Landtag von Baden-Württemberg Kleine Anfrage Antwort

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7953
15. Wahlperiode
18. 01. 2016
Kleine Anfrage
des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP
und
Antwort
des Ministeriums für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz
Aktuelle Situation der Berufsfischer am Bodensee
Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat sie über die aktuelle Situation der Berufsfischerei am
Bodensee hinsichtlich der Fangzahlen?
2. Wie hat sich die Phosphatkonzentration im Bodensee in den Jahren 1990 bis
2016 entwickelt (tabellarische Auflistung nach Kalenderjahren in Mikrogramm
je Liter)?
3. Ab welcher Untergrenze bei der Phosphatkonzentration sähe sie hinsichtlich
der Erhaltung der Fischfauna des Bodensees gegebenenfalls einen akuten Anlass für die Prüfung eines möglichen Phosphatmanagements?
4. Wie weit ist die Erforschung der Zucht von Felchen in Aquakulturen durch die
Fischereiforschungsstelle vorangeschritten?
5. Ab wann erwartet sie die konkrete Umsetzung erster Aquakulturvorhaben zur
Felchenzucht?
6. Trifft es zu, dass der Ministerpräsident den örtlichen Berufsfischern bereits am
18. November 2013 im Rahmen eines Bürgergesprächs die Prüfung ihrer Anliegen zugesagt hat?
7. Wenn ja, inwieweit ist er dieser Zusage nachgekommen?
1
Eingegangen: 18. 01. 2016 / Ausgegeben: 16. 02. 2016
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 15 / 7953
8. Trifft es zu, dass der Ministerpräsident den örtlichen Berufsfischern am 12. Januar 2016 nochmals eine Prüfung ihrer Anliegen zugesagt hat?
9. Wenn ja, welche konkreten Fragen wird diese Prüfung beinhalten und wann
sind erste Ergebnisse dieser Prüfung zu erwarten?
19. 01. 2016
Dr. Bullinger FDP/DVP
Antwort
Mit Schreiben vom 10. Februar 2016 Nr. Z(51)-0141.5609 F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem
Staatsministerium und dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt:
1. Welche Erkenntnisse hat sie über die aktuelle Situation der Berufsfischerei am
Bodensee hinsichtlich der Fangzahlen?
Zu 1.:
Nach vorläufigen Daten haben die baden-württembergischen Berufsfischer am
Bodensee-Obersee im Jahr 2015 einen Gesamtertrag von 103 Tonnen erzielt.
Bei den Felchen wurde ein Fangertrag von 66 Tonnen erzielt. Die Ertragszahlen
der Berufsfischer aus den anderen Anrainerländern und -kantonen für das Jahr
2015 liegen noch nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Landtagsanfragen „Zukunft der Bodenseefischerei“ (Drucksache 15/5367) und „Gewässerschutz, Fischerei und Tourismus am Bodensee“ (Drucksache 15/3737) verwiesen.
2. Wie hat sich die Phosphatkonzentration im Bodensee in den Jahren 1990 bis
2016 entwickelt (tabellarische Auflistung nach Kalenderjahren in Mikrogramm
je Liter)?
Zu 2.:
Die Entwicklung der mittleren jährlichen Gesamtphosphorkonzentrationen ist in
der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Von 1990 bis 2010 gingen die Gesamtphosphorgehalte zurück und schwanken in den letzten Jahren zwischen 5,9 und
7,0 µg/l.
Für die Jahre 2015 und 2016 liegen noch keine gesicherten Daten vor.
Mittlere jährliche Gesamtphosphorkonzentrationen für den Bodensee-Obersee für
den Zeitraum 1990 bis 2014
2
Jahr
μg/l
1990
36,27
1991
32,47
1992
29,90
1993
26,17
1994
24,79
1995
22,68
1996
18,98
1997
16,74
1998
15,37
1999
13,98
Jahr
μg/l
2000
12,85
2001
11,58
2002
10,71
2003
9,99
2004
8,91
2005
8,50
2006
7,62
2007
7,55
2008
7,56
2009
6,43
Jahr
μg/l
2010
5,85
2011
5,92
2012
6,32
2013
6,73
2014
6,95
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3. Ab welcher Untergrenze bei der Phosphatkonzentration sähe sie hinsichtlich
der Erhaltung der Fischfauna des Bodensees gegebenenfalls einen akuten Anlass für die Prüfung eines möglichen Phosphatmanagements?
