Das Campusmagazin der FH Kiel 02/2015 KOMPETENT Bescheidene Wegbereiter Im Rahmen von Projekten bietet das FuE-Zentrum Lösungen für wissenschaftliche Herausforderungen aus allen Branchen Mit Campus RadioAktiv raus aus den Federn Donnerstags ab acht Uhr gibt’s was auf die Ohren Das ganz dicke Brett bohren Institut für CIM-Technologietransfer arbeitet an der Realisierung einer „Digitalen Fabrik“ HOCHSCHUL-ABC s y d M B s S U x A g L C W f L x P J k Q i 2 viel. ausgabe elf L o Z A P i B f y Stipendien werden von Stiftungen, K irchen, Parteien, Gewerkschaften und Unternehmen nach unterschiedlichen Kriterien und Bewerbungsverfahren vergeben. Als Voraussetzung gelten die Immatrikulation an einer staatlichen oder staatlich anerkannten meist deutschen Hochschule, Begabung, „gute Noten“ und g esellschaftliches (soziales, kulturelles, religiöses oder politisches) Engagement. Zu den möglichen Leistungen zählen neben finanziellen Grundförderungen auch Studienkostenpauschalen, Promotionsförderungen, Forschungskostenpauschalen, Familien- und Kinderbetreuungszuschläge, Sprachkurse, Praktika, Zuschläge zu Reisekosten und Studiengebühren bei Auslandssemestern sowie ideelle F örderung durch Bildungsveranstaltungen und nützliche Kontakte. n s T i g y x P f o e hv d M g J Q k r s e J r k y x g k haltet Informationen über 6.800 Programme von mehr als 3.000 nationalen und internationalen Förderern. Z v diM C P Bei Fragen zu direkten Ansprechpartnern bei den 13 großen Begabtenförderungswerken und zur Bewerbung hilft die Zentrale S tudienberatung. Q Zentrale Studienberatung Tel. 0431 210 - 17 60 www.fh-kiel.de/studienberatung L y C U W f B x g P B h x In Deutschland werden über 2.000 Stipendien und F örderungen angeboten. Datenbanken wie w ww.stipendienlotse.de und www.mystipendium.de geben umfassend und zielgerichtet Auskunft über aktuelle Stipendienprogramme und individuell passende Fördermöglichkeiten. Weitere Hinweise und Voraussetzungen zur Bewerbung sind erhältlich unter www. begabtenfoerderungswerke.de. Studierenden der Fachhochschule Kiel steht für die Suche nach Stipendien unter www. elfi.info kostenlos auch die elektronische Datenbank ELFI zur Verfügung. Sie bein- C P f s k d y A tipendium (lat. stipendium – Sold, Löhnung, Z ahlung eines Betrages), das: Dabei handelt es sich um eine finanzielle Unterstützung für beispielsweise Schülerinnen und Schüler, S tudierende, Absolventinnen und Absolventen, Doktorandinnen und Doktoranden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder andere Gruppen zur Erleichterung der Ausund Weiterbildung. P B s y g Stipendium g S k rJ Z n h Q d M L k i W f L f J i e Q W Illustration: Tatjana Grüner d M o f MOIN MOIN, Kompetenz bedeutet nach unserem didaktischen Verständnis allerdings, dass unsere Alumni in der Lage sind, ihre beruflichen Aufgaben von Anfang an zu bewältigen. Sie sind dafür ausgebildet, auf wissenschaftlicher Basis den Transfer zur Lösung von praktischen Problemen leisten zu können. Mit ihrer anwendungsorientierten Herangehensweise leisten Fachhochschulen den für die Wirtschaft und Gesellschaften wichtigen Beitrag, Ergebnisse der Grundlagenforschung zum Nutzen der Menschen sinnvoll in Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Tauchen Sie in die Welt der Fachhochschule Kiel ein und lassen Sie sich auf die Vielfalt kompetenten Handelns ein. Die Forschungsund Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH unterstützt die regionale Wirtschaft unter dem Motto „Ihre Probleme hätten wir gerne, um sie zu lösen“. Das Blitzlabor und das Institut für CIM-Technologietransfer sind weitere Einrichtungen, die den Unternehmen helfen können, aber auch daran beteiligt sind, die Region mit Fachkräften zu versorgen. Lassen Sie sich über die hohe Professionalität des studentischen Teams informieren, das jedes Jahr im November unseren Firmenkontakttag ausrichtet. Über kulturelle Aktivitäten auf Foto: Frederike Coring die neue Ausgabe unseres Campusmagazins setzt sich mit dem im Bereich der Bildung modernen Begriff der Kompetenz auseinander. Nach traditionellem Verständnis sind Menschen kompetent, wenn sie zuständig oder befugt sind, etwas zu tun. In dieser juristischen Vorstellung ist auch die sprichwörtlich gewordene „Kompetenz-Kompetenz“ Edmund Stoibers angesiedelt. In der Didaktik verfolgt unsere Hochschule diesen Ansatz weniger. Natürlich sind unsere Lehrenden in dem Sinne kompetent, als sie zuständig und befugt sind, junge Menschen auf den Weg in das Berufsleben zu begleiten. unserem Campus haben wir bereits regelmäßig berichtet, dieses Mal lesen Sie etwas vom Sender RadioAktiv. Seien Sie gespannt darauf, wie facettenreich sich verschiedene Kompetenzen an der FH Kiel sowie bei gegenwärtigen und ehemaligen Angehörigen ausdrücken. Jede siebente Absolventin bzw. jeder siebente Absolvent in Schleswig-Holstein kommt zurzeit von uns. Sie begegnen also überall im Lande Menschen von unserer Hochschule, die an der Zukunft des schönsten Bundeslandes der Welt arbeiten. Ich wünsche Ihnen wieder viel Spaß beim Lesen. Ihr Udo Beer Präsident der Fachhochschule Kiel campusmagazin 3 viel.mehr 16 6 Comicszenen vom Campus Illustrationsstrecke: gezeichnete Einblicke in den Fachhochschulalltag TITELTHEMA – KOMPETENT 16 Bescheidene Wegbereiter Im Rahmen von Projekten bietet das FuE-Zentrum Lösungen für wissenschaftliche Herausforderungen aus allen Branchen 34 Das ganz dicke Brett bohren Institut für CIM-Technologietransfer arbeitet an der Realisierung einer „Digitalen Fabrik“ 38 Das Ziel immer vor Augen Von nichts kommt nichts: Zwei studentische Teammitglieder des Firmenkontakttags berichten über die Vorbereitungen zur größten Jobmesse SchleswigHolsteins 22 Gewitter auf Knopfdruck 44 Erbstück 26 Lust auf mehr 50 Ein Leben mit vier Sinnen Im Blitzlabor können Unternehmen und Studierende die Auswirkungen künstlicher Naturgewalten testen Gewusst wie: Studentin des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit bringt Studium, Nebenjob und Ehrenamt gekonnt unter einen Hut 30 Mit Campus RadioAktiv raus aus den Federn Donnerstags ab acht Uhr gibt’s was auf die Ohren 4 viel. ausgabe elf Kunstwerk findet ein neues Zuhause auf dem Kieler FH-Campus Blind klettern: Reportage aus dem Projekt Linie 11 des Fachbereichs Medien 54 Ein ganz persönliches Japan-Projekt Freemover des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik erkundete Japans Land, Leute und Studienalltag auf eigene Faust 50 22 30 64 70 58 58 Komm her! Wenn Du Dich traust … Fotostrecke: Medienstudierende entwarfen Plakatserie für ein Kieler Theater 82 Impressum 83 Kolumne 64 Zeit zum kreativen Müßiggang Studierende entdeckten spielerisch den Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf 70 Physiotherapie mit Weitblick Unsere Nachbarn: Die CampusPraxis 74 „Wir setzen auf Annäherung, nicht auf Abgrenzung“ 43 Lieblingsfilm 69 Lieblingsmuster 77 Lieblingswort Alumna der FH Kiel leitet Jugendarrestanstalt bei Neumünster 78 viel.beschäftigt Neue Gesichter an der FH 79 viel.erlei campusmagazin 5 COMICSZENEN vom Campus VON CHRISTIAN BEER Christian Beer hat ein Faible für Comics. Nicht zuletzt, um als Illustrator verschiedene Stile und eigene Kreationen ausprobieren zu können, bringt sich der Multimedia-Production-Student seit mehr als drei Jahren beim Campusmagazin „viel.“ ein. Nach zahlreichen Beiträgen zeigt er nun gegen Ende seiner Studienzeit den FH-Campus aus seiner ganz persönlichen Sicht – Orte, die ihm wichtig sind; Szenen, mit denen er seinen Aufenthalt verbindet; Details, die ihm aufgefallen sind. Inspiriert hat den 26-Jährigen dabei hauptsächlich der US-amerikanische Comiczeichner Adrian Tomine, dessen saubere Strichführung, harmonische Farbgestaltung und Fähigkeit, mit wenigen Linien ein komplexes Bild zu schaffen, ihn besonders begeistern. Sein Ziel ist aber immer eine eigene Interpretation. 6 viel. ausgabe elf Wenn sich die Gelegenheit bietet, fährt Christian Beer mit der Schwentinefähre zur FH und wieder nach Hause aufs Westufer. Das kann er allen nur empfehlen, die das Angebot nicht ohnehin schon nutzen. „Die Fahrt ist schön entspannend und mit dieser Stimmung gehe ich auch immer von Bord.“ campusmagazin 7 Die Straßenecke mit der Daily Lounge in seine Bildstrecke mit aufzunehmen, war für Christian Beer ganz selbstverständlich, schließlich hat er dort schon die ein oder andere Stunde verbracht. „Das Café ist gerade für Studierende vom benachbarten Fachbereich Medien ein Knotenpunkt. Hier treffe ich mich oft mit Kommilitoninnen und Kommilitonen zum Lernen und Kaffeetrinken.“ In diese Zeichnung spielt auch seine Faszination für das Bild „Regenschauer über der großen Brücke in Atake“ von Utagawa Hiroshige hinein, einem Meister des japanischen Farbholzschnitts. Denn darin „ist das Prasseln des Regenschauers förmlich spürbar“, findet Christian Beer, und genau das wollte er auch einmal ausprobieren. 8 viel. ausgabe elf Obwohl er als Illustrator seiner Fantasie auch mal freien Lauf lassen kann, war es Christian Beer bei dieser Bildstrecke besonders wichtig, die ausgewählten Motive möglichst natur- und detailgetreu darzustellen. Als „Erinnerungsstütze“ und Grundlage für seine Zeichnungen zog er daher teilweise Fotos heran, auch für diese Hörsaalszene. Denn einen Großteil seiner Studienzeit verbindet er „natürlich mit Vorlesungen“ – und Hörsäle und ihre Atmosphäre seien eine Welt für sich, sagt er schmunzelnd. campusmagazin 9 In seiner Zeit als Hiwi für die Interdisziplinären Wochen im Büro für Hochschulentwicklung schloss sich Christian Beer eines Tages spontan einer Einladung des FH-Kanzlers Klaus-Michael Heinze an, der für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Führung durch die Kulturwelt des Campus organisiert hatte, darunter einen Besuch auf der Sternwarte. „Der Ausblick über die Förde ist echt malerisch! Wir kamen zum Sonnenuntergang oben auf dem Dach an und konnten uns später die Sternenkonstellation ‚Sommerdreieck‘ ansehen“, erinnert er sich. Der FH-Campus bietet eine Menge Kunst und Kultur, findet Christian Beer. Ein farbenfrohes Spektakel ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: Als er eines Abends auf dem Nachhauseweg am Bunker-D vorbeikam, erstrahlte auf einer seiner Wände eine riesige Projektion – ein Beitrag des Kieler Start-ups „EDGE“ im Rahmen des KOORDINATEN-Festivals des Fachbereich Medien. 10 viel. ausgabe elf campusmagazin 11 Nach einem Auslandssemester in Antwerpen fand Christian Beer im Untergeschoss des Großen Hörsaalgebäudes eine Überraschung vor: Die ehemalige Cafeteria war inzwischen in ein amerikanisches Diner umgewandelt worden – mit knallroten Polsterbänken, chromglänzenden Barhockern und schwarz-weiß kariertem Fußboden. Ein richtiger Hingucker mit cooler Atmosphäre, findet er, jetzt fehlen nur noch die typisch amerikanischen Burger. 12 viel. ausgabe elf campusmagazin 13 Illustrationen: Christian Beer, Text: Katja Jantz Titelthema KOMPETENT TITELTH EMA KO T N E T E P M 14 viel. ausgabe elf Hochschulen bilden nicht nur neue Kompetenzen aus – sie bündeln auch bereits vorhandene persönliche und fachliche Fähigkeiten ihrer Studierenden, Lehrenden und Angestellten und nutzen diese für unterschiedliche Zwecke. Die folgenden Seiten zeigen Beispiele, wie die FH Kiel ihre Rolle als Schnittstelle zwischen Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft wahrnimmt; mithilfe von Menschen, die in unterschiedlichen Bereichen einen „great job“ machen: Die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH bringt wissenschaftliches Know-how mit regionalem unternehmerischem Forschungs- und Entwicklungsbedarf zusammen – zu ihrem vielfältigen Angebot zählt beispielsweise das Labor für Hochspannung und Blitzstrom. Das Institut für CIM-Technologietransfer arbeitet ebenfalls eng mit der Industrie und vielen Hochschulangehörigen zusammen. Doch auch die Studierenden leisten ihren Beitrag im Zusammenspiel zwischen Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft und das nicht erst, wenn sie die Hochschule verlassen: Jedes Jahr stellt ein Team aus unterschiedlichen Fachbereichen den Firmenkontakttag auf die Beine, die größte Jobmesse Schleswig-Holsteins. Jedes Mitglied bringt neben seinen Fachkenntnissen auch persönliche Kompetenzen mit ein. Gleiches gilt für die Macherinnen und Macher des hochschuleigenen Radiosenders Campus RadioAktiv. Dass sie viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten muss, um Studium, Nebenjob und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen, zeigt eine Studentin vom Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. campusmagazin 15 16 viel. ausgabe elf Foto: Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH Titelthema KOMPETENT BESCHEIDENE WEGBEREITER Nur durch Forschung werden gute Produkte exzellent, doch eine eigene Forschungsabteilung ist für viele Unternehmen zu teuer. Die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH (FuE-Zentrum) sorgt dafür, dass Unternehmen die wissenschaftlichen und technologischen Ressourcen der Fachhochschule nutzen können. Diese Kooperationen nützen aber auch der FH: Studierende erhalten Einblicke in innovationsfreudige Unternehmen und Professorinnen sowie Professoren können ihre Kontakte zur Wirtschaft intensivieren. A uf den ersten Blick wirkt das Gebäude in der Schwentinestraße 24 nicht wie ein Ort, an dem Wirtschaft und Wissenschaft zusammenkommen. Wer das Treppenhaus des Wohngebäudes mit seinem Terrazzoboden betritt, glaubt zunächst, sich im Haus geirrt zu haben. Doch tatsächlich arbeitet hier Björn Lehmann-Matthaei mit seinem Team daran, Forschungs- und Industrieaufträge für die Professorinnen und Professoren der FH Kiel einzuwerben und die Durchführung zu betreuen. Auf die eigentümlichen Räumlichkeiten angesprochen erklärt der Geschäftsführer: „Beim Start vor 20 Jahren hatten wir tatsächlich repräsentative Räume im zehnten Stockwerk eines Bürogebäudes an der Holsatiamühle, doch das war einfach zu weit weg. Wir wollten auf den Campus, denn nur hier haben wir den direkten Draht zu den Lehrkräften und zum Präsidium. Selbst 300 Meter können da zu viel sein. Aber zumindest sind bisher noch keine Kundinnen und Kunden abgesprungen, weil bei uns nicht alles aus Stahl und Glas ist.“ In der langen Liste der Auftraggeber des FuE-Zentrums finden sich zahlreiche bekannte Namen: Airbus, Deutsche Bahn, Panasonic, Vattenfall. Der Großteil kommt allerdings aus SchleswigHolstein. Unter anderem setzten bereits lokale Schwergewichte wie Caterpillar, Thyssen Krupp Marine Systems und die Lindenau Werft auf die Dienste des FuE-Zentrums. Lehmann-Matthaei ist seit 15 Jahren Geschäftsführer der Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH. Hinter dem sperrigen Namen steckt eine Gesellschaft, die unter anderem die Kompetenzen der Hochschule vermarktet. Neben der Förde Sparkasse ist die Fachhochschule Kiel die Hauptgesellschafterin, der über den Kurs des Unternehmens bestimmt. Das Geschäftsfeld des FuE-Zentrums gliedert sich in drei Bereiche: Transferprojekte, Prüf- und Messdienstleistungen und Drittmittel-Projektdienstleistungen. „Unser Team aus acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut etwa 150 Projekte im Jahr“, erklärt Dr. Christine Nürnberg, die sich im FuE-Zentrum unter anderem um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. „Seit unserer Gründung im Jahr 1995 waren es insgesamt etwa 1.500“, ergänzt Lehmann-Matthaei, „wobei die etwa 70 Transferprojekte jährlich den Löwenanteil ausmachen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen aus der Region kommen auf uns zu und erkundigen sich nach Lösungen für individuelle Probleme.“ „Seit unserer Gründung im Jahr 1995 waren es insgesamt etwa 1.500 Projekte.“ Was es genau mit den Transferprojekten auf sich hat, illustriert Lehmann-Matthaei an einem Beispiel. „Ein Unternehmen, das Küchenmixer herstellt, bemerkt, dass der Absatz zurückgeht. Eine Umfrage ergibt, dass die Kundinnen und Kunden grundsätzlich zufrieden sind, die Geräte aber als zu laut empfinden. Will das Unternehmen mit dem Produkt weiterhin am Markt bestehen, muss es eine Ingenieurin beziehungsweise einen Ingenieur mit dessen Verbesserung beauftragen, was häufig mit der Anschaffung neuer Maschinen und weiterem zusätzlichem Personal verbunden ist.“ Diese Lösung sei aber teuer und langwierig, daher sei es häufig die bessere Alternative, Kontakt zum FuE-Zentrum aufzunehmen. „Wir setzen uns zusammen, arbeiten das Problem heraus und schauen dann, ob wir an der Fachhochschule unter den Professorinnen und Professoren jemanden finden, der sich dessen annehmen könnte. Ist das der Fall, machen wir der Firma ein Angebot, und sie erhält von uns eine Lö- ➢ campusmagazin 17 Foto: Frederike Coring Titelthema KOMPETENT Viele Studierende haben durch FuEProjekte Kontakte zu Unternehmen geknüpft. 150 Projekte pro Jahr sung für ihr Problem. Schneller und günstiger, als dies in Eigenleistung möglich wäre.“ Etwa 50 Projekte im Jahr wickelt das FuE-Zentrum im Geschäftsbereich Prüf- und Messdienstleistungen ab. Hierbei ist neben dem Wissen der FH-Professorinnen und -Professoren vor allem das Inventar der Fachhochschule für das Klientel aus der Wirtschaft attraktiv. Das hochschuleigene Blitzlabor bietet beispielsweise die Möglichkeit zu messen, wie sich Produkte verhalten, wenn sie plötzlich hohen Spannungen ausgesetzt sind. Solche Tests sind für viele Unternehmen in der Produktentwicklung immens wichtig, müssen allerdings nur selten durchgeführt werden. Daher würde es sich für viele Unternehmen nicht rentieren, einen eigenen Prüfstand zu installieren und eine Fachkraft für die Durchführung der Tests anzustellen. Stattdessen nehmen Unternehmen das Know-how der FH-Professorinnen und Professoren und ihrer wissenschaftlichen Angestellten in Anspruch. Da die Messungen an einer Hochschule stets 18 viel. ausgabe elf 47 % Transferprojekte 33 % Prüf- und Messdienstleistungen 20 % Drittmittel-Projektdienstleistungen objektiv sind, sind an der FH auch Produktzertifizierungen möglich. Das FuE-Team bietet den Professorinnen und Professoren deutlich angenehmere Arbeitsbedingungen, als die, die abseits des Campus herrschen: Damit sie sich voll auf die Projekte konzentrieren und diese schnell durchführen können, müssen sie sich nicht um bürokratische Angelegenheiten wie Abrechnungen, Steuer- oder Personalfragen kümmern. All das erledigt das Service-Team des FuE-Zentrums. Die Gesellschaft trägt sogar das unternehmerische Risiko und kümmert sich um den Eingang der Auftragsgelder. „In der Regel gibt es da aber keine Probleme“, lobt Lehmann-Matthaei seine Partnerinnen und Partner in der Wirtschaft. „Trotzdem ist natürlich nie ausgeschlossen, dass Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und in Insolvenz gehen.“ Er sieht in der Zusammenarbeit aber auch vielfältige Vorteile für die Hochschule und die Studierenden. „Viele von ihnen haben durch FuE-Projekte Kontakte Aus einem unauffälligen Mehrfamilienhaus auf dem Campus schiebt das Team der Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH große Projekte an. zu Unternehmen geknüpft, dort Erfahrungen sammeln und sich beweisen können und später auch Anstellungen in diesen Betrieben gefunden. Zudem verbleiben viele Anschaffungen, die von den Kundinnen und Kunden für Messungen benötigt und bezahlt werden, nach Projektende an der Fachhochschule.“ Im Bereich Drittmittel-Projektdienstleistungen betreut das FuE-Zentrum jährlich zwischen 20 und 30 Aufträge. „Das hört sich nach wenig an, macht aber viel Arbeit“, weiß Björn Lehmann-Matthaei. Durch die langjährige Erfahrung in der Förderungslandschaft kennt das Team des FuE-Zentrums die regionalen, nationalen und europaweiten Möglichkeiten, ein Forschungsvorhaben zu finanzieren. Es geht jedoch nicht nur um das ohnehin kostbare Wissen, welche Fördertöpfe es gibt, sondern vor allem darum, wie vorzugehen ist, um schließlich die Förderung und den begehrten Zuwendungsbescheid zu erhalten. Denn einen solchen Antrag so zu formulieren, dass die Wahrscheinlichkeit auf eine Förderung aussichtsreich oder sogar wahrscheinlich ist, erfordert eine Menge Arbeit. War er erfolgreich, kümmert sich das FuE-Zentrum auch um die Abwicklung des Projektes. „Drittmittel-Projekte haben häufig einen sehr hohen Verwaltungsaufwand, weil hier meist mit öffentlichen Geldern gearbeitet wird“, führt LehmannMatthaei aus. „Jede noch so kleine Ausgabe muss belegt sein.“ Dennoch sind diese Projekte für das FuE-Zentrum sehr wichtig, geht es doch um hohe Fördersummen und lange Laufzeiten. „Sie laufen schon mal über zwei oder drei Jahre und haben ein Volumen von 300.000 Euro. Wenn wir ein solches Projekt an Land ziehen, erreichen wir bei aller Arbeit auch bessere Planbarkeit für das Unternehmen.“ Doch das FuE-Zentrum vermarktet nicht nur die Kompetenzen der Fachhochschule Kiel. Die Gesellschaft ist zudem Träger von sogenannten Verbundprojekten, in denen das Fachwissen und die technologischen Ressourcen mehrerer Hochschulen gebündelt „Abseits von den Verbundprojekten haben alle beteiligten Hochschulen Unterschiedliches zu bieten.“ werden. Zu diesem Verbund gehören neben der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Fachhochschulen Flensburg, Lübeck, Kiel und die Fachhochschule Westküste in Heide. Inhaltlich liegt der Fokus auf dem Bereich Erneuerbarer Energien, mit den Schwerpunkten Windenergie und Biomasse. Unternehmen aus der Wirtschaft können über das FuEZentrum so bequem auf den größten Expertenpool in Schleswig-Holstein zugreifen. „Abseits von den Verbundprojekten haben alle beteiligten Hochschulen Unterschiedliches zu bieten. Wenn ein Projekt für die eigene Hochschule zu groß ist oder nicht in den eigenen Kompetenzbereich fällt, dann übergibt man es gerne den Kolleginnen und Kollegen“, bringt Lehmann-Matthaei die partnerschaftliche Stimmung auf den Punkt. Schließlich seien für Wissensvermittlerinnen und -vermittler vor allem die Kontakte der Professorinnen und Professoren zu den regionalen Unternehmen von Bedeutung, denn jede und jeder habe vor der Berufung fünf ➢ Jahre in der Wirtschaft gearbeitet. Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH Schwentinestr. 