Medieninformation Bahnbrechende Entdeckung des ersten

Forschung
Greifswald, 10. März 2016
Sperrfrist: Donnerstag, 10. März 2016, 20:00 Uhr MEZ
Bahnbrechende Entdeckung des ersten kunststoffabbauenden Bakteriums
Ein Forschungsteam aus Japan beschreibt in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Science“ (11. März
2016) den ersten bekannten Mikroorganismus, der in der Lage ist, den Kunststoff PET abzubauen und
komplett stofflich zu verwerten (DOI: 10.1126/science.aad6359). Die Bedeutung dieser Entdeckung
wurde von Prof. Dr. Uwe Bornscheuer (Universität Greifswald) in einem „Perspectives“-Beitrag, der
gleichzeitig in Science erschien (DOI: 10.1126/science.aaf2853), als bahnbrechend gewürdigt und eingeordnet.
Jährlich werden über 300 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit produziert, darunter etwa 50 Millionen
Tonnen Polyethylenterephthalat, besser bekannt unter der Abkürzung PET. Hergestellt wird PET aus
Erdöl. Diese Kunststoffart wird vor allem für Getränkeflaschen verwendet. Nur ein geringer Anteil davon
wird später tatsächlich recycelt. Besonders problematisch ist die sehr lange Haltbarkeit von Kunststoffmaterialien, die bislang bis auf wenige Spezialkunststoffe nicht biologisch abbaubar sind. Das führt auf
Mülldeponien, aber vor allem in den Weltmeeren, zu einer erheblichen Umweltbelastung. Es bildet sich
(durch mechanische Zerstörung) über die Jahre Mikroplastik, was wiederum sehr negative Auswirkungen auf verschiedenste Lebewesen hat.
Das japanische Forscherteam aus Kyoto, Yokohama und Yamaguchi hat nun in Proben aus einer Recyclingstation für PET-Flaschen ein bislang einzigartiges Bakterium (Ideonella sakaiensis) in einem
Konsortium mehrerer Mikroorganismen identifiziert, das in der Lage ist, PET-Kunststoff zu „knacken“. In
umfangreichen Experimenten konnten sie zeigen, dass Ideonella sakaiensis sich an PET-Oberflächen
anheften kann und zunächst ein hochspezifisches Enzym (PETase) ausschleust, das die chemischen
Bindungen im Kunststoff aufbricht. Die Abbauprodukte werden dann vom Mikroorganismus aufgenommen und von einem zweiten selektiven Enzym (MHETase) in der Zelle in die Monomere Ethylenglykol
und Terephthalsäure gespalten. Diese Grundbaustoffe von PET können nun von Ideonella sakaiensis
komplett verstoffwechselt werden und dienen folglich als alleinige Wachstumsquelle des Mikroorganismus.
„Die Entdeckung dieses besonderen Bakteriums ist aus mehreren Gründen bahnbrechend“, sagt Uwe
Bornscheuer. „Bislang waren nur ganz wenige Enzyme bekannt, die überhaupt und auch nur eine sehr
geringe Aktivität im Abbau von PET zeigen. Besonders wichtig für ein Aufbrechen des Polymers ist vor
allem die Zugänglichkeit der 'glatten' Kunststoffoberfläche. Hier scheint der Ideonella sakaiensis-Stamm
besondere Mechanismen entwickelt zu haben, die das japanische Forscherteam aber noch nicht im
Detail aufklären konnte.“ Prinzipiell könnte nun dieser Mikroorganismus genutzt werden, um den Kunststoff PET umweltfreundlich zu verwerten. Gleichzeitig wäre es aber nun bei Kenntnis der beteiligten
Enzyme grundsätzlich möglich, Verfahren zu entwickeln, um das Monomer Terephthalsäure zu isolieren
und für die Synthese von PET wieder einzusetzen. „Dies würde ohne Zweifel eine erhebliche Umweltentlastung darstellen, da auf den Einsatz von Erdöl zur Herstellung dieses Kunststoffes verzichtet werden könnte“, schließt Professor Bornscheuer seine Einschätzungen ab.
Für die Grundlagenforschung wäre es sehr interessant herauszufinden, wie die beiden hochspezifischen Enzyme PETase und MHETase durch natürliche Evolution entstanden sind, da der Kunststoff
PET erst seit ca. 70 Jahren in der Umwelt vorkommt. Folglich stand nur ein recht kurzer Zeitrahmen zur
Anpassung des Bakteriums an dieses neue 'Substrat' zur Verfügung und offensichtlich ist diese Entdeckung der japanischen Arbeitsgruppe ein Beispiel für eine sehr rasante Evolution eines Mikroorganismus.
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Uwe Bornscheuer
Biotechnologie und Enzymkatalyse
Institut für Biochemie
Felix-Hausdorff-Straße 4, 17489 Greifswald
Telefon 03834 86-4367
[email protected]