Zu 3.:
Auch bei sehr niedrigen Phosphorgehalten werden aller Voraussicht nach die jetzt
vorkommenden Fischarten erhalten bleiben. In den letzten Jahren ist keine Art
ausgestorben. Verschiebungen im Bestand zwischen den Arten waren bereits in
früheren Jahren zu beobachten. An niedrige Nährstoffgehalte angepasste Arten
wie der Seesaibling haben zugenommen, während eine Fischart wie der Barsch,
der eher nährstoffreichere Gewässer bevorzugt, in seinem Bestand abgenommen
hat.
Es ist unwahrscheinlich, dass selbst bei weiter sinkenden Phosphorgehalten dauerhaft größere Verschiebungen in der Artenzusammensetzung vorkommen werden. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich bestimmte Arten über einen
gewissen Zeitraum massiv ausbreiten können, wie das Beispiel des Dreistachligen
Stichlings zeigt. Diese Fischart trat im Jahr 2014 in sehr großer Zahl auf und hat
sich, entgegen den Prognosen, bis jetzt auf einem sehr hohen Bestandsniveau gehalten.
4. Wie weit ist die Erforschung der Zucht von Felchen in Aquakulturen durch die
Fischereiforschungsstelle vorangeschritten?
Zu 4.:
Zwischen Mai 2011 und März 2015 wurden an der Fischereiforschungsstelle
(FFS) des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg zusammen mit der
Fischbrutanstalt Langenargen als Kooperationspartner Untersuchungen zur Einführung von Felchen aus dem Bodensee als neue Art für die heimische Aquakultur durchgeführt. Finanziell gefördert wurden die Arbeiten durch die Deutsche
Bundesstiftung Umwelt.
Folgende grundlegende Erkenntnisse zur Felchenaufzucht konnten dabei gewonnen werden: I) Von den drei Felchenlinien des Bodensees eignen sich am besten
Sandfelchen für die Aquakultur, II) die alleinige Fütterung mit herkömmlichem
Trockenfutter ist möglich, III) das Wachstum ist positiv temperatur- und negativ
dichteabhängig, IV) die stressempfindlichen Felchen sollten möglichst wenig beunruhigt werden, V) eine Impfung gegen Furunkulose, eine bakterielle Erkrankung, ist zu empfehlen, VI) bei der Felchenaufzucht kann das Ablaufwasser ähnlich effektiv wie bei der Forellenaufzucht gereinigt werden und VII) die erzeugten
Fische sind als Lebensmittel mit der Qualität von Wildfischen vergleichbar. Aufgrund dieser Ergebnisse ist aus fachlicher Sicht eine Erzeugung von Felchen in
Aquakultur generell möglich.
Im genannten Projekt wurde ausschließlich mit Nachkommen von Wildfischen
gearbeitet. Eine Domestikation der Felchen würde höchstwahrscheinlich innerhalb weniger Generationen Wachstumsleistung, Futterverwertung und andere
wichtige Parameter wesentlich verbessern. Allerdings ist der getestete Impfstoff
bisher in Deutschland nicht zugelassen. Des Weiteren fehlt bislang eine Futtermischung, die speziell auf die Bedürfnisse von Bodenseefelchen zugeschnitten ist.
Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines wissenschaftlichen Kolloquiums der
FFS am 27. März und bei einer Vortragsveranstaltung am 24. November 2015
den Berufsfischern des Bodensees vorgestellt. Auf der Homepage der FFS sind
die Ergebnisse abrufbar unter http://www.lazbw.de/pb/,Lde/Startseite/
Fischereiforschungsstelle/Informationsveranstaltung+Felchenzucht+24_11_2015.
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5. Ab wann erwartet sie die konkrete Umsetzung erster Aquakulturvorhaben zur
Felchenzucht?
Zu 5.:
Einzelne Inhaber von Fischereibetrieben haben nach der Vortragsveranstaltung
am 24. November 2015 konkretes Interesse gezeigt, sich an Projekten zur Aufzucht von Felchen zu beteiligen. Grundsätzlich ist eine Haltung und Aufzucht von
Felchen in Netzgehegen im See oder in Becken an Land denkbar. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat signalisiert, den Aufbau
einer oder mehrerer Anlagen fachlich zu begleiten und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds
(EMFF) und von Haushaltsmitteln finanziell zu fördern.