24 24149 Kiel Telefon: 0431 218 - 44 40 E-Mail: [email protected] Internet: www.fh-kiel-gmbh.de campusmagazin 19 Titelthema KOMPETENT Seit 2003 steht FINO1 nördlich von Borkum im Meer – das FuE-Zentrum hat den Betrieb der Forschungsplattform im Jahr 2012 übernommen. Die Leuchtturm-Projekte des FuE-Zentrums sind weithin sichtbar, aber kaum jemand bekommt sie je zu Gesicht – das wäre auch nur in einem Hubschrauber oder auf einem hochseetauglichen Schiff möglich. Viel Engagement des FuE-Zentrums fließt beispielsweise in die beiden Forschungsplattformen FINO1 und FINO3, die weit draußen in der Nordsee vor Borkum und Sylt stehen. Bis zu 120 Meter hohe, rot-weiße Stahlkonstruktionen, die bis zu 30 Meter tief in den Meeresboden gerammt wurden. „Anfang der 2000er Jahre war Windkraft ein intensiv diskutiertes Thema“, erklärt Christine Nürnberg. „Da der Wind über dem Meer generell stärker weht und der Energieertrag dort deutlich höher ist, sollten Offshore-Windparks errichtet werden. Allerdings war unklar, welche Umweltbedingungen und Windverhältnisse weit draußen in Nord- und Ostsee tatsächlich herrschen. Daher schrieb die Bundesregierung das FINOProgramm aus.“ Heute werden auf FINO1 und FINO3 verschiedenste Untersuchungen durchgeführt, zum Beispiel zu meteorologischen und ozeanographischen Daten oder Bodenbeschaffenheiten und neuen Korrosionsschutztechniken. Auch ökologische Forschung zum Vorkommen von Schweinswalen oder über Vogelzüge findet dort statt. „Es wäre schön, wenn die Politik noch mehr auf die Förderung der Zukunftstechnologien setzt, um eine nachhaltige Stärkung der regionalen Wirtschaftsstrukturen in Schleswig-Holstein zu erreichen.“ 20 viel. ausgabe elf Fotos: Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH Die im Jahr 2003 fertiggestellte Forschungsplattform FINO1 wurde ursprünglich vom Bauherrn Germanischer Lloyd betrieben. Im Februar 2012 erhielt das FuE-Zentrum dann vom Bundesumweltministerium den Auftrag, den Betrieb zu übernehmen. Weitaus spannender ist die Geschichte hinter FINO3, bei der das FuE-Zentrum von Anfang an mit im Boot war. „Da sich kein Unternehmen fand, das die Plattform konstruieren, bauen und betreiben wollte, haben wir das selbst übernommen. Eine tolle Herausforderung“, erinnert sich Lehmann-Matthaei. Dieser Entscheidung ging eine lange Planungsphase voraus, in der auch die Risiken abgewogen wurden. Vor allem erhebliche finanzielle Risiken, wie er ausführt: „Ein Tag auf See, an dem ein Schiff mit dem Aufbau der Forschungsplattform beschäftigt ist, kostet locker 100.000 Euro. Wenn das Schiff gebucht ist und das Wetter nicht mitspielt, dann wird es allerdings schnell noch teurer. Wir hatten in unserer Kalkulation zwar schon ein paar Tage Schlechtwetter eingeplant, die auch eintraten; aber zusätzlich gab es auch noch Unstimmigkeiten mit der ausführenden Firma, die das Projekt immer weiter in die Länge zogen.“ Statt im Oktober 2008 nahm FINO3 dann erst im August 2009 seinen Betrieb auf. Dennoch ging die Kalkulation des FuE-Zentrums auf, denn heute erproben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Nordseeplattform westlich von Sylt Verfahren und Produkte der Offshore-Technologie. Eine Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft auf hoher See. Angesichts von Projekten mit einem so hohen Finanzvolumen wie FINO3 ist es Lehmann-Matthaei jedoch wichtig zu betonen, dass das FuE-Zentrum nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei. „Wir sind theoretisch unabhängig von der Fachhochschule und führen das FuE-Zentrum daher als selbständiges, privatwirtschaftliches Unternehmen. Die kleinen Gewinne, die wir erwirtschaften, verbleiben in der Gesellschaft.“ Vorrangig geht es ihm und seinem Team darum, die Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen in und außerhalb Schleswig-Holsteins zu fördern. Langfristig erhofft er sich Unterstützung von der schleswig-holsteinischen Wirtschaft: „Es wäre schön, wenn die Politik noch mehr auf die Förderung der Zukunftstechnologien setzt, um eine nachhaltige Stärkung der regionalen Wirtschaftsstrukturen in Schleswig-Holstein zu erreichen.“ Joachim Kläschen FINO3 befindet sich etwa 80 Kilometer westlich der Insel Sylt in der Nordsee und hilft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei, Offshore-Technologie zu entwickeln. Titelthema KOMPETENT GEWITTER AUF KNOPFDRUCK 22 viel. ausgabe elf Um fünf Uhr morgens fährt Martin Friis Jensen von Kopenhagen nach Kiel, um zerstören zu lassen, woran er seit Monaten gearbeitet hat. An der FH Kiel will der dänische Entwicklungsingenieur prüfen lassen, ob die meterlangen Funkantennen seiner Firma ein Gewitter schadlos überstehen und besucht dazu das Labor für Hochspannungstechnik, Hochstromtechnik und EMV, kurz Blitzlabor, in dem künstliche Naturgewalten auf modernste Technik treffen. D er Blick, den Prof. Dr. Kay Rethmeier, Leiter des Blitzlabors, von seinem Stehschreibtisch im ersten Stock des Gebäudes 11 auf dem FH-Campus hat, ist unbezahlbar. Er schaut auf die Schwentinemündung und die Förde, um 9.50 Uhr deutet er aus dem Fenster: „Da wendet die Color Line, das ist immer ein Highlight.“ Neben seinem Schreibtisch führt eine Wendeltreppe ins Erdgeschoss und hier geht es kräftig zur Sache. Laboringenieur Jörg Kohlmorgen ist damit beschäftigt, alles für den Besuch aus dem Norden vorzubereiten, der sich für 10 Uhr angekündigt hat. Zwei Mitarbeiter der dänischen Firma Procom möchten herausfinden, ob ihre Antennen, die Feuerwehr, Seenotrettung und Technischem Hilfswerk ausfallfreien Funkverkehr ermöglichen, auch in einem schweren Unwetter ihren Dienst verrichten. Im Blitzlabor simulieren Prof. Rethmeier und Kohlmorgen die Naturgewalten und die Folgen, wenn 200.000 Ampere durch sensible Elektronik fahren. „Das ist mehr elektrischer Strom als der stärkste zu erwartende Blitz.“ Unscheinbare Blechkisten stehen in einem engen Raum in Reih und Glied, auf ihnen durch Kupferdrähte verbundene Keramikspindeln, die Kohlmorgen miteinander verbindet. „Auch wenn wir sie bisher noch nicht ganz ausgereizt haben, soll unsere Anlage bis zu 400.000 Ampere schaffen“, erklärt Prof. Rethmeier. „Das ist mehr elektrischer Strom als der stärkste zu erwartende Blitz. Aber manche Unternehmen wollen einfach wissen, was ihre Geräte aushalten.“ So wie die Gäste aus Dänemark, die ihre drei Meter langen und etwa fünf Kilo schweren Antennen mittlerweile bereitgelegt haben, damit Kohlmorgen die erste von ihnen auf der elektrischen Schlachtbank einspannen kann. Der Aufbau ist Handarbeit. Holzscheite in verschiedenen Größen und Schraubzwingen kommen zum Einsatz. Mit einem Maulschlüssel befestigt der 50-Jährige ein dickes Kupferband an der Spitze der Antenne und schraubt die Fassung des Sendemastes mit fingerdicken Schrauben an Kupferplatten, damit der Strom später in und hoffentlich auch durch den Prüfling fahren kann. Die Blitzanlage mutet archaisch an. Und welche Macht in ihr steckt, zeigt Prof. Rethmeier anhand ihrer „Narben“. Eine der Keramikspindeln, die die gefährliche Hochspannung aus dem Inneren des Stoßkondensators führen, ist nur noch zu Teilen intakt, die fehlende Hälfte einem Experiment geschuldet. Der 42-Jährige deutet mit dem Finger auf die Wand und einen Kabelschrank. Bei genauem Hinsehen sind Einschlagstellen zu erkennen; Krater, verursacht durch die abgesprengten Keramiktrümmer. Auch mit künstlich erzeugten Naturgewalten ist nicht zu spaßen. Daher finden alle Blitzexperimente hinter zentimeterdicken Glasscheiben und Sicherheitstüren statt. Der Aufbau ist fertig und die Anlage wird hochgefahren. Eine Signalleuchte zeigt, dass etwas im Gange ist. Schwer zu glauben, aber der Blitzstrom, der gleich durch die Antenne schießen soll, kommt aus einer üblichen Steckdose. Über zwanzig Sekunden lässt Kohlmorgen den Strom laufen, als füllte er eine Badewanne. Die Kondensatoren speichern die elektrische Ladung, deren Höhe auf zwei gelben Amperemetern kontinuierlich steigt. Damit der Knall der Entladung die Trommelfelle der Zuschauer nicht schädigt, gibt Prof. Rethmeier Gehörschutz aus. Kohlmorgen bellt ein letztes „Achtung!“ und löst per Mausklick die Entladung aus. Ein Blitz. Ein Knall. Stille. ➢ campusmagazin 23 Im Blitzlabor entfesselt Prof. Dr. Kay Rethmeier Naturgewalten auf Knopfdruck, wenn 200.000 Ampere in Sekundenbruchteilen freigesetzt werden, um die Belastungsgrenzen von Elektronikbauteilen auszuloten. Konzentriert betrachtet Prof. Rethmeier die Kurve auf dem Oszilloskop, während Kohlmorgen zielstrebig in das Labor eilt, um zu messen, ob die Antenne Schaden genommen hat. Eile ist geboten, denn der Versuch soll dreimal binnen zehn Minuten wiederholt werden, so, als schlüge der Blitz mehrfach nacheinander in die Antenne ein. Gelassen warten die Procom-Mitarbeiter das Ergebnis ab. Es ist nicht ihr erster Besuch im Blitzlabor und die erste Runde bedeutet für sie allenfalls ein Warmlaufen. Prof. Rethmeier überbrückt die Zeit bis zum zweiten Anlauf, indem er ein kurzes Video von einem vergangenen Testlauf vorführt: In der Nebenkammer prüften der Professor und sein Team das „Verhalten“ der Blitze, also wo ein Blitz in einen Prüfling einschlagen würde. Häufig sind es Rotorblätter von Windkraftanlagen, die in der Nebenhalle der künstlichen Naturgewalt ausgesetzt werden. Im Video scheint alles nach Plan zu verlaufen. Der Blitz schlägt genau an der Stelle in das Blatt, die dafür vorgesehen ist und die Energie in die Erde ableiten soll. Unter Prof. Rethmeiers Anleitung vergraben die Studierenden Kupferkabel in einer Schüssel mit Quartzsand und beobachten dann, wie der Blitz auf Knopfdruck mit bis zu 30.000 Grad Celsius den Sand transformiert. 24 viel. ausgabe elf Was die elektrische Energie anrichten kann, zeigt Prof. Rethmeier auch Studierenden unterschiedlicher Fachbereiche unter anderem regelmäßig in den Interdisziplinären Wochen der Hochschule. Auf einem Tisch im Blitzlabor liegen einige Ergebnisse: Fulgurite, röhrenförmige Gebilde, die entstehen, wenn ein Blitz in Sand einschlägt. Unter Prof. Rethmeiers Anleitung vergraben die Studierenden Kupferkabel in einer Schüssel mit Quartzsand und beobachten dann, wie der Blitz auf Knopfdruck mit bis zu 30.000 Grad Celsius den Sand transformiert. Seine Arbeit mit praktischen Beispielen zu veranschaulichen, ist ihm eine Herzensangelegenheit. So lässt er sie auch mit Baumarktmaterialien ein Stück Reetdach nachbauen und installiert darauf einen variablen Blitzableiter. Die Studierenden lernen so, dass dieser einen bestimmten Abstand vom Objekt haben muss, das er schützen soll. Nur dann fährt die Energie nicht in das leicht entflammbare Reet. Sein Talent für verständliches Erklären hat den Blitzexperten an die FH Kiel gebracht. „Schon in der Schule habe ich gemerkt, dass viele meiner Mitschülerinnen und Mitschüler in Mathe und Physik nicht mitgekommen sind, weil einfach schlecht vermittelt wurde. Ich hab mir mein Taschengeld mit Nachhilfe aufgebessert, weil ich immer gut erklären konnte. Sogar Klavierunterricht habe ich gegeben“, erinnert sich Prof. Rethmeier, dessen Herz aber auch für Schlagzeug, Gitarre und Cello schlägt. „Während meines Elektrotechnik-Studiums an der TU Berlin ist mir dann klar geworden, dass ich unterrichten will. Und die praktische Arbeit mit den Studierenden an der FH ist genau das, wo ich hin wollte“, freut sich der Professor mit dem markanten Bart sichtlich. Mittlerweile hat Kohlmorgen den dritten Durchgang aufgebaut. Längst ist Jensen auf der sicheren Seite, denn die Antenne hat die Tests bestanden, die sie aushalten muss. Nun will er wissen, wo die Grenze liegt. In einem Sekundenbruchteil sollen 200.000 Ampere durch die Antenne schießen, in deren Inneren sensible Mikroelektronik verbaut ist. „You are absolutely sure, you want us to do that? If we do that, I am not sure what happens“, gibt Prof. Rethmeier zu bedenken. „Absolutely sure!“, entgegnet Jensen. Bei so hohen Strömen zeige sich auch die Kraft des Stroms, erklärt Prof. Rethmeier. Deshalb greift Kohlmorgen zu Bohrmaschine und zimmert pragmatisch aus den Holzscheiten eine passgenaue Halterung. Schraubzwingen halten die Spitze des Sendemastes auf zwei Tischen fixiert. Kohlmorgen schaltet die Warnlampe ein und fährt die Anlage hoch. Die gelben Amperemeter beginnen zu zählen und während des gespannten Wartens erläutert Prof. Rethmeier: „Das ist jetzt der kritische Bereich. Die Anlage ist dafür theoretisch ausgelegt, aber in dieser Größenordnung steigt auch das Risiko, dass es Ausreißer gibt.“ Alle setzen ihren Gehörschutz auf, Kohlmorgen bellt wiederum sein „Achtung!“ und einen blitzenden Knall später zeigt sich das zerstörerische Ergebnis des Experiments. i Blitzeinschläge dauern nur einen Augenblick. Die HochgeschwindigkeitsAufnahme bei 4.000 Bildern pro Sekunde macht die Naturgewalt eindrucksvoll sichtbar. Am Ende dient die Zusammenarbeit mit der Industrie aber auch der Lehre. Prof. Rethmeier rechnet vor, dass ihm für fünf Jahre etwa 20.000 Euro zur Verfügung stehen. „Das hört sich nach viel an. Aber einer unserer Kondensatoren kostet 3.500 Euro! Wenn da etwas ausfällt, müssen wir improvisieren.“ So kümmert sich der Herr des Blitzlabors um Spenden von Wirtschaftsunternehmen, die tatsächlich bereit sind, Material und Geräte zur Verfügung zu stellen. Mit der Spitze seines Sicherheitsschuhs tippt er gegen eine unscheinbare blaue Plastiktonne unter einem Tisch. Die darin enthaltenen 45 Kilo Kupferkabel, die ein Unternehmen kostenlos an sein Labor abgegeben hat, gehören zu den Verbrauchsstoffen für das Blitzlabor. Wer blitzen will, muss freundlich sein. Joachim Kläschen Fotos: Andreas Diekötter Im Labor riecht es verbrannt, das obere Ende der Glasfaser-Ummantelung der Antenne ist zersplittert. Die mechanische Wucht des Stromschlags hat die Antenne aus den Zwingen gerissen und so den Schaden verursacht. Kohlmorgen beginnt umgehend mit der Widerstandsmessung und Jensen beginnt zu grinsen, als er das Ergebnis auf der Anzeige des Messgeräts sieht. Seine Antenne funktioniert, der Schaden ist lediglich oberflächlich. „Unsere Kundschaft aus der Industrie schätzt es, dass wir so flexibel sind. Ihre Ingenieurinnen und Ingenieure können uns im Zweifelsfall dabei helfen, Ungereimtheiten aufzuschlüsseln, weil sie ihr Produkt in- und auswendig kennen.“ Prof. Rethmeier indes schätzt die Rahmenbedingungen, innerhalb derer er solche Aufträge bearbeitet. „Die Forschungs- und Entwicklungszentrum GmbH der FH hält uns den Rücken frei und nimmt uns viel von der Bürokratie ab. So können wir uns dann voll auf unsere Arbeit für die Kundinnen und Kunden konzentrieren.“ Dutzende Keramikspindeln führen die gefährliche Hochspannung aus dem Inneren des Stoßkondensators. (l.) In Experimenten ermitteln Studierende, wie weit ein Blitzableiter vom Reet entfernt stehen muss, um das Dach zu schützen. (r.) campusmagazin 25 Titelthema KOMPETENT LUST AUF 26 viel. ausgabe elf Foto: Frederike Coring MEHR N adja Winter startet durch. Was auch Zeit wird, wie sie findet. Nach ihrem Bachelorabschluss als Sozialarbeiterin macht sie zurzeit ihren Master an der FH Kiel, arbeitet nebenbei im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Schleswig-Holstein und engagiert sich ehrenamtlich in der Politik. „Im Moment läuft es einfach gut bei mir, aber das war nicht immer so“, erzählt sie. „Ich musste über Jahre zurückstecken. Nun kann ich endlich mal aufholen und es macht mir richtig viel Spaß.“ Dass die 29-Jährige heute selbstbewusst und zielstrebig durchs Leben geht, verdankt sie ihrem Durchhaltevermögen und ihrem Ehrgeiz – und nicht zuletzt ihren Eltern. Dabei fiel es ihr eine lange Zeit schwer, an sich und ihre Fähigkeiten zu glauben. Nadja Winter stammt aus einer Nichtakademikerfamilie mit Migrationshintergrund und hatte deshalb besonders in ihrer Schulzeit mit Vorurteilen zu kämpfen. „Total inkompetent und ausgebremst“ habe sie sich gefühlt. Sie wurde gemobbt, trotz guter Noten empfahlen ihre Lehrerinnen und Lehrer nach der sechsten Klasse den Wechsel an die Hauptschule. Ein Glück, dass ihre Eltern sich darüber hinwegsetzten und sie auf dem Gymnasium beließen: Sie vertrauten in die Fähigkeiten ihrer Tochter und unterstützten sie mit all ihren Möglichkeiten auf dem Weg zum Abitur. Trotzdem hinterließ die Schulzeit Spuren bei Nadja Winter. Spuren in ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrem Selbstvertrauen. Denn obwohl sie den Schritt gerne gewagt hätte, fühlte sie sich einem Studium anschließend zunächst nicht gewachsen und bewarb sich kurzerhand für eine Ausbildung zur Bankkauffrau. Doch sie erhielt nur Absagen. Ein weiterer Schlag. Ihre Unsicherheit wuchs, wusste sie doch nicht, was das Richtige für sie sein könnte – denn was, so dachte sie, konnte sie schon? In ihrer Not entschied sie sich spontan für ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Neumünsteraner Altenheim. Ein Glücksgriff, wie sich herausstellen sollte, denn damit hatte sie immerhin schon einmal ihr Berufsfeld gefunden, wenn auch noch kein konkretes Ziel. Ihre anschließende Ausbil- dung zur Erzieherin verlief so gut, dass es ihr schon fast unheimlich war. Ihre Noten waren hervorragend, die Lehrkräfte lobten begeistert ihre Leistungen. „Die Erfahrung hatte ich vorher noch nie gemacht“, sagt sie. „In dieser Zeit fing ich an zu lernen, dass ich etwas kann, und auch schaffe, was ich mir vornehme. Es gibt immer einen Weg.“ „Ich mag es, mich zu fordern, mein Wissen gleich anzuwenden und so festigen zu können. Das ist total wertvoll.“ Mit dieser neu gewonnenen, noch vorsichtigen Einstellung wagte Nadja Winter endlich den Schritt in ein Bachelorstudium am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Kiel. In der Ausbildung hatte sie sich manchmal etwas unterfordert gefühlt, nun wollte sie mehr, wollte sich ausprobieren, mehr Kompetenzen hinzugewinnen. Sie stürzte sich jedoch nicht nur voller Elan in Vorlesungen und Seminare, sondern auch in einen neuen Nebenjob. Schon während ihrer Ausbildung hatte sie nebenbei in einer betreuten Grundschule gearbeitet, um ihr BAföG aufzustocken. Nun sammelte sie Erfahrungen in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung. „Ich mag es, mich zu fordern, mein Wissen gleich anzuwenden und so festigen zu können. Das ist total wertvoll.“ Um sich zusätzlich finanziell abzusichern, spielte sie mit dem Gedanken, sich für ein Stipendium zu bewerben, traute sich zunächst aber nicht – zu groß war ihre Unsicherheit. „Im ersten Semester hatte ich Supernoten, aber ich wollte lieber noch abwarten, ob das auch so weitergeht.“ Es ging so weiter, daher nahm Nadja Winter nach dem zweiten Semester allen Mut zusammen und wurde belohnt: Die Friedrich-Ebert-Stiftung nahm sie auf und so entdeckte sie die Politik für sich. „Voraussetzung für die Förderung ist es, sich ehrenamtlich zu engagieren, nicht unbedingt parteipolitisch, aber das kam für mich wie gerufen.“ Denn für politische Arbeit hatte sie sich schon vorher interessiert, hätte es aber niemals gewagt, in eine Partei einzutreten. ➢ campusmagazin 27 Die Zusage für das Stipendium war für sie der Auslöser, „es einfach mal zu riskieren“. Ein Volltreffer, ihre Begeisterung für politische Aspekte nahm zu. Inzwischen hat Nadja Winter einige Ämter inne: Sie ist stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende in Neumünster, im Landesparteirat, im Sozial- und Gesundheitsausschuss der Stadt, Beisitzerin in ihrem Ortsverein und hat im zweiten Jahr den JUSO-Vorsitz übernommen. „An der Schnittstelle zur Politik habe ich vielleicht eher die Chance, Überzeugungsarbeit zu leisten.“ An der FH Kiel macht Nadja Winter heute ihren Master im Studiengang Forschung, Entwicklung, Management mit dem Schwerpunkt Rehabilitation/Gesundheit und möchte sich damit nicht zuletzt die Möglichkeit zur Promotion offenhalten. Den Job in der sozialpsychiatrischen Einrichtung hat sie ganz bewusst gegen eine Anstellung im Ministerium getauscht: „Ich wollte aus der direkten Klientenarbeit heraus, weil ich mehr erreichen möchte.“ Außerdem, hat sie erkannt, würden ihr die schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen in der Sozialen Arbeit auf Dauer zu schaffen machen. Also arbeitet sie lieber ‚auf der anderen Seite‘, auf der Verwaltungsebene. „An der Schnittstelle zur Politik habe ich vielleicht eher die Chance, Überzeugungsarbeit zu leisten und dazu beizutragen, dass sich die Rahmenbedingungen auf Dauer zum Positiven entwickeln.“ Nach ihrem Studium möchte sie gerne im Ministerium bleiben, dazu muss sie vorausschauend vorgehen. Und so absolviert Nadja Winter dort seit November 2014 studienbegleitend ihre staatliche Anerkennung. 19,2 Stunden wöchentlich ist sie in der Abteilung Gesundheit beispielsweise beteiligt am Psychiatriebericht – einer kürzlich begonnenen Bestandserhebung aller psychiatrischen Angebote in Schleswig-Holstein – und der Fachaufsicht im Maßregelvollzug, arbeitet an der Krebsregistrierung oder in Arbeitsgruppen mit, plant und organisiert Sitzungen, erstellt Verordnungen. 28 viel. ausgabe elf Ihre drei „Jobs“ bescheren ihr einen vollen Tagesablauf. Dass sie morgens gegen sieben Uhr das Haus verlässt und nicht vor sechs Uhr, sondern eher noch später zurückkehrt, ist für Nadja Winter inzwischen normal. „Phasenweise finde ich es selbst schon grenzwertig“, gibt sie zu. Der Spagat zwischen ihren vielen Aufgaben kostet nicht nur Zeit, sondern auch die ein oder andere Freundschaft. „Einige sind nicht damit klargekommen, dass ich so wenig Freizeit habe. Das ist natürlich schade“, bedauert sie, „andererseits weiß ich nun, wer meine wahren Freundinnen und Freunde sind.“ Um bei diesem Arbeitspensum den Überblick zu behalten, braucht es Selbstdisziplin, Eigeninitiative und Organisationsfähigkeit und daran mangelt es Nadja Winter nicht. „Nicht mehr“, sagt sie lächelnd und räumt ein: „Früher war ich eher unstrukturiert und musste erst in diese Situation reinwachsen. Aber ich habe es gelernt, denn nur so funktioniert es.“ Bei keiner ihrer Aufgaben möchte Nadja Winter zurückstecken, daher ist gute Planung ihr A und O. Was sie erledigen kann, erledigt sie „Früher war ich eher unstrukturiert und musste erst in diese Situation reinwachsen.