ist nach diesem
Prinzip modelliert und umfasst vier Geschäftsbereiche: Barthelmess concept, Barthelmess
project, Barthelmess product und Barthelmess
production. Das Segment Konzepte wird von der
Kreativagentur „bar.co.de“ abgedeckt. Ein Team
aus Marketing-Experten, Designern und Innenarchitekten entwickelt Ideen für die Gestaltung
von Schaufenstern und Verkaufsräumen. „Mit
der Gründung von bar.co.de als eigenständigem
Unternehmen unter dem Dach der Barthelmess
Group unterstreichen wir unsere Kompetenz in
der Konzeption“, erklärt Michael Scheithauer.
Im Geschäftsbereich Barthelmess projects werden Visual-Merchandising-Konzepte für Großkunden geplant und umgesetzt. Zu den Auftraggebern in diesem Segment, das etwa 80 Prozent
des Gruppen-Umsatzes erzielt, zählen deutsche
und internationale Filialisten und Kaufhäuser
sowie Shopping-Center, Flughäfen und Bahnhöfe. Als großen Vorteil bei der Realisierung
komplexer Projekte sehen Bastert und Scheithauer das Know-how in der Produktion. Auf dem
Firmengelände am südlichen Stadtrand von
Fürth befinden sich die deutschen Werkstätten
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Mit dieser Organisation sieht sich die Barthelmess Group gut aufgestellt für die Herausforderungen ihrer Branche, die Michael Scheithauer plakativ zusammenfasst: „Auf Kundenseite
müssen sich die Kreativen mit dem Controlling
arrangieren. Es wird viel mehr auf die Kosten
geschaut als früher. Das bedeutet für uns stärkeren Preisdruck bei steigenden Qualitätsanforderungen.“ Außerdem sei das Geschäft schnelllebiger geworden, ergänzt Wolfgang Bastert: „Die
Zeitspanne für die Umsetzung von Kundenwünschen schrumpft.“ Die daraus resultierenden
Schwankungen der Auslastung abzufangen,
erfordere ein Höchstmaß an Flexibilität auch
und gerade bei den Mitarbeitern und ein verlässliches Lieferanten-Netzwerk.
Dem wachsenden Preisdruck setzen Bastert und
Scheithauer das Know-how im Projektgeschäft
entgegen: „Einzelne Module und Produkte mag
es online günstiger geben. Aber das Gesamtpaket von der Konzeption bis zur Umsetzung bekommt der Auftraggeber in der gewünschten
Qualität nur bei uns. Das ist der entscheidende
Faktor für die Kundenbindung.“ Die beiden
Geschäftsführer haben keine Angst, dass der
Online-Handel den Verkauf im Laden – und damit das Geschäftsmodell Visual Merchandising
– nachhaltig gefährdet: „Je nach Warengruppen
wird es weiterhin beide Vertriebskanäle geben“,
meint Michael Scheithauer. Und Wolfgang Bastert fügt hinzu: „Viele Einzelhändler haben erkannt, dass Investitionen in Schaufenster und
Ladengestaltung gerade in Zeiten des InternetHandels wichtiger geworden sind, um eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen. Wir registrieren
gerade, dass Schaufenster-Kampagnen wieder
aufwändiger werden. Die Geiz-ist-Geil-Mentalität hat sich für den Handel nicht als Erfolgsre(aw.)
zept erwiesen.“
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Die Geschäftsführer
Wolfgang Bastert (r.) und
der BDD Produktion. Diese eigenständige GmbH
innerhalb der Barthelmess Group bietet für die
Einzel-, Klein- oder Großserienfertigung die
ganze Palette der im Visual Merchandising erforderlichen Disziplinen: Druckerei, Lackiererei,
Holztechnik, Kunststoffbearbeitung, Tiefziehen
etc. Diese Kompetenzen im eigenen Haus zu haben, sei ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal,
betont Wolfgang Bastert. Ein weiterer Produktionsstandort befindet sich in Tschechien. In der
Region Pilsen werden u.a. Girlanden, Kränze und
Weihnachtsbäume hergestellt, die Barthelmess
unter der Marke „Barcana“ vertreibt. Unter dem
Markennamen „Decorado“ bietet Barthelmess
via Katalog und Online-Shop kurzfristig lieferbare trend- und themenbezogene Dekorationsartikel für Einzelhändler.
www.barthelmess.com