6. Trifft es zu, dass der Ministerpräsident den örtlichen Berufsfischern bereits am
18. November 2013 im Rahmen eines Bürgergesprächs die Prüfung ihrer Anliegen zugesagt hat?
7. Wenn ja, inwieweit ist er dieser Zusage nachgekommen?
Zu 6. und 7.:
Herr Ministerpräsident wurde im Rahmen eines Bürgerempfangs in Überlingen
am 11. November 2013 auf die zurückgehenden Fangerträge in der Berufsfischerei am Bodensee angesprochen. Hierzu hatten darauffolgend zwei Termine stattgefunden.
Herr Minister Untersteller hatte am 27. November 2013 mit Vertretern der Fischereiverbände am Bodensee-Obersee ein Gespräch geführt. Dabei wurde klargestellt, dass eine Reduzierung der Eliminationsleistung der Kläranlagen hinsichtlich Phosphat mit dem Ziel einer Erhöhung des Phosphorgehaltes im Bodensee
nicht infrage kommt. Es wurde jedoch zugesagt, in einem Fachgespräch Möglichkeiten zu erörtern, wie den baden-württembergischen Berufsfischern am Bodensee auf andere Weise geholfen werden kann.
Unter Leitung des Umweltministeriums fand dann am 23. Januar 2014 unter Beteiligung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz das
Fachgespräch statt. Daran teilgenommen haben neben den Vertretern der Fischereiverbände auch Verbände des Umwelt- und Naturschutzes, des Tourismus sowie der Gastronomie. Neben den Zusammenhängen zwischen Phosphorgehalt im
See und dem Fangertrag wurden insbesondere Möglichkeiten zur Verbesserung
der wirtschaftlichen Situation der Fischereibetriebe am Bodensee erörtert. Dabei
wurde herausgestellt, dass eine mögliche weitere Reduzierung der Anzahl der
Fischereilizenzen (Patente), angepasst an den geringeren Fangertrag, nur in internationaler Abstimmung mit den anderen Anrainerstaaten des Bodensees erfolgen
kann.
Weiterhin wurden Überlegungen zur Verbesserung des Marketings von Bodensee-Felchen und zu einer Produktion von Fischen im Rahmen von einer Aquakultur im oder am See erörtert.
Die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF)
hat am 24. Juni 2015 eine Reduzierung auf 80 Patente bis zum Jahr 2020 beschlossen. Im vergangenen Jahr waren noch 132 Patente ausgegeben worden. Die
Überlegungen zur Felchen-Aquakultur sind in den Antworten zu den Fragen 4
und 5 enthalten.
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8. Trifft es zu, dass der Ministerpräsident den örtlichen Berufsfischern am 12. Januar 2016 nochmals eine Prüfung ihrer Anliegen zugesagt hat?
9. Wenn ja, welche konkreten Fragen wird diese Prüfung beinhalten und wann
sind erste Ergebnisse dieser Prüfung zu erwarten?
Zu 8. und 9.:
Am Rande des Bürgerdialogs am 12. Januar 2016 in Konstanz wurde Herr Ministerpräsident von Bodensee-Berufsfischern auf ihre wirtschaftlich schwierige Situation aufgrund gesunkener Fangerträge angesprochen und hat eine Prüfung der
Anliegen zugesagt. Wie in der Antwort zu den Fragen 6 und 7 bereits dargestellt,
wäre die Erhöhung des Phosphatgehalts im Bodensee aufgrund europarechtlicher
Vorschriften zur Wasserqualität nicht möglich. Zudem entspricht es nationalen
wasserwirtschaftlichen Grundsätzen, stoffliche Einträge durch Abwasser zu minimieren, was auch aus Vorsorgegründen geboten ist. Es wird bei der Prüfung insbesondere darum gehen anderweitige Möglichkeiten zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Bodensee-Berufsfischer zu identifizieren. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wird dies mit den Vertretern
der Fischereiverbände im Rahmen eines Fachgesprächs erörtern.
Bonde
Minister für Ländlichen Raum
und Verbraucherschutz
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