“ lieber sofort und verschafft sich dadurch manchen Vorteil. Ihre Bachelorthesis schrieb sie in drei Wochen, die Gliederung hatte sie schon weit vorher fertig – wusste sie doch, dass sie vor dem Abgabetermin mitten im Wahlkampf stecken würde. Irgendetwas kann bei Nadja Winter immer dazwischenkommen, deswegen arbeitet sie schon jetzt an ihrer Masterthesis, auch wenn sie sie erst im Herbst 2016 abgeben wird. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, will sie es auch erreichen. Trotzdem freut sie sich auf ruhigere Zeiten. Bei diesem Arbeitspensum bleiben Selbstzweifel manchmal nicht aus. Denn zurzeit tanzt sie auf allen möglichen Hochzeiten, das weiß Nadja Winter. „Zeitweise frage ich mich, ob ich allen Aufgaben überhaupt gerecht werde und gleichzeitig, ob ich nicht noch mehr rausholen könnte. Ich bin zum Beispiel oft gezwungen, erst kurz vor meinen Prüfungen mit dem Lernen zu begin- Foto: Carsten Wiegmann Ministerpräsident Torsten Albig und Nadja Winter (r.) bei der Regionalkonferenz zum Thema „Versprochen. Gehalten!“ der SPD-Landtagsfraktion in Neumünster im Februar 2015 nen. Das bleibt natürlich nicht so hängen, als hätte ich kontinuierlich dabei bleiben können.“ Da hilft es ihr auch nicht, dass die guten Ergebnisse ihrer Arbeiten für sich sprechen – sie ist eben wissbegierig. „Mehr Zeit investieren und so tiefer in manche Themen einsteigen zu können, wäre schon schön. Aber ich weiß, dass es nicht anders geht. Wenn ich das alles will – und das will ich –, läuft es auf einen Kompromiss hinaus.“ Ein Kompromiss, der sie jedoch bereichert – mit jedem Tag gewinnt sie an Erfahrungen und Kompetenzen. Sie baut sich ein großes Netzwerk auf, nutzt die Chance, interdisziplinär zu arbeiten. „Ich lerne so viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen kennen“, sagt Nadja Winter. In ihrem Studium beschäftigt sie sich mit zahlreichen Disziplinen – Recht, Medizin oder Psychologie. „Alles Wissensbestände, die wir Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Blick behalten und berücksichtigen müssen. Unsere Arbeit ist multiperspektivisch geprägt. Das ist mit der Zeit in mich übergegangen und das ist gut, denn so muss ich nicht lange nachdenken, sondern handle einfach.“ Zusätzlich erhält sie einen Einblick in politische und verwaltungstechnische Prozesse und in deren Zusammenspiel. „Vorausschau- end zu handeln und die nächsten Schritte immer im Hinterkopf zu behalten, lerne ich mit jedem Tag besser.“ Auch dabei kommt ihr nun zugute, was sie im Studium gelernt hat: Entscheidungen zu hinterfragen und zu reflektieren. „Auf beiden Seiten werden teilweise so widersprüchliche Beschlüsse gefällt, dass ich mir darüber einfach Gedanken machen muss, um reagieren zu können.“ Bei ihrer Arbeit und auch im Privatleben ethisch zu handeln und andere Menschen zu berücksichtigen, ist ihr sehr wichtig. „Denn nur, weil man etwas kann, muss man es nicht machen, wenn man anderen damit schadet“, findet sie. „Trotz mancher Schwierigkeiten habe ich immer irgendwie die richtige Entscheidung getroffen.“ Nach dem holprigen Start in ihrer Jugend ist sich Nadja Winter sicher, auf dem richtigen Weg zu sein – dafür arbeitet sie jeden Tag hart. Mittlerweile scheint ihre frühere Unsicherheit nur noch selten durch. „Es war aber viel Glück dabei“, betont sie. „Trotz mancher Schwierigkeiten habe ich immer irgendwie die richtige Entscheidung getroffen.“ Katja Jantz campusmagazin 29 Titelthema KOMPETENT MIT CAMPUS RADIOAKTIV RAUS AUS DEN FEDERN 30 viel. ausgabe elf „Achtung Aufnahme“ – jeden Donnerstagmorgen leuchtet das rote Schild im Gang vor dem Tonstudio am Fachbereich Medien. Denn dann sendet das Campusradio der FH Kiel live über die Frequenz des Offenen Kanals Kiel (101.2). Die Studierenden Annemarie Nielsen und Malte Lorenz gehören zum Radioteam und legen sich in ihrer Freizeit ins Zeug, um ihrer Hörerschaft jede Woche ein studentisches Programm aus Musik und journalistischen Beiträgen zu bieten. N och zehn Sekunden – Achtung Mikros!“ „ warnt Medienstudent Andreas Diekötter, während er die Lautstärkeregler vor sich nach oben schiebt. Schlagartig verstummen das Gemurmel und Gelächter seiner zehn Kommilitoninnen und Kommilitonen im Tonstudio. Die Mikrofone sind offen, Annemarie Nielsen und Malte Lorenz, die heute für die Moderation zuständig sind, setzen sich große geschlossene Kopfhörer auf und sind startklar. Aus den Lautsprechern flötet der Musikjingle: „Mit Campus RadioAktiv raus aus den Federn!“ Pünktlich um Punkt acht Uhr beginnt die Sendung. Tobias Hochscherf, Professor für audiovisuelle Medien am Fachbereich Medien, hat die wöchentliche Radiosendung vor sechs Jahren zur regelmäßigen Veranstaltung gemacht, denn wichtig für die Lehre, sagt er, sei vor allem der Anwendungsbezug. Das Campusradio ist eine von vielen Möglichkeiten, die die FH Kiel ihren Studierenden bietet, um Studieninhalte sofort praktisch umzusetzen. Dazu gehören in diesem Fall sowohl die journalistische Aufbereitung der Beitragsthemen und die vorherige Recherche als auch die technische Tonbearbeitung. „Die Studierenden arbeiten eigenverantwortlich und bestimmen die Inhalte der Sendungen selbst.“ So auch dieses Mal. Malte Lorenz beugt sich zum Mikrofon. „So kann ein Donnerstagmorgen losgehen“, begrüßt er die Hörerinnen und Hörer. Annemarie Nielsen fasst kurz die Themen der heutigen Sendung zusammen: Ein Computerspiele- und ein Kinofilmtipp werden dabei sein, ebenso ein journalistischer Beitrag zum Fun Run, einem Sportevent, das in der vorangegangenen Woche auf dem Nordmarksportfeld stattgefunden hat, und – wie jede Woche – das Gewinnspiel. „Aber wir wollen erstmal ein bisschen Musik machen“, sagt sie, kündigt den Song „Carry me“ vom Bombay Bicycle Club an und nimmt die Kopfhörer von den Ohren. Ist sie aufgeregt, wenn sie am Mikrofon steht? Eigentlich nicht mehr so sehr. Mit der Zeit sei sie sicherer und selbstbewusster geworden, erzählt die 22-jährige Masterstudentin. „Das erste Mal war dagegen etwas ganz anderes – da habe ich fast gestottert.“ Seit über drei Jahren ist Annemarie Nielsen beim Campusradio aktiv. Ein Semester lang hat sie pausiert, um ihre Bachelorthesis zu schreiben und sich so „auf das Wesentliche konzentriert“, wie sie es nennt. Sie moderiert aber nicht nur, sondern hilft auch bei der Produktion journalistischer Beiträge – „sammelt Töne“ und „nimmt Stimmen mit“. Diese werden zusammengeschnitten, gegebenenfalls mit einem Musikbett unterlegt oder um eine Sprecherstimme ergänzt und erzählen so eine Geschichte. Die Themen sind vielfältig – meist von regionalem oder studentischem Interesse – und reichen von Veranstaltungen an der FH bis zu Demonstrationen in der Innenstadt. Bei so etwas sei sie schon eher aufgeregt, schließlich wisse sie bei einem Interview vorher nie, ob und wie das Gegenüber reagiere. Im Tonstudio des Fachbereichs Medien läuft noch immer Musik. Die technischen Radioanlagen wurden im Frühjahr komplett erneuert und sind im mobilen Radiowagen vor Annemarie Nielsen und Malte Lorenz untergebracht. Ein Pult mit Tonreglern ist in die Holzoberfläche eingelassen – Sendungsfahrer Andreas Diekötter steuert hier die Lautstärken, startet die Musik und spielt die vorproduzierten journalistischen Beiträge ein. Drei Mikrofone hängen seitlich an Stativen, die wie überdimensional große Spinnenbeine aussehen, drei Kopfhörer direkt daneben. Das Tonstudio ist so groß, dass es zwanzig mobile Radiowagen fassen würde. Durch eine große Glasscheibe kann das restliche Radioteam die drei am Radiowagen beobachten. Die Luft ist trocken und riecht nach neuem Teppich. Dieser sorgt dafür, dass der Schall weniger stark reflektiert wird als bei ➢ glatten Bodenbelägen. campusmagazin 31 Der Monitor auf dem Radiowagen zeigt die Restlaufzeit des aktuellen Songs an. „Noch zwanzig Sekunden – Achtung Mikros!“ Es wird wieder still im Tonstudio. Annemarie Nielsen tritt vor das Mikro und wendet sich an ihren Kollegen: „Malte, Du siehst müde aus. Kann ich Dich wecken mit etwas ‚Unnützem Wissen‘?“ Sie erklärt ihm, dass Pinguine fliegen können, wenn sie auf eine Geschwindigkeit von 276 Stundenkilometer beschleunigt werden. Die Rubrik „Unnützes Wissen“ ist als auflockerndes Element fester Bestandteil jeder Radiosendung. Doch alles, was bei der Ausstrahlung so spontan und erfrischend wirkt, muss vorher recherchiert werden. Etwa 15 Studierende arbeiten aktuell hinter den Kulissen daran, die kurzweiligen Sendungen zu produzieren. „Es soll für alle Hörerinnen und Hörer etwas dabei sein.“ Vivian Braackert beispielsweise, ebenfalls Studentin am Fachbereich Medien, hat für heute den EGON vorbereitet – den „Extra Geilen On-Air Notizzettel“. Darauf ist die Sendeuhr notiert, auf der sich genau ablesen lässt, welche Inhalte wann gesendet werden. Er enthält außerdem Informationen, die Annemarie Nielsen und Malte Lorenz für ihre Moderation brauchen: Geburtstage von Prominenten, Veranstaltungstipps für Kiel und das Umland, die aktuellen Single-Charts und eben auch das „Unnütze Wissen“. „Ich achte darauf, die Inhalte gut zu mischen – die Veranstaltungstipps dürfen nicht nur Partys enthalten, auch Kulturelles gehört in die Sendung“, erklärt Vivian Braackert, „denn es soll für alle Hörerinnen und Hörer etwas dabei sein.“ Ebenfalls auf der anderen Seite der Glasscheibe sitzt Rachel Unzen am Computer und bestückt die sozialen Netzwerke mit Informationen zum Programm. Das Campusradio betreibt unter www.campusradioaktiv.de eine eigene Homepage – vor allem aber zählt Facebook zu den wichtigsten Distributionsmedien für das Campusradio. Unter facebook.com/ campusradioaktiv weist das Team einen Tag vorher auf die Sendungen hin, postet Fotos direkt aus dem Tonstudio oder gibt Informationen zum Gewinnspiel. „Die sozialen Netzwerke gewinnen auch für uns an Bedeutung“, weiß Prof. Hochscherf, „so halten wir den Kontakt zu unserer studentischen Zielgruppe, einem Nischenpublikum.“ In die zweistündige Sendung plant das Campusradio-Team neben journalistischen Beiträgen, Gewinnspielen und Musik auch zwei Serviceblöcke ein. Malte Lorenz kündigt an: „Und nun die Nachrichten mit Jennifer Bergmann.“ Die Studentin hat die Nachrichten am Vorabend vorformuliert, überarbeitet sie aber vor der Sendung noch einmal, wenn in der Zwischenzeit noch etwas Neues passiert Annemarie Nielsen (r.) und Malte Lorenz (l.) moderieren die heutige Sendung. Andreas Diekötter steuert die Musik und spielt vorproduzierte Beiträge ein. Fotos: Frederike Coring Das Campus RadioAktiv-Team mit seinem Radiowagen: Laura Gragert, Jennifer Bergmann, Lisa Oppermann, Jannis Lippisch, Prof. Dr. Tobias Hochscherf, Oliver Ujc, Andreas Diekötter, Lucas Pinnow, Frederic Schade, Annemarie Nielsen, Nele Wöhlk, Rachel Unzen, Malte Lorenz, Florian Retiet und Vivien Braackert (v. l.). ist. Für die Hörerinnen und Hörer sind dabei vor allem lokale und regionale Themen interessant, außerdem bildungspolitische Inhalte und Sport. Die beruflichen Anforderungsprofile und Aufgabenbereiche in Radioredaktionen sind vielfältig und das Campusradio soll diese möglichst realitätsgetreu widerspiegeln. „Es gibt weit mehr als Moderatorinnen und Moderatoren, Nachrichtensprecherinnen und -sprecher und Programmdirektorinnen und -direktoren“, sagt Oliver Ujc, der das Projekt Campusradio als Hiwi betreut. „Es müssen Beiträge produziert werden, es gibt eine Musikredaktion, die Struktur der Sendung muss durchdacht sein und außerdem braucht der Sender Verpackungselemente wie Trailer und Jingles, die ihm nach außen ein ‚akustisches Gesicht‘ verleihen.“ Er hat das Ziel, den Studierenden den kompletten Ablauf eines Radiosenders nahezubringen. „So haben sie später im Berufsleben gute Chancen, weil sie schnell eingesetzt werden können.“ Und er möchte den Enthusiasmus weitergeben, den er selbst beim Radiomachen verspürt – denn das sei zwar viel Arbeit, aber allem voran mache es wahnsinnig viel Spaß. Und das nicht nur im Tonstudio, auch außerhalb der Fachhochschule unternehmen die Studierenden viel gemeinsam, um das Teamgefühl zu stärken. Dass es trotzdem nicht leicht wird, nach dem Studium in der Radiowelt Fuß zu fassen, weiß Malte Lorenz schon jetzt. Der Wandel in der Medienbranche hin zum digitalen Zeitalter zwingt auch die Radiosender zum Umdenken: Sie müssen kostengünstiger produzieren, können immer weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest anstellen und so sind befristete Arbeitsverhältnisse und freie Mitarbeit gang und gäbe. Der 38-Jährige möchte es trotzdem versuchen. „Die Arbeit am Mikro wäre ein Traum, ich kann mir aber auch vorstellen, in der Tonbearbeitung oder im Schnitt zu arbeiten.“ Sein Studiengang Multimedia Production liefere ihm dafür die besten Voraussetzungen, denn die Inhalte seien breit gefächert und so könne er schon jetzt Einblicke in viele Aufgabenbereiche gewinnen. „Mitmachen dürfen alle, technische Vorkenntnisse sind nicht nötig.“ Für die Zukunft des Campusradios wünschen sich die Teammitglieder vor allem Zuwachs aus anderen Fachbereichen. „Mitmachen dürfen alle, technische Vorkenntnisse sind nicht nötig. Und wir freuen uns, wenn Studierende aus anderen Fachbereichen ihre Themen mitbringen“, sagt Malte Lorenz. Nach zwei Stunden Sendezeit setzen sich Annemarie Nielsen und Malte Lorenz für heute ein letztes Mal die Kopfhörer auf und verabschieden sich von ihren Hörerinnen und Hörern: „Wir hoffen, euch da draußen hat es Spaß gemacht heute. Uns hat es auf jeden Fall Spaß gemacht. Bis zum nächsten Donnerstag!“ Sendungsfahrer Andreas Diekötter zieht die Regler für die Mikrofone nach unten, die Aufnahmelampe im Gang vor dem Tonstudio erlischt. i Das Campusradio sucht neue Teammitglieder aus allen Fachbereichen. Wer interessiert ist, kann donnerstags im Tonstudio (Gebäude 12, Raum 0.20) vorbeikommen oder sich unter facebook.com/campusradioaktiv melden. Stephanie Degenhart, Studentin campusmagazin 33 Titelthema KOMPETENT DAS GANZ DICKE BRETT BOHREN 34 viel. ausgabe elf In der Digitalen Fabrik produzieren intelligente Maschinen weitgehend automatisch das, was sich Kundinnen und Kunden wünschen und kümmern sich zudem um die Beschaffung des Materials und die Auslieferung der Produkte. Das Institut für CIM-Technologietransfer (CIMTT) an der FH Kiel will im Sommer 2016 seine Werks-Tore für Studierende aus dem Maschinenwesen und der Elektrotechnik öffnen und sie dazu einladen, bei der nächsten industriellen Revolution dabei zu sein. D ie Dinge, die uns durch den Tag begleiten – vom Radiowecker über die elektrische Zahnbürste, die Kaffeemaschine und das Smartphone bis hin zum Auto – haben eines gemein: Sie kommen aus Fabriken. Doch seit Henry Ford vor mehr als 100 Jahren mit der Fließbandfertigung den Automobilbau perfektionierte, der die Vorstellung vieler von industriellen Abläufen prägt, hat sich einiges getan. Heute sind es im Wesentlichen hochspezialisierte oder auch extrem flexible Maschinen, verknüpft in langen Prozessen und gesteuert durch eine Vielzahl von Programmen, die Werkstücke fertigen, montieren und verpacken. Dabei zwingen die hohen Arbeitskosten die Unternehmen in Deutschland dazu, immer effektiver und effizienter zu produzieren, um auf dem Weltmarkt überleben zu können. Hersteller, die jenseits kleiner Nischen bestehen wollen, müssen ihre Produktionsprozesse einschließlich der erforderlichen Software perfektionieren und dabei viel weiter denken als von Werkstor zu Werkstor. Von der Konzeption eines neuen Produkts über die Fertigung bis hin zur Bestellung und Auslieferung an die Kundinnen und Kunden müssen alle Schritte einem makellosen Prozess folgen. Das Institut für CIM-Technologietransfer an der FH Kiel entwickelt diesen Prozess und tritt den Beweis an, dass er funktioniert. „Was wir hier entwickeln, hilft vorrangig kleinen und mittelständischen Unternehmen.“ Prof. Dr. Henning Strauß, der seit Oktober 2014 eine Professur am Fachbereich Maschinenwesen an der FH Kiel innehat, versucht mit einem Beispiel zu erklären, wie komplex Fertigung und Prozesse heute sind: „Bestellen Sie sich im Internet ein Paar Markenturnschuhe. Da wählen Sie ein Modell, das Ihnen gefällt und suchen sich eines von drei Obermaterialien und die Lieblingsfarbe aus. Anschließend bestimmen Sie dann, ob die Sohle einfarbig oder transparent sein soll und schließlich die Botschaft, die in der Wunschfarbe auf die Ferse gestickt wird. Sie bezahlen digital mit der Kreditkarte und können per Auftragsnummer verfolgen, wann die Schuhe geliefert werden. Fragen Sie sich, wie der Hersteller dafür sorgt, dass das alles klappt – und glauben Sie mir, es klappt.“ Die Lösung liegt in der Digitalen Fabrik, einem Bereich, der künftig auch im CIMTT der FH Kiel vertreten sein wird und um den sich der 40-Jährige kümmert. In einer Digitalen Fabrik werden alle Schritte der Produktion digital abgebildet. Liegen alle relevanten Informationen vor, ist eine reibungslose Kommunikation zwischen den verschiedenen Etappen einer Produktion möglich: Die persönlichen Design-Entscheidungen für die Schuhe werden an die Server des Herstellers übertragen. Ist die Bezahlung erfolgt, können die Daten direkt in die Produktion und durch die Maschinen fließen, bis schließlich das Entgegennehmen des Pakets an der Haustür den Auftrag im Hersteller-System als „erfolgreich abgearbeitet“ markiert. Das ist zumindest der Idealfall – das Digitale ist Voraussetzung, aber kein Garant für die reibungslosen Abläufe. In der Digitalen Fabrik der FH Kiel kommt an dieser Stelle Prof. Dr. Christoph Wree ins Spiel, der sich am CIMTT unter anderem um Fragen der digitalen Infrastruktur kümmert. Der 41-Jährige hat eine Professur am Institut für Elektrische Energietechnik, aber wie seinen Kollegen liegt auch ihm zusätzlich die CIMTT-Arbeit am Herzen. „Was wir hier entwickeln, hilft vorrangig kleinen und mittelständischen Unternehmen – und die machen die Mehrzahl der Arbeitgeber in Schleswig-Holstein aus. Vor allem aber wollen wir unseren Studierenden vermitteln, dass sie über die Grenzen ihres Fachbereichs hinausblicken und hinauswachsen müssen.“ ➢ campusmagazin 35 Alteingesessene Betriebe haben es manchmal schwer mit dem Digitalen, weiß Prof. Wree, denn Neues ist nicht nur teuer, sondern häufig auch aufwendig zu integrieren. „Sie können nicht einfach Hightech neben eine Maschine aus den 1970er Jahren stellen und dann erwarten, dass die Geräte sich miteinander verstehen und die Produktion beflügeln.“ Prof. Wree untersucht und lehrt den Umgang mit Schnittstellen, mithilfe derer eine Kommunikationsinfrastruktur geschaffen werden kann, die alte wie neue Maschinen effizient verbindet und so die Anschaffungskosten für die Unternehmen reduziert. In der Digitalen Fabrik lernen die FH-Studierenden, wie technologische Innovationen schrittweise in bestehende Szenarien eingebracht werden können und den gesamten Prozess verbessern. Prof. Manfred Fischer vom Fachbereich Maschinenwesen setzt sich seit 20 Jahren mit der Digitalisierung in Entwicklung und Konstruktion auseinander, der Planung und Gestaltung von Werkstücken und Produkten am Computer. Er hat die digitale Revolution miterlebt, den Sprung vom Reißbrett auf den Monitor und die in die Tiefe des Raumes. Heute ist es selbstverständlich, dass Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Designerinnen und Designer am Computer 3-D-Objekte entwerfen, die weit am Anfang der Produktionskette der Digitalen Fabrik stehen. Für Studierende ist CAD-Software heute das Handwerkszeug mit dem sie ab dem ersten Semester arbeiten. Die fünf Professoren hinter der Digitalen Fabrik: Christoph Wree, Bernd Finkemeyer, Manfred Fischer, Henning Strauß und Ralf Gläbe (v. l.). „Wir wollen die Studierenden aus dem Maschinenbau und der Elektrotechnik zusammenbringen, denn für eine reibungslose Produktion sind sie auch im Beruf aufeinander angewiesen.“ 36 viel. ausgabe elf Damit auch unter ungünstigen Bedingungen oder bei Störungen in der Digitalen Fabrik alles nach Plan läuft, reicht ein Notfallplan nicht aus. Die Maschinen müssen intelligent sein, Situationen und Zustände erfassen und sich selbst neu organisieren. Prof. Dr. Bernd Finkemeyer kümmert sich um die Roboter, die in der Digitalen Fabrik arbeiten, darunter zum Beispiel ein Arm mit sieben Gelenken. Dieser Roboter könnte in der Schichtpause gegen den Werksleiter Mühle spielen, wenn es in der Digitalen Fabrik denn Pausen für die Maschinen gäbe. „Eine clevere Programmierung sorgt dafür, dass ein Roboter unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen kann. Er ist in der Lage, Umweltreize zu interpretieren, beispielsweise die Kräfte, die auf ihn einwirken“, erklärt der 43-Jährige vom Fachbereich Maschinenwesen. Wenn die komplexen Algorithmen der Digitalen Fabrik melden, dass eine neue Fuhre Rohmaterialien angeliefert wird, kann er sich entscheiden, ob er zum Ausladen gebraucht wird. Bei guter Programmierung trifft er die richtige Entscheidung: Er hilft bei der Verladung, weil die aktuelle Produktion keinen Zeitdruck hat und ein zweiter Roboter während des drohenden Leerlaufs gewartet werden kann und die gegenüberliegende Produktionsstraße in der Zeit andere Bauteile fertigt, die am Folgetag ohnehin benötigt werden. In der Digitalen Fabrik an der FH Kiel werden später in jeder Produktionsstufe Leitstellen mit berührungsempfindlichen Bildschirmen stehen, über die Studierende die Arbeitsabläufe einsehen und justieren können. Wie wichtig die Studierenden für diesen FH-Bereich sind, betont Prof. Dr. Ralf Gläbe, seit 2014 geschäftsführender Direktor des CIMTT. Mit der Rückendeckung des Präsidiums entwickelt der Fertigungstechniker dort gemeinsam mit seinen Kollegen das Konzept für die Digitale Fabrik der FH. Er will, dass sie im Sommer 2016 endlich produziert und die Studierenden die Werkshalle mit Leben füllen. Sie sollen dort mithilfe von CAD-Werkzeugen ein modular aufgebautes Produkt mit mechanischen und elektronischen Funktionen gestalten, die Maschinen für die Fertigung programmieren, die Produktion organisieren und automatisieren, bis sie am Ende des Studiums in der Digitalen Fabrik hocheffektiv ihr eigenes Produkt fertigen lassen. Der Patentantrag ist in Vorbereitung. Fotos: Frederike Coring „Der interdisziplinäre Ansatz ist uns allen wichtig“, so der 49-Jährige. „Wir wollen die Studierenden aus dem Maschinenbau und der Elektrotechnik zusammenbringen, denn für eine reibungslose Produktion sind sie auch im Beruf aufeinander angewiesen. Nur wenn sie die Bedürfnisse und Anforderungen der anderen kennen und diese in ihre Planung mit einbeziehen, arbeitet die Digitale Fabrik effektiv.“ Prof. Gläbe wünscht sich, dass noch andere Fachbereiche an der Digitalen Fabrik mitarbeiten, schließlich geht es auch um Logistik, wirtschaftliche Aspekte, Marketing und vieles mehr. Langfristig wünscht er sich, dass die Digitale Fabrik aus dem Curriculum herauswächst und zu einem eigenen Studiengang wird – nicht um Studierende mit einem klangvollen Namen zu locken, sondern um dem komplexen Thema gerecht zu werden. Doch bis dahin ist es noch weit, weiß Gläbe, der das Projekt Digitale Fabrik bescheiden als „zartes Pflänzchen“ bezeichnet, das viel Pflege bedarf. „Wir sind glücklich, dass uns das Präsidium bei unseren Plänen nach Kräften unterstützt. Ohne diese Rückendeckung würden alle unsere Bemühungen ins Leere laufen.“ Dass die Digitale Fabrik der richtige Weg ist, dass darin sowohl die Zukunft industrieller Fertigung als auch die Grundlage für ein modernes Curriculum liegt, darüber sind sich alle beteiligten Professoren einig. Auf dem Kieler Ostufer können Studierende von Sommer 2016 an lernen und mitgestalten, wie diese Zukunft aussehen soll. Mit dem gewonnenen Know-how soll dann auch die regionale mittelständische Industrie in ihrem Bestreben unterstützt werden, digitaler zu werden. Gläbe und seine Mitstreiter wollen an der Fachhochschule das ganz dicke Brett bohren. Vollautomatisch, versteht sich. Joachim Kläschen In einer Digitalen Fabrik werden alle Schritte der Produktion digital abgebildet. Im Sommer 2016 sollen Studierende die Werkshalle mit Leben füllen. Titelthema KOMPETENT 38 viel. ausgabe elf Foto: FKT/Lisa Campbell DAS ZIEL IMMER VOR AUGEN Auf der Suche nach Praktika, Thesis-Stellen oder dem Direkteinstieg ins Berufsleben strömen jedes Jahr am ersten Mittwoch im November Tausende Studierende zum Mehrzweck- sowie Großen Hörsaalgebäude der Fachhochschule Kiel, den Zentren des Firmenkontakttages (FKT) – der größten Jobmesse für Studierende und Unternehmen in Schleswig-Holstein. Vor ihnen liegt ein chancenreicher Tag, den ein kleines interdisziplinäres Team neben dem Studium auf die Beine stellt. Bereits Monate zuvor fällt für die jungen Frauen und Männer der Startschuss für die Vorbereitungen. Bis zum finalen Ergebnis liegt eine intensive und lehrreiche Zeit vor ihnen, wie die beiden Teammitglieder Janine Butenberg und Fabian Weißhaupt, Bachelorstudierende der Betriebswirtschaft sowie Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation, erfahren haben. Eine Zeit, in der sie das gemeinsame Ziel immer vor Augen haben – die erfolgreiche Durchführung des FKT. Laura Berndt: Wer steckt genau hinter dem FKT? Fabian Weißhaupt: Wir sind aktuell 13 Studierende – acht männliche und fünf weibliche –, von denen einige bereits zum wiederholten, andere zum ersten Mal mit dabei sind. Die meisten kommen aus den Fachbereichen Wirtschaft und Medien, gefolgt von Maschinenwesen sowie Informatik und Elektrotechnik. Agrarwirtschaft sowie Soziale Arbeit und Gesundheit sind in diesem Jahr leider nicht vertreten, was wirklich schade ist, denn schließlich ist der FKT eine Veranstaltung für alle Studierenden der Fachhochschule, daher sollten im Idealfall auch die Interessen der sechs Fachbereiche durch mindestens eine Vertreterin oder einen Vertreter im Team abgedeckt werden. Wir werben immer um eine breite Beteiligung und haben im kommenden Jahr vielleicht wieder eine ganz neue Konstellation. Janine Butenberg: Diese Vielfalt hat manche Vorteile – nicht nur in puncto kreativem Input, sondern auch auf menschlicher Ebene. Denn unterschiedliche Charaktere bereichern die Gruppendynamik ungemein. Im vergangenen Jahr hatten wir zum Beispiel eine Studentin des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit im Team, die unsere teilweise verrückten Ideen durch ihre Bodenständigkeit hin und wieder mit viel Einfühlungsvermögen zu bremsen wusste und uns so dazu gebracht hat, uns auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Wie würden Sie die Zusammenarbeit in der Gruppe beschreiben? Butenberg: Harmonisch, freundschaftlich und gleichberechtigt. Unser Team gliedert sich in sechs Bereiche, Leitung, Medien/PR, Marketing, Location, IT und Finanzen. Innerhalb dieser verfahren wir nach dem Junior-Senior-Prinzip. Das heißt, ein älteres Mitglied arbeitet stets mit einem jüngeren zusammen, um Erfahrungen und Wissen aus den Vorjahren weiterzugeben. Hört der Senior auf, kann der Junior die Arbeit problemlos fortführen. Bei dieser Struktur könnte schnell der Gedanke entstehen, dass es eine Rangordnung gibt. Aber im Gegenteil: Wir befinden uns auf einer Augenhöhe. Jede Idee findet Gehör, wir unterstützen uns, treffen Entscheidungen gemeinsam und meistern auch Hindernisse im Team. Was müssen Sie im Vorfeld alles leisten? Weißhaupt: Viele wundern sich, wie viel Arbeit in der Organisation dieses einen Tages tatsächlich steckt und sind überrascht, dass wir bereits im März mit den Vorbereitungen beginnen. Wenn neue Mitglieder hinzugekommen sind, lernen wir uns erst einmal gegenseitig kennen und teilen dann die jeweiligen Arbeitsbereiche auf. Anschließend erstellen wir ein Konzept für den FKT, das wir mit dem Präsidium in einer Auftaktveranstaltung abstimmen. Einmal wöchentlich treffen wir uns in der großen Gruppe, darüber hinaus vereinbaren die einzelnen Teams Extratermine. Dabei stecken wir in mal mehr, mal weniger intensiven Planungsphasen, unser Studium steht dabei im Vordergrund. ➢ campusmagazin 39 Butenberg: Als nächstes gehen die Einladungen an die Unternehmen raus, die sich bis Ende Juni anmelden können. Dabei greifen wir auf einen großen Pool aus circa 300 Firmen zurück, die zumeist aus den Bereichen Wirtschaft und Maschinenwesen kommen. Wir betreiben übrigens nur wenig Kaltakquise. Der FKT ist in Norddeutschland inzwischen so bekannt, dass Unternehmen in der Regel auf uns zukommen. Nach dem Anmeldeschluss beginnt die heiße Phase: Erstellung eines Messestandplans und einer -broschüre, Aktualisierung und Betreuung der Webseite und der Social-Media-Kanäle, Planung und Durchführung der Marketingmaßnahmen, Bestellung des Werbematerials, Mieten der Räumlichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit – das sind nur einige der Dinge, die auf unserem Plan stehen. Werden Sie in Ihrer Arbeit seitens der Fachhochschule unterstützt? Butenberg: Die Verantwortung für den FKT, der ein Projekt der Forschungs- und Entwick- lungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH ist, liegt bei Dr. Gerd Küchmeister, dem Technologietransferbeauftragten der Hochschule. Wir dürfen sehr eigenständig arbeiten, wichtige Entscheidungen, wie finanzielle Belange, laufen jedoch über seinen Tisch. Er ist für uns aber auch eine große moralische Unterstützung, jederzeit ansprechbar, nimmt bei Bedarf an unseren Treffen teil und sagt uns ehrlich, wo wir Grenzen erreichen und welche Ideen nicht umsetzbar sind. Wir profitieren von seinen Erfahrungen. Weißhaupt: Von den Hausmeistern bis hin zum Präsidenten, alle helfen uns gerne bei Fragen und haben gute Anregungen für uns. Wir versuchen auch, die Lehrenden zunehmend für uns zu gewinnen, damit sie uns in Zukunft noch mehr unterstützen, indem sie in ihren Vorlesungen auf den FKT hinweisen, ihre Studierenden darin bestärken, sich vorab über die Unternehmen zu informieren, sich auf den Besuch vorzubereiten und direkt auf Firmenvertreterinnen und -vertreter zuzugehen. Foto: privat WENN SICH TÜREN ÖFFNEN Christian Bergert (30), IT-Consultant und Softwareentwickler 40 viel. ausgabe elf „Als Student des Bachelorstudiengangs ‚Informationstechnologie und Internet‘ hat mich das breite Leistungsspektrum des Kieler IT-Dienstleisters Consist auf dem FKT sofort überzeugt und dazu bewogen, mich dort auf einen Praktikumsplatz zu bewerben – mit Erfolg. Meine Studienerfahrungen in puncto Java und Softwareengineering sprachen sicherlich genauso für mich wie meine Kenntnisse über die Programmierung von Android-Smartphones. Letztere konnte ich bei meiner Praktikumsaufgabe einsetzen, die schließlich zur Grundlage meiner Thesis wurde: die Entwicklung von Synchronisationsverfahren mobiler Softwaresysteme am Beispiel einer Android-App. Sechs Monate lang erhielt ich einen Einblick in die Praxis und wurde durch einen Mentor intensiv betreut. Und dann kam das Angebot – der Direkteinstieg ins Unternehmen als Consultant und das, obwohl ich mein Studium gerade erst beendet hatte. Ein tolles Gefühl! Auch als Berufsanfänger hat mich das Consist-Team immer unterstützt und gefördert. Ich hatte die Möglichkeit, unterschiedliche Technologien kennenzulernen, mich durch Zertifikate weiterzubilden und mich in Projekten bei weltweit agierenden Kundinnen und Kunden zu engagieren. Genauso einen anspruchsvollen und abwechslungsreichen Job hatte ich mir während meines Studiums immer gewünscht. Mittlerweile hat es mich zu einem Startup nach Berlin verschlagen, für die Chancen, die sich mir durch den Firmenkontakttag geboten haben, bin ich allerdings bis heute dankbar.“ Foto: FKT/Lisa Campbell Trotz der Unterstützung haben Sie eine Menge zu tun und durch Ihr Engagement im FKT-Team vermutlich weniger Freizeit. Warum haben Sie sich dennoch für die Mitarbeit entschieden? Butenberg: Hauptsächlich, weil ich mich neben meinem Studium irgendwo sinnvoll einbringen wollte. Dass ich viele praktische Erfahrungen für meinen Studienschwerpunkt Projektmanagement sammeln kann, ist ein toller Nebeneffekt. Ich bin zum zweiten Mal dabei und dieses Jahr vom Team Finanzen in die Leitung gewechselt. So kann ich mir noch mehr Fähigkeiten aneignen, die mir später im Berufsleben zugutekommen: Ich muss Aufgaben koordinieren und delegieren, den Überblick behalten, Probleme erkennen, Lösungen finden und die Gruppe zusammenhalten. Aber vom Lernfaktor mal abgesehen ist es ein unbeschreibliches Gefühl, ein halbes Jahr gemeinsam an etwas zu arbeiten und die Fortschritte sowie das gelungene Ergebnis mitzuerleben. Auf dem FKT können Studierende sich bei verschiedenen Unternehmen persönlich vorstellen und ihre Bewerbungsunterlagen abgeben. Weißhaupt: Das kann ich unterschreiben – und zum Schluss sind wir immer eine eingeschworene Truppe. Als mich die damalige Teamleitung vor knapp zwei Jahren auf eine Mitarbeit ansprach, habe ich die Chance gesehen, mich nach drei Semestern PR-Theorie in der Praxis zu erproben und anzuwenden, was ich bis dato gelernt hatte. Seitdem arbeite ich im Team Medien/PR, schreibe unter anderem ➢ Foto: Hartmut Ohm Spätestens wenn sich ihr Studium dem Ende nähert, machen sich Studierende Gedanken über ihre Zukunft und ihren Berufswunsch und fragen sich, welches Unternehmen dazu passen könnte. Antworten darauf können sie seit einigen Jahren auf dem Firmenkontakttag der Fachhochschule Kiel finden. Wie erfolgreich der Besuch der Messe verlaufen kann, zeigen zwei Beispielgeschichten. Svenja Schwerdtfeger (26), Masterstudentin Betriebswirtschaftslehre „Mir war es wichtig, den Messeausstellerinnen und -ausstellern gut vorbereitet entgegenzutreten, deshalb habe ich mich im Vorfeld über die Unternehmen informiert, Lebensläufe und Bewerbungsmappen angefertigt und Fragen aufgeschrieben. Im Zuge meines Bachelorstudiums war ich auf der Suche nach einem Praktikum in einer Marketingabteilung und bin schließlich beim Stand der Provinzial gelandet. Genau genommen wollte ich gar nicht zu einer Versicherung, da ich bereits gelernte Kauffrau für Versicherungen und Finanzen bin, aber ich habe mich dennoch vorgestellt – zum Glück. Mein Gesprächspartner versprach, meine Unterlagen an die entsprechende Abteilung weiterzuleiten und zwei Wochen später erhielt ich tatsächlich eine E-Mail und das Angebot über ein fünfmonatiges Praktikum in der Marketingabteilung Marktbearbeitung Nord. Mein motiviertes Auftreten und mein Werdegang – von der Hauptschule zum Fachabitur und Studium – hatten überzeugt. Während des Praktikums hatte ich die Chance, unterschiedliche Abteilungsbereiche, wie Eventmarketing, Sponsoring oder Verkaufsförderung, kennenzulernen. Außerdem konnte ich in bestimmte Themengebiete, wie die Erstellung eines Rechnungsbeilegers oder die Betreuung des Außendienstes, tiefer einsteigen. Mit meiner Leistung waren die Vorgesetzten so zufrieden, dass ich direkt im Anschluss und auch während meines Masterstudiums als Werkstudentin weiter im Unternehmen arbeiten durfte.“ campusmagazin 41 Durch die Arbeit im FKT-Team lernen Sie vieles für Ihr späteres Berufsleben. Aber welche Fähigkeiten mussten Sie bereits mitbringen? Weißhaupt: In diesem Fall kann ich wohl für unsere gesamte Projektgruppe sprechen; Teamfähigkeit ist eindeutig die Schlüsselkompetenz. Eine solche Veranstaltung lässt sich nicht realisieren, wenn nicht alle an einem Strang ziehen. Jedes Mitglied muss anderen gegenüber offen sein, sich einbringen, aber auch an manchen Stellen zurücknehmen, kooperativ sein und Interesse an einem gemeinsamen Ergebnis haben. Wer das mitbringt, ist bei uns richtig und hat die Möglichkeit sich auszuprobieren – egal ob in der eigenen Komfortzone oder auf einem vollkommen neuen Gebiet. So müssen Wirtschaftsstudierende sich zum Beispiel bei uns nicht unbedingt um die Finanzen oder das Marketing kümmern, sondern können auch in die Öffentlichkeitsarbeit reinschnuppern. Gemeinsam stellen sie den Firmenkontakttag 2015 auf die Beine: Annemarie Nielsen, Yannik Schumacher, Fabian Weißhaupt, Max Mende, Janine Butenberg, Felix Schammer, Natali Fricke, Maikel Sudau.(v. l.) Es fehlen: Yves Schumann, Jana Aouci, Marlena Rohlf, Philipp Selle und Rik Fisser. Wie sicher fühlen Sie sich mittlerweile in Ihrem Aufgabenbereich? Butenberg: Ich bin selbstbewusst genug gewesen, um die Herausforderungen, die die Position der Teamleiterin mit sich bringt, anzunehmen. Nichtsdestotrotz war ich am Anfang – es ist inzwischen besser geworden – unsicher, weil ich um die Verantwortung wusste; schließlich muss der FKT am Ende stattfinden, da soll natürlich alles gelingen. Niemand beherrscht neue Aufgaben von Beginn an perfekt, wir alle müssen in diese erst hineinwachsen. Ich befinde mich nach wie vor in einem Lernprozess – und vielleicht bin ich irgendwann an dem Punkt angekommen, an dem ich mich absolut sicher fühle. Auf der anderen Seite kommt es immer wieder zu unerwarteten Situationen. Weißhaupt: Hundertprozent sicher bin auch ich nicht, dazu fehlt mir die jahrelange Erfahrung. Ich fühle mich aber wohl mit meinen Aufgaben, und denke, dass ich nach außen schon eine gewisse Sicherheit ausstrahle, denn das Team vertraut mir und sucht auch meinen Rat. Prinzipiell würde ich sagen, dass mir einige Erfahrungen im Vorfeld, wie mein abgeschlossenes Radio-Volontariat, die Aufgaben erleichtert haben. Redaktionelle Abläufe sind mir bekannt und ich habe ein gewisses journalistisches Gespür entwickelt. Das hat mir jedoch nicht die Aufregung genommen, als ich dem Präsidium zum ersten Mal bei der Präsentation unseres Konzepts gegenüber stand. Momente der Unsicherheit gibt es immer, egal in welchem Alter – und vor allem, wenn Probleme oder Herausforderungen auftreten. Wie meistern Sie diese in Ihrem Team? Butenberg: Grundsätzlich versuchen wir, sie gemeinsam anzugehen und zu überwinden. Das heißt, alle packen in schwierigen Situationen mit an und entscheiden, wenn möglich, mit. Es ist ganz natürlich, dass Fehler passieren. Aber wir lernen daraus und dann kommen sie kein zweites Mal vor. Zum Beispiel stand die frühzeitige Einladung der schleswig-holsteinischen Wissenschaftsministerin dieses Mal ganz oben auf der Agenda. Im vergangenen Jahr war uns leider nicht bewusst, dass der Terminkalender von Politikerinnen und Politikern extrem voll ist und so konnte sie zwar ein Grußwort für die Messebroschüre beisteuern, aber nicht persönlich anwesend sein. Ich denke, dass wir mit jedem FKT erfahrener werden und vor allem besser mit Ausnahmesituationen umgehen können – bisher hat jedenfalls noch jede Messe – dieses Jahr steht die 24. an – erfolgreich stattgefunden und das liegt vor allem daran, dass wir unser Ziel nie aus den Augen verlieren. Foto: Frederike Coring Einladungen, kümmere mich um den Internetauftritt und die sozialen Netzwerke und versuche ständig, neue Anreize für die Presse zu schaffen, um über die Messe zu berichten. Ein Thema, auf das ich dieses Mal besonders hinweise, sind unsere Ansätze zur Nachhaltigkeit. Unser Ziel ist es, einen grüneren Fußabdruck zu hinterlassen: Unsere Werbematerialien sollen künftig umweltfreundlich gedruckt werden, unsere Webseite befindet sich auf einem Green-IT-Server. M an kann mich wohl als echten Filmfreak bezeichnen. Meine Faszination zu Filmen hat mich sogar dazu gebracht, meinen Beruf zu wechseln. Nach meinem Wirtschaftsinformatikstudium habe ich einige Jahre im IT-Bereich gearbeitet, aber das war auf Dauer einfach nichts für mich. Also habe ich ein Multimedia-Production-Studium an der FH Kiel und anschließend in England meinen Master in Filmschnitt drangehängt. Heute bin ich unter anderem Lehrbeauftragter für Audio- und Videoproduktion und arbeite als Freelance Video Editor. LIEBLINGSFILM Hauke Sterner, Fachbereich Medien Die eine oder andere Beispielszene werde ich wohl in meine Lehre einbringen, denn auch nach heutigen Gesichtspunkten ist „Zurück in die Zukunft“ technisch extrem gut gemacht. Abgesehen von ein paar logischen Brüchen sind mir bisher keine großen Fehler aufgefallen. Vielleicht blende ich sie aber auch einfach aus, weil ich sozusagen „vorbelastet“ bin. Wer also welche findet, kann sie gerne behalten. Foto: Andreas Diekötter, aufgezeichnet von Katja Jantz Obwohl ich mittlerweile unglaublich viele Filme kenne, ist die „Zurück in die Zukunft“-Trilogie mein ganz klarer Favorit. Mir gefallen nicht nur die Idee mit der Zeitreise und die Running Gags, das Zusammenspiel zwischen Marty McFly und Doc Brown und die Entstehungsgeschichte, sondern ich verbinde auch viele Erinnerungen damit. Zum ersten Mal habe ich „Zurück in die Zukunft“ als kleiner Junge zusammen mit meiner Schwester gesehen. Noch heute ist besonders der erste Teil unser Lieblingsfilm; wir könnten ihn mitsprechen, wenn wir wollten. In Anlehnung an den Fluxkompensator, der die Zeitreise im Film erst möglich macht, haben wir uns beide für „FL UX“-Nummernschilder entschieden. Zu meinem 30. Geburtstag entführten mich meine Freundinnen und Freunde mit verbundenen Augen in ein Kino – sie hatten dort eine Sondervorstellung des ersten Teils organisiert. Das war das geilste Geschenk, das ich je bekommen habe. Foto: Petra Langmaack Erbstück Der Sommer ist zu Ende, die Semesterferien sind wieder einmal wie im Flug vergangen und die Studierenden strömen zurück auf den Campus der Fachhochschule Kiel und füllen die Hörsäle mit buntem Leben. Vieles hat sich in den vergangenen Wochen verändert: Zahlreiche Absolventinnen und Absolventen haben die FH und vielleicht auch Kiel verlassen, rund 1.300 neue Studierende stehen in den Startlöchern und ein neues Seminargebäude ist inzwischen fertiggestellt. Und auch die Campus-Kunstszene hat einen Neuankömmling zu verbuchen: Hoch oben über dem Dach des Bunker-D, dem Kultur- und Kommunikationszentrum der FH, prangt – scheinbar schwebend – eine rote, ineinander verhakte Stahlskulptur. Alter Standort: Plöner Schloss Ursprünglich zierte die rote Skulptur „KUBUS BALANCE“ von HD Schrader die Terrasse des Plöner Schlosses. Dort war sie 1990 für die erste Sommerausstellung errichtet worden und auch bis zum Verkauf des Schlosses im Jahr 2002 geblieben. Danach wurde sie abgebaut und rostete auf einem Kieler Betriebshof vor sich hin. Als Dieter Pape, der damals Mitorganisator der Sommerausstellung auf Schloss Plön gewesen war, im Jahr 2012 von Ministerpräsident Torsten Albig mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, kamen sie auf das vergessene Kunstwerk und darüber auf Klaus-Michael Heinze, den ihnen beiden bekannten Kanzler der Fachhochschule Kiel, dessen Liebe zu bildender Kunst und die daraus resultierende umfangreiche Campus-Kunst- ➢ campusmagazin 45 Foto: Hanna Schrader Zwölf Jahre zierte die „KUBUS BALANCE“ die Terrasse des Plöner Schlosses. Der Künstler HD Schrader schuf das aus zwei ineinander verhakten Elementen bestehende Werk 1990 für die dortige Sommerausstellung des Plöner Kunstvereins. das Kunstreferat und die Kulturabteilung der Landesregierung für diese Idee gewonnen werden, die auch zustimmten und das Projekt fördernd begleiteten. Zwischenstopp: Restauration Ein zweites Treffen entschied schließlich über den Standort der Skulptur: Die Wahl fiel auf das Dach des Bunker-D. Es folgten eineinhalb Jahre an Planungsarbeit und Vorbereitungen: Freunde und Förderer, Spender und Sponsoren wurden gesucht und gefunden, der Architekt und der Statiker verzichteten auf ihr Honorar. Als das Plöner Schloss im Jahr 2002 verkauft wurde, wurde die „KUBUS BALANCE“ abgebaut und auf einem Kieler Betriebshof eingelagert. Für den Transport mussten die jeweils vier mal vier Meter großen, ineinander verhakten Elemente getrennt werden – dafür wurde ein Seitenteil herausgeschweißt. 46 viel. ausgabe elf Foto: Klaus-Michael Heinze sammlung zu sprechen. Beide waren sich einig, dass dieses Werk sehr gut auf den Campus der FH passen würde. In Pape reifte diese Idee weiter heran und so stellte er den Kontakt zwischen Heinze und HD Schrader her. Im November 2014 trafen sich die drei zu einer ersten Begehung auf dem Campus. Angetan von den bereits zusammengetragenen Kunstwerken und dem mit einer Galerie ausgestattetenBunker-D übernahm HD Schrader Papes Idee, seiner Skulptur ein neues Zuhause auf dem FH-Campus zu geben. Da das Kunstwerk dem Land Schleswig-Holstein gehört, mussten noch Foto: Roland Hirche Ein Team der Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems beseitigte die Spuren der Zeit am Werk, erneuerte die Schweißverbindungen und lackierte das ganze Werk neu in einem leuchtenden Rot. Darüber hinaus wurde die „KUBUS BALANCE“ mit vier Stelen ausgestattet, um den gewünschten „Schwebezustand“ in vier Metern Höhe über dem Bunkerdach zu ermöglichen. Für den Bauantrag musste die Statik berechnet werden und der Ortsbeirat, das Stadtplanungsamt, die Denkmalbehörde sowie das Wasser- und Schifffahrtsamt waren zu beteiligen. Schwertransporte und die Restauration des Kunstwerks mussten in die Wege geleitet werden.Schließlich wurde die „KUBUS BALANCE“ vom Betriebshof abgeholt und als Schwertransport mit Überbreite unter Polizeibegleitung um vier Uhr morgens in die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems GmbH gebracht. Dort wurde sie neu verschweißt, von Rost befreit und ihre matte abgeblätterte Farbe wieder in ein strahlendes Rot zurückverwandelt. Die Werftmitarbeiter bauten die „KUBUS BALANCE“ in ihrer vollen Pracht und Größe wieder auf – allerdings in einer anderen Position als der ursprünglichen. Wegen der Kranmontage und der Installation auf vier Meter hohen Stelen auf dem Bunkerdach musste die Stabilität des Werks anders gewährleistet werden. Die schwächste Stelle, die obere Verkantung der beiden Stahlteile, wurde speziell ausgemessen und verstärkt, sodass sie bei der Montage nicht mehr verrutschen oder sich der Stahl unter dem Gesamt➢ gewicht verbiegen konnte. Foto: Marie Kapust Mehr als fünf Stunden benötigte ein 13-köpfiges Team, um die beiden Einzelteile des Kunstwerks zu montieren und zunächst mit einem Kran auf das 13 Meter hohe Dach des Bunkers zu befördern, weitere viereinhalb Stunden beanspruchte die Installation. campusmagazin 47 Foto: Philipp Spieck Neuer Standort: Bunker-D Nach der Instandsetzung der „KUBUS BALANCE“ folgte ein weiterer Schwertransport, mit dem das Werk noch vor Sonnenaufgang am 3. September auf den Campus befördert wurde. Mit einem Kran und etlichen Helfern wurde das fast zwei Tonnen schwere, vier Meter hohe und fast acht Meter breite Kunstwerk auf das Bunkerdach gehievt und dort montiert. Die eigens dafür angefertigten Stahlstützen sind auf vier Montageplatten verschweißt, die mit jeweils acht 200 mm langen Stahlbolzen befestigt wurden, um bei Wind und Wetter ausreichend Stabilität und Sicherheit gewährleisten zu können. Nun lässt sich die rote Skulptur als neues Wahrzeichen von der Förde und auch vom Westufer aus bestaunen. Laura Duday, Studentin Nach monatelangen Vorbereitungen ist die „KUBUS BALANCE“ zur Freude von HD Schrader (l.) und FH-Kanzler Klaus-Michael Heinze endlich auf dem Dach des Bunker-D angekommen und bereichert als 432stes Werk die Kunstsammlung auf dem Campus. Foto: Philipp Spieck Weitere Informationen zur „KUBUS BALANCE“ und zum Künstler: 48 viel. ausgabe elf LINIE 11 FÜNFTER AUSZUG Der Kieler Student Niels Luithardt meistert sein Leben mit nur vier statt mit fünf Sinnen. 50 viel. ausgabe elf EIN LEBEN MIT VIER SINNEN N „ och etwas weiter oben und mehr nach rechts!“ Geübt tastet Niels Luithardt mit seinen Händen nach einem grünen Griff schräg über seinem Kopf. Schließlich hat er ihn gefunden, sucht nun mit den Füßen nach einem geeigneten Vorsprung, um sich abzustoßen. Von unten ruft ihm sein Kletterpartner immer wieder Anweisungen zu, Tipps, wo sich der beste Vorsprung befindet. „Ein Griff noch, dann bist du oben angekommen!“ Luithardt berührt mit seiner rechten Hand die Decke der Kletterhalle der Fachhochschule Kiel und lässt sich wieder abseilen. Als er unten ankommt, ist er erschöpft, jedoch auch stolz auf das, was er gerade geschafft hat. „So langsam kehrt Routine ein, ich habe schon wesentlich weniger Anweisungen gebraucht als am Anfang“, erklärt er, während das Seil von seinem Sicherungsgurt entfernt wird und er zu seiner Getränkeflasche greift. Einmal die Kletterwand hoch bis unter die Decke und anschließend wieder runter – was sich für andere schon nach einem Drahtseilakt anhören mag, erweist sich für Luithardt als eine noch größere Herausforderung. Denn er ist blind. Verursacht durch die Krankheit Toxoplasmose kam Luithardt bereits mit einer Sehbehinderung auf die Welt. Bei genannter Krankheit geht der Erreger, der eigentlich Tiere befällt, auf den Menschen über. Ist Toxoplasmose normalerweise harmlos, so kann sie sich bei Schwangeren als problematisch erweisen, da sich der Erreger auf das ungeborene Kind übertragen und somit schwere Luithardt probierte als Erster das Angebot „Klettern für Blinde“ von Prof. Dr. Thomas Martens aus, inzwischen ist die Gruppe jedoch gewachsen. Schäden verursachen kann – so auch im Falle Luithardts. Ein Mensch erblindet durch eine Krankheit nicht von heute auf morgen, sondern in einem langwierigen Prozess. Bei Luithardt begann dieser ab dem Jahre 2006 – seine ohnehin schon eingeschränkte Sehkraft ließ immer mehr nach. Seit 2009 ist er komplett erblindet. Trotz seiner Sehbehinderung in der Kindheit ging er wie jedes andere Kind auf eine ganz normale Grundschule, später auf ein Gymnasium, wo er sein Abitur meisterte. „Natürlich konnte ich nicht alles mitmachen, was meine Mitschüler und Freunde gemacht haben, aber mit den richtigen Tricks war auch für mich vieles möglich“, erzählt der heute 31-Jährige. Beim Fußballspielen wurde stets ein greller Ball benutzt, den auch er erkennen konnte. Fahrradfahren war für ihn zwar nicht alleine möglich, jedoch fuhr er mit seinem Vater oft Tandem, ein Fahrrad, auf dem hintereinander zwei Leute Platz haben, bei dem jedoch nur die vordere Person lenkt. Die Trinkpause ist beendet, Luithardt nähert sich einer anspruchsvolleren Route als der vorherigen. „In der sogenannten Kaminroute fühlt Niels sich inzwischen sicher. Er ist sie schon oft hochgeklettert und durch ihren Verlauf direkt an einer Ecke kann er seinen ganzen Körper zur Hilfe einsetzen. Doch diese Route hier mit dem Überhang ist wesentlich schwerer“, erklärt Prof. Dr. Thomas Martens vom Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der FH Kiel, der Leiter des Kletterkurses. Die Idee zu diesem Angebot für Blinde kam ihm durch seinen blinden Nachbarn. „Da die ➢ LINIE 11 Sie ist die Buslinie Kiels: die 11. Ihre Strecke führt einmal um die Förde, von der Haltestelle „Pillauer Straße“ in Dietrichsdorf bis zum Kanal in der Wik. Für die Studierenden der FH Kiel ist sie die wichtigste Verbindung zum Campus auf dem Ostufer. Zugleich ist die Linie 11 der Titel eines Online-Portals. Unter www.die11.de finden sich journalistische Experimente von Studierenden aus dem Fachbereich Medien. Die hier veröffentlichten Beiträge entstehen in der Lehre, aber auch auf Eigeninitiative der Studentinnen und Studenten. Sie probieren aus, wie sich Geschichten multimedial erzählen lassen, üben also das Schreiben von Texten ebenso wie das Drehen und Schneiden von Videos oder das Aufnehmen von Podcasts und anderen Audio-Formaten. In der Wahl ihrer Themen sind die Studierenden völlig frei. Die Linie 11 bildet lediglich den Ausgangspunkt für ihre Gedanken, die sie zu ihrem Thema führen. Der Bus ist somit der assoziative Rahmen, den sie mal eng, mal weit auslegen. Vom Bus und seinen Fahrgästen über die an der Strecke liegenden Stadtteile bis hin zu abstrakten Fragen wie der, was eigentlich Glück sei, reicht die Bandbreite. campusmagazin 51 Halle für den Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit erbaut wurde, dachte ich mir, dass sie auch für einen sozialen Zweck genutzt werden sollte.“ Und so entstand das Projekt. Erst war Niels Luithardt der einzige Teilnehmer, dann kamen immer mehr Blinde und Sehbehinderte dazu. Inzwischen ist die Gruppe mit der Klettergruppe der Fachhochschule Kiel vermischt. „Eine sehende Person ist für mich Voraussetzung, da ich Anweisungen brauche, wo sich der nächste Griff oder Vorsprung befindet. Eine blinde Person könnte mir das nicht sagen“, erzählt Luithardt, während er das Sicherungsseil gekonnt an seinem Gurt befestigt. Sehende Personen sind Luithardt nicht nur beim Klettern eine Hilfe, auch in seinem Unialltag wird er begleitet. Seit 2003 ist er an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingeschrieben, studiert dort Mathe und Physik auf Diplom. Natascha Jürgens leistet Bundesfreiwilligendienst und steht ihm seit September 2014 in Sachen Mobilität in der Uni zur Seite. „Niels und ich verstehen uns super. Es fühlt sich nicht wie Arbeit an, eher, als würde ich mich mit einem Freund treffen“, so Jürgens. Auch bei seiner Arbeit im AStA und als Inklusionsbeauftragter unterstützt sie ihn. „Ich helfe bei Arbeiten am PC oder beim Kopieren“, erklärt sie. Wie gut Luithardt jedoch auch ohne Hilfe am PC klarkommt, wird bei einem Blick auf seinen Arbeitsplatz deutlich. Auf seiner Tastatur sind auf bestimmten Buchstaben zur Orientierung kleine Klebepunkte angebracht. Auf seinem PC ist ein Sprachprogramm installiert, das ihm vorliest, welche Programme sich auf seinem PC befinden. Auch mit dem Handy umzugehen ist für Luithardt kein Problem. „Ich benutze ein ganz normales iPhone 6, das hat die ‚Voice-Over‘-Funktion und funktioniert somit wie die Sprachausgabe auf meinem PC“, erklärt er. Außerdem hat er auf seinem Smartphone spezielle Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kletterkurse müssen die Knoten zum Sichern perfekt beherrschen. Fotos: Andreas Niels Luithardt merkt sich, wo sich die Griffe befinden. Je besser er also eine Kletterroute kennt, desto leichter fällt es ihm, diese zu bezwingen. Mobilitätsapps installiert, die ihm helfen, den nächsten Supermarkt, das nächste Restaurant oder auch einfach nur die nächste Kreuzung zu finden. Seit neuestem hat er nun auch eine portable Braille-Zeile für sein iPhone, die es ihm ermöglicht, Texte mit Hilfe der Blindenschrift zu schreiben. Aber nicht nur für die Uni, auch für andere Alltagssituationen hat Luithardt sich bestimmte Hilfsmittel vertraut gemacht. Wenn er einmal nicht in der Mensa zu Mittag isst, sondern sich selbst etwas kocht, benutzt er eine Barcode-Scanner-App, die ihm vorliest, welche Lebensmittel er vorrätig hat. Auch Gesellschaftsspiele sind für Luithardt keine Unmöglichkeit. Ob Kartenspiele mit Blindenschrift, Schachbretter mit unterschiedlich hohen Feldern und Strukturen, oder Kniffel, bei dem die Augenzahlen plastisch auf den Würfeln angebracht sind – die Produktpalette für Blinde ist weitreichend. Luithardt hat bereits die ersten zwei Meter der Route erklommen. Nun gelangt er zum Überhang. Er tastet nach dem nächsten Griff, verfehlt ihn jedoch knapp und rutscht ab. Langsam lässt er sich auf den Boden abseilen. Doch Luithardt lässt sich von dem kleinen Zwischenfall nicht entmutigen, sondern setzt an, um es noch einmal auszuprobieren. Auch in der Uni hat Luithardt gewisse Hürden zu überwinden. Manches, was für einen sehenden Menschen selbstverständlich ist, bereitet ihm große Schwierigkeiten oder ist gar unmöglich. In den Vorlesungen lässt er ein Aufnahmegerät laufen, das alles aufzeichnet, da es für ihn undenkbar ist mitzuschreiben. Die Mitschriften von Kommilitoninnen und Kommilitonen kann er nur verwenden, wenn sie in digitaler Form vorliegen. Auch Situationen, die für einen sehenden Menschen lediglich fünf Minuten in Anspruch nehmen, wie etwa ein Raumwechsel zwischen zwei Vorlesungen, sind für Luithardt nicht ganz einfach zu handhaben. „Ganz normal von A nach B zu kommen ist für mich ohne die Unterstützung von Natascha sehr schwer. Ich würde mich oft verlaufen und müsste für die kleinsten Wege schon sehr große Zeitpuffer einrechnen.“ Oft ist für ihn schon eine Vorlesung ausgefallen, wenn Jürgens krank war oder jemanden vertreten musste und ihm somit nicht helfen konnte. Da die Mobilitätshilfe jedoch eine freiwilliges Angebot des Studentenwerk Schleswig-Holsteins ist, besteht bei einem solchen Ausfall für Luithardt kein Anspruch auf Ersatz. „Es gehört sehr viel Vertrauen dazu, wenn sich jemand von mir sichern lässt, denn ich kann schließlich nicht sehen, wenn der Partner unsicher wird.“ Er lässt sich wieder abseilen – den Überhang konnte er heute noch nicht meistern. Nun ist sein Kletterpartner an der Reihe und Luithardt bereitet sich darauf vor, ihn dabei zu unterstützen. Die Wand zu erklimmen ist eine Sache, selbst die Person zu sein, die sichert, eine andere. Doch auch dieser Aufgabe ist Luithardt gewachsen. „Es gehört sehr viel Vertrauen dazu, wenn sich jemand von mir sichern lässt, denn ich kann schließlich nicht sehen, wenn der Partner unsicher wird und abzurutschen droht“, erklärt er. Für ihn ist es deswegen wichtig, das Seil durchgängig straff zu halten. Auch wenn die meisten Leute mit Luithardts Blindheit umgehen können, gibt es auch jene, die es weniger können. „Beispielsweise diejenigen, die besonders hilfsbereit sein wollen, einfach meinen Arm packen und mich über die Straße ziehen, obwohl ich gar nicht hinüber wollte“, erzählt er. Einen besonders groben Zwischenfall habe es gegeben, als ihn ein Rentner beschimpfte, so etwas wie er gehöre vergast. Luithardt hat seinen Partner nun wieder abgeseilt. Erschöpft lässt er sich zu einer Sitzbank führen und löst seinen Sicherheitsgurt. „Ich bin fertig – für heute jedenfalls“, sagt er. Am folgenden Abend wird er wieder klettern gehen. Irgendwann wird er die schwere Route mit dem Überhang meistern können, denn eines ist klar: So schnell lässt sich Luithardt nicht entmutigen. Lene Rusbült, Studentin campusmagazin 53 Diekötter EIN GANZ PERSÖNLICHES JAPAN-PROJEKT 54 viel. ausgabe elf Zu Beginn seines Bachelorstudiums Technologiemanagement und -marketing am Fachbereich Informatik und Elektrotechnik der FH Kiel hatte Philipp Hühn eines bereits fest eingeplant – ein Auslandssemester im dritten Studienjahr. Doch im Gegensatz zu seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen, die es vorrangig nach Spanien oder in die Türkei zog, entschied er sich für einen Aufenthalt im 9.000 Kilometer entfernten Japan. Dass die Fachhochschule Kiel dort keine Partnerhochschule hat, hielt den heute 23-Jährigen nicht davon ab, seinen Plan zielstrebig umzusetzen. Er suchte sich in Eigenregie einen Studienplatz und ging im März 2014 als sogenannter „Freemover“ an die Ritsumeikan-Universität Kyoto. Durch einen glücklichen Zufall fand Philipp Hühn vor Ort auch eine Praktikums- und Thesis-Stelle, blieb noch ein halbes Jahr und erfüllte sich damit einen weiteren langgehegten Wunsch. W as Philipp Hühn genau an Japan reizt, kann er nur schwer in Worte fassen. Es ist aber vor allem das Traditionsbewusstsein, mit dem alte Handwerkskünste wie der Holzschnitt, das Papierfalten oder das Schönschreiben, gepflegt werden. Auch das ruhige und zielstrebige Ausführen der Arbeiten begeistern den gebürtigen Hessen; vielleicht, weil er sich mit diesen Eigenschaften identifizieren kann. Bereits während seiner Schulzeit besucht Philipp Hühn aus Neugier einen Japanisch-Sprachkurs an der Volkshochschule – und kann fortan nicht mehr vom ostasiatischen Land im Pazifik lassen. Um seine Kenntnisse zu vertiefen, sucht er im Internet nach Briefbekanntschaften, aus denen manche im Laufe der Jahre zu echten Freundschaften werden. Doch nicht nur sprachlich verbessert er sich, auch über die Geschichte, Landschaft und Kultur erfährt er viel. 2012 entschließt er sich, das Land endlich einmal zu bereisen, bucht kurzerhand die Flüge und macht sich alleine auf den Weg. Per Zug erkundet er Orte und Gegenden wie Tokio oder Nagasaki, besucht einige seiner japanischen Bekanntschaften und lernt dabei Land und Leute sehr zu schätzen. In dieser Zeit kommt er auf die Idee zu seinem persönlichen Japan-Projekt. „Für einen intensiven Eindruck reichen zwei, drei Wochen als Tourist eben nicht aus. Ich wollte meine Urlaubseuphorie einem Realitätscheck unterziehen und nicht nur Japans schöne Seiten, sondern auch die Mankos erleben. Deshalb stand für mich schnell fest, dass ich mein Auslandssemester dort verbringen würde.“ Als Philipp Hühn dem damaligen Auslandsbeauftragten des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik von seinem Plan erzählt, legt dieser ihm nahe, vielleicht lieber nach China zu gehen, dort gebe es eine Partnerhochschule, was viel weniger Organisationsstress mit sich bringe. Keine Chance: Philipp Hühn gefällt die Freiheit, das Auslandssemester nach seinen Vorstellungen zu gestalten, dafür nimmt er die Mühe gerne auf sich. Auf der Suche nach einer passenden Hochschule konzentriert sich der junge Mann bewusst auf das Kansai-Gebiet auf der Hauptinsel Honshu im Westen Japans, das mit den Großstädten Kyoto, Osaka und Kobe viel zu bieten hat, aber nicht so überwältigend ist wie Tokio. „Für einen intensiven Eindruck reichen zwei, drei Wochen als Tourist eben nicht aus.“ Auf der Webseite der Ritsumeikan-Universität Kyoto stößt er auf das englischsprachige „Study in Kyoto Program“ für ausländische Studierende. Philipp Hühn bewirbt sich auf den Wirtschaftszweig des Programms und wird angenommen. „Einige Wahlmodule aus dem sechsten Semester hatte ich schon abgearbeitet, und so musste ich vor Ort nur noch zwölf Creditpoints abdecken. Dafür konnte ich Fächer wie International Management, Japanisch oder Intercultural Basics belegen.“ Im März 2014 beginnt Philipp Hühn sein Auslandssemester in Kyoto und ist plötzlich einer von 36.000 Studierenden – eine Dimension, die er aus Kiel so nicht kennt. Japan zeigt sich ihm geordnet und organisiert, denn dort, wo ➢ campusmagazin 55 126 Millionen Menschen auf engem Raum leben, müssen Struktur und Regeln herrschen, das erkennt er schnell. So sind Gehwege beispielsweise durch eine Linie getrennt: links für die eine Richtung, rechts für die andere. Studierende der Ritsumeikan-Universität dürfen die Tore des Campus nur mit ihrem Studierendenausweis passieren. Die kleine rauchfreie „Stadt“ mit eigenem Supermarkt und Buchladen bleibt für Fremde verschlossen. Der verschulte Unterricht läuft streng nach Plan, jeden Tag gibt es Hausaufgaben. Doch in den englischsprachigen Kursen bleibt Zeit für Fragen, weil die Lehrenden hier keinen traditionell japanischen Frontalunterricht pflegen. Philipp Hühn merkt, dass er das freie Studium zuhause bevorzugt. „Die Menschen vermeiden klare Stellungnahmen und dadurch ziehen sich auch Entscheidungen in die Länge.“ Mit einem landestypischen Phänomen wird er von Beginn an konfrontiert: Tatemae und Honne, die öffentliche und eigene Meinung. In Gesprächen verbergen die Einheimischen meist ihre Gefühle und Wünsche und verhalten beziehungsweise äußern sich stattdessen so, wie es den Erwartungen der Gesellschaft entspricht. „Die Menschen wollen ihr eigenes Gesicht wahren und ihr Gegenüber nicht verletzen. Hin und wieder fand ich es anstrengend, zwischen den Zeilen lesen zu müssen, um die Honne herauszubekommen und war irritiert, weil ich nicht wusste, ob meine Bekannten meine Vorschläge wirklich gut fanden oder nicht – es kam ja nie eine Gegenwehr. Die Menschen vermeiden klare Stellungnahmen und dadurch ziehen sich auch Entscheidungen in die Länge.“ Wo die Unterschiede zwischen Japan und Deutschland einerseits gewöhnungsbedürftig sind, sind sie für Philipp Hühn an anderer Stelle leicht anzunehmen. Er reist viel umher und lernt dabei mehr und mehr den buddhistisch und shintoistisch geprägten Rhythmus Japans kennen, der von unzähligen Feiertagen geprägt ist, und ihn fasziniert. Von der Geburt Buddhas über das Vertreiben böser Geister bis hin zum Toten- oder Erntefest, jeder Monat steckt voller Ehrungen und Feierlichkeiten, die von großen Feuerwerken begleitet werden. Noch in Deutschland hatte Philipp Hühn überlegt, seinen Aufenthalt in Japan durch ein sechsmonatiges Praktikum zu verlängern. Sein Studienschwerpunkt liegt auf den Erneuerbaren Energien, einem Thema, das auch zu Japan gut passt, denn seit dem Tohoku-Erdbeben 2011 und dem Nuklearunfall im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi hat sich dort für diesen Energiebereich ein Fenster geöffnet. Wie in seiner Heimat gibt es mittlerweile einen Förderungssatz für verschiedene Erneuerbare Energien, aufgrund der vielen Flüsse und Bäche insbesondere für Kleinstwasserkraftwerke. Die Suche nach einem Energieunternehmen hatte sich vorab schwierig gestaltet, erst in Japan wird Philipp Hühn fündig: Zufällig kennt einer seiner Professoren eine japanische Firma, die ein Joint Venture mit dem österreichischen Technologiedienstleister WWS Wasserkraft eingegangen ist, der nun in Japan Anlagen verkaufen und aufbauen will. Für die Kommunikation zwischen beiden Firmen sucht die Okayama Electric Co. Ltd. einen Mitarbeiter, der sowohl Japanisch als auch Deutsch und Englisch spricht und technisches Verständnis mitbringt. Ein Profil wie auf Philipp Hühn zugeschnitten und so bekommt er die Stelle. Anfang August zieht er für sechs Monate aufs Land, nach Ayabe, in ein Apartment über der Firma. Hier ist er als Ausländer plötzlich ein Exot, wird von den Einheimischen beobachtet, ansonsten aber gemieden. Seine Kolleginnen und Kollegen jedoch schätzen den jungen Mann und behandeln ihn wie einen vollwertigen Mitarbeiter. Zu seinen Hauptaufgaben gehört der tägliche E-Mail-Verkehr zwischen beiden Unternehmen. Zusätzlich beginnt Philipp Hühn nach drei Monaten Praktikum mit der Anfertigung seiner Bachelorarbeit. „Kleinstwasserkraftwerke: Netzeinspeisung im Niederspannungsbereich – technische Möglichkeiten und politische Rahmenbedingungen in Japan“ lautet das Thema, das er zusammen mit seinem Arbeitgeber entwickelt hat. Wann immer es die Arbeit zulässt, versucht er nicht nur herauszufinden, wie sich die politische und wirtschaftliche Einstellung zu Kleinstwasserkraftwerken entwickelt hat, sondern auch, welche Besonderheiten es in Japan beim Anschluss einer solchen Anlage zu beachten gilt. Denn im Gegensatz zu Deutschland ist das japanische Stromnetz zweigeteilt, in einen 50- und Während seines Aufenthalts genießt Philipp Hühn die japanische Küche mit ihren exotischen Lebensmitteln. Besonders Okonomiyaki, eine Art Weißkrautpfannkuchen mit verschiedenen Füllungen, hat es ihm angetan. 56 viel. ausgabe elf einen 60 Hertz-Netzfrequenzbereich – der Nordosten des Landes erhielt seine Generatoren und Transformatoren 1895 aus Deutschland, der Südwesten aus den USA. Seine Untersuchungen zum passenden Anschlussort oder der richtigen Spannungsebene helfen dem österreichischen Unternehmen, künftig die richtigen Konstruktionskomponenten zu wählen. Während seiner Recherche stößt Philipp Hühn auf zwei Probleme: Einerseits stammen die verfügbaren Informationen oftmals nur von offizieller Seite – an unabhängigen Quellen mangelt es –, andererseits sind sie vermehrt auf Japanisch. „Um sie alle genau zu verstehen, hätte ich viele spezielle Kanji, also Schriftzeichen, kennen müssen. Das Schriftsystem ist sehr kompliziert und hat 15.000 Zeichen. Selbst Muttersprachlerinnen und -sprachler verzweifeln daran. Glücklicherweise waren einige Quellen auch auf Englisch und im Notfall konnte ich einen Kontakt aus der Branche um Hilfe bitten – in der Firma sprach nämlich niemand Englisch. Ich habe gelernt, Geduld zu haben und mit eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten trotzdem ans Ziel zu kommen. Eine Erfahrung, die ich in Deutschland so nicht gemacht hätte.“ „Ich habe mein Ziel, jede der 47 Präfekturen, sprich japanische Bundesländer, zu besuchen, noch nicht erreicht. Aktuell bin ich bei 25, von daher bleibe ich Japan noch etwas erhalten.“ Weit gefehlt, wer denkt, dass Philipp Hühns persönliches Japan-Projekt damit vorbei sei. Nach erfolgreichem Bachelorabschluss beginnt der 23-Jährige noch 2015 einen englischsprachigen Deutsch-Japanischen Doppelmaster in International Material Flow Management an der Fachhochschule Trier. Dieser bringt ihn wieder für ein Jahr ins Land der aufgehenden Sonne. „Ich habe mein Ziel, jede der 47 Präfekturen, sprich japanische Bundesländer, zu besuchen, noch nicht erreicht. Aktuell bin ich bei 25, von daher bleibe ich Japan noch etwas erhalten. Weltreisen reizen mich nicht, ich möchte stattdessen lieber einige wenige Länder wirklich gut kennen. Ob ich später in Japan arbeiten werde, weiß ich noch nicht, möglich wäre es.“ Laura Berndt Fotos: privat Diese Staustufe eines kleinen Flusses entdeckt Philipp Hühn auf seinen Ausflügen durch die Präfektur Kyōto. campusmagazin 57 KOMM HER! WENN DU DICH TRAUST Von der Zielgruppe für die Zielgruppe: Postkartenserien und Plakate wünschte sich das Kieler Theater im Werftpark von Medienstudierenden der FH Kiel, um nicht nur Kinder, sondern auch mehr Jugendliche und junge Erwachsene für seine Vorstellungen zu begeistern. Als Semesterprojekt ihres Seminars „Grundlagen der Gestaltung“ machten sich rund 40 Teams an die Arbeit. Ausgewählte Ergebnisse gab es im April 2015 in der Ausstellung „Mega krasse Grafik“ im CITTI-PARK zu sehen – Laura Braband, Lene Klindt und Osman Mukhtar gehörten mit ihrer Idee zu den Favoriten der Gäste. Vorgaben gab es kaum und so konnten alle Studierenden ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Während manche Teams mit typografischen Elementen oder Schriftarten spielten, entschieden sich Laura Braband, Lene Klindt und Osman Mukhtar für Porträtfotos, um die gewünschte Zielgruppe „direkt einzufangen“. Das Besondere dabei: Sie fotografierten sich selbst vor einem schwarzen Vorhang des Werftparktheaters. Dazu suchten sie Stücke aus dessen Repertoire aus, um sie auf eine besondere Art und Weise zu präsentieren: „Plakativ, ein bisschen herausfordernd, spannend, düster, gefährlich und auf keinen Fall kleinkindmäßig oder quietschig – genau richtig, um Jugendliche und junge Erwachsene aus der Reserve und in das Theater locken“, fasst Laura Braband zusammen. Passend dazu entwickelten sie einen Slogan: „Komm her! Wenn Du Dich traust“. 58 viel. ausgabe elf Jeweils fünf Motive sollten die Studierenden entwerfen. Eines davon bezog das Dreierteam bewusst auf kein bestimmtes Stück, sondern hielt es neutral – die Maske verweist symbolisch auf das Theater an sich. Um Abwechslung bei den Aufnahmen zu bieten, stellte sich die gelernte Fotografin Laura Braband hier selbst als Model zur Verfügung. campusmagazin 59 Für das Foto zum modernen Märchen „Frida und der komische Mann, der vergessen hatte, wer er war“ von Isabel Martinez, bediente sich das Team aus der Requisite des Theaters. Um des ernsten Konzeptes Willen musste sich Osman Mukhtar trotz der skurrilen Kopfbedeckung des komischen Manns das Lachen verkneifen. 60 viel. ausgabe elf Janoschs Kultstück „Oh, wie schön ist Panama“ ließ Lene Klindt tief in die Schminkkiste greifen: Sie verwandelte sich selbst in eine der Hauptfiguren, den Tiger. Künstlerische Freiheit, denn in der Werftpark-Version kommt dieser im Gesicht „nackig“ daher: „Der Kontrast zwischen einem erwachsenen Gesicht und der Kinderschminke passte aber gut zu unserem Vorhaben“, erklärt Lene Klindt. campusmagazin 61 In der Vorbereitungsphase besuchten die Projektteams eine Vorstellung der Revolutionssatire „Animal Farm“ von George Orwell, um einen Eindruck von der Art der Aufführungen im Werftparktheater zu erhaschen und Anregungen für ihre Konzepte zu sammeln. Verschiedene Pferde, verschiedene Schweine: Bei den vielen Masken fiel Laura Braband, Lene Klindt und Osman Mukhtar die Auswahl schwer. Am Ende entschieden sie sich für diese Schweinevariante, weil sie frontal auf dem Foto am besten wirkte. 62 viel. ausgabe elf Fotos: Laura Braband, Text: Katja Jantz Thema des Solostücks „OUT! – Gefangen im Netz“ von Knut Winkelmann ist Cybermobbing. Gar nicht so einfach, das bildlich darzustellen, fanden die drei Studierenden – auch in der Requisite wurden sie nicht fündig. Also probierten sie ihre Idee erst mit einem Kartoffelnetz aus und landeten am Ende bei einem Zwiebelnetz, weil das farblich gut zum Tiger aus „Oh, wie schön ist Panama“ passte. campusmagazin 63 ZEIT ZUM N E V I T KREA Katharina Pausch, Dennis Strohbach, Tim Schauder, Daniel Molkentin und Morten Bidzinski erkundeten im November 2014 gemeinsam den Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf. Für eine Pause, beispielsweise am Teich im Park am Ivensring (u. r.) oder am Probsteier Platz (o.), war das Wetter zu ungemütlich, stattdessen tobten sich die vier Studenten auf dem nahegelegenen Spielplatz aus, während Katharina Pausch ihre Aufwärmübungen für die anschließende Dokumentation fotografisch festhielt (u. l.). MÜSSIGGANG Entspannt durch die Gegend schlendern, sich abseits von gewohnten Wegen treiben lassen, den Gedanken nachgehen, neben der Umgebung vielleicht auch kreative Züge an sich entdecken und das ohne jeglichen Druck, ohne H intergedanken – wo gibt es dafür im oftmals hektischen Alltag noch Gelegenheiten? Zum Beispiel an der F achhochschule Kiel. S tudierende sehen selten einen Anlass, sich länger als nötig an ihrer Hochschule aufzuhalten, und lernen den Campus und seine Umgebung daher kaum kennen, so die Erfahrung von Pädagogin Regina Schaller. „Sie kommen zu den Vorlesungen – und anschließend gehen sie wieder. Ihre Freizeit verbringen sie meist woanders.“ Das passiere ganz automatisch, denn sie empfänden ihre Hochschule häufig nur als eine Art „Durchgangsraum“, als relativ sterilen, standardisierten Ort, an dem sie sich nur zu einem bestimmten Zweck aufhielten: nämlich zum Studieren. Auch an der FH Kiel zeigt sich – nicht zuletzt bedingt durch ihre Lage am Stadtrand – dieses Phänomen. „Fakt ist, dass bis heute nur eine Minderheit unserer Studierenden im Stadtteil Neumühlen-Dietrichsdorf wohnt“, so FH-Präsident Prof. Udo Beer. Daher wüssten sie wenig über diese Gegend, ihre Geschichte, ihre Anwohnerinnen und Anwohner. Um dem entgegenzuwirken und den Studierenden ihren Campus und sein Umfeld näherzubringen sowie gleichzeitig ihre Kreativität anzuregen, bietet die FH Kiel seit Herbst 2013 ganz offiziell zweimal im Jahr ein Forum: Im Rahmen der Interdisziplinären Wochen (IdW) veranstaltet Regina Schaller, Mitglied der FH-Arbeitsgruppe Kreative FreiRäume, einen gleichnamigen Workshop mit dem Untertitel: Entdecke die Möglichkeiten. Den Ansatz, die Bereitschaft von Studierenden zum Verweilen auf dem Campus und zur kreativen Erkundung seiner Umgebung, gezielt zu fördern, verfolgte die heutige FH-Mitarbeiterin bereits in ihrer Masterthesis zum Thema „Universitäre Nichtorte“. Hauptsächlich beschäftigte sie sich dafür mit zwei wissenschaftlichen Methoden, die sie nun – in leicht abgewandelter Form – auch an der FH Kiel einsetzt. 64 viel. ausgabe elf Bevor sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops auf Entdeckungsreise begeben, bittet Regina Schaller sie, sogenannte kognitive Landkarten von der Gegend zu zeichnen. Karten, auf denen sie spontan das wiedergeben, was ihnen im Gedächtnis geblieben ist. „Da das subjektive Empfinden dabei eine große Rolle spielt, können die Ergebnisse erheblich von der Realität abweichen“, weiß Regina Schaller aus ihrer Masterarbeit. So tauchten darin zum Beispiel plötzlich Ampeln an Kreuzungen auf, an denen sich keine befänden. Oder es würden nur für das eigene Studium relevante Gebäude abgebildet, also weniger als tatsächlich vorhanden seien. Manche zeichneten auch ihr Zuhause mit ein, obwohl es objektiv betrachtet nicht zum Campus zähle. Mithilfe dieser Methode möchte Regina Schaller nun auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihres Workshops diese Diskrepanz zwischen eigener Wahrnehmung und Wirklichkeit ansatzweise bewusst machen. „Sie zeichnen die kognitiven Karten aber nur für sich selbst, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was sie hier auf dem Campus eigentlich wahrnehmen und kennen – wir besprechen das nicht“, erklärt sie. „Aber bei ihrer Erkundungstour können sie dann direkte Vergleiche ziehen. Würden sie anschließend eine neue Karte anfertigen, könnten sie wahrscheinlich einige Unterschiede feststellen.“ Zwar bleibt dafür in der eintägigen Veranstaltung leider keine Zeit, aber Regina Schaller ist es wichtig, Impulse zu setzen. Daneben gibt die 36-Jährige den Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine weitere Methode an die Hand: die Dérive, eine psychogeografische Praxis, die die Künstlergruppe Situationistische Internationale 1958 als spielerische Erkundung einer Stadt durch zielloses Umherschweifen definierte. „Durchstreife bekanntes und unbekanntes ➢ campusmagazin 65 Foto: Tim Schauder, übrige Fotos: Katharina Pausch Foto: Tim Schauder, übrige Fotos: Katharina Pausch 66 viel. ausgabe elf Auf dem Rückweg zur FH entdeckte die Fünfergruppe ein kleines Waldstück zwischen Wohnhäusern und Gartenlauben. (o. / Mitte) An einer Hauswand der Adolf-Reichwein-Schule in der Tiefen Allee fiel den Studierenden die rund fünf Meter hohe Wandkeramik „Erster und letzter Schultag“ von Gerhard Hurte auf. (Mitte l.) Über den Steg bei der Schwentine-Mensa führte ihr Weg Richtung Fähranleger. (u. l. / u. r.) In der Hertzstraße kamen die Studierenden am Obolus-Sozialladen vorbei. (Mitte r.) Das klappt auch ganz gut, wie die Feedback runden am Ende der bisherigen Workshops gezeigt haben. Nach dem Spaziergang trifft sich die Gruppe, um Entdeckungen, Perspektiven und Wahrnehmungen auszutauschen. „Die Erfahrungen sind durchweg positiv. Viele Studierende erzählen, sie hätten den Stadtteil ganz anders kennengelernt. Sie sind überrascht, weil sie vorher nicht wussten, dass sie in der Nähe einkaufen oder Geld abheben können, oder weil sie plötzlich in der Nähe auf Plätze gestoßen sind, an denen sie gerne ihre Freistunden verbringen möchten“, erzählt Regina Schaller. Das freut sie besonders, denn damit hat die AG Kreative FreiRäume, wenn auch in kleinem Rahmen, eines ihrer Ziele erreicht. Auch Prof. Beer, ebenfalls AG-Mitglied, hält den Workshop für wertvoll. Er helfe, die Verankerung der Hochschule in Neumühlen-Dietrichsdorf zu fördern. „Die eigenständige Erkundung öffnet den Blick für die vielen kleinen Sehenswürdigkeiten, die Lebensverhältnisse unserer Nachbarn, die Schönheit der Umgebung und die Spannungsverhältnisse zwischen Hafen und Hochschule, Unter- und Oberland, Schwentine und Förde, Arbeiterviertel und bürgerlichen Wohnquartieren in Mönkeberg und Heikendorf und vieles mehr.“ Die Studierenden haben jedoch nicht nur elegenheit, den Stadtteil zu entdecken, G sondern auch kreative Züge an sich selbst. Mit beliebigen Mitteln sollen sie die Strecke und ihre Entdeckungsreise dokumentieren. „Das können Fotos sein, Zeichnungen, Audioaufnahmen. Theoretisch könnten sie auch Steine von der Straße aufsammeln, wenn es ihnen sinnvoll erscheint. Da sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Regina Schaller. Dieser Teil liegt ihr besonders am Herzen, denn Kreativität kommt ihrer Meinung nach im Privatleben heutzutage sehr oft zu kurz. „Im Berufsleben hingegen wird sie geradezu g efordert. Unternehmen suchen ständig nach neuen Ideen und unterstützen das über unterschiedliche Techniken und Trainings.“ Auch Regina Schaller möchte den Studierenden Ideen mit auf den Weg geben und ihnen außerdem eine ungezwungene Atmosphäre – eben Freiraum – bieten, etwas Neues kennenzulernen. Dieses Angebot scheint anzukommen, die Teilnehmerzahl steigt von Mal zu Mal an. „In einem Durchlauf hatte ich einen Studenten vom Fachbereich Informatik und Elektrotechnik dabei, der meinte, neben seinem alltäglichen Semesterprogramm aus Programmieren, Technik und Mathematik wolle er nun auch mal etwas Kreatives machen“, erzählt Regina Schaller. Ausgerüstet mit einer Kamera sei er losgezogen, um seine Entdeckungsreise durch den Stadtteil fotografisch festzuhalten. Wer sich entscheidet – und das tun die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer –, seine Dokumentation auszuarbeiten und später offiziell einzureichen, erhält dafür 0,5 ECTS-Punkte. Überwiegend handelt es sich dabei um Powerpoint-Präsentationen mit Fotos, doch auch eine Slideshow und ein kurzer Erfahrungsbericht waren schon dabei. Diese Ergebnisse sind auch für Regina Schaller interessant. „Ich kenne den Stadtteil selbst nicht im Detail und kann manchmal gar nicht zuordnen, was auf den Bildern zu sehen ist“, gibt sie schmunzelnd zu. „So habe ich beispielsweise erfahren, dass etwas, was ich immer für eine Brücke gehalten hatte, eigentlich ein ehemaliger U-Boot-Bunker ist.“ Überrascht ist sie auch von der Bereitschaft der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die bisher immer aus verschiedenen Fachbereichen der Hochschule stammten, sich – ganz im Sinne der Interdisziplinären Wochen – miteinander zu vernetzen und in gemischten Gruppen loszuziehen. Und nicht nur das: Gezeigt hat sich außerdem, dass sich die Studierenden auf ihrem Weg durch den Stadtteil nicht scheuen, Kontakte zu Anwohnerinnen und Anwohnern zu knüpfen, um beispielsweise zu fragen, ob sie deren Häuser fotografieren dürfen. Der IdW-Workshop ist jedoch nicht der einzige Erfolg der AG Kreative FreiRäume. Auf Anregung seines Direktors Eduard Thomas, dem Initiator der AG, wird das Zentrum für Kultur- und Wissenschaftskommunikation der FH Kiel künftig in Kooperation mit dem Studentenwerk Schleswig-Holstein auf seiner Sternwarte einen Astronomiekurs für S tudierende anbieten. „Für unsere Studierenden ist es wichtig, sich nicht nur mit ihrem Studium zu beschäftigen“, weiß auch Prof. Udo Beer. „Kultur wird auf unserem Campus nicht aus Zufall groß geschrieben, sondern weil wir diesen intellektuellen Ausgleich für mindestens so wichtig halten wie einen sportlichen.“ Dafür möchte die Hochschule ihren Studierenden genügend „Futter“ liefern. Foto: Hartmut Ohm Terrain. (…) Entdecke neue Perspektiven und Räume deiner ‚Heimat auf Zeit’“, heißt es d aher in Regina Schallers Veranstaltungsbeschreibung. „In diesem Prozess ist es wichtig, sich wirklich treiben zu lassen und keinen bestimmten Ort anzupeilen – dann landet man schnell mal an unbekannten Stellen“, erklärt sie. Regina Schaller ist als Mitglied des Teams MeQS|Hochschuldidaktik der FH Kiel („Mehr StudienQualität durch Synergie – Lehrentwicklung im Verbund von Fachhochschule und Universität) zuständig für den Bereich E-Learning. Seit 2013 organisiert sie außerdem regelmäßig den Workshop „Kreative FreiRäume“ im Rahmen der Interdisziplinären Wochen. Katja Jantz campusmagazin 67 Foto: Leevke Struck Studentin Katharina Pausch (22 Jahre) vom Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit nahm im November 2014 am IdW-Workshop „Kreative FreiRäume“ teil. S eit ich an der FH Soziale Arbeit studiere, habe ich zu fast allen Interdisziplinären Wochen einige Kurse besucht. Ich muss zugeben, dass ich mir diesen Workshop anders vorgestellt hatte; ich bin immer auf der Suche nach kreativen oder künstlerischen Kursen und dachte, dass dies auch bei diesem im Mittelpunkt stehen würde. Das war zwar nicht der Fall, aber ich war überrascht, wie viel Spaß er mir gemacht hat und welche Anregungen ich mitnehmen konnte. Ich kannte von Dietrichsdorf bislang nur den Weg, den der Bus zur FH nimmt, und fand die Idee spannend, einen Ort ohne ein bestimmtes Ziel und ohne Druck zu erkunden. Denn wann nimmt man sich im Alltag schon mal die Zeit, durch sein Umfeld zu laufen und zu schauen, was es sonst noch so bietet? In der Regel fahren wir alle doch nur zum Campus, bleiben während unserer Kurse dort und fahren denselben Weg wieder heim und das wollte ich gerne mal durchbrechen. Ich habe mich einer Gruppe von vier Studenten aus dem Fachbereich Informatik und Elektrotechnik angeschlossen. Abgesehen davon, dass wir unsere Strecke dokumentieren sollten, gab es keine Vorgaben. Ich fotografie- 68 viel. ausgabe elf re sehr gern, aber im Alltag geht das ja doch häufig etwas unter. Bei diesem Workshop habe ich die Gelegenheit genutzt, ganz spontan und unbewusst zu entscheiden, was ich aufnehmen möchte, und so ein paar schöne Fotos mit nach Hause genommen. Ich war überrascht von unserer „Erkundungsreise“: Zugegebenermaßen hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Stadtteil so groß ist und es abseits der Hauptstraße noch so vieles zu entdecken gibt. Wir sind zum Beispiel an einem Teich vorbeigekommen, haben kleine Läden ausfindig gemacht, Schrebergärten, das Brezelhaus und sogar einen wunderschönen Aussichtspunkt über einen Teil Dietrichsdorfs gefunden. Doch ich habe nicht nur den Stadtteil besser kennengelernt, sondern auch neue Kontakte geknüpft. Es war unfassbar witzig, sich mit den anderen Gruppenmitgliedern über die jeweiligen „Vorurteile“ zu unterhalten, die die einzelnen Fachbereiche gegenüber anderen haben. Sporadisch schreiben wir uns mal und haben auch nach wie vor eine Ebbelwoi-Verköstigung geplant. Dies als kleine Erinnerung an die Herren. S tricken ist für mich wie eine Sucht, ich habe fast immer mein Strickzeug dabei. Am liebsten mag ich Norwegermuster mit Sternen oder Bordüren, wie das klassische Setesdal-Muster. Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich damit keine Schwierigkeiten. Vielleicht liegt das daran, dass ich als Ingenieurin eine Art „mathematisches Hirn“ habe? Diese Muster sind meistens sehr symmetrisch aufgebaut, man muss nicht viel weiter als bis fünf zählen können und außerdem wiederholen sich die Schritte immer wieder. LIEBLINGSMUSTER Sabine Hansson, Fachbereich Maschinenwesen Mein größtes Projekt bisher war ein Kostüm für die Taufe unseres Sohnes, bestehend aus gemusterter Jacke und Rock. Inzwischen ist er ein Teenager, aber ich habe und trage es immer noch, zuletzt im Frühjahr zur Konfirmation meiner Nichte. Ansonsten stricke ich alles Mögliche: Pullover, Jacken, Socken, Topflappen, Teekannenwärmer, Fäustlinge … Eine Zeitlang habe ich auch Auftragsarbeiten übernommen, aber nun beschränke ich mich lieber auf das, worauf ich gerade Lust habe. Für dieses Hobby nutze ich schließlich meine kostbare Freizeit, da möchte ich auch Spaß daran haben. Foto: Andreas Diekötter, aufgezeichnet von Katja Jantz Hin und wieder verschenke ich mal etwas zum Geburtstag, aber meistens stricke ich für mich und die Familie. Meine Tochter trägt ganz gerne selbstgestrickte Socken. Eine Zeitlang war das mal „total out“, aber jetzt ist es eben wieder „total in“. Mein Mann hingegen nimmt auch gerne mal einen Pullover – und unser Hund Egon auch. Hunde zu bestricken ist gar nicht so einfach, das funktioniert eher nach Augenmaß. Und das Anprobieren geht auch nicht ganz problemlos vonstatten. Aber wenn Egon abends müde ist und sich nicht mehr wehrt, kann ich ihn schon mal da hineinstecken. Merkwürdig, denn wenn der Pulli erst einmal sitzt, trägt er ihn gerne. Als ich das gute Stück vergangenen Herbst aus dem Schrank geholt habe, hat er geradezu Freudensprünge gemacht. PHYSIOTHERAPIE MIT WEITBLICK Spaß und Freude bei der Arbeit kommen bei Anna-Christin Kokot (l.) nicht zu kurz. Den Heikendorfer Weg passieren viele Studierende und Mitarbeitende der Fachhochschule Kiel, um ihren Hörsaal oder Arbeitsplatz zu erreichen. Wer einmal innehält und sich genauer umschaut entdeckt – hinter ein paar Hecken versteckt und doch direkt am Campus – die CampusPraxis, eine Physiotherapiepraxis. A ls ich an einem regnerischen Freitagnachmittag in der CampusPraxis zum Interview eintreffe, wird sehr schnell deutlich: Von der Tristesse draußen vor der Tür ist drinnen nichts zu merken. Physiotherapeutin Anna-Christin Kokot öffnet die Tür mit einem Strahlen: „Komm rein und mach`s dir schon mal bequem. Möchtest du einen Kaffee?“ Das „Du“ sei hier normal, zwischen den Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Umgang mit den Patientinnen und Patienten, erzählt die 26-Jährige. Neben ihr gehören noch Jan Ahrens, Carsten Braun, Lena Karnatz – die Inhaber der Ahrens, Braun, Karnatz Physiotherapeuten Partnergesellschaft –, ganz neu Carolin Schmidt und eine weitere Kollegin am Empfang zum Team. „Unser Motto lautet ‚Physiotherapie mit Weitblick‘. Wir möchten 70 viel. ausgabe elf nicht nur bei der Behandlung selbst in alle Richtungen schauen und offen für neue Ansätze sein, sondern auch darüber hinaus die Zufriedenheit unserer Patientinnen und Patienten im Blick haben“, erklärt Jan Ahrens. Wie wichtig ihm das ist, ist kaum zu verkennen: Wenn er über seine Arbeit spricht, strahlt auch er und gestikuliert, als würde er jeden seiner gelernten Handgriffe zeigen wollen. Die Liebe und Leidenschaft zur Physiotherapie scheinen ebenfalls Teil der Betriebsphilosophie zu sein. „Es ist so ein großartiges Gefühl, Menschen helfen zu können, ihnen Schmerzen zu nehmen und ihnen ihren Alltag wieder zu erleichtern“, schwärmt auch Anna-Christin Kokot. Dies sei der Grund für ihre Berufswahl gewesen und auch an „Es ist so ein großartiges Gefühl, Menschen helfen zu können, ihnen Schmerzen zu nehmen und ihnen ihren Alltag wieder zu erleichtern.“ schwierigen Tagen immer wieder ihr Hauptantrieb. Fast immer entwickele sich nach ein paar Behandlungen eine Art freundschaftliches Verhältnis zur Patientin bzw. zum Patienten, schließlich verbringe man regelmäßig 30 Minuten intensive Zeit miteinander und lerne sich kennen. Anna-Christin Kokot gehört seit zweieinhalb Jahren fest zum Team. Wie auch Jan Ahrens hat sie Physiotherapie an der Fachhochschule Kiel studiert. Direkt nach ihrem Bachelor fand sie in die CampusPraxis. „Ich bin hier angestellt und die anderen sind meine Chefs. Aber so fühlt es sich für mich gar nicht an und das macht unsere Praxis auch irgendwie aus: Wir sind alle befreundet und es gibt kaum Hierarchien“, betont sie. Die CampusPraxis bietet ein breites Leistungsspektrum. Unter dem Oberbegriff Physiotherapie führt das Team beispielsweise Krankengymnastik mit Geräten, aber auch ohne Hilfsmittel, manuelle Therapie und Lymphdrainagen, aber auch klassische Entspannungsmassagen durch. Der häufigste Grund, aus dem Patientinnen und Patienten in die Praxis kommen, ist der sogenannte unspezifische Rückenschmerz, ein Schmerz ohne radiologischen oder neurologischen Befund. „Der Rücken tut einfach weh, ohne dass es einen richtigen medizinischen Grund dafür gibt. Hier sind Herangehensweise und Behandlungsart dann auch immer ganz unterschiedlich“, so Jan Ahrens. Oft spielten in Rückenschmerzen zusätzlich auch noch psychologische Aspekte mit hinein, etwa die klassische „Last auf den Schultern“. Neben physiotherapeutischen Fähigkeiten verlange der Beruf also auch häufig ein hohes Maß an Empathie. Diese durch das Studium zu erlernen, sei nicht möglich – als Physiotherapeutin oder Physiotherapeut sei es daher sehr wichtig, über die medizinische Thematik hinaus Interesse am Menschen mitzubringen. Auf äußere Faktoren einzugehen, die Patientinnen und Patienten als Gesamtbild wahrzunehmen und ihre Lebenssituation zu kennen, sei unerlässlich für eine gelungene Behandlung. Natürlich beschränken sich die Behandlungen nicht einzig auf den Rücken. Vor allem Sportverletzungen und Rehabehandlungen nach Operationen stehen oft auf dem Programm. Auch Hausbesuche bietet das Team an, was besonders ältere Menschen oder Krebserkrankte zu schätzen wissen. Die Betroffenen durch schwere Zeiten zu begleiten und ihnen zur Seite stehen zu können, das sind die tollen Seiten ihres Berufs, findet Anna-Christin Kokot. Obgleich die physiotherapeutische Arbeit vorwiegend eine ernsthafte Angelegenheit ist, kommt im Team der CampusPraxis der Spaß nicht zu kurz. Nicht nur während unseres Interviews lachen Jan Ahrens und Anna-Christin Kokot viel, auch während der Behandlungen, erzählen sie. Durch kleine Akzente erhellt das Praxisteam nicht nur den eigenen Alltag, sondern auch den seiner Patienten und Patientinnen. So steht in einem der fünf Behandlungsräume beispielsweise ein Skelett mit essbaren Schaumzuckeraugen. Die Geschichte der CampusPraxis ist auch ein bisschen eine FH-Geschichte. Ins Leben gerufen wurde sie durch ein Projekt des Bachelorstudiengangs Physiotherapie am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Nach einer Idee der damaligen Professorin Heidi Höppner sollte eine Praxis mit FH-Bezug ➢ campusmagazin 71 Verein, den Campus-Praxis-Gesundheit e. V. Als die Fachhochschule nach sechs Jahren die Räumlichkeiten wegen Eigenbedarf kündigte, wagten Ahrens, Braun, Karnatz im März 2012 als Partnergesellschaft einen Neuanfang im Heikendorfer Weg 57. Unter Beobachtung: Das Skelett mit den Schaumzuckeraugen im großen Behandlungsraum scheint jeden Handgriff zu beobachten und erhellt nicht nur den Alltag der Patientinnen und Patienten, sondern auch den des Therapeutenteams. entstehen, die „mit für die gesundheitliche Versorgung der FH-Angehörigen“ verantwortlich sein und „eng mit dem Physiotherapiestudiengang kooperieren“ sollte. Für dieses Konzept erhielten Prof. Höppner und die mitwirkenden Studierenden, darunter auch Jan Ahrens, Carsten Braun und Lena Karnatz, damals finanzielle Mittel aus einem Frauen- und Innovationsförderpool, und eröffneten mit deren Hilfe im Januar 2006 die CampusPraxis im Untergeschoss des von der FH angemieteten Gebäudes im Heikendorfer Wegs 29, das heute Seminarräume des Fachbereichs Medien beherbergt. Doch der Anfang war schwer. „Es war gar nicht so einfach, sich für eine Rechtsform zu entscheiden“, erinnert sich Jan Ahrens. Letztlich fiel die Wahl zunächst auf einen Das Team der CampusPraxis arbeitet nicht nur zusammen, sondern ist auch befreundet: Carolin Schmidt, Carsten Braun, Lena Karnatz, Jan Ahrens und Anna-Christin Kokot (v. l.). 72 viel. ausgabe elf Darüber hinaus musste sich die CampusPraxis bei ihrer Gründung erst einmal einen Namen machen und einen Patientenstamm aufbauen: „Die ersten vier Monate bestand unsere Arbeit vorwiegend aus Telefondienst. Wir mussten uns alle zusätzlich noch mit anderen Jobs über Wasser halten“, erzählt Jan Ahrens. Aber dies sei auch eine Besonderheit der CampusPraxis: Denn nur selten machten sich Physiotherapeutinnen und -therapeuten direkt nach ihrem Abschluss selbstständig. Die meisten bauten sich zunächst in einer Anstellung ihr Klientel auf und wagten dann den Schritt in die eigene Praxis. Bis sich die drei, die seit Studienzeiten eng befreundet sind, finanziell keine Sorgen mehr machen mussten, verging einige Zeit, aber aufgeben kam für sie nicht in Frage: „Wir hatten das Projekt zusammen auf die Beine gestellt und wollten es auch zusammen durchziehen.“ Beruf und Freundschaft miteinander zu verbinden, ist das nicht gefährlich? Doch, pflichtet Jan Ahrens bei, und es habe durchaus auch schwierige Zeiten gegeben. Besonders als die Praxis erfolgreicher wurde, immer mehr Patientinnen und Patienten kamen und die Auslastung sich erhöhte, kam es zu Diskussionen über die Arbeitsaufteilung. Auch die Zielsetzung der drei entwickelte sich phasenweise in unterschiedliche Richtungen: Während einer die Praxis noch weiter vorantreiben wollte, wollte der andere beispielsweise für die Familiengründung beruflich „Wir hatten das Projekt zusammen auf die Beine gestellt und wollten es auch zusammen durchziehen.“ kürzertreten. Es habe ein paar Mal krachen müssen, bis jeder seinen Platz und seine Aufgaben gefunden habe. Dafür laufe es heute so gut wie nie, auf allen Ebenen. Die CampusPraxis hat viel zu tun und das Klientel ist durch den Standort Dietrichsdorf sehr vielfältig, was dem Team sehr gut gefällt. Die CampusPraxis: ein FH-Nachbar, der nicht nur für die Angestellten, sondern auch für Studierende interessant sein könnte. Denn Rückenschmerzen und Verspannungen sind auch für junge Leute immer mehr ein Thema, weiß Jan Ahrens. Woran das liegt? „Ich habe manchmal das Gefühl, dass der Druck auf Studierende sowie Berufseinsteigerinnen und -einsteiger immer mehr wächst. Sie tragen quasi ein schweres Paket auf dem Rücken“, glaubt der 38-Jährige. Hinzu komme die viele Arbeit an Schreibtisch, Computer und Smartphone. Für den Studien- und Arbeitsalltag hat er ein paar Tipps: „Bewusste Auszeiten und schon kleine Veränderungen im Alltagsverhalten können Wunder bewirken. Beispielsweise auch mal im Stehen arbeiten, das Smartphone oder die Getränkeflasche in einem anderen Raum platzieren, so dass die routinierte Bewegung bewusst unterbrochen werden muss.“ Und falls das nicht reicht, ist der Weg vom Hörsaal in die CampusPraxis nicht weit. In eine Praxis, in der sich die Menschen auf Augenhöhe begegnen, in der Patientinnen und Patienten ernst genommen werden und sich auf Anhieb wohlfühlen können. Und leckeren Kaffee gibt es auch. Jan Ahrens führt eine Übung durch, die den Schmerz der „klassischen Last auf den Schultern“ lindern soll. Medizinisches Fachwissen und Empathie: Eine erfolgreiche physiotherapeutische Behandlung vereinigt beides gleichermaßen. Fotos: Frederike Coring Pia Höllwig, Studentin campusmagazin 73 „WIR SETZEN AUF NICHT AUF ABGRENZUNG“ I hr Büro ist hell und freundlich, farbige moderne Pop-ArtBilder hängen an den Wänden, zwei Tulpen in einer Vase schmücken ihren Schreibtisch, auf dem sich neben dem Computer ein paar Akten stapeln. „Ich bin gern hier“, sagt Britta Krüger lächelnd. Mit „hier“ meint die Alumna der Fachhochschule Kiel die Jugendarrestanstalt Moltsfelde bei Neumünster, die sie seit zwei Jahren leitet. plätzen und einem Garten mit Teich. Fast sieht es hier aus wie in einer Jugendherberge, wären da nicht der hohe, gut abgesicherte Zaun und die grünen massiven Türen ohne Klinken im Innern der Gebäude. Arrest klingt erst einmal nach Freiheitsentzug und harter Strafe. Ganz so ist es jedoch nicht, denn kürzlich erst wurde in Schleswig-Holstein ein neues Gesetz für den Jugendarrest verabschiedet. Ziel für die jungen Straffälligen: „ein „selbstverantwortliches Leben ohne weitere Straftaten.“ „Das ist genau unser Anliegen. Wir versuchen, sie auf diesem Weg zu unterstützen und auch Hilfen nach dem Arrest zu organisieren“, erklärt Britta Krüger. Doch Moltsfelde ist kein Gefängnis. „Wir wollen die Jugendlichen nicht wegsperren, sondern den Alltag hier mit ihnen gemeinsam organisieren. Wir möchten Vorbilder sein“, betont die Sozialpädagogin ihre eigene und die Arbeit ihrer 21 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Meist sind es junge Männer, die hier vorübergehend leben – einige für ein Wochenende, andere bis zu vier Wochen. Junge Frauen sind mit knapp über zehn Prozent in der Minderheit. „Wir wollen für alle da sein und arbeiten mit pädagogischen Konzepten“, schildert Britta Krüger. Dabei gehe es eher um Nähe als Distanz. Die Arrestanstalt – einzigartig in Schleswig-Holstein – liegt mitten im Grünen nahe des Outlet-Centers Neumünster: zwei relativ neue Backsteingebäude, umgeben von Sport- Nicht ganz so einfach. Denn die jungen Menschen zwischen 14 und 21 Jahren haben so einiges auf dem Kerbholz: Körperverletzung, Raub, Diebstahl oder 74 viel. ausgabe elf Kunstvolle Keramik in der Töpferwerkstatt: In ihrer Freizeit können sich die Jugendlichen ausprobieren. Britta Krüger strahlt Zuversicht aus – sie identifiziert sich mit ihrer Arbeit und hofft, dass die Jugendlichen ihr Leben noch in den Griff kriegen. Betrug. Vereinzelt sind auch welche darunter, die den Arbeitsauflagen des Gerichts nicht nachgekommen sind oder immer wieder die Schule schwänzten. Eine feste Struktur in Moltsfelde soll ihnen helfen. Handy und Fernsehen sind tabu, Alkohol und Drogen sowieso. Von Anfang an lernen die Jugendlichen einen strukturierten Start in den Tag kennen: um 6.45 Uhr selbstständiges Aufstehen und Duschen, um 7.20 Uhr Frühstücken, von 8.10 Uhr bis mittags Gruppen- bzw. Arbeitszeit. Längere Arbeitsgruppenphasen sind sie nicht gewohnt. „Deshalb zeigen wir ihnen nachmittags, was sie in ihrer Freizeit anstellen können“, erklärt die Anstaltsleiterin. „Auf dem Programm stehen Sport, Kunst oder auch Kochen. Außerdem haben wir natürlich keinen Hausmeister, Gärtner oder Putzhilfen. Wir machen alles selbst – und so manche und mancher hält zum ersten Mal einen Feudel in der Hand oder mäht den Rasen.“ Die Jugendlichen sind dabei ständig mit einer Betreuerin oder einem Betreuer zusammen, um bei Bedarf unterstützt zu werden. Außerdem werden sie im sozialen Training mit der harten Wirklichkeit konfrontiert. „Wir organisieren regelmäßig Gespräche mit Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Neumünster. Damit die Jugendlichen sehen, was auf sie zukommt, wenn sie ihr Leben nicht ändern.“ „Reden statt schlagen“ ist zum Beispiel ein Vorsatz, den das Team vermitteln möchte. Zu Britta Krügers Aufgaben zählt nicht nur ihre Verwaltungstätigkeit – sie arbeitet auch eng mit einem Netzwerk aus Gerichten und Jugendämtern zusammen. Mit Veranstaltungen und Fortbildungen für Externe, wie Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte oder Pädagogikfachkräfte versucht sie, über die Arbeit der Arrestanstalt aufzuklären. Außerdem kann sie mit ihrem Team in Moltsfelde immer wieder neue Erfahrungen sammeln und Ideen umsetzen. Natürlich könne im Alltag schon mal Frust aufkommen, aber es sei auch eine Herausforderung, an sich zu arbeiten und besser zu werden. „Wir müssen bereit sein, mit straffälligen Menschen umzugehen, und daran glauben, dass sie sich ändern können.“ Britta Krüger strahlt Zuversicht aus – so schnell lässt sie sich nicht unterkriegen. Sie bringt eine große Portion Energie und viel Geduld mit. Denn meist erfährt sie nicht, was aus den sogenannten Arrestantinnen und Arrestanten wird – ob sie später ein normales selbstverantwortliches Leben führen oder im Strafvollzug landen. „Ich wünsche mir mehr Feedback“, sagt sie, aber die Jugendämter seien hoffnungslos überlastet. Ursprünglich wollte Britta Krüger nach dem Abitur in Elmshorn Ethnologie studieren. Feldversuche in Afrika oder Südamerika lockten sie. Aber ihr Notendurchschnitt reichte nicht für den Numerus Clausus. So startete sie erst einmal an der Kieler Uni mit den Fächern Psychologie, Soziologie und Pädagogik. „Doch nach einem Jahr war mir klar, das ist es nicht. Ich bin knackig und schnell und wollte eine konkrete Vorstellung von meinem Beruf nach dem Studium.“ Also wechselte sie 1994 an die Fachhochschule Kiel. „Ich habe mich schnell auf die Soziale Arbeit im Strafvollzug sowie im Bereich Gesundheit konzentriert und sehr viel über soziale und juristische Strukturen, über psychische und körperliche Erkrankungen und über Suchtverhalten gelernt, und so außerdem viel über den Umgang mit Menschen und über ➢ campusmagazin 75 Fotos: Leevke Struck Die Türen in der Arrestanstalt haben keine Klinken. Über Nacht werden die Jugendlichen eingeschlossen. In Arbeitsgruppen sprechen die straffälligen Jugendlichen über ihre Zukunftsmöglichkeiten und halten die Ergebnisse auf Postern fest. Personalführung erfahren.“ Alles wichtige und notwendige Voraussetzungen für ihren jetzigen Berufsalltag. Wobei sich Britta Krüger nicht nur auf ihr Studium beschränkte: Sie engagierte sich in der Hochschulpolitik und wurde Fachschaftsvorsitzende. Auch heute ist sie in mehreren Berufsverbänden aktiv. „Ich möchte nicht nur an meinem Arbeitsplatz Lebensumstände verändern, sondern darüber hinaus auch die Arbeit selbst und gesellschaftliche Prozesse mitgestalten“, begründet sie ihr Engagement. Direkt nach ihrem Studium arbeitete sie in der Bewährungshilfe Elmshorn und leitete anschließend acht Jahre lang die Zugangsabteilung der Justizvollzugsanstalt. „Dort hatte ich mit straffälligen Erwachsenen zu tun. Und das war gut so – denn für den Umgang mit Jugendlichen war ich einfach noch zu jung, zu nah dran. Heute bin ich reifer und habe mehr Berufs- und Lebenserfahrung.“ Dazu beigetragen haben sicher auch die sechs Arbeitsjahre im Justizministerium. „Da war ich näher an der Politik dran – aber meine Arbeit verlief in festeren, größeren Strukturen. Dass ich hier in Moltsfelde eigenständiger und freier vorgehen kann, gefällt mir.“ Bei einem Rundgang zeigt Britta Krüger, wie gut und professionell die Arrestanstalt ausgerüstet ist. Die Jugendlichen können eine Bibliothek und einen Computerraum nutzen, es gibt eine Lehrküche, eine Werkstatt und eine Töpferei. Austoben können sie sich in der Sporthalle oder draußen auf einem Sportplatz und einem Beachvolleyballfeld. Alle Räume sind hell und modern möbliert. Nur die Gitter vor den Fenstern erinnern daran, dass hier nicht alle ein- und ausgehen dürfen. 76 viel. ausgabe elf Natürlich gibt es auch ein Besuchszimmer in Moltsfelde. Doch meist steht es leer. Zwar dürfen die Eltern einmal pro Woche nach ihren Kindern sehen, sie nehmen das Angebot jedoch kaum wahr. „Daran sehen wir, wie zerrüttet oft die Familien sind, aus denen unsere Jugendlichen kommen. Neulich hat ein Vater seinen 14-jährigen Sohn, der zwei Wochen bei uns war, nicht wieder aufnehmen wollen. So etwas kommt leider vor“, bedauert Britta Krüger. Auch wenn die 41-Jährige eine Teilzeitstelle mit 80 Prozent besetzt, macht sie klar, dass sie sich mit Moltsfelde mehr als einhundert Prozent identifiziert. „Mein Beruf ist mir sehr, sehr wichtig – aber natürlich habe ich auch Familie.“ Schon jetzt macht sie sich Gedanken, wie sie nächstes Jahr, wenn ihr Sohn in die Grundschule kommt, seine Nachmittagsbetreuung organisieren soll. „Arbeit, Familie, Freundinnen und Freunde stehen bei mir klar an erster Stelle, da habe ich nicht mehr so viel Zeit für Hobbies.“ Aber das Segeln hat sie nicht aufgegeben – immerhin war sie früher sogar im Vorstand der Segelsportgruppe der FH Kiel. „Außerdem habe ich mit dem Klavierspielen angefangen. Dabei kann ich herrlich abschalten.“ Last, not least möchte Britta Krüger noch einen Appell an die Studierenden der Fachhochschule Kiel loswerden. „Ich würde mich freuen, wenn sich mehr junge Menschen zutrauen würden, in unserem Bereich zu arbeiten, und auch vor Leitungspositionen nicht zurückschrecken.“ Sie zumindest hat das geschafft. Sigrid Werner-Ingenfeld Prof. Dr. Thomas Grabner, Fachbereich Wirtschaft Ü ber Worte und ihre Bedeutung für uns machen wir uns normalerweise kaum Gedanken, wir benutzen sie einfach. Meinen beruflichen Weg hat jedoch eines stark geprägt: „muda“. Es stammt aus dem Japanischen und bedeutet „Verschwendung“. Deren Vermeidung ist entscheidend, um Prozesse in Unternehmen zu optimieren. Kennengelernt habe ich diesen Begriff und die Philosophie, die dahintersteckt, als Abteilungsleiter eines schleswig-holsteinischen Maschinenbauunternehmens und seitdem begleitet er mich bei meiner Arbeit. Damals nahm ich zusammen mit einem Kollegen an einem Workshop in unserem amerikanischen Schwesterunternehmen teil, in dem eine japanische Unternehmensberatung die „MudaVermeidung“ als Kernelement ihres Konzeptes vorstellte. Danach werden nur solche Tätigkeiten und Abläufe als wertschöpfend angesehen, für die Kundinnen und Kunden auch zu zahlen bereit sind. Alle anderen sind per Definition Verschwendung und sollten abgeschafft werden – ein Gedanke, den alle Mitarbeitenden verstehen, sodass jede und jeder einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens leisten kann. Zurück in Deutschland übertrugen wir diese Philosophie und die damit verbundenen Konzepte mit viel Erfolg auf das eigene Unternehmen. Zeitgleich fand diese Denkhaltung, basierend auf dem Toyota-Produktionssystem, in Deutschland eine breite Öffentlichkeit unter dem Begriff „Lean Management“ . Wenig später habe ich mich gemeinsam mit einem Kollegen entschlossen, eine eigene Unternehmensberatung zu gründen, um dieses auch in anderen Unternehmen einzuführen. Heute versuche ich, meinen Studierenden diese „verschwendungsarme“ Denkhaltung zu vermitteln. Privat gehe ich mit diesem Begriff jedoch eher liederlich um. Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit in den Keller zu gehen, weil ich dort beim ersten Mal etwas vergessen habe. Foto: Andreas Diekötter, aufgezeichnet von Katja Jantz LIEBLINGSWORT viel.beschäftigt Foto: Harmut Ohm PROF. DR. KATRIN MAHLKOW-NERGE LEHRT SEIT DEM 1. AUGUST 2015 „TIERERNÄHRUNG“ AM FACHBEREICH AGRARWIRTSCHAFT Nach Abschluss der zehnten Klasse habe ich eine dreijährige „Berufsausbildung mit Abitur“ zur Zootechnikerin/Mechanisatorin absolviert – ein Bildungsweg in der DDR, der die Erlangung der Hochschulreife und des Facharbeiterbriefs gleichzeitig ermöglichte. Am Volkseigenen Zentrum Tierzucht in Velgast habe ich das Halten, Pflegen und Füttern von landwirtschaftlichen Großtieren wie Rindern und Schweinen sowie den Umgang mit entsprechenden Maschinen von der Pike auf gelernt. In Tag- und Nachtschichten und sogar am Wochenende musste ich dort neben den Lernphasen teilweise harte Knochenarbeit verrichten, aber das war mein Ding. Während dieser Zeit – die zu den schönsten meiner Jugend gehört – habe ich noch mehr gemerkt, dass ich die Kombination aus Praxis und Theorie in meinem Leben brauche. Foto: Laura Berndt PROF. DR. AYÇA POLAT LEHRT SEIT DEM 1. MÄRZ 2015 „SOZIALE ARBEIT MIT DEM SCHWERPUNKT INTERKULTURALITÄT“ AM FACHBEREICH SOZIALE ARBEIT UND GESUNDHEIT Als Einwandererkind habe ich schon von klein auf an miterlebt, dass Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Gesellschaft nicht immer die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben wie Deutsche. Bis heute gibt es eine große Diskrepanz in puncto Bildungsniveau, die mit Unterschieden im Einkommen, Lebensstandard, gesellschaftlichen Ansehen und der sozialen Sicherheit einher- geht. Darüber hinaus haben meine Eltern und ich auch klare Fälle von Ablehnung und Diskriminierung erlebt. Diese Erfahrungen haben mich als junger Mensch geprägt und in meinem Ehrgeiz bestärkt, etwas dafür zu tun, dass Minderheiten eine Chance auf gesellschaftliche, politische, ökonomische und kulturelle Teilhabe haben und als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft anerkannt werden. Foto: Laura Berndt PROF. DR.-ING. CHRISTOPH WREE LEHRT SEIT DEM 1. JANUAR 2015 „AUTOMATISIERUNGSTECHNIK“ AM FACHBEREICH INFORMATIK UND ELEKTROTECHNIK 78 viel. ausgabe elf Ich suchte nach einem angewandten Studiengang, der verschiedene Disziplinen vereinte und mir breite Einsatzmöglichkeiten bot. Außerdem wollte ich unbedingt während meiner Studienzeit in spannenden Firmen arbeiten und eine längere Zeit ins Ausland – Elektrotechnik erschien mir dafür die beste Wahl. Rückblickend war ich durch mein Studium in meiner Berufswahl immer offen und als Diplomingenieur im Ausland sehr geachtet. Diese Erfahrung durfte ich in New Jersey machen, wo ich fünf Jahre mit meiner Familie gelebt und für das amerikanische Unternehmen Discovery Semiconductors gearbeitet habe. Die Ausbildung in Deutschland ist ein Qualitätsmerkmal, unser interdisziplinäres Denken und Vernetzen werden sehr geschätzt. Die vollständigen Interviews können unter www.fh-kiel.de/berichte/neu eingesehen werden. VIEL.ERLEI PREISE Medienstudenten siegen in Salt Lake City Foto: privat Im Rahmen des diesjährigen DUG-Treffens („Digistar Users Group“) vom 10. bis 18. August in Salt Lake City gewannen Fabian Schrader, Jan Figura, Ruben Wünsche und León Kobzik, Studenten vom Fachbereich Medien, den ersten Preis des DUGAwards. Mit ihrem 360-Grad-Computerspiel „Xur“ setzten sie sich gegen 16 weitere Beiträge durch. FH-Kiel-Rennwagen Baltic Thunder erreicht vierten Platz bei Gegenwindrennen Beim achten internationalen Wettbewerb Racing Aeolus für windbetriebene Fahrzeuge verpasste die FH Kiel nur knapp einen Medaillenplatz. In diesem Jahr traten bei dem einwöchigen Event in Den Helder (Niederlande) zehn Fahrzeuge aus fünf Nationen an. Dabei legten die Boliden nach einer kurzen Beschleunigung eine 250 Meter lange Rennstrecke gegen den Wind zurück. Entscheidend war das durchschnittliche Verhältnis von Fahrt- zu Windgeschwindigkeit in Prozent. In der neuen Disziplin der ‚Drag Races‘, bei denen 50 Meter aus dem Stand gefahren werden sollten, erreichte das Kieler FH-Team den dritten Platz. Erfolge bei 5. Nordeuropäischer E-Mobil Rallye Mit zwei Rennteams ging die FH Kiel im Juni bei der 5. Nordeuropäischen E-Mobil Rallye an den Start. Dabei verteidigten Freerk Schaefer und Zeno Müller, Masterstudenten der Elektrischen Technologien des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik, im Peugeot iOn den Titel der Hochschul-Cup-Klasse erfolgreich und erhielten den Sonderpokal Gleichmäßigkeitswertung Eco-Cars. Sie fuhren in der Gesamtwertung auf den zweiten von insgesamt 30 Plätzen. Guido Daun und Migen Bebeti, Bachelorstudenten der Mechatronik, belegten mit dem gleichen Fahrzeugmodell den zwölften Platz und bekamen den Sonderpokal Slalom Eco-Cars überreicht. In nur zwei Tagen legten die Teams eine Strecke von 331 Kilometern durch Schleswig-Holstein und Dänemark zurück und stellten sich dabei verschiedenen Orientierungsaufgaben und Leistungsprüfungen. Jan Figura, Fabian Schrader, León Kobzik (v. l.) und Ruben Wünsche (fehlt auf dem Bild) entwickelten, konzipierten und programmierten als erstes studentisches Projekt dieser Art das Spiel „Xur“. HOCHSCHULE Rekordzahl bei Erasmus + 110 FH-Studierende absolvieren einen Teil ihres Studiums oder Praktikums im Hochschuljahr 2015/16 an einer der über 75 Erasmus-Partnerhochschulen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Austauschprogramms Erasmus + zieht es in insgesamt 16 verschiedene Länder. Zu den beliebtesten Zielen gehören Spanien (21), die Türkei (17) und Norwegen (15). Am mobilsten sind die Studierenden des Fachbereichs Medien. Der Grund: neue, attraktive Kooperationen im Baltikum. FH Kiel erhält Zertifikat zum audit familiengerechte hochschule Für ihr Bemühen um eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie ist die FH Kiel im Juni mit dem Zertifikat zum audit familiengerechte hochschule ausgezeichnet worden. Dieses wurde von der berufundfamilie gGmbH – einer Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung – in Berlin erteilt. Zuvor hatte die Hochschule erfolgreich das audit-Verfahren durchlaufen und dabei familienbewusste Ziele und Maßnahmen beschlossen, von denen etwa 450 Beschäftigte und 7.000 Studierende seit August 2014 profitieren. So wurde beispielsweise ein Familienservicebüro zur Beratung aller Hochschulangehörigen und Umsetzung des Projekts gegründet sowie ein Eltern-Kind-Raum eingerichtet. Bis zur Re-Auditierung im August 2017 plant die FH Kiel eine transparente Regelung von Heimarbeitsmöglichkeiten und die Ausschöpfung der Spielräume für eine familiengerechte Studien- und Prüfungsgestaltung. Erfolgreicher Abschluss der „Maschinenhaus“-Initiative Im Juni schloss die FH Kiel die Initiative „Maschinenhaus – Campus für Ingenieure“ des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mit der offiziellen Zertifizierung erfolgreich ab. Diese unterstützt Fakultäten und Fachbereiche des Maschinenbaus und der Elektrotechnik bei der Verbesserung ihrer Lehre, der Senkung der Studienabbruchquoten und der Realisierung von mehr Studienerfolg. Im Rahmen des dazugehörigen Wettbewerbs „Bestes Maschinenhaus 2015“ wurden der Fachbereich Maschinenwesen und das Team MeQS | Hochschuldidaktik am Wettbewerb bereits im Mai für ihre Konzepte zur Verbesserung der Lehre und Erhöhung des Erfolgs im Maschinenbaustudium als „Maschinenhaus 2015“ ausgezeichnet. Baltic-Thunder- und Raceyard-E-Projekte erhalten Spende Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) spendete den Rennteams des Fachbereichs Maschinenwesen der FH Kiel, Baltic Thunder und Raceyard-E, im Juli jeweils 2.500 Euro. Das Geld soll dazu beitragen, sowohl die technische Forschung und Entwicklung als auch den Nachwuchs im Bereich der In- campusmagazin 79 Foto: VDMA / Frank Molter VIEL.ERLEI Zertifikatsverleihung Maschinenhaus-Initiative: Ein Windauto und ein elektrisch betriebener Rennwagen – Projekte wie „Baltic Thunder“ und „Raceyard“ bringen Praxisbezug in das Studium an der FH Kiel. genieurwissenschaften voranzubringen, das Engagement der Kieler Studierenden sowie ihr Interesse an herausfordernden Projekten zu fördern und ihnen dabei zu helfen, erste Kontakte zur Berufswelt zu knüpfen. FH Kiel baut Kooperation mit Georgien aus Der FH Kiel stehen in den kommenden zwei Jahren rund 43.000 Euro für die Hochschulkooperation mit der Ivane Javakhishvili Tbilisi State University in Georgien zur Verfügung. Im Juli genehmigte die Nationale Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD den FH-Antrag, mit dem Austauschmaßnahmen von Studierenden und Lehrenden außerhalb Europas finanziell unterstützt werden können. Hochschulbibliothek erhält Förderbescheide Für die Sicherung und den Erhalt historischen Schriftguts übergab die Landesregierung Schleswig-Holsteins der FH Kiel im Juli Förderbescheide über rund 17.000 Euro. Die Mittel dienen der Entsäuerung, Restaurierung und Dekontaminierung von Büchern und Handschriften. Gleichzeitig zielt die Landesregierung mit dieser Strategie auf eine langfristige Sicherung digital publizierter wissenschaftlicher Texte. STUDIUM FH Kiel mit neuem Masterstudiengang Im September startete der neue Masterstudiengang „Information Engineering“, ein gemeinsames Angebot der 80 viel. ausgabe elf Fachbereiche Informatik und Elektrotechnik sowie Wirtschaft. Damit reagierte die Hochschule auf aktuelle Anforderungen des Arbeitsmarkts: In Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung benötigen Unternehmen verstärkt Fachleute für komplexe IT-Infrastrukturen. Studierende des viersemestrigen englischsprachigen Studiengangs können sich künftig in den Gebieten Intelligent Systems, IT-Security, Information Technology and Systems Development sowie Business-IT-Management spezialisieren. Fortsetzung des schleswig-holsteinischen Hochschulprojekts LINAVO Nach der erfolgreichen Probephase im Wintersemester 2014/15 können die staatlichen Fachhochschulen Kiel, Lübeck und Westküste (Heide) sowie die EuropaUniversität Flensburg ihr gemeinsames Projekt LINAVO („Offene Hochschulen in Schleswig-Holstein: Lernen im Netz, Aufstieg vor Ort“) fortsetzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Europäische Sozialfonds (ESF) bewilligten dafür im März insgesamt gut 3,3 Millionen Euro an Fördergeldern. Bis 2017 entwickeln die Hochschulen vier weitere berufsbegleitende Onlinestudiengänge: „Medizintechnik“, „Baumanagement“, „Educational Studies – Train the Trainer“ sowie „Regenerative Energietechniken“. Bisher bieten 29 Module aus den Bereichen Maschinenbau, Tourismusmanagement, Maritime Wirtschaft und Food Processing die Möglichkeit, ein Onlinestudium in ganz unterschiedlichen Lebensphasen und -situationen erfolgreich zu starten. Stapellauf des Partnerprogramms „Gemeinsam Segel setzen“ Um den Praxisbezug im Studium zu erhöhen, qualifizierte Nachwuchskräfte zu fördern und diese in der Region zu halten, rief der Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Kiel im Mai ein Partnerprogramm mit schleswig-holsteinischen Unternehmen ins Leben. Unter dem Motto „Gemeinsam Segel setzen“ können Studierende künftig über vier Bausteine in die Unternehmen mit eingebunden werden: über ein Mentoring, ein Stipendium, ein Werkstudium und „Punktuelles“, wie die Förderung von Auslandsaufenthalten, gezielte Trainings oder Projekte. PERSONALIEN FH-Professor wird Vorsitzender des Fachbereichstages Agrar Prof. Dr. Martin Braatz, Dekan des Fachbereichs Agrarwirtschaft, wurde im Februar auf der 20. Sitzung des Fachbereichstages Agrar in Bingen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der Fachbereichstag ist die hochschulpolitische Interessenvertretung aller Fachhochschulen mit agrarwissenschaftlichen Studiengängen in Deutschland. Senatsehrungen Gleich vier Ehrungen nahm der Senat der FH Kiel auf seiner Sitzung im Juni vor. Für seine Verdienste um die Hochschulen des Landes Schleswig-Holstein im Allgemeinen und der FH Kiel im Besonderen wurde Prof. Dr. Herbert Zickfeld zum Ehrensenator ernannt. Mit der Ehrenbürgerwürde wurde Manfred Rieper für sein ausgeprägtes Engagement ausgezeichnet. Er war nicht nur langjähriges Mitglied des Senats und anderer Ausschüsse der Hochschule, sondern auch 20 Jahre im Personalrat tätig, elf davon als erster Vorsitzender. Seit über 75 Semestern engagiert sich Dr. Hans-Siegfried Grunwaldt am Fachbereich Agrarwirtschaft – zunächst als Lehrbeauftragter im Fach Chemie, später als Gestalter und Betreuer des Agrikulturchemischen Praktikums und zuletzt in der Betreuung von Projekten im Modul Pflanzenernährung. Dafür verlieh ihm der Senat die Hochschulmedaille. Dr. Reimer Mohr wurde zum Honorarprofessor ernannt. Er ist seit 2009 am Fachbereich Agrarwirtschaft tätig und lehrt dort im Bereich der Marktlehre sowie der Internationalen Märkte und Agrarpolitik. KULTUR Rückblick Bunker-D Neben einer großen Jubiläumsausstellung gab es im vergangenen halben Jahr die Werke vierer Künstlerinnen und Künstler bestaunen. Den Anfang machte im März Vladimir Sitnikov, der unter dem Titel „20 Jahre Arbeit – geht so“ Ölbilder aus den Jahren 1995 bis 2015 in einer völlig neuen Zusammenstellung präsentierte. Bildwelten des Kieler Künstlers, die von Phantasie, vielfältigen malerischenTechniken, unterschiedlichen inhaltlichen Themensetzungen, eindrucksvoller Farbigkeit und vor allem einem, selbst bei den surrealen Bildern immer wieder zu sehenden Realitätsbezug geprägt sind. Im April begab sich der Bunker-D mit „50 Ausstellungen im Bunker-D“ auf Spurensuche. Zum Jubiläum vereinten sich Reminiszenzen und Fragmente aller 66 Künstlerinnen und Künstler, deren Werke es seit 2006 in die Galerie geschafft hatten. Zeitgleich erschien auch das erste Bunker-Buch, das den Rückblick auf 50 Ausstellungen auf Papier festhält. ANKÜNDIGUNGEN Fachhochschulinfotage Studieninteressierte können sich am 2. und 3. November anlässlich der Fachhochschulinfotage (FIT) umfassend über alle an der FH Kiel angebotenen Studiengänge informieren. Am 2. November stellen sich zunächst die Fachbereiche Informatik und Elektrotechnik, Maschinenwesen sowie Medien vor. Einen Tag später präsentieren die Fachbereiche Soziale Arbeit und Gesundheit sowie Wirtschaft ihr Studienangebot. An beiden Tagen findet jeweils von 11 bis 13 Uhr ein Vorprogramm zum Thema „Studienfinanzierung und Arbeitsmarktperspektiven: Studieren lohnt!“ statt. Informationen und Anmeldungen: www.fh-kiel.de/fit. In ihrer Ausstellung „In der Spur – oder?“ zeigte Helga Helmig im Mai eine Auswahl an Bildern und Objekten, die ihre Überlegungen zur facettenreichen Natur ausdrückten. Ihre Werke prägte sie zum Teil durch expressive Farbgebung, grafische Elemente und die Verarbeitung von Strukturmassen auf der Leinwand. Die Sonderausstellung „Drahtseilakt“ bescherte den Gästen im Mai ein spektakuläres Erlebnis. An einem Wochenende konnten sie überdimensionierte freischwebende Bilder von Wolfgang Defant im Audimax betrachten. Unter anderem wurde ein elfteiliges, insgesamt acht Meter langes Requiem für François Villon aus dem Jahr 2011 an einem gespannten Netz aus Stahlseilen unter der Hallendecke montiert. 17. Bunkerwoche Mit der Vernissage „COMPRESSIONS – affecting the global demand“, einer Ausstellung, die Bilder, Videos, Klänge, Objekte und Bücher des Bremer Medienkünstlers Michael Weisser präsentiert, eröffnet Kanzler Klaus Heinze am 15. Oktober um 18 Uhr die siebzehnte Bunkerwoche. Bis zum 21. Oktober bietet das Kultur- und Kommunikationszentrum Bunker-D ein abwechslungsreiches Programm voller literarischer, musikalischer, kulinarischer und kultureller Highlights. www.bunker-d.de „Kunst läuft durch das Leben“ von Volker Huschitt eröffnete im Juli. Die Werkschau nahm Gäste mit auf eine Reise durch die Foto: Wolfgang Defant Firmenkontakttag 2015 „Die Nacht“ von Wolfgang Defant Am 4. November findet der 24. Firmenkontakttag statt. Unter dem Motto „Zukunft Ahoi“ können Studierende Kontakt zu Unternehmen knüpfen, Praktikumsplätze, Thesis-Stellen oder sogar ihren Berufseinstieg finden. Über 90 Firmen aus unterschiedlichen Branchen haben sich dieses Jahr angekündigt. www.firmenkontakttag.de Krabbelrunde Das Familienservicebüro lädt den jüngsten FH-Nachwuchs zusammen mit seinen Eltern am 20. November von 9 bis 10 Uhr zu einer „Krabbelrunde“ in den ElternKind-Raum in der Grenzstraße 17 ein. Das Treffen dient dem gegenseitigen Kennenlernen und richtet sich an Beschäftigte mit Kleinkindern bis zwei Jahre. Hinweis: Es handelt sich hierbei um eine nicht-dienstliche Veranstaltung. Fragen und Anmeldungen: [email protected]. Regionalkonferenz zur offenen Kinderund Jugendarbeit Das Netzwerk der Offenen Kinder- und Jugendarbeit lädt am 9. November zu der Regionalkonferenz „Kommunaler Mehrwert Offener Kinder- und Jugendarbeit“ von 17 bis 20 Uhr in das Audimax der FH Kiel ein. Die Veranstaltung richtet sich an Vertreterinnen und Vertreter der Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde und Ostholstein sowie der Städte Kiel und Neumünster. Gemeinsam sollen der Mehrwert dieses Bereichs der Bildungsarbeit für die Kommunen diskutiert und Perspektiven entwickelt werden. Die Anmeldung erfolgt an Anja Seelig: [email protected]. Workshop „Aktivierende Lehre – Methoden und Strategien“ Im Rahmen des Projekts MeQS bietet die FH Kiel gemeinsam mit ihren Verbundpartnern, der FH und der Europa Universität Flensburg, Lehrenden der drei Hochschulen den Workshop „Aktivierende Lehre – Methoden und Strategien“ am 17. November von 9 bis 13 Uhr im Heikendorfer Weg 31 an. Dieser demonstriert Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie die Aktivierung von Studierenden in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen gelingen kann und sie diese im Aufbau berufsrelevanter, flexibel einsetzbarer Kompetenzen unterstützen können. Anmeldungen bis zum 3. November: [email protected] oder www.fh-kiel.de/meqs-anmeldung. Vierte Kieler Kindheitspädagogische Abendvorlesungen Zum letzten Mal in diesem Jahr lädt der Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit im Rahmen der vierten Kieler Kindheitspädagogischen Abendvorlesungen am campusmagazin 81 VIEL.ERLEI 10. November von 16 bis 17.30 Uhr zu einem Dialog im Großen Hörsaalgebäude der FH Kiel ein. Die Veranstaltung „Qualitätsentwicklung – eine unendliche Geschichte? Aber ja!“ gibt unter anderem einen Überblick über die Diskurse um Qualität bezüglich Kindertageseinrichtungen und zeigt Praxisbeispiele. Sie richtet sich an pädagogische Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen, Eltern, Lehrkräfte, Studierende sowie die interessierte Öffentlichkeit. Veranstaltung „soundtrack leben“ Gemeinsam mit dem Masterstudiengang Musiktherapie der Hochschule für Musik und Theater Hamburg veranstaltet der Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit am 20. November im Rahmen der Interdisziplinären Wochen einen ganztägigen fachübergreifenden Austausch unter dem Motto „soundtrack leben“. Angeboten werden Workshops zu Themen wie Soundscape, Improvisation ohne Instrumente, Musik im Lebenslauf, Kommunikation und Kontakt bei Demenz und Kreative Musikanalyse. Die Veranstaltung richtet sich an Hochschulangehörige, Fachpersonal und die interessierte Öffentlichkeit. Informationen und Anmeldungen: https://ida.fh-kiel.de. Kieler Prozessmanagementforum 2015 Die Veranstaltung des Fachbereichs Wirtschaft findet am 18. Dezember von 10 bis 17 Uhr im Audimax der FH Kiel statt. Details: www.fh-kiel.de/kpmf. Tagung „Bewegtbilder 2015“ In der Wahrnehmung, Verarbeitung und Speicherung bewegter (interaktiver) Bildtypen greifen Menschen auf ihren Geist und Körper zurück: Sie entschlüsseln zum Beispiel Zeichen und Symbole, werden eins mit den Bewegungen ihrer Avatare oder tauchen immer tiefer in mediale Welten ein. Welche mentalen und körperlichen Prozesse an diesen Phänomenen beteiligt sind und wie diese durch Bilder gesteuert werden können, diskutiert die Tagung „Bewegtbilder 2015: Perzeption – Rezeption – Interaktion. Spielarten und Ausprägungen der Verarbeitung von Medienbildern“ am 19. und 20. November im Senatssaal – jeweils ab 9.45 Uhr. Sie wird von der Forschungsgruppe Bewegtbildwissenschaft Kiel, einer Kooperation des 82 viel. ausgabe elf Fachbereichs Medien der FH Kiel mit dem Institut für Kunst-, Design- und Medienwissenschaften der Muthesius Kunsthochschule, organisiert. Informationen: www.bewegtbildwissenschaft.de. Ehemaligentreffen Fachbereich Medien Das Alumni- und Fördernetzwerk mediaproducer.net e. V. des Fachbereichs Medien veranstaltet am 21. November das jährliche Ehemaligentreffen. Nach der Mitgliederversammlung um 13 Uhr werden die Studios und Labore vorgeführt und ausprobiert, bevor es ab 18.30 Uhr zum großen Zusammenkommen in den BunkerD geht. Die Veranstaltung richtet sich an Alumni, Studierende, Lehrende sowie Fördermitglieder. Programminformationen, Anmeldungen und Teilnahmekosten: www.mediaproducer.net. Siebter Kieler Tag der Wirtschaftsinformatik Die FH Kiel, die CAU zu Kiel und die Berufsakademie der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein veranstalten am 26. November von 10 bis 15.30 Uhr im Audimax der FH Kiel den siebten Kieler Tag der Wirtschaftsinformatik. Die Veranstaltung soll Schülerinnen und Schülern einen Eindruck von der Wirtschaftsinformatik vermitteln und ihnen einen Einblick in das diesbezügliche Studienangebot der drei Institutionen verschaffen. Informationen: www.tag-der-wirtschaftsinformatik.de. Die 13. IdW Vom 9. bis 21. November können Studierende und Lehrende aller sechs Fachbereiche sowie Angestellte der Hochschule in den Interdisziplinären Wochen in Vorträgen, Workshops, Kursen oder Exkursionen Einblicke in die Inhalte anderer Studienbereiche erhalten. Der interdisziplinäre Ansatz schafft neue Perspektiven und fördert die Fähigkeit, strategisches Denken mit Fachwissen zu verbinden. https://ida.fh-kiel.de Impressum Herausgeber Präsidium der Fachhochschule Kiel Sokratesplatz 1, 24149 Kiel Redaktion dieser Ausgabe Chefredakteurin – Katja Jantz Art-Direktorin – Prof. Heidi Kjär Layoutchefin – Petra Langmaack Layout – Philipp Alker, Christian Beer, Tatjana Grüner, Christoph Klipp, Clarissa Küpper, Petra Langmaack, Marleen Osbahr Fotos und Illustrationen – siehe Bildnachweis Redaktionelle Mitarbeit Laura Berndt, Stephanie Degenhart, Pia Höllwig, Laura Duday, Joachim Kläschen, Prof. Dr. Patrick Rupert-Kruse, Lene Rusbült, Bob Weber, Sigrid Werner-Ingenfeld Prepress Martin Schröder Sitz der Redaktion Heikendorfer Weg 29, 24149 Kiel Telefon: 0431 - 210 10 24 E-Mail: [email protected] Druck nndruck Am Kiel-Kanal 2, 24106 Kiel Redaktionsschluss dieser Ausgabe Juli 2015 viel. erscheint zweimal pro Jahr, Auflage dieser Ausgabe: 6.000 Exemplare Titelfoto Andreas Diekötter Der Nachdruck von Textbeiträgen ist unter Quellenangabe kostenlos. Die Redaktion erbittet Belegexemplare. ENHANCED ENHANCEMENT ch stehe vorm Spiegel. Höre meine Tochter um Hilfe schreien. Erinnere mich an die wenige Stunden entfernte Deadline für einen zugesagten Artikel. Und sehe „couch body“ statt „beach body“. Doch um meine Tochter aus ihrem Toilettenpapiermumienkostümdilemma zu befreien, fehlt mir die Zeit. Für den Artikel fehlt mir die Ruhe. Und für Sport fehlt mir die Motivation … „Human Enhancement“ ist das Zauberwort. Der Terminus bezeichnet die Steigerung der menschlichen Leistungsfähigkeit oder genauer: Die Verbesserung von Körper und Geist durch elektronische Hilfsmittel. Also bestelle ich mir ein Paar Smartglasses, eine Smartwatch und installiere nach ausgiebiger Recherche einige vielversprechende Apps. Über die Standortabfrage aktiviert sich in der Mensa automatisch Im2Calories, ein Programm, mit dessen Hilfe sowohl bei realem Essen als auch bei Lebensmittelfotos Kalorien von Mahlzeiten bestimmt werden können. Meine Glasses zeigen 995 kcal für den Mensa-Burger mit Pommes an. Nach den ersten Bissen vibriert meine Smartwatch so stark, dass ich mein Essen über den Tisch verteile. Nike Training Club meldet sich und fordert 15 Klappmesser. Ich bleibe sitzen. Plötzlich spüre ich einen stechenden Schmerz: Meine Uhr stupst mich an. „15 Klappmesser“ teilt mir das Display mit. „Sofort!“ Ich kapituliere ... Inzwischen sind 30 Emails eingegangen und größtenteils durch die App MailAssist bearbeitet worden. Die Software leitet lediglich die wichtigsten Mails an mich weiter, alle anderen verwaltet sie autonom. So beantwortete sie diverse Phishing-Mails einer gewissen Sonja Schneider („Sehr geehrte Frau Schneider, danke … leider mitteilen, dass Herr … verheiratet ist … Teilnahme an Ihrem Service XXXPartner verzichtet …“) und schickte dem Fake-Kundencenter der Sparkasse meine Kontodaten. Darüber hinaus hat sie in meinem Namen neun Zusagen zu wissenschaftlichen Artikeln und Vorträgen für den kommenden Monat ausgesprochen. Danach synchronisierte sich mein Kalender mit dem Wecker, stellte ihn auf 4 Uhr morgens und reservierte mir von 22 bis 24 Uhr einen Heimarbeitsblock. Seufzend installiere ich WordSmith, ein smartes Textverarbeitungsprogramm, und werde von nun an kein Skript, keinen Artikel oder Vortrag mehr selbst schreiben müssen … Als ich nach Hause komme, rast meine Tochter auf ihrem von einer selbst gebauten überdimensionalen Schleuder abgeschossenen Bobbycar an mir vorbei und knallt gegen die Badezimmertür. Sie weint eine Sekunde, dann fordert sie mich lachend auf, ihre Mutter und Schwester zu suchen. Es gelingt mir nicht. Ich aktiviere ToddlerCNTRL, eine Augmented-Reality-App, die Eltern „in schwierigen Situationen mit ihren Kleinkindern“ helfen soll. Aus Versehen aktiviere ich kurz Im2Calories und erfahre, dass meine Tochter meinen Kalorienhaushalt für zwei volle Tage decken würde. Dann analysiert ToddlerCNTRL die Situation und navigiert mich quietschebunt durch ein dreistündiges Babykatzen-Piraten-Teegesellschaft-VaterMutterKind-Rollenspiel, an dessen Ende mir meine Tochter endlich das Versteck verrät. Prof. Dr. Patrick Rupert-Kruse Illustration: Christian Beer I Bestelladresse Campusredaktion, Heikendorfer Weg 29, 24149 Kiel campusredaktion@fh - kiel.de
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